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Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2010, als pdf-Datei

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8 BeiträgeGottlieb Fiala (1891–1970)2/10Von <strong>der</strong> Qualität<strong>der</strong> Reden und RednerDer Autor hat zwar in seiner JugendKoplenig, Fischer und Honner <strong>als</strong> Rednernoch selbst erlebt, zumeist am 1. Mai, eineEinschätzung ihrer Fähigkeiten aufdem Gebiet (und <strong>der</strong> von Elser, Fiala undScharf) muss sich aber auf die gedrucktenTexte <strong>der</strong> stenographischen Protokollestützen. Sie sind insofern nicht ganzwortgetreu, <strong>als</strong> man laut Geschäftsordnung24 Stunden Zeit hatte, die Nie<strong>der</strong>schriften<strong>der</strong> Parlamentsstenographen„zwecks stilistischer Korrektur“ zu überarbeiten,ohne sie inhaltlich zu verän<strong>der</strong>n.61 Das ist auch absolut notwendig,denn selbst dem perfektesten freien Rednerunterlaufen grammatikalische undsyntaktische Fehler. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> schon einmaldas zweifelhafte Vergnügen hatte,einen Tonbandmitschnitt zu transkribierenund genötigt war, den Wortlaut in akzeptablemDeutsch für den Druck aufzubereiten,weiß das.Im Parlament war das Herunterlesenvom Blatt einst ausdrücklich verbotenund ist nach wie vor zumindest verpönt.Nur die Benützung von Notizzetteln mitStichworten und das Zitieren aus Textenist legitim und dem rhetorischenVerhaltenskodex eines/einer Abgeordnetenangemessen.Vertieft man sich in die stenographischenProtokolle, dann steht von <strong>der</strong>Rednerqualität her Ernst Fischer an ersterStelle, nicht nur innerhalb <strong>der</strong> KPÖ-Fraktion, son<strong>der</strong>n unter allen Mandatarenim Hause. Er hatte die Gabe, komplizierteSachverhalte auf den Punkt zubringen, unnötige Wortkaskaden,Schachtelsätze und Abschweifungen zuvermeiden und den jeweils prägnantestenAusdruck zu gebrauchen. Die intellektuelleÜberlegenheit und profundeBildung, die er den an<strong>der</strong>en voraushatte,brachte er allerdings gerne zur Geltung,was die min<strong>der</strong> fähigen Abgeordneten<strong>der</strong> übrigen Parteien oft ärgerte und zuAngriffen unter <strong>der</strong> Gürtellinieveranlasste. Im Allgemeinen aber bewun<strong>der</strong>teund beneidete man ihn heimlichob seiner Redekunst.Ein in an<strong>der</strong>er Weise sehr guter Rednerwar Franz Honner. Er überzeugte durchsein leidenschaftliches Eintreten für dieAnliegen <strong>der</strong> arbeitenden Menschen.Weil von cholerischem Temperament,wurde er durch Zwischenrufe immerwie<strong>der</strong> gezielt provoziert, die er aberschlagfertig zu parieren verstand. DerVdU-Abgeordnete Fritz Stüber schil<strong>der</strong>teeine solche Szene: „Wenn nämlich dieAbgeordneten <strong>der</strong> KPÖ die alte Klageleieranstimmten, dass die Kapitalistenzuwenig Steuer zahlten, dann scholl ihnenim Chor regelmäßig <strong>der</strong> Zwischenrufentgegen: ‚USIA‘. (...) Als daherdem Kommunisten Honner wie<strong>der</strong>einmal von einem ÖVP-Mandatar, <strong>der</strong>fäusteschüttelnd wütend von seinem Sitzaufsprang, <strong>der</strong> bekannte Zwischenruf gemachtwurde, antwortete ihm jener mitgroßer Ruhe: ‚Schrein S’ dreimal‚USIA‘ und setzen S’ sich wie<strong>der</strong> hin!‘Honner hatte zwar nicht das Recht, aberdie Lacher auf seiner Seite.“ 62Viktor Elser sprach immer streng zurSache, ohne rhetorische Schnörkel undaußertourliche polemische Attacken. Erwurde deshalb auch fast nie durch Zwischenrufegestört – bei den Kommunisteneine Seltenheit. Seine Debattenbeiträgezu sozial- und arbeitsrechtlichenFragen lesen sich wie Referate eines Dozentenauf Gewerkschafts- und Betriebsräteseminaren,sind aber vom Inhalt herungewöhnlich informativ. Experten aufdem Gebiet ebenso wie SozialhistorikerInnenkönnten, wenn sie wollten, auchheute noch daraus Nutzen ziehen.Johann Koplenig war die Rednergabenicht in die Wiege gelegt, ein Mangel,über den er selbst Bescheid wusste und<strong>der</strong> seine relative Zurückhaltung beimWortergreifen erklärt. Er glich dieseSchwäche durch seine respekteinflößendePersönlichkeit und die glühende Parteinahmefür die Interessen <strong>der</strong> Werktätigenaus, die man bei ihm <strong>als</strong> Kommunistenmit Leib und Seele im Parlament verspürte– obwohl das nicht <strong>der</strong> Ort war,wo er sich son<strong>der</strong>lich wohl fühlte. Typenwie die „Kapitalistenlakaien“ in den Reihen<strong>der</strong> ÖVP und SPÖ, ganz zu schwei-gen von VdUlern wie Karl Hartleb, HelfriedPfeifer, Fritz Stüber, Viktor Reimann,Max Stendebach u.a. regten ihnmaßlos auf und veranlassten ihn zu zahlreichenempörten Zwischenrufen. Trotzdemwaren auch seine Reden inhaltsundsachkenntnisreich sowie dadurch gekennzeichnet,dass sie, in schonungsloskritischem Ton gehalten, die hinter denGesetzesvorlagen stehenden Klasseninteressenbloßlegten.Erwin Scharf ähnelte im AuftretenViktor Elser. Er sprach in nüchternerWeise pointiert das Wesen <strong>der</strong> Dinge an,war immer gut vorbereitet und ließ sichvon verbalen Anwürfen, die ihm <strong>als</strong>„Verräter“ seitens <strong>der</strong> SPÖ-Mandatarenur zu oft entgegenschallten, nicht aus<strong>der</strong> Ruhe bringen.Bleibt Gottlieb Fiala. Seine Reden warenkurz und bündig, und er hatte das,was man ein „gesundes Mundwerk“nennt, Witz und die Fähigkeit, schnellmit treffenden Worten den (meist niveaulosen)antikommunistischen ZwischenrufenKontra zu geben. Den etwasverschlafenen, weil in <strong>der</strong> Bedeutungdem Nationalrat in augenfälliger Weisezurückstehenden Bundesrat belebte erdamit ungemein.Ausblick: Vom Nutzen <strong>der</strong>Beschäftigung mit dem ThemaUm die Tätigkeit <strong>der</strong> kommunistischenAbgeordneten wirklich würdigen zukönnen, ist aber in erster Linie die inhaltlicheAnalyse ihrer Reden nötig. Stelltman in Rechnung, dass es im Verlauf <strong>der</strong>vierzehn Jahre nicht weniger <strong>als</strong> 861 waren,von denen manche bis zu zehn(zweispaltige) Seiten in den gedrucktenProtokollen umfassen, wird einem dieDimension eines solchen Vorhabens erstbewusst. Eine historische Darstellungmuss sich daher auf eine Auswahl beschränken,und das sind vornehmlichDebattenbeiträge, denen eine bis in dieGegenwart reichende, bleibende Bedeutungzukommt.Davon gibt es genug: Reden zur Artund Weise, wie die Restauration des Kapitalismusnach 1945 in Österreich vorsich ging; Reden zur Notwendigkeit vonöffentlichem Eigentum und sozialer Daseinsvorsorge;Reden zum antifaschistisch-demokratischenGründungsauftrag<strong>der</strong> Zweiten Republik und zum Herangehenan das Nation<strong>als</strong>ozialistenproblem;Reden zur Neutralität, zu den Motivenihrer Gegner und zu den Bestrebungenjener, die sie schon bald nachdem Wirklichwerden wie<strong>der</strong> zu unterminierentrachteten; Reden zur gesetzlichen

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