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Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2010, als pdf-Datei

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ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTMITTEILUNGEN17. Jg. / <strong>Nr</strong>. 2Juni <strong>2010</strong>Preis: 1,10 EuroDie KPÖ im ParlamentHANS HAUTMANNVierzehn Jahre, von 1945 bis 1959,waren Kommunisten im Nationalratvertreten, und fünf Jahre,von 1949 bis 1954, hatte ein weitererkommunistischer Mandatar im Bundesrateinen Sitz inne. In dieser Zeit gab eskeine Gesetzeslesung, Budgetdebatte,Regierungserklärung, innen- und außenpolitische,wirtschaftliche, soziale, rechtlicheund kulturelle Frage, zu <strong>der</strong> sienicht das Wort ergriffen. Obzwar stets<strong>der</strong> kleinsten Fraktion angehörend, entfaltetensie eine in Umfang und Qualitäthöchst bemerkenswerte parlamentarischeTätigkeit. Dieses Faktum steht inauffälligem Kontrast zum bislang gänzlichenFehlen einer historischen Aufarbeitung.Spät, aber doch, wollen wir sie inAngriff nehmen und <strong>als</strong> Extrakt einesgrößeren Vorhabens erste Resultate hierpräsentieren.Eigene VersäumnisseDie einzige frühere Bemühung, dieParlamentsarbeit <strong>der</strong> KPÖ zu beleuchten,verlief im Sande. Ein solcher Planwurde Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre von denMitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Historischen Kommissionbeim Zentralkomitee <strong>der</strong> KPÖerörtert. Eva Priester, eine hervorragendePublizistin und Journalistin <strong>der</strong>Volksstimme, sollte dazu eine populäreBroschüre verfassen. Ihr Tod 1982 beendetedas Projekt, das hinfort nichtmehr aufgegriffen wurde. 1Es waren aber tiefere, in <strong>der</strong> marxistisch-leninistischenIdeologie wurzelndeGründe dafür maßgebend, dass die KPÖin <strong>der</strong> parlamentarischen Tätigkeit nichtdas Nonplusultra ihres politischen Handelnserblickte. Zutage trat das in den RechenschaftsberichtenKoplenigs an dieParteitage 1946, 1948 und 1951, in denener zu dem Thema kaum ein Wort verlor. 2Auf dem 16. Parteitag 1954 begnügte ersich mit folgenden zwei Sätzen: „DieMandatare <strong>der</strong> Volksopposition im Parlament,in verschiedenen Gemeinden undLandtagen sind für die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>werktätigen Bevölkerung eingetreten undhaben den Kampf <strong>der</strong> Arbeiter und Angestelltenfür die Verbesserung ihrer Lagetatkräftigst unterstützt. Die Sozialrentner,die Mieter, die Arbeitslosen, die Jugendund die Intellektuellen haben in den Abgeordneten<strong>der</strong> VO die aktivsten Verfechterihrer Interessen und ihrer For<strong>der</strong>ungengefunden.“ 3Etwas eingehen<strong>der</strong> wurde Koplenigauf dem 17. Parteitag 1957, <strong>als</strong> er sagte:„Obwohl wir gegenwärtig nur drei Abgeordneteim Parlament haben, gibt eskeine Frage von allgemeinem Interesse,in <strong>der</strong> die kommunistischen Abgeordnetennicht auftreten und mit Zähigkeit dieInteressen und For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeiterklasseund <strong>der</strong> werktätigen Bevölkerung,die Interessen unseres Volkes undunseres Landes vertreten. Die Wirkungunseres Auftretens könnte aber vielgrößer sein, wenn das Auftreten unsererAbgeordneten im Parlament und in denLandtagen von <strong>der</strong> gesamten Partei stärkerunterstützt würde. Aber auf diesemGebiet gibt es große Schwächen. In <strong>der</strong>Massenagitation <strong>der</strong> Partei findet dieTätigkeit unserer Mandatare viel zuwenigWi<strong>der</strong>hall. Unsere Presse begnügt sich inden meisten Fällen mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<strong>der</strong> Parlamentsreden, ohne beharrlichauf die aufgeworfenen Fragen immerwie<strong>der</strong> zurückzukommen, den Massenunseren Standpunkt immer wie<strong>der</strong> in Erinnerungzu rufen und auf die Haltung<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Parteien hinzuweisen.Die kommunistischen Mandatare vertreten<strong>als</strong> Sprecher <strong>der</strong> Partei die Interessendes arbeitenden Volkes. Aber ihrAuftreten im Parlament, in den Landtagenund in den Gemeinden wird nurdann wirksam sein, wenn die Tätigkeitunserer Mandatare mit dem Kampf <strong>der</strong>Arbeiter in den Betrieben, in den Gewerkschaften,in den Massenorganisationeneng verbunden ist und wenn dieseTätigkeit dazu beiträgt, die werktätigeBevölkerung außerhalb des Parlamentsfür ihre For<strong>der</strong>ungen zu mobilisieren.“ 4Erst <strong>als</strong> die KPÖ nach dem Wahlen1959 ihre Vertretung im Nationalrat verlorenhatte, stellte <strong>der</strong> 18. Parteitag 1961die Losung „Kommunisten wie<strong>der</strong> insParlament!“ geradezu <strong>als</strong> politischeHauptaufgabe für die Zukunft in denMittelpunkt. Der Sekretär des ZK FriedlFürnberg führte dazu aus: „Die Verwirklichungdieser Losung, die Eroberungvon Abgeordnetensitzen durch die Kommunistenist von größter Wichtigkeit fürdie Arbeiterklasse, insbeson<strong>der</strong>e inihrem Kampf gegen die Reaktion und fürdie Erneuerung <strong>der</strong> Demokratie. Wennim Parlament die Stimme <strong>der</strong> Arbeiterklasseunverfälscht klar und entschiedenzu hören sein soll, so müssen Kommunistenins Parlament gewählt werden. (...)Die letzten Jahre haben gezeigt, wie sehrdie Kommunisten im Parlament fehlen,wenn es darum geht, den Frieden und dieNeutralität unseres Landes zu verteidigen.(...) Unsere Losung ‚Kommunistenins Parlament‘ ist <strong>als</strong>o bei weitem keineinnerparteiliche Losung. Sie entsprichtdem Klasseninteresse <strong>der</strong> Arbeiterschaft,sie ruft die Partei, aber auch unsereFreunde und Sympathisierenden auf,schon jetzt mitzuhelfen, die kommendenWahlen zu einem Erfolg für die Kommunistenund Linkssozialisten zu machenund sie kann auch auf Zustimmung beiKreisen rechnen, die früher nichtkommunistischgewählt haben, und die jetztdie Notwendigkeit <strong>der</strong> Vertretung <strong>der</strong>Kommunisten im Parlament erkennen.“ 5Letzteres war eine unbegründet optimistischeEinschätzung, denn die Nationalratswahl1962 brachte einen weiterenStimmenrückgang. Seither ist es <strong>der</strong>KPÖ nicht mehr gelungen, die Hürde fürden Einzug in das höchste parlamentarischeGremium <strong>der</strong> Republik Österreichzu überspringen.Zur Parlamentstaktikmarxistischer ParteienDie KPÖ jener Jahre verstand sich <strong>als</strong>revolutionäre Partei und richtete sich daherin ihrer Stellung zum Parlamentarismusnach den Grundsätzen, die KarlMarx, Friedrich Engels, August Bebel,Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht undW.I. Lenin erarbeitet hatten. Kurz gesagtlauteten diese Prinzipien: Das Parlamentist eine <strong>der</strong> Formen bürgerlicher Klassenherrschaft,dessen Bedeutung nichtüberschätzt werden darf; denn nicht hier,


2 BeiträgeJohann Koplenig (1891–1968)son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>swo fallen unter denMachtverhältnissen des kapitalistischenSystems die eigentlichen Entscheidungen;dennoch haben revolutionär-marxistischeParteien die Pflicht, nicht nur anden Wahlen in die Volksvertretungenteilzunehmen, son<strong>der</strong>n auch vom Parlament<strong>als</strong> Tribüne zur Propagierung demokratischerund sozialistischer IdeenGebrauch zu machen; zur Erreichung <strong>der</strong>eigenen Ziele hat aber in <strong>der</strong> politischenGesamttätigkeit die Orientierung aufaußerparlamentarische Aktionen, auf denKampf <strong>der</strong> Massen, den Vorrang; deshalbverknüpfen revolutionär-marxistischeParteien mit Wahlen und Vertretungenin Parlamenten keine Strategie wiedie Reformisten („Erringung des Sozialismusmit dem Stimmzettel“), son<strong>der</strong>ndie Taktik, das Parlament – wie Lenin1906 schrieb – <strong>als</strong> „eines <strong>der</strong> Mittel zurAufklärung, zur Erziehung und Organisierungdes Proletariats“ zu nutzen. 6Diese Prinzipien durchzusetzen undeinzuhalten war leichter gesagt <strong>als</strong> getan.Nirgendwo zeigte sich die Gefahr desAnpassertums eher <strong>als</strong> in <strong>der</strong> Parlamentspraxis.Immer häufiger kam es vor, dassMandatare <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie,die unter August Bebel eine insgesamtvorbildlich marxistische Parlamentsarbeitbetrieb 7 , am bürgerlichenLegalismus Gefallen fanden und die sozialdemokratischeGesamtpolitik auf dennurparlamentarischen Kampf zu reduzierensuchten. Sie waren es, die die BebelscheGrundregel „Diesem System keinenMann und keinen Groschen!“ missachteten.Entsprechend dieser Grundregelgehörte es zum Wesen <strong>der</strong> Klassenpolitikeiner marxistischen Partei, dass siemit <strong>der</strong> Ablehnung des Budgets zugleich2/10ihren grundsätzlichen Gegensatz zumbürgerlichen Staat bekundete.Dieses Prinzip wurde erstm<strong>als</strong> von<strong>der</strong> sozialdemokratischen Fraktion desbayrischen Landtages verletzt, <strong>als</strong> sieam 1. Juni 1894 dem Budget zustimmte.8 Am 28. Mai 1900 geschah dasselbeim badischen Landtag, was Rosa Luxemburgzu einer ebenso scharfen wiezeitlos gültigen kritischen Stellungnahmebewog. 9 Danach bewilligten die sozialdemokratischenAbgeordneten am27. Juli 1907 im württembergischenLandtag, am 12. August 1908 in <strong>der</strong>zweiten Kammer des badischen Landtagsund am 13. August 1908 im bayrischenLandtag das Budget. 10Lenin bezeichnete das 1910 <strong>als</strong> „lediglicheine <strong>der</strong> Ausdrucksformen“ <strong>der</strong> Divergenzenzwischen den beiden Ideenweltenund Klassentendenzen innerhalb<strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie, undsetzte prophetisch fort, dass sie eine Divergenzsei, „die so groß ist, dass siezweifellos noch bei viel ernsteren, tiefergehendenund wichtigeren Anlässen inErscheinung treten wird“. 11 Prompt geschahdas am 4. August 1914, <strong>als</strong> die Sozialdemokratieim deutschen Reichstagdie Kriegskredite bewilligte und sich damitauf die Seite <strong>der</strong> imperialistischenInteressen ihrer eigenen herrschendenKlasse schlug.Die Parlamentsarbeit ist ein weitesFeld und birgt oft Probleme, die mannicht durch die Anwendung schematischerRezepturen lösen kann. Es gab in<strong>der</strong> Geschichte Perioden, in denen dieVolksvertretung eine progressive Rollespielte und Gesetze verabschiedete, diedazu angetan waren, den gesellschaftlichenFortschritt zu beför<strong>der</strong>n. MarxistischeParteien konnten und durften sichihnen gegenüber nicht rein negativ verhalten.Friedrich Engels hat 1879 in einemBrief an August Bebel <strong>der</strong>artigeMaterien genannt, nämlich solche, „indenen das Verhältnis <strong>der</strong> Arbeiter zumKapitalismus direkt ins Spiel kommt: Fabrikgesetzgebung,Normalarbeitstag,Haftpflicht, Lohnzahlung in Waren usw.Dann noch Verbesserungen im rein bürgerlichenSinn, die einen positiven Fortschrittbilden: Münz- und Gewichtseinheit,Freizügigkeit, Erweiterungen <strong>der</strong>persönlichen Freiheit etc.“ Und er setztemit einem Hinweis von bleiben<strong>der</strong> Aussagekraftfort: In allen an<strong>der</strong>en Fragenhätten die sozialdemokratischen Abgeordnetenimmer den „entscheidendenGesichtspunkt“ zu behaupten, „nichts zubewilligen, was die Macht <strong>der</strong> Regierunggegenüber dem Volk verstärkt“. 12Man kann sagen, dass, beginnendschon vor dem Ersten Weltkrieg, dieBolschewiki in <strong>der</strong> zaristischen Reichsduma13 , dann die starke Fraktion <strong>der</strong>KPD im Reichstag <strong>der</strong> Weimarer Republik14 , und, nach 1945, die großen Parteienin Frankreich und Italien unterThorez und Togliatti, aber auch dieKPÖ, diese Richtlinien marxistischerParlamentsarbeit befolgten und in einerWeise agierten, die dem Sinn, dem Inhaltund den Grenzen kommunistischerTätigkeit in bürgerlichen Volksvertretungsorganenangemessen war.Die GesetzgebungsperiodenDer österreichische Nationalrat unterteiltsein verfassungsmäßig festgelegtesWirken in Gesetzgebungsperioden, dievon Neuwahl zu Neuwahl reichen. Kommunistenwaren von <strong>der</strong> V. bis VIII. Gesetzgebungsperiodeim Nationalrat vertreten.(Die I. bis IV. Gesetzgebungsperiodefiel in die Zeit <strong>der</strong> Ersten Republik.)Die V. Gesetzgebungsperiode aufgrund<strong>der</strong> Wahl vom 25. November 1945dauerte vom 19. Dezember 1945 bis zum8. November 1949. Die KPÖ erreichte174.257 Stimmen (5,41 %) und vierMandate (ÖVP 85, SPÖ 76). 15 EhemaligeAngehörige <strong>der</strong> NSDAP o<strong>der</strong> ihrerWehrverbände waren bei dieser Wahlausgeschlossen (ca. 540.000 Personen). 16Das Grundmandat errang die KPÖ imWahlkreis 9-Nie<strong>der</strong>österreich/Viertelunter dem Wienerwald (Honner), dieRestmandate im Wahlkreisverband I-Wien (Fischer und Koplenig), und imWahlkreisverband IV-Burgenland, Kärntenund Steiermark (Elser). 17Die VI. Gesetzgebungsperiode dauertevom 8. November 1949 bis zum 18.März 1953. Bei <strong>der</strong> Wahl am 9. Oktober1949 ging die KPÖ ein Bündnis mit <strong>der</strong>Sozialistischen Arbeiterpartei ErwinScharfs ein und kandidierte unter <strong>der</strong> BezeichnungKommunistische ParteiÖsterreichs und Linkssozialisten (Linksblock).Erreicht wurden 213.066 Stimmen(5,08 %) und fünf Mandate (ÖVP77, SPÖ 67, VdU 16) 18 , zwei Grundmandateim Wahlkreis 4-Wien/Nordost (Koplenig)und im Wahlkreis 9-Nie<strong>der</strong>österreich/Viertelunter dem Wienerwald(Honner) sowie drei Restmandate imzweiten Ermittlungsverfahren. Sie kamenaus dem Wahlkreisverband I-Wien(Fischer und Scharf) und dem WahlkreisverbandIV-Steiermark, Kärntenund Burgenland (Elser). 19Die VII. Gesetzgebungsperiode dauertevom 18. März 1953 bis zum 8. Juni1956. Bei <strong>der</strong> Wahl am 22. Februar 1953


wurde erneut ein Bündnis geschlossen,sowohl mit denLinkssozialisten <strong>als</strong> auch mit<strong>der</strong> Demokratischen UnionJosef Dobretsbergers, und unter<strong>der</strong> Bezeichnung WahlgemeinschaftÖsterreichischeVolksopposition (VO) kandidiert.Erreicht wurden228.159 Stimmen (5,28 %)und vier Mandate (ÖVP 74,SPÖ 73, VdU 14) 20 , zweiGrundmandate im Wahlkreis4-Wien/Nordost (Koplenig)und im Wahlkreis 9-Nie<strong>der</strong>österreich/Viertelunter demWienerwald (Honner) sowiezwei Restmandate im WahlkreisverbandI-Wien (Fischer)und im Wahlkreisverband IV-Steiermark, Kärnten und Burgenland(Elser). 21 Der Verlusteines Mandats trotz Stimmengewinnsgegenüber 1949 ergabsich aus dem in Österreichangewandten d’HondtschenSystem bei <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong>Reststimmen im zweiten Ermittlungsverfahren.Die VIII. Gesetzgebungsperiode dauertevom 8. Juni 1956 bis zum 9. Juni1959. Bei <strong>der</strong> Wahl am 13. Mai 1956 erreichteman unter dem Namen Kommunistenund Linkssozialisten (KLS)192.432 Stimmen (4,42 %) und 3 Mandate(ÖVP 82, SPÖ 74, FPÖ 6) 22 , einGrundmandat im Wahlkreis 4-Wien/Nordost (Koplenig) und zweiRestmandate im Wahlkreisverband I-Wien (Fischer) sowie im WahlkreisverbandII-Nie<strong>der</strong>österreich (Honner). 23Im Unterschied zum Nationalrat werdendie Mitglie<strong>der</strong> des Bundesrates vonden Landtagen für die Dauer ihrer Gesetzgebungsperiodenund nach dem Verhältnisprinzipihrer politischen Zusammensetzunggewählt. Der Linksblock erreichtebei <strong>der</strong> zeitgleich mit <strong>der</strong> Nationalratswahlam 9. Oktober 1949 durchgeführtenLandtags- und Gemein<strong>der</strong>atswahlin Wien 89.646 Stimmen (7,85 %)und sieben Mandate (SPÖ 52, ÖVP 35,VdU 6) 24 , was ihm einen Sitz im Bundesrateinbrachte. Das Mandat nahmGottlieb Fiala wahr, <strong>der</strong> am 6. Dezember1949 angelobt wurde. 25 Er schied infolge<strong>der</strong> vom Wiener Landtag am 10. Dezember1954 vorgenommenen Neuwahl wie<strong>der</strong>aus dem Bundesrat aus, <strong>als</strong> die KPÖbei fast gleich gebliebener Stimmenzahl(89.161) und sogar erhöhter Prozentzahl(8,26 %) ein Mandat verlor und von 7auf 6 Sitze zurückfiel. 26Beiträge 3Die Abgeordneten des „Linksblocks“ im österreichischen Nationalrat (von links):Johann Koplenig, Franz Honner, Viktor Elser, Ernst Fischer und Erwin Scharf.Die AbgeordnetenHier ist nicht <strong>der</strong> Platz für ausführlichebiographische Würdigungen <strong>der</strong> insgesamtsechs kommunistischen Abgeordneten.Wir begnügen uns mit Kurzangabenaus den „Handbüchern des österreichischenNational- und Bundesrates“,die insofern interessant sind, weil sie vonihnen selbst stammen, und zwar aufgrundvon Fragebögen, die sie bei Antrittdes Mandats ausfüllten. In alphabetischerReihenfolge waren das:Viktor Elser (1893–1979), „Nationalrat,öffentlicher Verwalter <strong>der</strong> Bergarbeiterversicherungsanstaltin Graz (Steiermark).Volks- und Fachschule. ErlernterBeruf: Bierbrauer. Militärdienstzeit: 1914bis 1918. Mitglied des Landtages Steiermark1926 bis 1934, Vizebürgermeistervon Köflach 1924 bis 1934. Von 1919 bis1934 Bergarbeitersekretär. PolitischeFreiheitsstrafe: 1934 Hochverratsprozessin Graz. 1945 bis 1946 Landeshauptmannstellvertretervon Steiermark.“ 27Elser, <strong>der</strong> <strong>als</strong> Einziger unter den Genanntenschon in <strong>der</strong> Ersten Republikhöhere Funktionen in <strong>der</strong> Sozialdemokratiebekleidete und auch <strong>als</strong> Einzigerparlamentarische Erfahrungen aus demsteirischen Landtag hatte, war von 1945bis Juni 1956 Nationalratsabgeordneter.Er trat wegen <strong>der</strong> Ungarnereignisse imHerbst 1956 aus <strong>der</strong> KPÖ aus.Gottlieb Fiala (1891–1970), „Bundesrat,Vizepräsident des ÖsterreichischenGewerkschaftsbundes. Geboren 14. Oktober1891. Volks- und Bürgerschule.Erlernter Beruf: Stanzer. Mitglied desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ. PolitischeFreiheitsstrafen: Wie<strong>der</strong>holte Strafenwegen Demonstrationen und politischerBetätigung.“ 28Fiala war von 1949 bis 1954 Bundesrat.Wegen seiner Haltung während desgroßen Streiks im September/Oktober1950 wurde er aus dem ÖGB ausgeschlossenund verlor seine Funktion <strong>als</strong>Vizepräsident. 1951 kandidierte er fürdie KPÖ bei <strong>der</strong> Bundespräsidentenwahlund erzielte im ersten Wahlgang 219.969Stimmen (5,1 %). 29Ernst Fischer (1899–1972), „Staatssekretära.D., Nationalrat, Schriftsteller.Geboren 3. Juli 1899 in Komotau (Tschechoslowakei).Realgymnasium. Militärdienstzeit:1917 bis 1918. Staatssekretärvon April 1945 bis Dezember 1945.“ 80Fischer war von 1945 bis 1959 Nationalratsabgeordneter.Wegen seiner öffentlichenStellungnahmen zu den Ereignissenin <strong>der</strong> Tschechoslowakei wurde er1969 aus <strong>der</strong> KPÖ ausgeschlossen.Franz Honner (1893–1964), „Staatssekretära.D., Nationalrat, Parteisekretär.Geboren 4. September 1893 in Friedberg(Böhmerwald). Volks- und Bürgerschule.Erlernter Beruf: Elektriker. Militärdienstzeit:1914 bis 1918. Mitglied <strong>der</strong>provisorischen Staatsregierung vomApril bis Dezember 1945, Mitglied desGemein<strong>der</strong>ates Grünbach am Schneebergvon 1923 bis 1928, Funktionär <strong>der</strong>Metall- und Bergarbeitergewerkschaft.Politische Freiheitsstrafen: In den Jahren2/10


4 BeiträgeFranz Honner (1893–1964)1935 und 1936 Polizeihaft, dann KZWöllersdorf.“ 31Honner war von 1945 bis 1959 Nationalratsabgeordneter.Johann Koplenig (1891–1968),„Staatssekretär a.D., Nationalrat, Sekretär<strong>der</strong> KPÖ. Geboren 15. Mai 1891in Hermagor (Kärnten). Volksschule. ErlernterBeruf: Schuhmacher. Militärdienstzeit:1915 bis 1920 (einschließlich<strong>der</strong> Zeit <strong>als</strong> Kriegsgefangener). Mitglied<strong>der</strong> provisorischen österreichischen Regierung1945. Vizekanzler von April bisNovember 1945. Politische Freiheitsstrafen:1927 mehrmalige Verhaftung, 1934aus Österreich ausgebürgert.“ 32Koplenig war von 1945 bis 1959 Nationalratsabgeordneter.Nach seinem altersbedingtenRücktritt <strong>als</strong> Vorsitzen<strong>der</strong><strong>der</strong> KPÖ auf dem 19. Parteitag 1965wurde er Ehrenvorsitzen<strong>der</strong>.Erwin Scharf (1914–1994), „Nationalrat,Obmann <strong>der</strong> Vereinigung fortschrittlicherSozialisten. Geboren 29. August1914 in Tschebon. 33 Volksschule, Realgymnasium,Universität. 1944 bis 1945Angehöriger jugoslawischer Partisanenverbände.1945 bis 1947 Zentr<strong>als</strong>ekretär<strong>der</strong> Sozialistischen Partei Österreichs.Politische Freiheitsstrafen: Zwei JahreZuchthaus (1938 bis 1940).“ 34Scharf war von 1949 bis 1953 Nationalratsabgeordneterdes Linksblocks undvon 1945 bis 1948 Abgeordneter <strong>der</strong>SPÖ. Er wurde wegen seines Eintretensfür eine engere Zusammenarbeit mit <strong>der</strong>KPÖ 1948 aus <strong>der</strong> SPÖ ausgeschlossen,musste sein Mandat zurücklegen undschied am 30. Oktober 1948 aus dem Nationalrataus. 35 (Der Ersatzmann, <strong>der</strong> ihmfolgte, war übrigens Franz Olah.) 1956führte Scharf seine Partei in die KPÖ2/10mit allgemeinen Floskeln dahinplau<strong>der</strong>n,son<strong>der</strong>n musste sich in die Materie vertiefen,Sachkenntnis unter Beweis stellenund durch konkrete For<strong>der</strong>ungen zeigen,wie man sich die Gestaltung gesetzlicherMaßnahmen im Interesse <strong>der</strong> arbeitendenMenschen vorstellte.Die Aufgabenverteilung sah so aus,dass Viktor Elser sich auf arbeits- undsozialrechtliche Fragen konzentrierte,Ernst Fischer auf Fragen <strong>der</strong> Außenpolitik,Kultur, Kunst und Wissenschaft,Franz Honner auf Fragen <strong>der</strong> allgemeinenWirtschaftspolitik (Steuern, Finanzausgleich,verstaatlichte Betriebe, Preisregelungetc.) und <strong>der</strong> Innenpolitik, ErwinScharf auf Fragen <strong>der</strong> Justiz und desWohnungswesens und Johann Koplenigauf Fragen des Bundeshaushalts sowie<strong>der</strong> Regierungspolitik generell.Natürlich sind damit die Kompetenzbereichenur annähernd umrissen. AlsScharf 1953 und Elser 1956 aus demNationalrat ausschieden, mussten dieverbliebenen kommunistischen Abgeordneten<strong>der</strong>en Arbeitsgebiete übernehmen,Honner die von Elser und Koplenigsowie Fischer die von Scharf. DieAufteilung schloss außerdem zu keinemZeitpunkt aus, dass beispielsweise ErnstFischer zu Themen das Wort ergriff, dieihm ansonsten ganz fern lagen, etwazum Währungsschutzgesetz (am19.11.1947), zur Gewerberechtsnovelle(16.7.1952), zum Spielbankgesetz(30.6.1954) und zum Auslandsanleihengesetz(30.10.1958).Analog galt das für alle. Elser hieltReden z.B. zum Apothekerkammergesetz(am 19.3.1947), zum Geschworenengerichtsgesetz(22.11.1950) und zurEinhebung einer Son<strong>der</strong>abgabe vomBier (3.12.1953); Honner z.B. zum Tabakmonopolgesetz(am 13.7.1949), zurgeplanten Aufhebung <strong>der</strong> Volksgerichte(22.11.1950), zum Fremdenpolizeigesetz(17.3.1954) und zur Abän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Hausbesorgerordnung (23.1.1957);Koplenig z.B. zum Lebensmittelanfor<strong>der</strong>ungsgesetz(am 20.3.1946), zum Besatzungskostendeckungsgesetz(17.12.1951), zum Schulerhaltungs-Kompetenzgesetz(13.7.1955) und zum Mutterschutzgesetz(13.3.1957); und Scharfz.B. zum Preistreibereigesetz (am31.3.1950), zum Investitionsbegünstigungsgesetz(20.7.1951) und zum Pferdetoto-Gesetz(25.6.1952). 37Als noch vielseitiger, ja <strong>als</strong> Generalistschlechthin musste sich <strong>der</strong> einzige kommunistischeMandatar im Bundesrat,Gottlieb Fiala, erweisen, wo er zu faktischje<strong>der</strong> Frage seine Stimme erhob. Die Paüber,wo er bis 1989 zu den politischenSpitzenfunktionären zählte.Statistisches zu den AktivitätenDie kommunistischen Nationalratsabgeordnetenwaren mit drei bis fünf Personeneine kleine Fraktion und gezwungen,ein weit intensiveres Arbeitspensumzu bewältigen <strong>als</strong> die Mandatare <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enParlamentsparteien. Ein Hinterbänklerdaseinwie etliche von diesenkonnten sie sich nicht leisten. Sie zähltendaher in je<strong>der</strong> <strong>der</strong> vier Legislaturperiodenzu den fleißigsten Rednern.Spitzenreiter war dabei Viktor Elser,<strong>der</strong> in den elf Jahren seiner Parlamentstätigkeit213 Reden hielt (im Schnitt19,3 Reden pro Jahr und 71 Reden proGesetzgebungsperiode). Ihm folgteFranz Honner mit 217 Reden in 14 Jahren(15,5 Reden pro Jahr, 54,2 Redenpro Gesetzgebungsperiode). An dritterStelle stand Ernst Fischer mit 178 Redenin 14 Jahren (12,7 Reden pro Jahr, 44,5Reden pro Gesetzgebungsperiode). ErwinScharf hielt in den vier Jahren <strong>als</strong>Abgeordneter des Linksblocks 43 Reden(10,7 Reden pro Jahr, 43 Reden pro Gesetzgebungsperiode).Rein von <strong>der</strong> parlamentarischenArbeitsfrequenz hermuss man bei ihm aber die drei Jahreseiner Zugehörigkeit zur SPÖ-Fraktiondazurechnen. Als einer <strong>der</strong> dam<strong>als</strong> höchstenFunktionäre dieser Partei war er imNationalrat mit wichtigen Aufgaben betraut,saß in nicht weniger <strong>als</strong> acht Ausschüssen,darunter im Hauptausschuss,war zwei Mal offizieller Berichterstattervon Gesetzesvorlagen, zwei Mal Antragsteller,fünf Mal Anfragesteller undsieben Mal Redner.Am wenigsten oft ergriff Johann Koplenigdas Wort. Er hielt 109 Reden in14 Jahren (7,7 Reden pro Jahr, 27 Redenpro Gesetzgebungsperiode). Ein Grunddafür war sicherlich seine Belastung <strong>als</strong>Parteivorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> KPÖ; es gab aberauch an<strong>der</strong>e Gründe, auf die wir noch zusprechen kommen.Im Bundesrat gehörte Gottlieb Fialamit 101 Reden in fünf Jahren (20,2 Redenpro Jahr, noch mehr <strong>als</strong> Elser) ebenfallszu den aktivsten Abgeordneten. 36Die ArbeitsteilungWiewohl die Kommunisten im Nationalratbefähigt sein mussten, zu jedem<strong>der</strong> zahlreichen (und in <strong>der</strong> Regel enormkomplexen) Themen ihre Positionen darzulegen,war eine gewisse Arbeitsteilungzwischen ihnen notwendig und auchfestgelegt. Zu einer Sache wie demMilchwirtschaftsgesetz konnte man nicht


Beiträge 5lette reichte vom Steuerermäßigungsgesetz(am 21.12.1949) und <strong>der</strong> 5. Opferfürsorgegesetz-Novelle(31.10.1950) überdie Mineralölsteuernovelle (19.7.1951)und Pressegesetznovelle (29.5.1952) bishin zum Hochschultaxengesetz(30.6.1953) und Hochwasserschädengesetz(13.7.1954). 38Die VorbereitungVon den kommunistischen Abgeordnetenbesaß niemand einen akademischenGrad, und lediglich Fischer undScharf hatten eine höhere Schulbildung.Koplenig, Honner, Fiala und Elserstammten aus einfachsten Verhältnissen,und mit Ausnahme von Elser und – aufunterer Ebene – Honner (fünf Jahre Gemein<strong>der</strong>atin Grünbach) waren sie vollkommeneNeulinge auf dem parlamentarischenParkett. Sie eigneten sich dienötigen Fähigkeiten aber Schritt fürSchritt an und konnten bald den gewiegtenMandataren <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Parteien inje<strong>der</strong> Hinsicht Paroli bieten.Eine entscheidende Rolle spielte dabei<strong>der</strong> Stab an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnenim Apparat <strong>der</strong> KPÖ, <strong>der</strong> die Materialienzu den einzelnen Gesetzesvorlagensammelte und die Parlamentsredendem inhaltlichen Gerüst nach entwarf.Darüber ist lei<strong>der</strong> wenig bekannt. Manweiß nur, dass im Dezember 1945 Dr.Eva Schmidt-Kolmer zur Sekretärin <strong>der</strong>Parlamentsfraktion bestellt wurde. 39 Dasie schon zwei Monate später nachDeutschland übersiedelte, folgte ihrDr. Fritz Glaubauf am 4. Februar 1946 indieser Funktion nach, die er bis 1953ausübte. 40 Anschließend übernahmDr. Kurt Weihs bis 1959 den Posten desSekretärs <strong>der</strong> Parlamentsfraktion. 41 Diebemerkenswert gute Informiertheit, von<strong>der</strong> die kommunistischen ParlamentsredenZeugnis ablegen, war zweifellos <strong>der</strong>stillen wie arbeitsintensiven Aufbereitungstätigkeit<strong>der</strong> beiden hoch qualifiziertenSekretäre und <strong>der</strong> Angehörigenihrer Abteilung zu verdanken. Stützenkonnte man sich dabei auf die seit 1945systematisch erstellten Dokumentationendes Schnittarchivs <strong>der</strong> ÖsterreichischenVolksstimme und des Wirtschaftsarchivs,die eine Fülle an Unterlagen zu allen gesellschaftlich,politisch und ökonomischrelevanten Fragen enthielten. 42Des Weiteren muss man in Rechnungstellen, dass die KPÖ dam<strong>als</strong> an die140.000 Mitglie<strong>der</strong> zählte, praktisch injedem wichtigen Betrieb ihre Betriebsräteund in sämtlichen Berufen und Sozi<strong>als</strong>chichtenihre Anhänger hatte, sogar unterden Bauern und Kapitalisten. Letzterelieferten die Gewinne aus den Parteifirmenbrav an die Finanzkommission ab,waren <strong>als</strong>o keine wirklichen, wusstenaber über die Vorgänge in <strong>der</strong> üblicherweisevor <strong>der</strong> Öffentlichkeit vernebeltenSphäre ihrer Branche gut Bescheid. Nichtzuletzt auch deshalb blieb das, was sichhinter den Kulissen, in den Etagen <strong>der</strong>wirtschaftlichen wie politischen Machthierarchie,abspielte, <strong>der</strong> Partei keineswegsverborgen. Die kommunistischenParlamentsreden gerade solchen Inhaltssind es, die für jede Art einer kapitalismuskritischenGeschichtsforschung überdie Zweite Republik hohen Erkenntniswertfür sich beanspruchen können.Das Potenzial an klugen, gebildeten,informierten Menschen quer durch die<strong>Gesellschaft</strong>, die in jenen Jahren ihreKenntnisse aus voller politischer Überzeugung<strong>der</strong> KPÖ zur Verfügung stellten,war <strong>als</strong>o erheblich – erheblich genug,um es auch im Parlament je<strong>der</strong>zeitmit den mandatsmäßig viel stärkerenParteien punkto Hintergrundwissen undsachlicher Beschlagenheit aufnehmenzu können.In den AusschüssenErnst Fischer (1899–1972)Das Wirken des Nationalrats beschränktsich nicht auf die Debatten undAbstimmungen im Plenum. Ebenso bedeutsamist die Tätigkeit <strong>der</strong> Ausschüsse,die er aus seiner Mitte zur Vorbereitung<strong>der</strong> Verhandlungsgegenständewählt. Laut <strong>der</strong> Geschäftsordnung, diefür die Zeit von 1945 bis 1959 in Geltungstand, war es im Allgemeinen demErmessen des Nationalrates überlassen,die Zahl und Aufgaben <strong>der</strong> Ausschüssesowie die Anzahl ihrer Mitglie<strong>der</strong> undErsatzleute nebst <strong>der</strong> Verhältniszahl,nach <strong>der</strong> die Wahl vorzunehmen war,selbst zu bestimmen. Bundesverfassungsgesetzlichvorgeschrieben warenjedenfalls fünf Ausschüsse: <strong>der</strong> wichtigeHauptausschuss, dessen ständigerUnterausschuss, <strong>der</strong> Immunitätsausschuss,<strong>der</strong> Unvereinbarkeitsausschussund <strong>der</strong> Ausschuss für die Beratung <strong>der</strong>Berichte des Rechnungshofes. 43 Aberauch für <strong>der</strong>en Zusammensetzung galtdas Ermessensprinzip.Das Charakteristikum <strong>der</strong> Ausschüsseim parlamentarischen Leben bestand undbesteht darin, dass die Abgeordneten hierin <strong>der</strong> Regel offener sprechen <strong>als</strong> im Plenum.Sind in ihnen Mandatare <strong>der</strong> Opposition– und noch dazu Kommunisten –anwesend, können sie den Vertretern <strong>der</strong>Mehrheitsparteien stärker in die Kartenschauen und <strong>der</strong>en Absichten in Erfahrungbringen. Deshalb sind die Beratungenin den Ausschüssen nicht öffentlichund vertraulich zu halten; ein genauesWortprotokoll über die Debatten wirdnicht geführt. Lediglich Zusammenfassungenund Beschlüsse werden in <strong>der</strong> Parlamentskorrespondenz,die intern allenAbgeordneten zukommt, festgehalten.Es ist bezeichnend, dass man den kommunistischenAbgeordneten vier Jahre,von 1945 bis 1949, eine Vertretung inden Ausschüssen zugestand, dann abernie wie<strong>der</strong>. Das anfängliche Gewährenlassenhing mit <strong>der</strong> staatstragenden Rolle<strong>der</strong> KPÖ <strong>als</strong> Gründungspartei <strong>der</strong> ZweitenRepublik zusammen, ein Faktum, dasauch nach <strong>der</strong> Novemberwahl 1945 in<strong>der</strong> Ministerschaft Karl Altmanns zumAusdruck kam. Die KPÖ war bis zu dessenRücktritt im November 1947 ebeneine Regierungspartei. Obwohl die 161Abgeordneten <strong>der</strong> ÖVP und SPÖ es unschwerverhin<strong>der</strong>n hätten können, dievier kommunistischen Mandatare in dieAusschüsse aufzunehmen, wurde in <strong>der</strong>Weise verfahren. Als es dann 1949 fünfwurden, hatte sich die politische Wetterlageso geän<strong>der</strong>t, dass man sie liebernicht mehr <strong>als</strong> Beobachter in diesen Gremienpräsent haben wollte.Abgeordnete <strong>der</strong> KPÖ wurden 1945 infolgende Ausschüsse gewählt: Koplenigin den Hauptausschuss und <strong>als</strong> Ersatzmitgliedin den Ausschuss für AuswärtigeAngelegenheiten; Honner in den Finanz-und Budgetausschuss und <strong>als</strong> Ersatzmitgliedin den Ausschuss für SozialeVerwaltung sowie den Ausschuss fürVerwaltungsreform; Fischer in den Ausschussfür Auswärtige Angelegenheitenund in den Ausschuss für Verwaltungsreformsowie <strong>als</strong> Ersatzmitglied in denVerfassungsausschuss; und Elser in den2/10


6 BeiträgeViktor Elser (1893–1979)Ausschuss für Soziale Verwaltung und<strong>als</strong> Ersatzmitglied in den Finanz- undBudgetausschuss. 44Aus den im Parlamentsarchiv verwahrtenAkten <strong>der</strong> Ausschüsse aus dieser Zeitist ersichtlich, dass die KP-Abgeordnetenauch hier eine rege Tätigkeit entfalteten.45 Sie wird bei an<strong>der</strong>er Gelegenheitund in einem größeren Rahmen darzustellensein. Wir beschränken uns hiernur auf ein Beispiel.Am 31. Juli 1947 beriet <strong>der</strong> Hauptausschussüber eine Ausgleichszulage fürdie Bundesbeamten. Es heißt da: „Abg.Koplenig erklärt, dass <strong>der</strong> vorgeschlageneTeuerungszuschlag nur den bereitseingetretenen Preiserhöhungen, jedochkeineswegs den nach den neuen Vereinbarungenzu erwartenden Preiserhöhungenentspricht. Nach dem Inkrafttreten<strong>der</strong> neuen Tarife und <strong>der</strong> erhöhten Preisefür alle Konsumgüter werden die Staatsangestelltenweiterhin zu ihrem bisherigenHungerdasein verurteilt sein, fürmanche Kategorien wird sogar eine Verschlechterungeintreten, vor allem für dieBezieher von kleinen Pensionen. Er stelltden Antrag, den Teuerungszuschlagnicht in <strong>der</strong> Höhe von 36 %, son<strong>der</strong>n von60 % zu gewähren.“ Zu Wort meldetensich in <strong>der</strong> Sache weitere Abgeordnete,darunter Pittermann von <strong>der</strong> SPÖ undGrubhofer von <strong>der</strong> ÖVP. Ergebnis: „DerHauptausschuss erteilt sodann unter Ablehnungdes Antrages Koplenig <strong>der</strong> Verordnungdie Zustimmung.“ 462/10Die Grenzenmunistischer Initiativen im Nationalrat,sowohl in den Ausschüssen <strong>als</strong> auch imPlenum. Nach <strong>der</strong> dam<strong>als</strong> geltenden Geschäftsordnungwar zwar je<strong>der</strong> Abgeordneteberechtigt, in den Plenarsitzungendes Nationalrates selbstständige Anträgeeinzubringen, jedoch musste je<strong>der</strong>Antrag unter Einrechnung des Antragstellersvon mindestens acht Abgeordnetenunterstützt sein. 47 (Seit 1961, <strong>als</strong> eineneue Geschäftsordnung in Kraft trat, dieunter an<strong>der</strong>em auch die Fragestundebrachte, sind dafür nur mehr fünf Abgeordneteerfor<strong>der</strong>lich.) 48 Unter diesenUmständen war es <strong>der</strong> KPÖ-Fraktionschon von Haus aus unmöglich, eigeneAnträge im Nationalrat einzubringen,und machte man das <strong>als</strong> Einzelpersonam Ende einer Rede <strong>als</strong> Test für jene,die sich ansonsten gerne <strong>als</strong> Arbeitervertreteraufspielten, konstatierte <strong>der</strong> Präsidentbei <strong>der</strong> Abstimmung regelmäßig:„Der Antrag ist nicht genügend unterstütztund daher abgelehnt“. Abgeordnetean<strong>der</strong>er Parteien zum Mitmachen zubewegen, um die Zahl acht zu erreichen,war wegen des Fraktionszwangs ebenfallsaussichtslos. Man konnte nur Mitunterzeichnerbei Entschließungsanträgenund Anträgen zur Geschäftsbehandlungsein, die von den Abgeordneten <strong>der</strong>Mehrheitsparteien eingebracht wurden.Das war immerhin bei jenen Materien<strong>der</strong> Fall, die eine progressive Tendenzaufwiesen und <strong>der</strong>en UnterstützungKommunisten mit ihrem Gewissen vereinbarenkonnten. Da es solche Initiativentatsächlich gab, vor allem in <strong>der</strong>V. und VI. Gesetzgebungsperiode, scheinenvon 1945 bis 1953 Elser <strong>als</strong> Mitunterzeichnervon sechs Entschließungsanträgen,Fischer von fünf, Honner vondrei, Koplenig von vier und Scharf voneinem Entschließungsantrag auf. 49An<strong>der</strong>s und besser stand es beimRecht, schriftliche Anfragen an die Bundesregierungbzw. einzelne Minister einzubringen.Sie mussten lediglich vonfünf Abgeordneten unterstützt sein. 50 Genaudiese Zahl erreichte die KPÖ in denJahren 1949 bis 1953, was man weidlichausnützte. Elser stellte in <strong>der</strong> VI. GesetzgebungsperiodeAnfragen in 40 Fällen,Fischer in 45, Honner in 41, Koplenig in25 und Scharf in 14 Fällen. 51Ihre Inhalte ebenso wie die Antworten<strong>der</strong> Minister, die <strong>als</strong> Beiblatt zur Parlamentskorrespondenzin eigenen Anfragen-und Antwortenbänden <strong>der</strong> Legislaturperiodenaufscheinen, sind hochinteressant.Von beiden Seiten manchm<strong>als</strong>achlich und in ruhigem Ton gehalten,zumeist aber polemisch und mit Seiten-„Ablehnung des Antrags“ – das war in99 von 100 Fällen das Schicksal komhiebengespickt, stellt sich dieses Instrumentdes Parlamentarismus heute gleichsam<strong>als</strong> Kaleidoskop <strong>der</strong> Ereignisse wie<strong>der</strong> politischen Atmosphäre jener Zeitdar. War die Angelegenheit den Regierungsmitglie<strong>der</strong>nbeson<strong>der</strong>s unangenehm,schaltete man nicht selten auf stur.Dazu zwei Beispiele: Im Juni 1952stellten „Ernst Fischer und Genossen“ anden Unterrichtsminister Kolb eine Anfragewegen des „Verbots, den SchauspielerKarl Paryla bei den SalzburgerFestspielen zu beschäftigen“. 52 Kolb antwortete:„Nach § 65 <strong>der</strong> Geschäftsordnungdes Nationalrates kann das befragteMitglied <strong>der</strong> Bundesregierung die Beantwortungeiner Anfrage mit Angabe <strong>der</strong>Gründe ablehnen. Meiner Überzeugungnach ist <strong>der</strong> Ton, in dem die Abg. ErnstFischer und Genossen ihre Anfrage gehaltenhaben, allein Grund genug, dieBeantwortung abzulehnen.“ 53Dasselbe wi<strong>der</strong>fuhr „Erwin Scharfund Genossen“ mit einer Anfrage imFebruar 1951 zu Korruptionsvorgängenin <strong>der</strong> verstaatlichten VÖEST. 54 DerMinister Waldbrunner teilte dazu mit:„Die obbezogene Anfrage enthält eineReihe von Ausdrücken, die ich <strong>als</strong>schwere persönliche Beleidigungen betrachtenmuss. Ich lehne es ab, eine ineinem solchen Tone gehaltene, <strong>der</strong>Würde des Nationalrates und den parlamentarischenGepflogenheiten wi<strong>der</strong>sprechendeAnfrage an ein Mitglied <strong>der</strong>Bundesregierung zu beantworten.“ 55Die politischen EtappenWorüber in Parlamenten verhandeltwird, mit welchen Ergebnissen und inwelchem Debattenstil, ist stets ein getreuesAbbild <strong>der</strong> politischen Lage. Derösterreichische Nationalrat bildete hierkeine Ausnahme, ja er war davon in beson<strong>der</strong>erWeise tangiert, weil zur Kräftekonstellationim Inneren auch noch diezwischen den Weltmächten ins Spielkam, die das Land bis 1955 besetzt hielten.Die Tatsache, dass dam<strong>als</strong> ein kommunistischerStaat, die Sowjetunion, aufeinem Viertel des österreichischen Territoriumsdazu gehörte und <strong>der</strong> AlliierteRat ein Einspruchsrecht bei allen Gesetzenhatte, die das Parlament verabschiedete,darf in dem Zusammenhang nieaußer Acht gelassen werden.Die politischen Gegebenheiten undVerän<strong>der</strong>ungen, die von 1945 bis 1959im nationalen wie internationalen Maßstabvor sich gingen, fanden daher auchin <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> KPÖ-Abgeordnetenihren Nie<strong>der</strong>schlag und lassen sich invier Etappen glie<strong>der</strong>n.


Beiträge 7Die erste Etappe dauerte von 1945 biszur Jahreswende 1947/48. Sie war gekennzeichnetvom damaligen Selbstverständnis<strong>als</strong> staatstragen<strong>der</strong> Partei undfand Ausdruck in <strong>der</strong> Rede, die Ernst Fischernamens <strong>der</strong> KPÖ-Fraktion am21. Dezember 1945 zur Regierungserklärungvon Bundeskanzler Figl hielt. 56Er hieß sie „im Wesentlichen“ gut,sprach die Bereitschaft zur Mitarbeit ausund sagte: „In <strong>der</strong> engen und vertrauensvollenZusammenarbeit aller wahrhaftdemokratischen und fortschrittlichenKräfte, in einer neuen Einheit des Volkeswürden wir die beste Bürgschaft <strong>der</strong> Demokratieund unabhängigen Entwicklungerblicken. (...) Wir sehen in <strong>der</strong> vomBundeskanzler vorgeschlagenen Konzentration<strong>der</strong> Kräfte einen Schritt vorwärts,eine ernste Möglichkeit, diezurückzuweisen we<strong>der</strong> demokratischnoch österreichisch wäre. Wir haben unsdaher entschlossen, in die Regierung einzutreten,und werden für sie stimmen.“ 57Er erntete dafür im ganzen Haus „lebhaftenBeifall und Händeklatschen“.Die KPÖ hat diese Etappe schon nachkurzer Zeit sehr selbstkritisch eingeschätzt,obwohl ihr niemand den Vorwurfmachen konnte, in den zwei Jahren„staatsfromm“ gewesen zu sein und allevon oben gesetzten Maßnahmen befürwortetzu haben. Auf dem 14. Parteitag1948 sagte Koplenig dazu: „Der Umstand,dass wir mit Vertretern <strong>der</strong> Bourgeoisiein <strong>der</strong> Regierung zusammengearbeitethaben und sehr viele politischeFragen auf dem Weg <strong>der</strong> Parteienvereinbarungengelöst werden mussten, hatmanchmal die Tatsache verschleiert,dass in einer Klassengesellschaft je<strong>der</strong>politische Kampf eine Erscheinung desKlassenkampfes ist, auch wenn das nichtimmer offen zum Ausdruck kommt. (...)Wir haben die Konsequenzen <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>tenLage in <strong>der</strong> Welt und in Österreichnicht rechtzeitig gezogen und zulange an Begriffen festgehalten, die in<strong>der</strong> neuen Situation keine Geltung mehrhatten. So haben wir noch zu einem Zeitpunktvon <strong>der</strong> demokratischen Einigungauf dem Wege <strong>der</strong> Zusammenarbeit mitden Spitzen <strong>der</strong> beiden an<strong>der</strong>en Parteiengesprochen, wo die für Österreich notwendigeZusammenfassung <strong>der</strong> demokratischenKräfte nur mehr im Kampfgegen die mit dem amerikanischen Kapitalverschworenen Spitzen <strong>der</strong> VP undSP möglich war. (...) Zu einer Zeit, wodie Regierung bereits eine offene Agenturdes amerikanischen Imperialismusgeworden war, haben wir noch Wert aufgemeinsame Kundgebungen gelegt, anstattkühn und entschlossen ihren Verratan <strong>der</strong> österreichischen Unabhängigkeitzu entlarven. Da wir verspätet erkannten,dass sich <strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> Regierungund ihrer Politik grundlegend geän<strong>der</strong>thatte, waren wir auch nicht imstande, unsereganze Sprache und unsere Argumenterechtzeitig auf die Perspektiveverschärfter Klassenkämpfe umzustellen.Wir haben vom Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong>Wirtschaft gesprochen, ohne die Bestrebungenzum Wie<strong>der</strong>aufbau des Kapitalismusklar und rechtzeitig zuentlarven.“ 58Die zweite Etappe dauerte von 1948bis 1953. Sie war, <strong>als</strong> <strong>der</strong> Kalte Krieg aufdem Höhepunkt stand und geradezu hysterischeFormen annahm, die Zeit <strong>der</strong>schärfsten Opposition <strong>der</strong> Partei und einererbitterten Konfrontation mit <strong>der</strong> Regierungund den Mehrheitsparteien (viceversa) im Parlament. Der Einzug desdeutschnational-reaktionären VdU inden Nationalrat 1949 goss dabei nur weiteresÖl ins Feuer. Einsamer Gipfel wardie Sitzung am 12. Oktober 1950 überden Massenstreik, eine <strong>der</strong> stürmischstenin <strong>der</strong> gesamten Geschichte des österreichischenParlamentarismus, <strong>als</strong> überdie Kommunisten ein Hagel an Anschuldigungennie<strong>der</strong>ging. Franz Honner, immerwie<strong>der</strong> von wütenden Zwischenrufenunterbrochen, hielt an diesem Tagseine vielleicht größte Rede. Nicht wenigerstandhaft zeigten sich Ernst Fischer,Erwin Scharf und Viktor Elser, die vorallem darlegten, was zu dem Streik geführthatte. 59 Der Hauptheld, <strong>der</strong> im Oktober1950 angeblich Österreich vor <strong>der</strong>kommunistischen Machtübernahme rettete,Franz Olah, meldete sich – manglaubt es kaum – nicht zu Wort und wurdesogar in den Reden <strong>der</strong> SPÖ- undÖVP-Abgeordneten nur ganz am Randeerwähnt, woraus man wie<strong>der</strong> einmal ersehenkann, dass den Herrschenden genehmeGeschichtslegenden wie die vomkommunistischen Putschversuch unausrottbarsind und einer faktischen Beweisführungkeineswegs bedürfen.Die dritte Etappe umfasste die Jahre1953 bis 1955. Da sich die RegierungRaab, seit 2. April 1953 im Amt, vom bisdahin üblichen rüden Antisowjetismus in<strong>der</strong> Erkenntnis abkehrte, dass <strong>der</strong> Staatsvertragin Konfrontation zur UdSSRnicht zu erreichen war, und auch diesowjetische Besatzungsmacht erleichterndeSchritte wie die Aufhebung <strong>der</strong>Personenkontrolle an den Demarkationsliniensetzte, trat im Parlament einesichtliche Entspannung ein. Der KPÖ-Fraktion kommt in diesem ZeitabschnittErwin Scharf (1914–1994)das Verdienst zu, den Status <strong>der</strong> Neutralität<strong>als</strong> Schlüssel auf dem Weg zumStaatsvertrag vor allen an<strong>der</strong>en im Nationalrataufgezeigt und gefor<strong>der</strong>t zu haben.Als beides Wirklichkeit wurde, erlebtedas Parlament anlässlich <strong>der</strong> Verabschiedungdes Bundesverfassungsgesetzesüber die immerwährende Neutralität am26. Oktober 1955 eine <strong>der</strong> würdigstenund versöhnlichsten Sitzungen, auf <strong>der</strong>Ernst Fischer namens <strong>der</strong> KPÖ die besteseiner vielen guten Reden hielt. 60Die vierte Etappe dauerte von 1955 bis1959. Sie war bereits geprägt von denschweren Erschütterungen, die die EnthüllungenChruschtschows über Stalinauf dem 20. Parteitag <strong>der</strong> KPdSU und dieEreignisse in Ungarn 1956 in <strong>der</strong> KPÖhervorriefen. Nur mit knapper Not konntebei <strong>der</strong> Nationalratswahl am 13. Mai1956 das Grundmandat in Wien erreichtwerden, und <strong>der</strong> Rückgang des Einflussesin- und außerhalb des Parlaments warunverkennbar. Die Aggressivität gegenüberden drei verbliebenen KPÖ-Abgeordnetenverschärfte sich erneut undpaarte sich mit Ignorieren und ostentativerGeringachtung. Das äußerte sich in<strong>der</strong> Weise, dass die Mandatare <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enParteien (mit ein o<strong>der</strong> zwei Ausnahmenzum Zweck des Festhaltens ihrerZwischenrufe im stenographischen Protokoll)fast immer geschlossen den Sitzungssaalverließen und sich im Parlamentsbuffetlabten, sobald ein Kommunistzum Rednerpult trat. „Leeres Haus!“statt „Hohes Haus!“ lautete dann die ironischeEingangsfloskel, mit <strong>der</strong> Koplenig,Honner und Fischer in <strong>der</strong> Gewissheitdarauf reagierten, dass auch so ihreAusführungen <strong>der</strong> Mit- und Nachwelt erhaltenbleiben.2/10


8 BeiträgeGottlieb Fiala (1891–1970)2/10Von <strong>der</strong> Qualität<strong>der</strong> Reden und RednerDer Autor hat zwar in seiner JugendKoplenig, Fischer und Honner <strong>als</strong> Rednernoch selbst erlebt, zumeist am 1. Mai, eineEinschätzung ihrer Fähigkeiten aufdem Gebiet (und <strong>der</strong> von Elser, Fiala undScharf) muss sich aber auf die gedrucktenTexte <strong>der</strong> stenographischen Protokollestützen. Sie sind insofern nicht ganzwortgetreu, <strong>als</strong> man laut Geschäftsordnung24 Stunden Zeit hatte, die Nie<strong>der</strong>schriften<strong>der</strong> Parlamentsstenographen„zwecks stilistischer Korrektur“ zu überarbeiten,ohne sie inhaltlich zu verän<strong>der</strong>n.61 Das ist auch absolut notwendig,denn selbst dem perfektesten freien Rednerunterlaufen grammatikalische undsyntaktische Fehler. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> schon einmaldas zweifelhafte Vergnügen hatte,einen Tonbandmitschnitt zu transkribierenund genötigt war, den Wortlaut in akzeptablemDeutsch für den Druck aufzubereiten,weiß das.Im Parlament war das Herunterlesenvom Blatt einst ausdrücklich verbotenund ist nach wie vor zumindest verpönt.Nur die Benützung von Notizzetteln mitStichworten und das Zitieren aus Textenist legitim und dem rhetorischenVerhaltenskodex eines/einer Abgeordnetenangemessen.Vertieft man sich in die stenographischenProtokolle, dann steht von <strong>der</strong>Rednerqualität her Ernst Fischer an ersterStelle, nicht nur innerhalb <strong>der</strong> KPÖ-Fraktion, son<strong>der</strong>n unter allen Mandatarenim Hause. Er hatte die Gabe, komplizierteSachverhalte auf den Punkt zubringen, unnötige Wortkaskaden,Schachtelsätze und Abschweifungen zuvermeiden und den jeweils prägnantestenAusdruck zu gebrauchen. Die intellektuelleÜberlegenheit und profundeBildung, die er den an<strong>der</strong>en voraushatte,brachte er allerdings gerne zur Geltung,was die min<strong>der</strong> fähigen Abgeordneten<strong>der</strong> übrigen Parteien oft ärgerte und zuAngriffen unter <strong>der</strong> Gürtellinieveranlasste. Im Allgemeinen aber bewun<strong>der</strong>teund beneidete man ihn heimlichob seiner Redekunst.Ein in an<strong>der</strong>er Weise sehr guter Rednerwar Franz Honner. Er überzeugte durchsein leidenschaftliches Eintreten für dieAnliegen <strong>der</strong> arbeitenden Menschen.Weil von cholerischem Temperament,wurde er durch Zwischenrufe immerwie<strong>der</strong> gezielt provoziert, die er aberschlagfertig zu parieren verstand. DerVdU-Abgeordnete Fritz Stüber schil<strong>der</strong>teeine solche Szene: „Wenn nämlich dieAbgeordneten <strong>der</strong> KPÖ die alte Klageleieranstimmten, dass die Kapitalistenzuwenig Steuer zahlten, dann scholl ihnenim Chor regelmäßig <strong>der</strong> Zwischenrufentgegen: ‚USIA‘. (...) Als daherdem Kommunisten Honner wie<strong>der</strong>einmal von einem ÖVP-Mandatar, <strong>der</strong>fäusteschüttelnd wütend von seinem Sitzaufsprang, <strong>der</strong> bekannte Zwischenruf gemachtwurde, antwortete ihm jener mitgroßer Ruhe: ‚Schrein S’ dreimal‚USIA‘ und setzen S’ sich wie<strong>der</strong> hin!‘Honner hatte zwar nicht das Recht, aberdie Lacher auf seiner Seite.“ 62Viktor Elser sprach immer streng zurSache, ohne rhetorische Schnörkel undaußertourliche polemische Attacken. Erwurde deshalb auch fast nie durch Zwischenrufegestört – bei den Kommunisteneine Seltenheit. Seine Debattenbeiträgezu sozial- und arbeitsrechtlichenFragen lesen sich wie Referate eines Dozentenauf Gewerkschafts- und Betriebsräteseminaren,sind aber vom Inhalt herungewöhnlich informativ. Experten aufdem Gebiet ebenso wie SozialhistorikerInnenkönnten, wenn sie wollten, auchheute noch daraus Nutzen ziehen.Johann Koplenig war die Rednergabenicht in die Wiege gelegt, ein Mangel,über den er selbst Bescheid wusste und<strong>der</strong> seine relative Zurückhaltung beimWortergreifen erklärt. Er glich dieseSchwäche durch seine respekteinflößendePersönlichkeit und die glühende Parteinahmefür die Interessen <strong>der</strong> Werktätigenaus, die man bei ihm <strong>als</strong> Kommunistenmit Leib und Seele im Parlament verspürte– obwohl das nicht <strong>der</strong> Ort war,wo er sich son<strong>der</strong>lich wohl fühlte. Typenwie die „Kapitalistenlakaien“ in den Reihen<strong>der</strong> ÖVP und SPÖ, ganz zu schwei-gen von VdUlern wie Karl Hartleb, HelfriedPfeifer, Fritz Stüber, Viktor Reimann,Max Stendebach u.a. regten ihnmaßlos auf und veranlassten ihn zu zahlreichenempörten Zwischenrufen. Trotzdemwaren auch seine Reden inhaltsundsachkenntnisreich sowie dadurch gekennzeichnet,dass sie, in schonungsloskritischem Ton gehalten, die hinter denGesetzesvorlagen stehenden Klasseninteressenbloßlegten.Erwin Scharf ähnelte im AuftretenViktor Elser. Er sprach in nüchternerWeise pointiert das Wesen <strong>der</strong> Dinge an,war immer gut vorbereitet und ließ sichvon verbalen Anwürfen, die ihm <strong>als</strong>„Verräter“ seitens <strong>der</strong> SPÖ-Mandatarenur zu oft entgegenschallten, nicht aus<strong>der</strong> Ruhe bringen.Bleibt Gottlieb Fiala. Seine Reden warenkurz und bündig, und er hatte das,was man ein „gesundes Mundwerk“nennt, Witz und die Fähigkeit, schnellmit treffenden Worten den (meist niveaulosen)antikommunistischen ZwischenrufenKontra zu geben. Den etwasverschlafenen, weil in <strong>der</strong> Bedeutungdem Nationalrat in augenfälliger Weisezurückstehenden Bundesrat belebte erdamit ungemein.Ausblick: Vom Nutzen <strong>der</strong>Beschäftigung mit dem ThemaUm die Tätigkeit <strong>der</strong> kommunistischenAbgeordneten wirklich würdigen zukönnen, ist aber in erster Linie die inhaltlicheAnalyse ihrer Reden nötig. Stelltman in Rechnung, dass es im Verlauf <strong>der</strong>vierzehn Jahre nicht weniger <strong>als</strong> 861 waren,von denen manche bis zu zehn(zweispaltige) Seiten in den gedrucktenProtokollen umfassen, wird einem dieDimension eines solchen Vorhabens erstbewusst. Eine historische Darstellungmuss sich daher auf eine Auswahl beschränken,und das sind vornehmlichDebattenbeiträge, denen eine bis in dieGegenwart reichende, bleibende Bedeutungzukommt.Davon gibt es genug: Reden zur Artund Weise, wie die Restauration des Kapitalismusnach 1945 in Österreich vorsich ging; Reden zur Notwendigkeit vonöffentlichem Eigentum und sozialer Daseinsvorsorge;Reden zum antifaschistisch-demokratischenGründungsauftrag<strong>der</strong> Zweiten Republik und zum Herangehenan das Nation<strong>als</strong>ozialistenproblem;Reden zur Neutralität, zu den Motivenihrer Gegner und zu den Bestrebungenjener, die sie schon bald nachdem Wirklichwerden wie<strong>der</strong> zu unterminierentrachteten; Reden zur gesetzlichen


Beiträge 9Fritz Glaubauf (1901–1975), Sekretär <strong>der</strong>kommunistischen Parlamentsfraktion.Verankerung <strong>der</strong> Rechte und Interessen<strong>der</strong> arbeitenden Menschen und zum Aufbausozi<strong>als</strong>taatlicher Standards; Redenzu den Mechanismen auf dem Gebiet <strong>der</strong>Massenbeeinflussung, die für den sukzessivenNie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> politischenKultur in Österreich verantwortlich warenund sind; und, da sie Marxisten waren,ganz einfach Reden zu Dingen, dieheute niemand mehr anzusprechen imstandeist o<strong>der</strong> ansprechen will.Die Umstände, unter denen wir jetztleben, relativieren jede Art <strong>der</strong> Bewertung<strong>der</strong> Vergangenheit, sowohl dieSicht auf das Wirken <strong>der</strong> KPÖ-Abgeordneten<strong>als</strong> auch die Betrachtung <strong>der</strong>damalige Rolle des Nationalrates. Verglichenmit seiner gegenwärtigen Tätigkeithat er nämlich auch viel Großes,Fortschrittliches geleistet und Fundamentegelegt, die gänzlich zu zertrümmernden Betreibern <strong>der</strong> neoliberalenWende noch nicht gelungen ist und hoffentlichnie gelingen wird.Es soll Aufgabe unserer geplantenhistorischen Darstellung sein, geradediese positiven Traditionen des österreichischenParlamentarismus deutlichzu machen und zu zeigen, dass die kleine,befehdete, verfemte und aus demöffentlichen Bewusstsein schon so gutwie gänzlich eliminierte Fraktion <strong>der</strong>Kommunisten ihren Beitrag dazu leistete.Alle linken, gesellschaftskritischenKräfte, die es in Österreich trotzdemund glücklicherweise noch gibt,können aus ihren Parlamentsreden undaus dem, was sie for<strong>der</strong>ten, befürworteten,bekrittelten und ablehnten, wertvolleErkenntnisse ziehen.Anmerkungen:1/ Zu Eva Priester siehe: Claudia Trost, EvaPriester. Ein biographischer Abriss, in: Die <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> und ihr Archiv. Beiträgezur österreichischen Geschichte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts,hg. von Hans Hautmann = <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>. Quellen & Studien 2000, Wien2000, S. 347–370.2/ 1951 wurde den Parteitagsdelegierten vomZentralkomitee <strong>der</strong> KPÖ ein gedrucktes „Materialzum XV. Parteitag“ vorgelegt, das neben einerReihe von Berichten zu an<strong>der</strong>en Themenauch einen über die Arbeit <strong>der</strong> Parlamentsfraktionenthielt. Er umfasste, recht kursorisch gehalten,lediglich vier Seiten.3/ Der 16. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs im Wiener Konzerthaus, 13. bis16. Mai 1954 (Gekürztes Protokoll). Hg. vomZentralkomitee <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs, o.O., o.J., S. 72. Der Bericht überdie Tätigkeit <strong>der</strong> Parlamentsfraktion in den Materialienzu diesem Parteitag war mit sieben Seitenetwas ausführlicher.4/ Der 17. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs in den Wiener Sophiensälen,28. bis 31. März 1957 (Gekürztes Protokoll).Hg. vom Zentralkomitee <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs, o.O., o.J., S. 122f. Hervorhebungenim Original.5/ Der 18. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs im Wiener Konzerthaus, 1. bis3. April 1961 (Gekürztes Protokoll). Hg. vomZentralkomitee <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs, o.O., o.J., S. 215f.6/ W.I. Lenin, Sozialdemokratie und Wahlabkommen,in: W.I. Lenin, Werke, Bd. 11, S. 269.Hervorhebung H.H.7/ Anlässlich des Todes von August Bebel1913 schrieb Lenin, dass die revolutionärenVertreter <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie eineParlamentstaktik entwickelten, die den Gegnernnicht die geringsten Zugeständnissemachte, die keine Möglichkeit ungenutzt ließ,um Verbesserungen für die Arbeiter durchzusetzen,„die gleichzeitig prinzipiell und unversöhnlichund stets auf die Verwirklichung desEndziels gerichtet“ war. W.I. Lenin, August Bebel,in: Werke, Bd. 19, S. 288.8/ Dieter Fricke, Handbuch zur Geschichte <strong>der</strong>deutschen Arbeiterbewegung 1869 bis 1917 inzwei Bänden, Kapitel: Zur Parlaments- undWahlkampftaktik <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie,Bd. 2, Berlin 1987, S. 709.9/ Rosa Luxemburg, Die badische Budgetabstimmung,in: Rosa Luxemburg, GesammelteWerke, Bd. 1: 1893 bis 1905, Zweiter Halbband,Berlin 1970, S. 77ff. Sie schrieb hier unter an<strong>der</strong>em:„Dadurch, dass sie die unversöhnliche Haltunggegenüber <strong>der</strong> bürgerlichen Klassenherrschaftin entschiedener Weise zum Ausdruckbringt, ist die Budgetverweigerung für die Sozialdemokratieein mächtiges Mittel, die Volkskreiseüber ihre parlamentarische Stellung aufzuklären.In <strong>der</strong> moralischen Wirkung auf dasVolk liegt <strong>als</strong>o die ausschlaggebende Bedeutung<strong>der</strong> sozialdemokratischen Budgetablehnung,diese behält sie aber nur, insofern sie eineständige, eine grundsätzliche ist. (...) Es isteine ständig zu beobachtende Tatsache, dassdie Sozialdemokratie, sobald sie den festen Boden<strong>der</strong> prinzipiellen Politik verlässt, viel tiefersinkt <strong>als</strong> die bürgerlichen Parteien.“ (S. 84f. HervorhebungenH.H.)10/ Dieter Fricke, a.a.O., S. 715.11/ W.I. Lenin, Zwei Welten, in: Werke, Bd. 16,S. 309.12/ Engels an August Bebel, 24. November1879, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke(MEW), Bd. 34, S. 423f. Hervorhebung H.H.13/ Siehe dazu das alte, aber nach wie vor lesenswerteBuch: A.E. Badajew, Die Bolschewikiin <strong>der</strong> Reichsduma. Erinnerungen, Berlin 1932.14/ Siehe dazu: (Autorenkollektiv), Kommunistenim Reichstag. Reden und biographischeSkizzen, Berlin 1980.15/ Österreichisches Jahrbuch 1945–1946.Nach amtlichen Quellen hg. vom Bundespressedienst.Achtzehnte Folge, Wien 1947, S. 66.16/ Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich,Wien 1981, S. 93.17/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit<strong>der</strong> V. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 19. Dezember 1945 bis 8. November1949, Wien 1949, S. 43, 47, 67 und 73.18/ Österreichisches Jahrbuch 1949. Nach amtlichenQuellen hg. vom Bundespressedienst.Einundzwanzigste Folge, Wien 1950, S. 83f. ImParlament firmierte <strong>der</strong> VdU unter <strong>der</strong> BezeichnungWahlpartei <strong>der</strong> Unabhängigen (WdU).19/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit<strong>der</strong> VI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 8. November 1949 bis 18. März1953, Wien 1953, S. 54, 59, 80, 87 und 135.20/ Österreichisches Jahrbuch 1953. Nach amtlichenQuellen hg. vom Bundespressedienst.Fünfundzwanzigste Folge, Wien 1954, S. 12f.21/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit<strong>der</strong> VII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 18. März 1953 bis 8. Juni1956, Wien 1956, S. 42, 47, 69 und 80.22/ Österreichisches Jahrbuch 1956. Nach amtlichenQuellen hg. vom Bundespressedienst.Achtundzwanzigste Folge, Wien 1957, S. 42.23/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit<strong>der</strong> VIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 8. Juni 1956 bis 9. Juni 1959,Wien 1959, S. 40, 48 und 67.24/ Stichwort „Gemein<strong>der</strong>atswahlen“ in: FelixCzeike, Historisches Lexikon Wien in 5 Bänden,Bd. 2, Wien 1993, S. 494f.25/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit2/10


10 Beiträge<strong>der</strong> VI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 8. November 1949 bis 18. März1953, Wien 1953, S. 167.26/ Politisches Handbuch Österreichs1945–1972. Zusammengestellt von WolfgangOberleitner, Wien 1972, S. 203.27/ Handbuch des österreichischen NationalundBundesrates 1953 nach dem Stande vom1. Juni 1953, Wien o.J. (1953), S. 37.28/ Handbuch des österreichischen NationalundBundesrates 1949 nach dem Stande vom1. Februar 1950, Wien o.J. (1950), S. 39.29/ Geschichte Österreichs in Stichworten, TeilVI (1934 bis 1955), Wien 1984, S. 230.30/ Handbuch des österreichischen NationalundBundesrates 1945 nach dem Stand vomJuni 1946, zusammengestellt und redigiert vonJosef Pav, Wien o.J. (1946), S. 45.31/ Handbuch des österreichischen NationalundBundesrates 1956 nach dem Stand vom15. Juli 1956, Wien o.J. (1956), S. 81.32/ Ebenda, S. 96.33/ Richtig: Tøeboò (deutsch: Wittingau) in Südböhmen.34/ Handbuch des österreichischen NationalundBundesrates 1945, a.a.O., S. 179 undHandbuch des österreichischen National- undBundesrates 1949, a.a.O., S. 172.35/ Sein Konflikt mit <strong>der</strong> SPÖ-Führung ist beschriebenin: Erwin Scharf, Ich darf nichtschweigen. Drei Jahre Politik des Parteivorstandes<strong>der</strong> SPÖ – von innen gesehen, Wien o.J.[1948]; Fritz Weber, Der Kalte Krieg in <strong>der</strong> SPÖ.Koalitionswächter, Pragmatiker und revolutionäreSozialisten 1945–1950, Wien 1986; ErwinScharf – Zeitzeuge, hg. von Maria Sporrer undHerbert Steiner, Wien 1986; Erwin Scharf, Ichhab’s gewagt mit Sinnen... Entscheidungen imantifaschistischen Wi<strong>der</strong>stand. Erlebnisse in <strong>der</strong>politischen Konfrontation, Wien 1988. ScharfsAusscheiden aus dem Nationalrat 1948 erfolgteaufgrund einer schriftlichen Verpflichtung,während <strong>der</strong> Legislaturperiode we<strong>der</strong> die Parteizu wechseln noch <strong>als</strong> „wil<strong>der</strong>“ Abgeordneter zuverbleiben, eine Zusage, die jedem Abgeordnetenbei seinem Antritt von <strong>der</strong> Fraktion abverlangtwurde, nicht nur seitens <strong>der</strong> SPÖ.36/ Die Zahlen sind errechnet nach den vier Inwww.klahrgesellschaft.at– Informationen über Ziele und Aktivitäten<strong>der</strong> ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT.– Sämtliche Beiträge aus den <strong>Mitteilungen</strong><strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>der</strong>Jahrgänge 1994–<strong>2010</strong> im Volltext.– Übersicht über aktuelle und bisherigeVeranstaltungen <strong>der</strong> AKG seit 1993.– Beiträge und Bibliographien zurGeschichte <strong>der</strong> KPÖ.– Publikationen des Verlages <strong>der</strong>AKG und Bestellmöglichkeit.2/10dex-Bänden zu den bereits zitierten stenographischenProtokollen des Nationalrates undBundesrates, umfassend die Jahre 1945 bis1959, passim.37/ Entnommen den Index-Bänden, a.a.O.,passim.38/ Ebenda, passim.39/ Dr. Eva Schmidt-Kolmer (1913–1991), seit1930 Mitglied <strong>der</strong> KPÖ, 1938 Emigration nachGroßbritannien, dort Mitbegrün<strong>der</strong>in und Gener<strong>als</strong>ekretärindes Free Austrian Movement,1945 Rückkehr nach Wien. Sie ging 1946 nachDeutschland in die sowjetische Besatzungszone,wo sie <strong>als</strong> Ärztin für Kin<strong>der</strong>heilkunde großenAnteil am Aufbau des Gesundheitswesens in<strong>der</strong> DDR hatte. Siehe: <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>.<strong>Mitteilungen</strong>, 15. Jg., <strong>Nr</strong>. 1, März 2008, S. 5. IhrGroßvater Gustav Kolmer (1846–1931) war <strong>der</strong>Autor des berühmten achtbändigen Werks „Parlamentund Verfassung in Österreich“, Wien1902ff., einer Parlamentsgeschichte <strong>der</strong> Monarchieab 1848, die in ähnlicher Qualität für dieErste und Zweite Republik vollkommen fehlt.40/ Laut Information von Mag. Manfred Mugrauerund Dr. Willi Weinert, denen dafür an dieserStelle gedankt sei. Dr. Fritz Glaubauf(1901–1975), seit 1919 Mitglied <strong>der</strong> KPÖ, warvon 1937 bis 1943 in <strong>der</strong> Abteilung Propagandaund Presse des Exekutivkomitees <strong>der</strong>Kommunistischen Internationale in Moskau tätigund ein enger Mitarbeiter Georgi Dimitroffs.1945 kehrte er nach Österreich zurück, war Redakteur<strong>der</strong> Volksstimme und mehrere Jahre Vizepräsident<strong>der</strong> Journalistengewerkschaft.41/ Dr. Kurt Weihs (1920–1997) trat nach seinerEmigration in <strong>der</strong> Schweiz 1945 <strong>der</strong> KPÖ bei,war ein enger Mitarbeiter des EnergieministersAltmann und in <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> führende Experte<strong>der</strong> KPÖ auf dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschafts-, Budget-,Finanz- und Steuerpolitik. Neben seinerFunktion <strong>als</strong> Kultusrat <strong>der</strong> Israelitischen Kultusgemeindesaß er <strong>als</strong> Vertreter des GewerkschaftlichenLinksblocks im Aufsichtsrat <strong>der</strong>BAWAG und war ständiges Mitglied <strong>der</strong> Steuerkommissiondes ÖGB.42/ Darüber ausführlich: Willi Weinert, Archiveund Bibliothek <strong>der</strong> KPÖ, in: Die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>und ihr Archiv, a.a.O., S. 25–93.43/ Ludwig Adamovich, Grundriss des österreichischenVerfassungsrechts, Wien 1947 4 ,S. 120.44/ Index zu den stenographischen Protokollendes Nationalrates und Bundesrates für die Zeit<strong>der</strong> V. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates,das ist vom 19. Dezember 1945 bis 8. November1949, Wien 1949, S. 43, 47, 67 und 73.45/ Parlamentsarchiv, Politische Akten – Nationalrat,V. GP (1945–1949), Schachteln 35, 37,38, 41 und 44.46/ Ebenda, Schachtel 35 (Hauptausschuss),Parlamentskorrespondenz vom 31. Juli 1947,Bogen A und B. Hervorhebung im Original.47/ Geschäftsordnung des Nationalrates, Wien1949, S. 15, § 16/D.48/ Nationalrats-Geschäftsordnung samt Verfahrensordnungfür parlamentarische Untersuchungsausschüsseund umfangreichen Anmerkungen,hg. von Dr. Konrad Atzwanger undProf. Dr. Werner Zögernitz, Wien 1999 3 , S. 141,§ 26/4.49/ Siehe die Index-Bände <strong>der</strong> V. und VI. Gesetzgebungsperiode,a.a.O., passim.50/ Nationalrats-Geschäftsordnung, a.a.O.,S. 370, § 91.51/ Index <strong>der</strong> VI. Gesetzgebungsperiode,a.a.O., S. 54, 59, 80, 87 und 135.52/ Anfrage 517/J, 32. Beiblatt zur Parlamentskorrespondenzvom 25. Juni 1952.53/ Anfragebeantwortung 462/A.B. zu 517/J,1. Beiblatt zur Parlamentskorrespondenz vom8. Juli 1952, Hervorhebung H.H.54/ Anfrage 222/J, 22. Beiblatt zur Parlamentskorrespondenzvom 14. Februar 1951.55/ Anfragebeantwortung 209/A.B. zu 222/J,4. Beiblatt zur Parlamentskorrespondenz vom13. März 1951, Hervorhebung H.H.56/ In dieser Regierungserklärung ließ Figl dieviel zitierten Worte fallen: „Das Österreich vonmorgen wird ein neues, ein revolutionäresÖsterreich sein“.57/ Stenographische Protokolle über die Sitzungendes Nationalrates (V. Gesetzgebungsperiode)<strong>der</strong> Republik Österreich 1945 bis 1946,I. Bd., Wien 1946, S. 34.58/ Der 14. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs (Gekürztes Protokoll). Hg. vomZentralkomitee <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs, o.O., o.J., S. 52f. HervorhebungenH.H. Der 14. Parteitag fand vom 29. Oktober bis2. November 1948 statt.59/ Stenographische Protokolle über die Sitzungendes Nationalrates (VI. Gesetzgebungsperiode)<strong>der</strong> Republik Österreich 1950 bis 1951,II. Bd., Wien 1951, S. 1093ff.60/ Stenographische Protokolle über die Sitzungendes Nationalrates (VII. Gesetzgebungsperiode)<strong>der</strong> Republik Österreich 1955, IV. Bd., Wien1956, S. 3704ff. Siehe dazu auch: HansHautmann, 26. Oktober 1955: Plenum des Nationalrats,in: <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>. <strong>Mitteilungen</strong>,2. Jg., <strong>Nr</strong>. 3, September 1995, S. 1ff.61/ Nationalrats-Geschäftsordnung, a.a.O.,S. 261, § 52.62/ Fritz Stüber, Ich war Abgeordneter. Die Entstehung<strong>der</strong> freiheitlichen Opposition in Österreich,Graz–Stuttgart 1974, S. 187. Der Vorwurf,den man den in sowjetischem Besitz stehendenUSIA-Betrieben des beschlagnahmten ehem<strong>als</strong>deutschen Eigentums in Ostösterreich machte,ging dahin, dass sie keine Steuern an denösterreichischen Staat abführten. Dies traf jedochnur für eine Steuer, die Körperschaftssteuer,zu; alle an<strong>der</strong>en ihr vorgeschriebenen Steuernentrichtete die USIA. Siehe die Broschüre<strong>der</strong> KPÖ: USIA. Zistersdorf. Was je<strong>der</strong> darüberwissen muss, o.O. [Wien], o.J. [1953], S. 11.


Beiträge 11Asylrecht <strong>als</strong> MenschenrechtEine For<strong>der</strong>ung des sozialistischen Juristen Christian BrodaÜber Begriffe wie Menschenrechte,Gerechtigkeit und Asylrechtwird in unserer realkapitalistischen<strong>Gesellschaft</strong> differenziert juristischargumentiert. Aber es geht nichtum akademische Interpretationsfragen,es kommt vielmehr, wie <strong>der</strong> Jurist <strong>der</strong>österreichischen Arbeiterklasse EduardRabofsky (1911–1994) in Anlehnung anKarl Marx (1818–1883) und FriedrichEngels (1820–1895) betont hat, daraufan, sich die Wirklichkeit ohne die vonrechtswissenschaftlichen Optikern erzeugtenjuristischen Brillen anzuschauen.1 Christian Broda (1916–1987), österreichischerJustizminister von 1960–1966 und von 1970–1983, in JugendjahrenFreund von Rabofsky und sein Genosseim Wi<strong>der</strong>stand, 2 gilt zu Recht <strong>als</strong>Pionier einer humanen Rechtspolitik inÖsterreich. Gegen Ende seines Lebenshat sich Broda, was, viel zu wenig bekanntund erkannt, heute von seinerSPÖ-Wertegemeinschaft in Vergessenheitgedrängt wird, mit großem Elan fürden Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte vonFlüchtlingen und Asylwerbern eingesetzt,vielleicht mehr in seiner Eigenschaft<strong>als</strong> Advokat denn <strong>als</strong> ehemaligerBundesminister für Justiz. 3 Seinem Wirkenin Asylsachen, das von hohem juristischenKönnen und menschlicherHilfsbereitschaft geprägt ist, legte Brodadie Allgemeine Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechtevom 10. Dezember 1948 4zugrunde, in <strong>der</strong>en Artikel 14 es heißt:„1. Je<strong>der</strong> Mensch hat das Recht, in an<strong>der</strong>enLän<strong>der</strong>n vor Verfolgungen Asyl zusuchen und zu genießen. 2. Dieses Rechtkann jedoch im Falle seiner Verfolgungwegen nichtpolitischer Verbrechen o<strong>der</strong>wegen Handlungen, die gegen die Zieleund Grundsätze <strong>der</strong> Vereinten Nationenverstoßen, nicht in Anspruch genommenwerden.“ Artikel 5 besagt: „Niemanddarf <strong>der</strong> Folter o<strong>der</strong> grausamer o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong>Behandlung o<strong>der</strong> Strafeunterworfen werden.“ Diese Menschenrechtsartikelwurden insbeson<strong>der</strong>e ergänztdurch die von Österreich 1987 ratifizierteAntifolterkonvention <strong>der</strong> UNOvom 10. Dezember 1984, Artikel 3 Absatz1, wo es heißt: „Ein Vertragsstaatdarf eine Person nicht in einen an<strong>der</strong>enStaat ausweisen, abschieben o<strong>der</strong> an diesenausliefern, wenn stichhaltige GründeGERHARD OBERKOFLERfür die Annahme bestehen, daß sie dortGefahr liefe, gefoltert zu werden.“ 5Broda stützte sich in Asylsachen aufdie Allgemeine Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte,weil die von Hans Kelsen(1881–1983) ausgedachte österreichischeBundesverfassung überhaupt keinAsylrecht kennt. 6 Der von Broda geschätzteSalzburger RechtsphilosophRené Marcic (1919–1971) hat deshalb1956 die Aufnahme des Asylrechts inden Katalog verfassungsgesetzlich geschützterGrundrechte eingefor<strong>der</strong>t. 7 Einesolche For<strong>der</strong>ung hatte <strong>der</strong> WienerStaatsrechtler Günther Winkler auch1959 erhoben. 8 Winkler arbeitete 9 an einerSynopsis wichtigster europäischerGrundrechtskataloge <strong>als</strong> Ausgangsbasisfür die Ende 1964 institutionalisiertenExpertengespräche über eine österreichischeGrundrechtsreform, die bis heutenoch zu keinem abschließenden Ergebnisgekommen sind. 10Marginalien zur historischenProblemsituationDas Asyl gilt <strong>als</strong> spezifischer Ausdruckvon Gastfreundschaft, seine Wurzelnsind im sakralen Bereich. 11 Religionshistorikerund Völkerkundler finden<strong>als</strong> Ausgangsform des Asyls unverletzliche,im Götterschutz stehende Orte wieHaine, Altäre o<strong>der</strong> Tempel, wo Verfolgte,auch Auslän<strong>der</strong>, Sicherheit finden. In<strong>der</strong> griechischen Antike fanden Gottesfriedeund Asylrecht in religiösen Zentreneine gesicherte Örtlichkeit. 12 Einsehr früher Staatsvertrag ist <strong>der</strong> aus demJahre 1259 v. u. Z. zwischen Ägyptenund dem Hethiterreich, worin wechselseitigdie Auslieferung politischerFlüchtlinge zugesichert wird, aber auchSchutz von Asylsuchenden. 13 In das römischeRecht wurde durch Antoninus(86–161) das Asylrecht für misshandelteSklaven eingeführt. Im europäischenMittelalter wurden im 11. und 12. Jh.wie<strong>der</strong>holt Vorschriften erlassen, wonachKirchen und verschiedene kirchlichprivilegierte Orte und Gebäude allen sichdort befindlichen Personen Asyl gewährten.14 Das bedeutet aber nicht, dass dasAsylrecht göttlicher Herkunft ist, eshängt vielmehr wie das gesamte Konzept<strong>der</strong> Menschenrechte, worauf schon <strong>der</strong>scharfe Denker Blaise PascalDer Erinnerung an Jakob Zanger(1923–2001) gewidmet(1623–1662) hingewiesen hat, von historischenEpochen und <strong>der</strong> geographischenLage ab. 15 Das Asylrecht ist <strong>als</strong>o keinmetaphysisches Recht, gehört aber zuden ältesten Erscheinungsformen vonMenschenrechten.Mit und nach <strong>der</strong> Französischen Revolution,die das Asylrecht <strong>als</strong> einenGrundsatz des bürgerlich-demokratischenRechts proklamiert hat, setzte sich<strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> Auslieferung aufGrundlage zwischenstaatlicher Verträgezunehmend durch, ausgenommen warenvon <strong>der</strong> Auslieferung die wegen verschiedenerÜberzeugungsdelikte politischVerfolgten. Für die aufsteigendeBourgeoisie war das Asylrecht ein Instrument,Gegner <strong>der</strong> feudal absolutistischenFront zu unterstützen. Bürgerlichstaatliche Rechtsordnungen sahengrundsätzlich keine Strafdrohungen gegenpolitische Delikte, die gegen einenan<strong>der</strong>en Staat begangen worden sind,vor. Georg Wilhelm Friedrich Hegel(1770–1831) annotiert in § 117 des Abschnittes„Der Vorsatz und die Schuld“seiner 1820 ausgelieferten Grundlinien<strong>der</strong> Philosophie des Rechts, dass man inden alten Gesetzgebungen „auf das Subjektive,auf die Zurechnung nicht so vielWert gelegt [hat], <strong>als</strong> heute. Darum entstandenbei den Alten die Asyle, damit<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rache Entfliehende geschütztund aufgenommen werde“. 16 Das bürgerlicheMenschenrechtskonzept stellt dagegendas Individuum über alles. Eigensbeschäftigt sich Hegel mit dem Problemvon Flüchtlingen, das heute zu einer politischenwie karitativ menschlichen, völligungelösten Kardinalfrage gewordenist, nicht. Wilhelm Raimund Beyer(1902–1990), Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> InternationalenHegel-<strong>Gesellschaft</strong> (1958), begründetdas damit, dass Hegel solche Problemein sich verarbeitet hat. Demnach warenFlüchtlingsfragen nur Gestalten des„Wi<strong>der</strong>spruchs“, <strong>der</strong>en Lösung dem einzelnenStaat <strong>als</strong> Staat aus seinem Wesenresultierend aufgetragen bleibt. Der HegelianerBeyer erläutert, dass deutscheFlüchtlinge und Asylsuchende in denNazijahren im philosophischen wie begriffstheoretischenSinne das an<strong>der</strong>eDeutschland gewesen seien. 17 Wladimir2/10


12 Beiträge2/10beson<strong>der</strong>en vertragsmässigen Bestimmunghierüber bedarf es gar nicht. […]Von Gewaltthaten, die im Laufe einesBürgerkrieges zur Bekämpfung <strong>der</strong> legitimenRegierung verübt worden sind,müssen wir <strong>als</strong>o, wenn wir jene Fälle ermittelnwollen, wegen welcher eine Auslieferungvon Verbrechern zulässig ist,von vorneherein absehen. Und zwarnicht etwa deshalb, weil solche Gewaltthatenpolitische Delicte wären, son<strong>der</strong>nvielmehr deshalb, weil sie für die Auffassungeines an<strong>der</strong>en <strong>als</strong> des angegriffenenStaates überhaupt keine Delicte sind, sofernsie sich innerhalb <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong>nach Lage <strong>der</strong> Umstände für die Aufständischenanwendbaren Sätze desKriegsrechtes hielten.“ 26Lammasch lenkt ausdrücklich auf diehistorisch politische Interessen hin: „Ueberhauptwerden wir die Frage, ob dieStaaten wegen im Auslande verübter relativ-politischerDelicte zur Auslieferung<strong>der</strong> Urheber <strong>der</strong>selben verpflichtet sind,nur dann in einer den höchsten Interessen<strong>der</strong> betheiligten Staaten entsprechendenWeise beantworten, wenn wiruns nicht ausschliesslich von criminalistischenErwägungen leiten lassen. Wirwerden vielmehr die Lehren <strong>der</strong> Geschichteund die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>praktischen Politik niem<strong>als</strong> aus den Augenverlieren dürfen. Beherzigen wir diese,dann werden wir aber nicht seltenGewaltthaten für gerechtfertigt o<strong>der</strong>doch mindestens für entschuldigt erachten,in Betreff <strong>der</strong>en <strong>der</strong> Criminalist seinunerbittliches Schuldig sprechen müsste.Kein vorurtheilsfreier Kenner <strong>der</strong> Weltgeschichtewird es leugnen, dass Revolutionenund Reactionen, welche für denStrafrichter nichts <strong>als</strong> eine Folge schwererVerbrechen darstellen, für die Entwicklungso manchen Volkes die Ausgangspunkteneuen, frischen, blühendenLebens geworden sind.“ 27 An diese Auffassungerinnert mit einem wörtlichenZitat <strong>der</strong> österreichische VölkerrechtlerEduard Reut-Nicolussi (1888–1958) imFrühjahr 1955 in einer kleinen Schrift in<strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> Österreichischen UNES-CO-Kommission. 28Für Lammasch steht außer Zweifel:„Vom Standpunkte des mo<strong>der</strong>nen Völkerrechteskann daher eine allgemeineVerpflichtung <strong>der</strong> Staaten zur Auslieferungvon Individuen, die sich an einemhochverrätherischen Unternehmen gegeneinen fremden Staat betheiligt haben,we<strong>der</strong> wegen dieser Betheiligung<strong>als</strong> solcher, noch auch nur wegen <strong>der</strong> imVerlaufe <strong>der</strong>selben von ihnen individuellverübten Gewalthaten anerkannt werstimmtegesellschaftliche Ordnung verlassenwird. Das bedeutet, dass dieseEntscheidung den Flüchtlingsstatus in<strong>der</strong> neuen gesellschaftlichen Umgebungmitbestimmt. Der langjährige Beratervon Christian Broda, <strong>der</strong> StrafrechtlerFriedrich Nowakowski (1914–1987) unterstreicht,dass <strong>der</strong> politische „Täter“keine klare Vorstellung von dem Ziel habenmuss, dem seine Tat dienen soll. Esgenüge schon die Vorstellung, dass dieVerhältnisse geän<strong>der</strong>t und die bestehendenZustände erschüttert werden sollen.Ein positives Programm sei nicht Voraussetzungfür ein politisches Motiv. 24Heinrich Lammasch: Historischdenken<strong>der</strong> Jurist <strong>der</strong> HumanitätDas humanistische Standardwerk überdas mit <strong>der</strong> Auslieferungspflicht verknüpfteAsylrecht hat <strong>der</strong> herausragendekonservativ bürgerliche österreichischeRechtsgelehrte und FriedenskämpferHeinrich Lammasch (1853–1920) 25 1887(Leipzig) veröffentlicht: Auslieferungspflichtund Asylrecht. Eine Studie überTheorie und Praxis des internationalenStrafrechtes. Lammasch, <strong>der</strong> für seineForschungen die Unterstützung des liberalenösterreichischen Justizministers JuliusGlaser (1831–1885) hatte, vertritt diePosition, dass für einen Staat die Auffassung<strong>der</strong> Regierung eines an<strong>der</strong>en Staates,die auf ihrem Staatsgebiet Aufständischendas Recht <strong>der</strong> Kriegsführung nichtzuerkennt und dieselben daher <strong>als</strong> Verbrecherverfolgt, nicht entscheidend ist:„Wenn er auch die Aufständischennicht <strong>als</strong> selbständigen Staat anerkennt,so kann er ihnen doch, sobald sie ein gewissesMaass von Macht erlangt haben,insbeson<strong>der</strong>e wenn die Bewegung sichnicht auf einen rein localen und momentanenWi<strong>der</strong>stand gegen die constituirteStaatsgewalt beschränkt, son<strong>der</strong>n denCharakter eines Bürgerkrieges annimmtund sofern die Aufständischen nach denunter den Umständen des Falles anwendbarenRegeln <strong>der</strong> Kriegsführungvorgehen, die Anerkennung <strong>als</strong> Kriegführendenicht versagen, woraus vonselbst erfolgt, dass er sie wegen <strong>der</strong> nachKriegsrecht zulässigen Thaten nicht <strong>als</strong>Verbrecher behandeln darf. Es folgt diesunmittelbar aus dem Satze, dass Auslieferungnur wegen Verbrechen erfolgt.Sofern <strong>als</strong>o eine Tödtung o<strong>der</strong> eine Sachbeschädigungnach dem Urtheile des ersuchtenStaates sich nicht <strong>als</strong> Verbrechen,son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> ein Act <strong>der</strong> Kriegsführungdarstellt, versteht es sich völligvon selbst, dass wegen <strong>der</strong>selben eineAuslieferung nicht erfolgen kann. EinerI. Lenin (1870–1924) hat im Zusammenhangmit dem zaristischem Russland undden Emigrantenzentren davon gesprochen,dass diese „auseinan<strong>der</strong>gerissen“sind: „Das Auseinan<strong>der</strong>gerissene mussman zusammenknüpfen.“ 18 Über die Situationvon Vertriebenen meinte schonAischylos (525–456 v. u. Z.): „Der Exiliertelebt von <strong>der</strong> Hoffnung [Wer in Verbannunglebt, von Hoffnung nährt ersich].“ 19 Friedrich Engels hat im Jänner1849 in <strong>der</strong> Neuen Rheinischen Zeitungempört vor <strong>der</strong> drohenden Auslieferungungarischer Flüchtlinge durch Berlin andie reaktionäre Wiener Regierung geschrieben:„Ungarn ist ein unabhängigerStaat, und wenn Preußen ungarischeFlüchtlinge, die nur wegen auf ungarischemBoden begangener Handlungeninkriminiert werden können, ausliefert,so begeht es dieselbe schamlose Infamie,<strong>als</strong> ob es russische o<strong>der</strong> polnischeFlüchtlinge an Russland auslieferte.“ 20Bertolt Brecht (1898–1956), <strong>der</strong> vielleichtbedeutendste Marxist des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts,hat in seinem 1940/41 in Finnlandgeschriebenen Dialog Flüchtlingsgesprächedeutlich gemacht, wie mit <strong>der</strong>politischen Entscheidung zur Fluchtgrundsätzlich die Richtung zur Verän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> zu dieser Flucht Anlass gebendengesellschaftlichen Ordnung verknüpftist, bei Brecht ist das <strong>der</strong> Sozialismus.21 Viele historische Beispiele imösterreichischen Zusammenhang werdendie wi<strong>der</strong>sprüchliche Situation illustrierenkönnen. Der herausragende RevolutionärMichael Gaismair (1490–1532)erhielt 1526 mit Teilen seines Bauernheeresin Venedig, das seit dem frühenMittelalter auch Auslieferungsverträgekannte, Schutz und Asyl. Dorthin warenJahre zuvor viele Griechen vor <strong>der</strong> osmanischenEroberung geflüchtet, auch Armenierund die aus Spanien vertriebenenJuden. Nach <strong>der</strong> blutigen Nie<strong>der</strong>schlagung<strong>der</strong> Bauernerhebung 22 flüchtetenviele Tiroler Wie<strong>der</strong>täufer vor <strong>der</strong> blutigenVerfolgung durch die habsburgischeGegenreformation nach Mähren, in jenesLand, in dem die Tradition von Jan Hus(1370–1415) noch lebte. Das war eineEntscheidung <strong>der</strong> Flüchtlinge für dieevangelische Freiheit, die nach <strong>der</strong>Schlacht am Weißen Berg (1620) ein Endefand. Mehr <strong>als</strong> drei Jahrhun<strong>der</strong>te späterwurde Böhmen, Mähren und die Slowakei<strong>als</strong> Tschechoslowakei zum mitteleuropäischenAsylland für Flüchtlingeaus Deutschland und Österreichschlechthin. 23 Asylwerber legen ihrerFlucht eine im Ansatz politische Entscheidungzugrunde, indem eine be-


Beiträge 13den.“ 29 Lammasch kommentiert, wiesich seit den 30er Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Ausschließung<strong>der</strong> Auslieferung wegen politischerDelikte die Welt erobert habe.Heinrich Lammasch hat, wie Karl Kraus(1874–1936) voll Anerkennung treffendformuliert, immer den Vorzug gehabt,„sich im Verkehr mit Historikern, Zeitungsreportern,Berufspolitikern undähnlichen Parasiten am Geiste und amBlute jene Blöße zu geben, die seineMenschlichkeit ist“. 30 Nach dem Weltkriegist das Mitglied des ständigen internationalenSchiedsgerichtshofes inDen Haag Lammasch <strong>als</strong> erster für dieimmerwährende Neutralität Österreichseingetreten. Nicht zuletzt in Anbetracht<strong>der</strong> Aggressivität des deutschen Imperialismusund dessen Machtmittel in zentralereuropäischer Lage glaubte er, dass eineneutrale Republik Österreich für dieErhaltung des Friedens nützlich sei.Otto Bauer <strong>als</strong> Schüler vonHeinrich LammaschBeson<strong>der</strong>s nach dem Sieg <strong>der</strong> Oktoberrevolutionin Russland und dem Anwachsen<strong>der</strong> revolutionären Arbeiterbewegungnahm die Bourgeoisie eine ganze Reihevon Einschränkungen bei <strong>der</strong> Anwendungdes Asylrechts vor. In <strong>der</strong> sozialdemokratischenZeitschrift Der Kampf hatsich deshalb <strong>der</strong> absolvierte Jurist OttoBauer (1881–1938) im Herbst 1919 mitAuslieferung und Asylrecht rechtshistorischund rechtspolitisch befasst. 31 Bauerstützt sich in seiner Argumentation ausdrücklichauf Lammasch, bei welchem eram 25. Oktober 1906 die Prüfung überVölkerrecht im Rahmen des judiziellenRigorosums mit „ausgezeichnet“ abgelegthatte. 32 Aktueller Anlass war, dassdie zutiefst reaktionäre Tiroler LandesregierungFlüchtlinge <strong>der</strong> Münchner Räterepubliknach Bayern ausgeliefert hat.Asyl hat sie dagegen dem berüchtigtendeutschen Konterrevolutionär WaldemarPabst (1880–1970) mit dem Auftrag gegeben,hier die paramilitärischen Heimatwehrenzu organisieren. 33 In Wien warvon den Justizbehörden des wie<strong>der</strong> stabilisiertenbürgerlichen Staates die Auslieferunggeflohener Sozialisten und Kommunistenwie von Bela Kun (1886–1939)o<strong>der</strong> Georg Lukács (1885–1971) mit demVorwand, diese hätten ein „gemeinesVerbrechen“ begangen, vorbereitet worden.Bauer zitiert, in <strong>der</strong> Eile <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schriftetwas schlampig und mit einemZitat aus einem von Lammasch zitiertenBuch des bekannten Völkerrechtlers CarlLudwig von Bar (1836–1913) vermischend,in seinem Artikel Lammasch:„Kann man aber Bestrafung o<strong>der</strong> Auslieferungnicht grundsätzlich und allgemeingewähren, so muss man, wie dies nahezuallgemein anerkannt wird, Bestrafungund Auslieferung grundsätzlich und allgemeinverweigern. […] Lehnt man abergrundsätzlich die Auslieferung wegen politischerVerbrechen ab, d. h. hält mandas Asylrecht in Betreff <strong>der</strong> politischenDelicte aufrecht, so kann von einer Parteilichkeitfür die eine und gegen die an<strong>der</strong>eRegierung natürlich nicht die Redesein.“ 34 Otto Bauer bezeichnet das Asylrecht<strong>als</strong> Gradmesser bürgerlicher Demokratieund sieht dieses von den „niedrigstenSpießbürgerinstinkten“ 35 bedroht.Bauer rückt so wie schon Lammasch daspolitische Element im Flüchtlingsstatusin den Vor<strong>der</strong>grund. Lammasch war imJahr <strong>der</strong> Publikation seines Asylrechtwerkesin das 1873 in Gent im dauernd neutralenBelgien gegründeten Institut deDroit International <strong>als</strong> Mitglied gewähltworden. Bauer hätte sich bei seiner Anschlusspolitikallerdings auch an Lammaschhalten sollen. Der VölkerrechtlerStephan Verosta (1909–1998) hat in seinemBeitrag zur Festschrift für Broda aufeinen Briefwechsel zwischen JosephSchumpeter (1883–1950), <strong>der</strong> gegen dasZollbündnis <strong>der</strong> Donaumonarchie mitDeutschland und gegen die Anschlusspolitikvon Otto Bauer eingetreten ist, undLammasch dieses Problem aufgegriffen. 36Grundrecht – Neutralität – AsylDie Bourgeoisie nützte im Verlauf <strong>der</strong>historischen Entwicklung tendenziell dasInstitut des Asyls auch <strong>als</strong> Mittel zurVerwirklichung ihrer reaktionären Ziele.Hitlerdeutschland, Japan und an<strong>der</strong>e kapitalistischenLän<strong>der</strong> gaben WeißgardistenAsyl und verwendeten diese gegendie Sowjetunion. René Marcic, von demschon die Rede war, hat in seinem „Neutralität– Asyl – Humanität“ überschriebenenArtikel vor allem an die „politischVerfolgten aus dem Osten“ gedacht.Aber unabhängig von seiner antikommunistischenPosition ist seiner Formulierung,„die Neutralität vertieft die Pflichtzur Humanität“ zuzustimmen. Marcichatte den schön klingenden Gedanken:„Die Schweiz ist das Land des RotenKreuzes; Österreich soll das Land desAsylrechtes sein.“ Aber noch 1963 bezweifelteMarcic, dass die Zeit in Österreichfür eine Grundrechtskodifikationreif sei. Dabei gebe es viele Probleme,wobei er auf die „Fragen des Asylrechtes“verwies. 37 Das Asylrecht ist wie jedesRecht parteilich, hat Klassencharakter.Winkler hat im Expertenkollegiumfür die Reform <strong>der</strong> österreichischenGrundrechte formuliert, „daß die Grundrechtezunächst die Voraussetzung fürdie Entfaltung von Weltanschauungensind“. 38 Das Asylrecht <strong>als</strong> Grundrecht istin verschiedenen Verfassungen entsprechendfestgeschrieben. Die Sowjetunionformulierte in ihrer Verfassung vomNeuerscheinungGerhard Oberkofler:Thomas SchönfeldÖsterreichischer Naturwissenschafterund FriedenskämpferBiographische Konturen mitausgewählten gesellschaftspolitischenTextenInnsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag <strong>2010</strong>BuchpräsentationDie Zentralbibliothek für Physik, GerhardOberkofler und <strong>der</strong> Studien-Verlagladen ein zur Buchpräsentation in<strong>der</strong> Zentralbibliothek für Physik.Programm:Begrüßung durch Brigitte KrompGerhard Oberkofler:BuchvorstellungHans Mikosch:Wissenschaft und Verantwortung imLeben von Thomas Schönfeldanschließend ErfrischungenBoltzmanngasse 5/5. Stock1090 WienDonnerstag, 10. Juni <strong>2010</strong>, 17.002/10


14 Beiträge5. Dezember 1936 mit Artikel 129: „DieUdSSR gewährt den Bürgern ausländischerStaaten, die wegen Verfechtung<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Werktätigen o<strong>der</strong> wegenwissenschaftlicher Betätigung o<strong>der</strong>wegen Teilnahme am nationalen Befreiungskampfverfolgt werden, das Asylrecht.“39 Im Grundgesetz 1977 <strong>der</strong> UdS-SR lautet <strong>der</strong> Asylartikel 38: „Die UdS-SR gewährt Auslän<strong>der</strong>n, die wegen Verteidigung<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Werktätigenund des Friedens, wegen Teilnahme an<strong>der</strong> revolutionären und <strong>der</strong> nationalenBefreiungsbewegung, wegen fortschrittlichgesellschaftlich politischer, wissenschaftlichero<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er schöpferischerTätigkeit verfolgt werden, das Asylrecht.“40 Artikel 29 <strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong>Volksrepublik China vom 17. Jänner1975 bestimmt: „Die Volksrepublik Chinagewährt jedem Auslän<strong>der</strong> das Aufenthaltsrecht,<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> Unterstützungeiner gerechten Sache, wegen <strong>der</strong> Teilnahmean einer revolutionären Bewegungo<strong>der</strong> wegen seiner wissenschaftlichenTätigkeit verfolgt wird.“ 41 Art. 10<strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong> Deutschen DemokratischenRepublik (1949) besagt: „FremdeStaatsbürger werden we<strong>der</strong> ausgeliefertnoch ausgewiesen, wenn sie wegenihres Kampfes für die in dieser Verfassungnie<strong>der</strong>gelegten Grundsätze im Auslandverfolgt werden.“ 42 Die DDR-Verfassung1968 präzisiert (Art. 23, Abs. 3):„Die Deutsche Demokratische Republikkann Bürgern an<strong>der</strong>er Staaten o<strong>der</strong>Staatenlosen Asyl gewähren, wenn siewegen politischer, wissenschaftlichero<strong>der</strong> kultureller Tätigkeit zur Verteidigungdes Friedens, <strong>der</strong> Demokratie, <strong>der</strong>Interessen des werktätigen Volkes o<strong>der</strong>wegen ihrer Teilnahme am sozialen undnationalen Befreiungskampf verfolgtwerden.“ 43 Das Grundgesetz <strong>der</strong> DeutschenBundesrepublik (1949) schreibt<strong>als</strong> Art. 16 (2) vor: „Kein Deutscher darfan das Ausland ausgeliefert werden. PolitischVerfolgte genießen Asylrecht.“ 44Verfassungspapiere sind bekanntlichgeduldig. Viele kapitalistischen Staatenlehnten und lehnen es ab, Emigranten <strong>der</strong>Arbeiterbewegung o<strong>der</strong> von nationalenBefreiungsbewegungen jene bürgerlichenRechte zu geben, die in <strong>der</strong> Regel Auslän<strong>der</strong>sonst erhalten. Die allgemeineEntwicklung des Auslieferungsrechtsnach 1945 drängte die Neutralität gegenüber<strong>der</strong> politischen Überzeugungzurück, in einigen Län<strong>der</strong>n wie in denUSA wurden Vertreter <strong>der</strong> kommunistischenWeltanschauung schon wegen dieserÜberzeugung <strong>als</strong> Verbrecher, heutewürde man sagen Terroristen, kriminali-2/10siert. An<strong>der</strong>erseits geben diese Län<strong>der</strong> reaktionären,antikommunistischen Elementen(„Dissidenten“) bereitwillignicht nur Unterschlupf, son<strong>der</strong>n jede finanzielleund propagandistische Unterstützung.Ende <strong>der</strong> siebziger und in denachtziger Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>tswurden in <strong>der</strong> BundesrepublikAsylgesuche türkischer Flüchtlinge, insbeson<strong>der</strong>ekurdischer Herkunft, regelmäßigabgelehnt, während Flüchtlingeaus den osteuropäischen Staaten in <strong>der</strong>Bundesrepublik selbst dann bleiben durften,wenn ihnen juristisches Asyl verweigertwurde. Obschon das Asylrecht in <strong>der</strong>Bundesrepublik Deutschland Bestandteildes Grundgesetzes ist, wurde in Bezugauf türkische Flüchtlinge diesen 1981 dasAsyl auch dann verwehrt, wenn ihnen in<strong>der</strong> Türkei Folter drohte. Das höchsteVerwaltungsgericht des Landes Hessenstellte fest, dass die im Fall <strong>der</strong> Rückkehrzu befürchtende Folterung eines Kurdenasylrechtlich nicht relevant sei, da sienicht auf verwerflicher politischer Gesinnungdes türkischen Staates bestehe(Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil20.11.1981 – X OE 676/81): „Eskomme vielmehr auch bei diesen [d.s.Folterungen] von staatlichen Stellen ausgehendenRechtsgutsverletzungen entscheidendauf die Motivation <strong>der</strong> Verfolgeran.“ Der Verwaltungsgerichtshof inMannheim (Beschluss vom 27. Mai 1982– A 13 S 641/81) trieb die abschreckendedeutsche Rechtspraxis gegenüber Flüchtlingenund Asylwerbern voran: „Nicht je<strong>der</strong>Verstoß gegen das Gebot, die Menschenwürdezu achten, sei asylrechtlichrelevant. Würden Personen, gegen diewegen des Verdachts ermittelt werde, einStaatsschutzdelikt begangen zu haben,gefoltert o<strong>der</strong> sonst misshandelt, so liegedarin in aller Regel keine politische Verfolgungim Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2GG in einem Land, in dem Folter undMisshandlungen ein allgemeines Phänomenseien, das nicht nur politisch aktivePersonen treffe.“ 45 Für solche in abstoßendbrauner Mentalität Recht sprechendenJuristen <strong>der</strong> Bundesrepublik gewinntFolter durch die Häufigkeit ihresVorkommens eben Rechtscharakter!Mit dem C.E.D.R.I. fürein den Menschenrechtenentsprechendes AsylrechtEine internationale Delegation des1982 in Basel gegründeten, heute auch<strong>als</strong> Anlaufstelle für Sans-Papiers dienendenEuropäischen Komitees zur Verteidigung<strong>der</strong> Flüchtlinge und GastarbeiterC.E.D.R.I. [European Committee for theDefence of Refugees and Immigrants],<strong>der</strong> aus Österreich Hans Goldschmied(Mitglied des Österreichischen KZ-Verbandes)und Gabriel Lansky (Rechtskonsulent)angehörten, erstellte nach ihrervom 14. bis 16. November 1981 durchgeführtenStudienreise einen Berichtüber Asylrecht und Asylpraxis in <strong>der</strong>Bundesrepublik Deutschland. 46 Darinwird dokumentiert, wie Bayern und Baden-Württemberg<strong>als</strong> erste deutscheBundeslän<strong>der</strong> eine wirksame Abschreckungspolitikgegen Asylwerbernicht nur gefor<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n auch praktizierthaben. Der Landkreisverband Bayernhatte 1978 in einer Stellungnahmeerklärt: „Die unerwünschte IntegrationAsylsuchen<strong>der</strong> in die deutschen Lebensverhältnisseist durch bewusst karge, lagermässigeUnterbringung zu verhin<strong>der</strong>n.Sie muss <strong>als</strong> psychologischeSchranke gegen den weiteren ZustromAsylwilliger aufgebaut werden. Eine Arbeitsaufnahmeist im Interesse abschrecken<strong>der</strong>Zustände abzulehnen.“ 47C.E.D.R.I. hatte in Österreich vor allemin Broda einen Ansprechpartner, mit ihmtrafen sich seine Vertreter zu Besprechungenmeist im Café Museum im1. Wiener Bezirk. Bruno Kreisky(1911–1990), obschon bereits ziemlichkrank, hat am II. Kongress desC.E.D.R.I. vom 14. bis 21. April 1985 imfranzösischen Limans teilgenommen unddort die Auslän<strong>der</strong>feindlichkeit in dengeschichtlichen Kontext gestellt: „DieFremdenfeindlichkeit von heute ist <strong>der</strong>Antisemitismus von gestern.“ 48 DieJuristenkommission des Kongresses,welcher <strong>der</strong> frühere BRD-BundesverfassungsrichterMartin Hirsch (1913–1992)zugehörte, prangerte die Flüchtlingspolitik<strong>der</strong> BRD an, in <strong>der</strong>en offizielles Vokabulargehöre das Wort „Abschreckung“,die angewandten Methodenseien: Zwangseinweisung von Asylbewerbernin Sammellager unter Arbeitsverbot,Abschiebung und Auslieferungpolitischer Flüchtlinge in ihr Heimatland,Zwangsarbeit für Asylbewerberund die Familienzusammenführung fürGastarbeiter sei nahezu unmöglich. DieC.E.D.R.I.-Juristen bestätigten, dass dieBRD durch solche Maßnahmen die EuropäischeMenschenrechtskonventionund die Genfer Flüchtlingskonventionvon 1951 offenkundig verletzen. DerKongressteilnehmer und bekannteSchweizer Soziologe Jean Ziegler erweitertediese Feststellung mit dem Hinweisauf die Verknüpfung mit einer Weltordnung,die „von einer verschwindend kleinenMin<strong>der</strong>heit von mächtigen multina-


Beiträge 15tionalen Konzernen und den Börsen vonLondon und Chicago, die die Preise <strong>der</strong>Rohstoffe festlegen, dominiert“ werde. 49Glynn Ford, dam<strong>als</strong> Präsident <strong>der</strong> Untersuchungskommissiondes EuropäischenParlaments über Faschismus und Rassismus,eröffnete eine Debatte über die zunehmendeInstitutionalisierung rassistischerund xenophober Thesen. In Würdigung<strong>der</strong> Arbeit von Broda nahm GlynnFord in Wien am Symposium zum Gedenkenan Broda teil (s. u.).Christian Broda knüpfte bei seinem Engagementfür das Asylrecht ausdrücklichan seine Erfahrungen <strong>als</strong> junger Menschmit dem Faschismus in Europa an. Demvom 5. bis 11. Mai 1986 tagenden III.Kongress des C.E.D.R.I. in Limans(Frankreich) 50 legte er zwölf Schwerpunkteeines For<strong>der</strong>ungsprogramms, wiekonkrete Rechte <strong>der</strong> Flüchtlinge undGastarbeiter, die zwingendes Recht inden nationalen Rechtsordnungen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<strong>der</strong> UN und des Europaratessein müssten, zur Diskussion vor. Die vehemente,von internationaler Solidaritätgetragene Initiative von Broda wurde ineiner juristischen Kommission des Kongresses,<strong>der</strong> auch die österreichischen,mit Broda in Vorbereitung auf den Kongresskooperierenden Wiener RechtsanwälteGabriel Lanksy und Georg Zangerangehörten, diskutiert und, etwas erweitert,von dem über 400 Personen aus 47Län<strong>der</strong>n besuchten Kongress am 10. Mai1986 beschlossen: 51Christian Broda (1916–1987), österreichischer Justizminister von 1960–1966 undvon 1970–1983.Charta des demokratischenEuropa für den wirksamenSchutz <strong>der</strong> Menschenrechte und<strong>der</strong> Flüchtlinge und Gastarbeiter1. Zwangsweise Unterbringung vonFlüchtlingen und Asylbewerbern in Lagerno<strong>der</strong> ähnlichen Einrichtungen istunzulässig.2. a) Asylbewerber haben einen Rechtsanspruchauf Aufenthalt im Gastland biszum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.b) Anerkannte Konventionsflüchtlingehaben ebenso einen Anspruchauf unbefristetes Aufenthaltsrechtim Gastland nach einer Aufenthaltsdauervon einem Jahr. c) Auslän<strong>der</strong> haben dasRecht auf längere Befristung einer Aufenthaltsbewilligungnach einer Aufenthaltsdauervon einem Jahr.3. Recht auf öffentliche mündliche Verhandlungim Verfahren über die Erteilungo<strong>der</strong> Entziehung einer Aufenthaltsbewilligungsowie im Asylverfahren.4. Recht auf unentgeltliche Rechtsauskunftim Verwaltungsverfahren für Auslän<strong>der</strong>(insbeson<strong>der</strong>e betreffend Aufenthaltsbewilligung,Aufenthaltsverbot undAusweisung); Recht auf Verfahrenshilfeim Verwaltungsverfahren für Auslän<strong>der</strong>sowie im Asylverfahren von Beginn anauch durch private Hilfsorganisationen.Recht auf unentgeltliche Verfahrenshilfeim Falle <strong>der</strong> Bedürftigkeit.5. Gebührenfreiheit in allen Angelegenheitenbetreffend Aufenthaltsbewilligungund Arbeitsbewilligung sowie imAsylverfahren.6. Berücksichtigung <strong>der</strong> allgemeinenMenschenrechtssituation (insbeson<strong>der</strong>eArt. 3 EMRK) 52 in Staaten, in die einAuslän<strong>der</strong> ausgewiesen werden soll,nicht bloß bei politischer Verfolgung inengerem Sinn.7. Interessenabwägung im Sinne <strong>der</strong>Verhältnismäßigkeit bei <strong>der</strong> Ausweisungeines Auslän<strong>der</strong>s nach strafgerichtlicherVerurteilung; es ist insbeson<strong>der</strong>e auf dasMaß <strong>der</strong> sozialen Integration im GastlandBedacht zu nehmen.8. Rechtsanspruch auf Verleihung <strong>der</strong>Staatsbürgerschaft des Gastlandes nacheiner Mindestzeit von vier Jahr ununterbrochenenAufenthalts.9. Wer <strong>als</strong> Kind ausländischer Eltern imGastland geboren wird o<strong>der</strong> sich länger<strong>als</strong> ein Drittel seiner Lebenszeit o<strong>der</strong>mehr <strong>als</strong> vier Jahre dort aufgehalten hat,soll einen Rechtsanspruch auf Verleihung<strong>der</strong> Staatsbürgerschaft des Gastlandeshaben.10. Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungim Gastland.11. Durchforstung aller Rechts- und Verwaltungsvorschriftenbetreffend den Zugangzur Berufsausbildung und zum Berufbzw. den Erwerb o<strong>der</strong> die Ausübungberuflicher Berechtigung mit dem Ziel<strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Diskriminierung vonAuslän<strong>der</strong>n.12. Schaffung eines Ombudsmans zumSchutz vor Diskriminierung von Auslän<strong>der</strong>nund zur Wahrung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong>Auslän<strong>der</strong>. Der Ombudsman ist berechtigt,an Verfahren teilzunehmen sowiedie Interessen des Auslän<strong>der</strong>s mit dessenZustimmung zu vertreten.2/10


16 Beiträge13. Rechtsanspruch auf Sozialversicherungund Sozialfürsorge im Gastland untergleichen Bedingungen wie für Inlän<strong>der</strong>.14. Rechtsanspruch auf Erhalt einer Arbeitsbewilligungund gleiche Behandlungbei <strong>der</strong> Arbeitsvermittlung für Asylbewerber,Flüchtlinge und Auslän<strong>der</strong> mit längerfristigemAufenthalt wie für Inlän<strong>der</strong>.15. Ausglie<strong>der</strong>ung des Asylverfahrensaus dem Polizeiverfahren. Entscheidungauch in erster Instanz durch Tribunale,<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> bei ihren Entscheidungenunabhängig und keinen Weisungenunterworfen sind.16. Aktives und passives Wahlrecht füranerkannte Flüchtlinge sowie Auslän<strong>der</strong>,wenn sie sich vier Jahre ununterbrochenim Lande aufgehalten haben.Für den Freiheitskampf <strong>der</strong>kurdischen ArbeiterparteiBroda hat die Asylrechtsfor<strong>der</strong>ungenvon C.E.D.R.I., welche die seinen waren,dem Europäischen Forum Alpbach am22. August 1986 vorgetragen. Den Vortragstextsamt For<strong>der</strong>ungsprogrammreichte er dem Österreichischen Anwaltsblattein, im Jännerheft 1987 erfolgte diePublikation. 53 Broda hat seinen Vortragmit den Worten von Brecht begonnen:„Wir alle sind Auslän<strong>der</strong> – fast überall in<strong>der</strong> Welt.“ Mit diesem Zitat wollte Brodawahrscheinlich nicht in Richtung einesWeltbürgerpasses gehen, das würde seinemhistorischen Denken wi<strong>der</strong>sprechen.Mit seiner ganzen europäischen Reputationsetzte Broda sich in konkreten Asylfällenein. 1984 hatte er eine internationalistischeSolidaritätserklärung für denkurdischen Freiheitskampf abgegeben. 54Jetzt unterstützte er eine Initiative vonC.E.D.R.I. zur Freilassung des in Schwedenam 21. Mai 1985 inhaftierten undvon <strong>der</strong> Abschiebung bedrohten kurdischenRechtsanwaltes Hüseyin Yildirim,<strong>der</strong> 1980 in Diyarbakir die vor einem türkischenMilitärgericht angeklagten Kurden,darunter führende Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong>Kurdischen Arbeiterpartei PKK, verteidigthat. Hüseyin Yildirim war dannselbst verhaftet und gefoltert worden,wurde nach massiven Interventionen vonAmnesty International und einer InternationalenJuristenkommission wie<strong>der</strong> freigelassenund konnte nach wie<strong>der</strong>holtenMorddrohungen 1982 nach Schwedenfliehen. Im April 1984 war Hüseyin Yildirim<strong>als</strong> Zeuge bei <strong>der</strong> Anhörung desEuropäischen Parlaments zur Menschenrechtssituationin <strong>der</strong> Türkei aufgetreten.Die schwedische Polizei stützte sich aufein auf Auslän<strong>der</strong> anwendbares Antiterror-Gesetzaus dem Jahr 1973, das die2/10Ausweisung von Auslän<strong>der</strong>n erlaubt, dieim Verdacht stehen, Beziehungen mit terroristischenOrganisationen, insbeson<strong>der</strong>ezur kurdischen Arbeiterpartei PKK, zuunterhalten. C.E.D.R.I. war mit Broda<strong>der</strong> Auffassung, dass die kurdische ArbeiterparteiPKK einen nationalen Befreiungskampfführt, <strong>der</strong> von Schweden jetztaber nach dem Vorbild <strong>der</strong> Bundesrepublik<strong>als</strong> eine terroristische Aktion eingestuftwurde: „Der plumpe Trick <strong>der</strong> politischenPolizei Schwedens besteht darin,diesen nationalen Befreiungskampf einerterroristischen Aktion gleichzusetzen. DieInformationen hierfür kommen direkt austürkischen Quellen.“ 55 Im Mai 1986 gabC.E.D.R.I. eine Dokumentation <strong>der</strong> inEuropa forcierten „Kampagne gegen dieKurdische Arbeiterpartei – PKK“ 56 und<strong>der</strong> damit verknüpften Schwächung <strong>der</strong>Emigrantenorganisationen heraus. In <strong>der</strong>Schweiz, wo dort lebende Kurden undKurdinnen einem Repressionsdruck ausgesetztwaren, setzten sich Sozialdemokratenwie die Nationalrätin AngelineFankhauser solidarisch für <strong>der</strong>en Anliegenein und machten die Menschenrechtsverletzungenin <strong>der</strong> Türkei gegenüberdie kurdischen Bevölkerung öffentlich.57 Am 23. September 1994 hielt dieSchweizer Sozialdemokratin AngelineFankhauser <strong>als</strong> Vorsitzende des Forums„Dialog für den Frieden in Kurdistan“ eineAnsprache: „Weil die Verletzung vonMenschenrechten den Weltfrieden gefährdet,müssen wir, wir Bürger und Bürgerinnenvon demokratischen Staaten,wir Mitglie<strong>der</strong> von Parlamenten in Europa,dafür sorgen, dass die Grundrechte inden Vertragsstaaten durchgesetzt werden.[…] Die Grundrechte ertragen keineRelativierung. Jede Verletzung eines Vertragesist ein Angriff auf den Weltfrieden[…] Wir müssen auch verhin<strong>der</strong>n, dassdie Aktivitäten <strong>der</strong> Kurdinnen und Kurdenin Europa systematisch diffamiertund kriminalisiert werden.“ 58 In Österreichgelten aber heute nicht mehr die Regelneines neutralen Staates wie <strong>der</strong>Schweiz, son<strong>der</strong>n die von <strong>der</strong> EU, welchein ihrer EU-Terrorliste 2001 Nachfolgeorganisationen<strong>der</strong> PKK <strong>als</strong> terroristischeinschätzt und Asylwerber, denen eineAngehörigkeit o<strong>der</strong> Nähe unterstelltwird, abgewiesen werden. 59 Broda, <strong>der</strong>mit dem früheren schwedischen JustizministerLennart Geijer (1909–1999) befreundetwar, schreibt am 17. Jänner1986 an den damaligen schwedischen JustizministerSten Wickbom, er interessieresich für das Schicksal von HüseyinYildirim und begründet: „Die RepublikÖsterreich blickt auf eine lange Tradition<strong>der</strong> aktiven Asylgewährung zurück. UnsereRegierungen haben sich auch immerim beson<strong>der</strong>en Maße <strong>der</strong> in ihren Heimatlän<strong>der</strong>nverfolgten Angehörigen <strong>der</strong>Kurdischen Nation angenommen.“Rechtspolitische Diskussionmit Karl Blecha über dieAsyl-Charta von C.E.D.R.I.Am 21. Juli 1986 hatte Broda denführenden SPÖ Funktionär und damaligenInnenminister (1983–1989) KarlBlecha über den Verlauf des III. Kongressesvon C.E.D.R.I. in Limans informiertund ihm das For<strong>der</strong>ungsprogrammübermittelt. Blecha meinte in seinem zuden einzelnen Punkten argumentierendenAntwortschreiben (31.10.1986), „dassden mein Ressort betreffenden For<strong>der</strong>ungen– zumindest ihrem Sinngehalt nach –größtenteils bereits Rechnung getragenist; was die noch offenen Punkte anbelangt,so steht einer öffentlichen Diskussionnichts im Wege“. Broda war damitnicht zufrieden und konzipierte ein ausführlichesAntwortschreiben, das, am 21.Jänner 1987 abgezeichnet, die einzelnenPunkte <strong>der</strong> Charta in Bezug auf das österreichischeAsylgesetz 1968 erläutert:Zu 1): Es ist erfreulich, daß die unfreiwilligeUnterbringung von Flüchtlingenbzw. Asylwerbern in Lagern in Österreichdie Ausnahme und nicht die Regelbildet. Dennoch meine ich, daß dierechtspolitische Notwendigkeit auch desnach § 6 Abs. 1 des Asylgesetzes zulässigenZwangsaufenthaltes in <strong>der</strong> Überprüfungsstationdes Lagers Traiskirchen –über die zur Vernehmung notwendigeDauer hinaus – in Zweifel gezogen werdenkönnte. Das Kriterium <strong>der</strong> „Notwendigkeitfür die Feststellung des maßgebendenSachverhalts“ scheint mir sachlogischfraglich, weil durch den Zwangsaufenthaltselbst ja kein Sachverhalt festgestelltwerden kann, außer eben durchdie Vernehmung des Asylwerbers, dieaber wohl in keinem Fall zwei Monate inAnspruch nehmen kann.Schließlich höre ich von verfassungsrechtlicherSeite, daß man auch die Vereinbarkeitmit Art. 5 Abs. 1 lit. f MRKbezweifeln kann, weil <strong>der</strong> Asylwerbervon keinem schwebenden Ausweisungsverfahren„betroffen“ sei. Ich glaube daher,daß Anlass zu einem Überdenkendes § 6 Abs. 1 des Asylgesetzes besteht.Zu 2) a und b: Diese For<strong>der</strong>ungen sinddurch die angeführten Bestimmungendes Asylgesetzes zweifellos grundsätzlicherfüllt. Vielfach für sehr problematischgehalten wird jedoch die nur zweiwöchigeFrist für die Antragstellung auf


Beiträge 17enthaltsbewilligungen sollte nicht so restriktivgehandhabt werden wie bisher.Sehr unbefriedigend scheint mir auch<strong>der</strong> hohe Gebührenaufwand, <strong>der</strong> – beiNichtkonventionsflüchtlingen – mit denin kurzen Abständen wie<strong>der</strong>holten Ansuchenum Verlängerung <strong>der</strong> Aufenthaltsbewilligungverbunden ist. Beson<strong>der</strong>sbei mehreren betroffenen Familienmitglie<strong>der</strong>nkann das eine ausgesprochenesoziale Härte darstellen.Zu 3): Ich bin mir bewusst, daß dieFrage <strong>der</strong> mündlichen Verhandlung einegrundsätzliche Frage des Verwaltungsverfahrensdarstellt. Ich halte die For<strong>der</strong>ungjedoch gerade im Asylverfahrenund im Verfahren über die Verhängungeines Aufenthaltsverbotes für rechtspolitischunverzichtbar. In erster Linie gehtes dabei um die Sicherstellung einer konzentrierten,unmittelbar und mündlichdurchgeführten Beweisaufnahme undBeweiswürdigung, in zweiter Linie umdie Transparenz des Verfahrens und dieKontrolle <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Interessendes Betroffenen können <strong>der</strong> öffentlichenDurchführung einer solchen Verhandlungdann nicht entgegenstehen, wenn essich dabei um ein (verzichtbares) Rechthandelt. Überdies besteht ebenso wie inan<strong>der</strong>en Verfahrensordnungen die Möglichkeit,unter bestimmten Voraussetzungeneinen Ausschluß <strong>der</strong> Öffentlichkeit<strong>der</strong> Verhandlung vorzusehen.Zu 4): Auch bei diesen Grundsätzen binich mir bewusst, daß die Probleme <strong>der</strong>ausreichenden Rechtsauskunft (über diein Deinem Schreiben angeführten allgemeinenbehördlichen Informationspflichtenhinaus) und Rechtsberatung im Verwaltungsverfahrenallgemein noch ein ungepflügtesweites Feld darstellen. Beson<strong>der</strong>sfehlt es im Verwaltungsverfahren aneiner bestandsmäßigen Verfahrenshilfeim Sinne <strong>der</strong> gesetzlichen Vorkehrungenfür das gerichtliche Verfahren in ZivilundStrafsachen. Daß für diesen grundlegendenMangel nicht zuletzt auch Kostengründemaßgebend sind, ist mir bewusst.Die Auffassung aber, daß eine solcheVerfahrenshilfe eine korrespondierendePflicht, sich im Verfahren vertreten zulassen, voraussetze, kann ich nicht teilen;sie entspricht auch nicht <strong>der</strong> Rechtslageim Justizbereich. Deshalb kann auch voneiner Einschränkung <strong>der</strong> Dispositionsfreiheit<strong>der</strong> Beteiligten keine Rede sein.Ich bin <strong>der</strong> Auffassung, daß die beson<strong>der</strong>eSituation des Auslän<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> mitdem inländischen Rechts- und Verwaltungssystemnicht vertraut ist und oftSprach- und sonstige Verständigungsschwierigkeitenhat, ein ganz beson<strong>der</strong>sAsylgewährung (§ 5 Abs. 1 Asylgesetz).Eine so kurze und undifferenzierte Fristmuss zu unnötigen Härtefällen führen.Dieses Formalerfor<strong>der</strong>nis sollte m. E.überdacht werden, wobei zu berücksichtigenwäre, daß es bei lebensnaher Betrachtungfür einen Flüchtling zahlreicheGründe geben kann, sich einen Asylantraggründlich zu überlegen – <strong>der</strong> ja bedeutet,daß <strong>der</strong> Betreffende die Brückenzu seiner Heimat und u[nter] U[mständen]zu dort zurückgebliebenen Angehörigenhinter sich abreißt, währendvor ihm Ungewissheit liegt. Überdieskann auch die Gebührenfreiheit für Aufenthaltsbewilligungennur bei Antragstellunginnerhalb <strong>der</strong> gesetzlichen Fristin Anspruch genommen werden.Die Praxis sollte in Bezug auf die §§ 2und 3 Asylgesetz so gestaltet werden, daßden betroffenen Auslän<strong>der</strong>n nicht nur dierechtlichen, son<strong>der</strong>n in allen Fällen auchdie faktischen Möglichkeiten zur Verfügungstehen, ihre Ansprüche geltend zumachen, wobei erfor<strong>der</strong>lichenfalls auchvon Amts wegen zu klären wäre, ob einAsylantrag in Betracht kommt. Ich meine,daß diesen Grundsätzen beson<strong>der</strong>s inFällen einer erwogenen Zurückweisungdes Auslän<strong>der</strong>s unmittelbar an <strong>der</strong> Staatsgrenzebzw. sonst bei <strong>der</strong> Einreise Bedeutungzukommt. Eine „a limine-Zurückweisung“, wie sie immer wie<strong>der</strong>vorkommt, wi<strong>der</strong>spricht meines Erachtensdem Gesetz, nach dem ohne Ausnahmeein ordentliches Verwaltungsverfahrendurchzuführen ist.Ich möchte anregen, die Frage <strong>der</strong> Feststellung<strong>der</strong> Flüchtlingseigenschaft insolchen Fällen zum Gegenstand einesDurchführungserlasses zu machen, undbitte Dich, Dir in diesem Zusammenhangüber die Praxis <strong>der</strong> Grenzkontrollstellen(insbeson<strong>der</strong>e am Flughafen Wien-Schwechat) in Bezug auf Einreiseverweigerungenberichten zu lassen. Nach Zeitungsmeldungen,die u.a. auch von tagelangenAufenthalten im Transitraum desFlughafens Wien-Schwechat berichten,scheint die Sorge nicht unbegründet, daßes in einzelnen Fällen zu Verletzungendes Zurückweisungsverbotes nach Art.33 <strong>der</strong> Flüchtlingskonvention kommt.Zu 2) c: Ich glaube, daß es nicht nur diegrundsätzliche Möglichkeit einer längerbefristeten Aufenthaltsdauer geben, son<strong>der</strong>ndaß die Rechtslage so gestaltet werdensollte, daß diese Möglichkeit in <strong>der</strong>Praxis auch zur Regel wird. Ich glaube,daß es für befristete Aufenthaltsbewilligungeneine Mindestdauer geben sollte,die möglichst ein Jahr betragen sollte.Auch die Möglichkeit unbefristeter AufevidentesBedürfnis nach Beratung undHilfe vor dem und im Verfahren nachdem Asyl- o<strong>der</strong> dem Fremdenpolizeigesetzbewirkt. Das gilt in hohem Maße bereitsfür die erste behördliche Vernehmungzur Sache.Ich möchte daher <strong>der</strong> Hoffnung Ausdruckgeben, daß mit wirksamen Maßnahmenin dieser Richtung nicht bis zukünftigen allgemeinen Regelungen <strong>der</strong>Verfahrenshilfe in den Verwaltungsverfahrensgesetzenzugewartet wird. Initiativenprivater Organisationen wie AmnestyInternational, zB die Auflage vonMerkblättern u[nd] d[er]gl[eichen]., sindbegrüßenswerte erste Schritte, denen tatkräftigeund wirksame Maßnahmen <strong>der</strong>Behörden (allenfalls im Zusammenwirkenmit geeigneten privaten Organisationenund Vereinigungen) folgen müssten.Vielleicht könnten diese Maßnahmenmit <strong>der</strong> Erkundung <strong>der</strong> Praxis vergleichbarerkleinerer Staaten (ich denkeetwa an Schweden, Dänemark und dieNie<strong>der</strong>lande) beginnen.Was die Kostenfrage betrifft, so halteich den Umstand für bedauerlich und geradezugrotesk, daß Asylwerber – wennich richtig informiert bin – erst seit <strong>der</strong>AVG-Novelle 1982 die Dolmetscherkostenzu tragen haben. Hier sollte m[eines]E[rachtens] <strong>der</strong> frühere Zustandehestens wie<strong>der</strong> hergestellt werden.Zu 6): Dieser Punkt <strong>der</strong> „Charta“ gehtüber das im Art. 33 <strong>der</strong> Flüchtlingskonventionenthaltene traditionelle „non refoulement“hinaus. Nicht nur die diskriminierendeVerfolgung aus den dort angeführtenGründen, son<strong>der</strong>n auch die allgemeineGefahr von gravierenden Menschenrechtsverletzungen(etwa Verstößengegen das Folterverbot) im Heimatstaatdes Auslän<strong>der</strong> sollte bei <strong>der</strong>Entscheidung mitberücksichtigt werdenund gegebenenfalls zum Unterbleiben einerAusweisung, Zurückweisung o<strong>der</strong> einesAufenthaltsverbotes führen. Hiezubesteht schon nach <strong>der</strong> Spruchpraxis <strong>der</strong>Straßburger Organe zu Art. 3 MRK eineverfassungsrechtliche Verpflichtung.Ich darf ferner darauf aufmerksam machen,daß Österreich mit <strong>der</strong> kurz bevorstehendenRatifikation <strong>der</strong> UN-Konventiongegen die Folter und an<strong>der</strong>e grausame,unmenschliche o<strong>der</strong> erniedrigendeBehandlung o<strong>der</strong> Strafe 60 eine völkerrechtlicheVerpflichtung in diesem Sinneübernehmen wird. Nach Art. 3 dieserKonvention darf eine Person nicht in einenan<strong>der</strong>en Staat ausgewiesen o<strong>der</strong> abgeschobenwerden, wenn stichhaltigeGründe für die Annahme bestehen, daßsie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden.2/10


18 BeiträgeNach dem zweiten Absatz dieses Artikelssind bei <strong>der</strong> Feststellung, ob solcheGründe vorliegen, von den zuständigenBehörden alle maßgeblichen Erwägungeneinschließlich des Umstands zuberücksichtigen, daß in dem betreffendenStaat eine ständige Praxis grober, offenkundigero<strong>der</strong> massenhafter Verletzungen<strong>der</strong> Menschenrechte herrscht.Die For<strong>der</strong>ung nach Berücksichtigung<strong>der</strong> allgemeinen Menschenrechtssituationsoll vor allem nicht nur Konventionsflüchtlinge,son<strong>der</strong>n allen Auslän<strong>der</strong>nzugute kommen, <strong>der</strong>en Ausweisung erwogenwird. Auch dieses Prinzip ergibtsich schon aus <strong>der</strong> erwähnten UN-Konvention,die deshalb jedenfalls die Notwendigkeiteiner entsprechenden Anpassung<strong>der</strong> innerstaatlichen Rechtslage mitsich gebracht hat.Zu 7): Dem Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeitund einer vertretbaren Interessenabwägungunter Berücksichtigung<strong>der</strong> legitimen Interessen des Betroffenenkommt dann beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu,wenn sich ein Auslän<strong>der</strong> nicht nur zufälligund vorübergehend – etwa zu Urlaubszwecken– in Österreich aufhält,son<strong>der</strong>n wenn er hier sozial integriert ist,zB <strong>als</strong> Gastarbeiter. Meiner Auffassungnach müsste dieser sozialen Verankerungim Inland bei <strong>der</strong> vorzunehmendenInteressenabwägung auch dann generellVorrang eingeräumt werden, wenn esum ein fremdenpolizeiliches Verfahrennach strafgerichtlicher Verurteilunggeht; umso mehr dann, wenn die Begehungvon VerwaltungsübertretungenAnlaß für ein solches Verfahren ist.Wenn man sich schon nicht – was die internationaleSolidarität und <strong>der</strong> sonst insbeson<strong>der</strong>eunter den Europaratsstaatenerreichte Standard <strong>der</strong> zwischenstaatlichenZusammenarbeit in Strafsachen ansich nahelegen würde – entschließenkann, überhaupt auf solche Ausweisungenwegen strafbarer Handlungen zuverzichten, dann müssten wenigstens sozialeHärten in diesem Zusammenhangsoweit wie möglich vermieden werden.Für ganz untragbar halte ich die immerwie<strong>der</strong> vorkommenden Fälle, in denenüber Jugendliche o<strong>der</strong> Heranwachsende,die lange Zeit in Österreich gelebt habeno<strong>der</strong> gar hier geboren sind und deshalbpraktisch Österreicher sind, ein Aufenthaltsverbotverhängt wird – nur weil ihreEltern die Voraussetzungen für die Erlangung<strong>der</strong> Staatsbürgerschaft nicht erfülleno<strong>der</strong> sich um diese Frage nichtgekümmert haben. Keine noch so schwereStraftat darf zu einer solchen MaßnahmeAnlaß geben.2/10Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofeszu § 3 Fremdenpolizeigesetzsollte daher zum Anlaß eines grundsätzlichenUmdenkens auf diesem Gebiet genommenwerden. Die Auffassung, daßdie deswegen noch in <strong>der</strong> 16. Gesetzgebungsperiodegetroffene Übergangsregelungdie Interessenabwägung, um die esgeht, „gesetzlich hinreichend determiniert“,kann ich – wie Du weißt – ganzund gar nicht teilen. 61 Bei den Überlegungenfür eine grundsätzliche Neuorientierungdes Gesetzes sollte mE je<strong>der</strong>Schematismus vermieden und die Interessenabwägungim Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzesund <strong>der</strong> Punkte 6)und 7) des For<strong>der</strong>ungsprogramms wirklichernst genommen werden.Zu 8), 9) und 10): Daß die „beson<strong>der</strong>sberücksichtigungswürdigen Gründe“nach § 10 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetzin <strong>der</strong> Praxis meist ausdehnend interpretiertwerden, ist sehr befriedigend.Ich meine, daß es gerade angesichts dieserWeiterentwicklung <strong>der</strong> Praxis an <strong>der</strong>Zeit wäre, über eine klarstellende gesetzlicheKonkretisierung <strong>der</strong> Generalklauselund darüber nachzudenken, ob nicht andie Stelle einer Kann-Bestimmung einRechtsanspruch treten könnte. Dies lägeim Sinne <strong>der</strong> Grundsatzbestimmung desArt. 34 <strong>der</strong> Flüchtlingskonvention. (DieUN-Konvention zur Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Staatenlosigkeit scheint mir hingegen fürFlüchtlinge nicht relevant).Bei einer solchen gesetzlichen Weiterentwicklungsollte man aber nicht nur,wie <strong>der</strong>zeit, Konventionsflüchtlinge, son<strong>der</strong>nauch Gastarbeiter und an<strong>der</strong>en Auslän<strong>der</strong>nim Staatsbürgerschaftsrecht entgegenkommen.Schließlich sind die Zeitenvorbei, daß man in Österreich arbeitendeAuslän<strong>der</strong> nur <strong>als</strong> „vorübergehendeGäste“ betrachtet hat. Die meisten vonihnen halten sich inzwischen schon längereZeit hindurch in Österreich auf undsind hier integriert. Für die zum Teil hiergeborene „zweite Generation“ gilt das innoch viel stärkerem Maß. Das Sozialministeriumhat sich mit <strong>der</strong> vor kurzem zurDiskussion gestellten Novelle zum Auslän<strong>der</strong>beschäftigungsgesetzbemüht, ausdieser geän<strong>der</strong>ten Situation gesetzgeberischeKonsequenzen zu ziehen. Ich glaube,daß auch das Staatsbürgerschaftsrechtseinen Beitrag dazu leisten müsste. DieserBeitrag könnte beispielsweise in einerallgemeinen o<strong>der</strong> differenzierten Verkürzung<strong>der</strong> Fristen des Staatsbürgerschaftsgesetzesgesehen werden.Dem Grundsatz <strong>der</strong> „Familieneinheit“und <strong>der</strong> Familienzusammenführung solltenicht nur im Asylrecht praktisch ent-sprochen werden, son<strong>der</strong>n es sollte zu einerentsprechenden Verrechtlichung –etwa durch gesetzliche Klarstellung <strong>der</strong>Rechte zB <strong>der</strong> Ehefrau eines Konventionsflüchtlings– im Sinne <strong>der</strong> schonweitgehend geübten Praxis bei Einreisesichtvermerkenim Rahmen des § 25Paßgesetzes und nicht zuletzt im Fremdenpolizeigesetzkommen. Bei den Einreisebestimmungendes Passgesetzessollte die Betonung des Erfor<strong>der</strong>nisses<strong>der</strong> „Sicherung des Lebensunterhaltes“zumindest dann zurücktreten, wenn esum die Familienzusammenführung o<strong>der</strong>überhaupt um Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendlichegeht. In all diesen Fällen steht ja eine angemesseneKonkretisierung <strong>der</strong>Grundsätze <strong>der</strong> Artikel 8 und 12 MRKauf einfachgesetzlicher Ebene noch aus.In gar nicht wenigen Fällen scheinenPersonen, bei denen die Voraussetzungenfür den Erwerb <strong>der</strong> österreichischenStaatsbürgerschaft bereits vorliegen,darüber nicht hinreichend informiert zusein o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Gründen die notwendigeAntragstellung zu unterlassen.Ganz beson<strong>der</strong>s unbefriedigend ist dasdann, wenn es um Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendlichegeht, <strong>der</strong>en Interessen niemandwahrnimmt. Hier müsste man sich inverfahrensrechtlicher Hinsicht etwaseinfallen lassen, möglicherweise sogareine amtswegige Einleitung des Verfahrenso<strong>der</strong> die Bestellung eines Sachwaltersunter bestimmten Voraussetzungenin Erwägung ziehen.Zu 11): Vielleicht könntest Du anregen,daß <strong>der</strong> Verfassungsdienst des Bundeskanzleramteseine Prüfung im Sinnedieses Punktes <strong>der</strong> Charta in die Wegeleitet. Bei einer solchen „Durchforstung“sollte meines Erachtens vor allem an die„zweite Generation“ <strong>der</strong> Gastarbeiterfamiliengedacht werden, wie das ja auch<strong>der</strong> oben erwähnte Entwurf des Sozialministeriumszum Auslän<strong>der</strong>beschäftigungsgesetztut.Zu 12): Die Schaffung einer beson<strong>der</strong>sOmbudsman-Einrichtung für Auslän<strong>der</strong>,<strong>der</strong> auch Parteistellung und gegebenenfallsdie Vertretung eines Auslän<strong>der</strong>s imVerwaltungsverfahren – nicht zuletzt imAsyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren– zukäme, hielte ich für eine wichtigeund vordringliche Weiterentwicklungdes Rechtsschutzes.Zu 13): Die Gleichstellung von Flüchtlingenmit österreichischen Staatsbürgernim Bereich <strong>der</strong> Sozialhilfe ist eineVerpflichtung, die aus Art. 23 <strong>der</strong>Flüchtlingskonvention abzuleiten ist. Sozialhilfeleistungenan Flüchtlinge fallen,soviel mir bekannt ist, in die Zuständig-


Beiträge 19keit des Bundesministeriums für Inneres.Solche Leistungen sollten, so meine ich,ebenso wie bei Inlän<strong>der</strong>n in finanziellenBeiträgen zum Lebensunterhalt undnicht nur in Sachleistungen bestehen(wie nach dem Wiener Sozialhilfegesetzvor dessen Novellierung), um dem Art.23 <strong>der</strong> Konvention gerecht zu werden.In diesem Zusammenhang möchte ichauch nicht unerwähnt lassen, daß mir diePraxis, Auslän<strong>der</strong>n die Aufenthaltsbewilligunggerade unter Berufung auf denBezug von Sozialhilfeunterstützung zuentziehen bzw. nicht zu verlängern, ganzund gar nicht gefällt.Soweit die Punkte 11 bis 14 nicht indie Zuständigkeit des Bundesministeriumsfür Inneres fallen, darf ich Dich bitten,ihren Inhalt bei den zuständigenRessortleitern zu unterstützen.Zu 15): Deiner Antwort zu diesemPunkt scheint ein Missverständnis zugrundezu liegen: Es geht nicht um Kompetenzfragen,son<strong>der</strong>n um den Abbauungünstiger soziologisch-psychologischerBarrieren, die teilweise optischer Natursein mögen (zB bei Vernehmung durcheinen Beamten in Uniform). Wenn einFlüchtling in seinem Herkunftsland etwaSchikanen <strong>der</strong> Exekutive ausgesetzt gewesenist, so scheint es mir nicht beson<strong>der</strong>sklug, seine ersten und oft entscheidendenKontakte im Aufnahmeland in <strong>der</strong>äußeren Form einer „Polizeivernehmung“durchzuführen o<strong>der</strong> die staatspolizeilichenAspekte <strong>der</strong> Asylprüfung ihm gegenüberbeson<strong>der</strong>s herauszustellen. Ichglaube, daß wir allen Grund haben,Flüchtlingen in einer Atmosphäre desVertrauens gegenüberzutreten und ihnenzu Misstrauen keinen Anlaß zu geben.Aus ähnlich motivierten Überlegungen,aber auch aus Gründen des Rechtsstandards,hielte ich eine Entscheidungüber Asylanträge durch unabhängige„Tribunale“ für geboten. 62 Schon bei <strong>der</strong><strong>der</strong>zeitigen verfassungsrechtlichen Situationwäre die Errichtung einer Kommissionnach Art. 133 Z. 4 B-VG denkbar,zB nach dem Muster <strong>der</strong> Zivildienstkommissionen.Die Menschenrechtskonventionschreibt für Entscheidungen über„zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“im Sinne des Art. 6, zu denenwesentlich weniger gravierende undweniger existentielle <strong>als</strong> Asylentscheidungenzählen, bekanntlich solche Tribunaleverpflichtend vor. Das BKA bereitet<strong>der</strong>en Einrichtung im Verwaltungsstrafverfahrenvor. Ich halte das Asylverfahrenfür wichtig genug, sich von dieserEntwicklung nicht auszuschließen.Zu 16): Die Frage <strong>der</strong> Einräumung desaktiven und passiven Wahlrechtes anAuslän<strong>der</strong> ist vielleicht keine vorrangige,doch ist ihr zumindest ein gewisser Symbolcharakternicht abzusprechen. Darüberhinaus wäre es für die Wahrung <strong>der</strong>Rechte und Interessen beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong>Gastarbeiter nicht ohne Bedeutung, wennsich die politischen Parteien im demokratischenProzess auch um ihre Haltungund Zustimmung bemühen müssten.Gewiss werden auf diesem Gebietzunächst nur kleinere Schritte, etwanach dem Muster ausländischer Staatenauf kommunaler Ebene, in Betrachtkommen. 63Christian Broda (1916–1987)An <strong>der</strong> Seite von Robert BadinterIm Herbst 1986 unterstützte Broda einvom französischen Juristen und amtierendenPräsidenten des französischen VerfassungsgerichtshofesRobert Badinter,dessen Vater in Auschwitz umgekommenist und dem Broda sehr eng verbundenwar, ausgehendes Projekt <strong>der</strong> Errichtungeiner internationalen Stiftung zur Unterstützung<strong>der</strong> Behandlungszentren fürFlüchtlinge, die Opfer von Folterungenwaren. Badinter, <strong>der</strong> 1981 in Frankreichdie Abschaffung <strong>der</strong> Todesstrafe erreichthat, wurde im Frühjahr 1985 auf Initiativevon C.E.D.R.I. mit lebhafter Unterstützungvon Broda und von JürgenSchmude wegen seinem Wirken „für einhumanes Recht und für die Völkerverständigung“für den Friedensnobelpreisnominiert. Badinter hat bei <strong>der</strong> Urnenbeisetzungvon Broda von Herzen kommendeWorte über dessen Bedeutung für dieeuropäische Rechtskultur gesprochen. 64Die Association pour les Victims de Répressionen Exil (L’A.V.R.E. – Vereinigungfür die Opfer <strong>der</strong> Verfolgung imExil) stellt sich die Aufgabe, den Opfernvon Folter, denen im Gastland Asyl gewährtwurde, Hilfe durch medizinischeund psychotherapeutische Behandlung zugewähren. 65 Am 18. November 1986 ersuchtBroda Gewerkschaftspräsident AntonBenya (1912–2001) um Unterstützung:„Die Behandlung von Opfern vonFolter ist ein vollständiges Ganzes, welchessowohl medizinische Behandlung<strong>als</strong> auch seelische, soziale und finanzielleUnterstützung und Hilfe umfasst.“ Am28. Jänner 1987 hielt Broda in Straßburgaus Anlass <strong>der</strong> Überreichung des EuropäischenMenschenrechtspreises vor<strong>der</strong> Parlamentarischen Versammlung desEuroparates eine Rede Für die unteilbarenMenschenrechte, 66 am 1. Februar1987 verstarb er in Wien. In Wertschätzung<strong>der</strong> Verdienste von Broda um dasAsylrecht organisierte das Dr. Karl RennerInstitut (Wien), das C.E.D.R.I. undAmnesty International am 30. und 31.März 1987 in Wien ein Symposium in memoriamChristian Broda. Die von denVeranstaltern herausgegebene Broschürehat den Titel Asylrecht ist Menschenrecht.Christian Broda war ein großer österreichischerPatriot und, bei allen Wi<strong>der</strong>sprüchen,Internationalist, er hat viel fürÖsterreichs Entwicklung getan.Was bedeutet <strong>der</strong>Verzicht auf Neutralitätfür Österreichs Asylpraxis?Die an <strong>der</strong> Yale University tätige, ausIstanbul stammende Seyla Benhabib übtinsgesamt scharfe Kritik an <strong>der</strong> Flüchtlings-und Asylpolitik <strong>der</strong> EU, <strong>der</strong>enMitglied Österreich seit 1995 ist. Obschonsich <strong>der</strong> Rat wie<strong>der</strong>holt zur GenferFlüchtlingskonvention von 1951 und ihrProtokoll von 1967 bekannt habe, strebeer nach Erleichterungen bei <strong>der</strong> Rückführungvon illegal in die EU eingereisten„Drittstaatsangehörigen“ durch eineverbesserte Zusammenarbeit mitihren Heimatlän<strong>der</strong>n: „Da viele Asylsuchendeund Flüchtlinge vor einem suppressiven,illegitimen o<strong>der</strong> gar mör<strong>der</strong>ischenRegime in ihrer Heimat fliehen,kann eine verbesserte Zusammenarbeitmit diesen Län<strong>der</strong>n katastrophale Folgenfür ihr Leben haben. Diese Entwicklungensind äußerst gefährlich, insofernsie nicht nur die an den Rechten des Individuumsorientierte Genfer Konventionschwächen, son<strong>der</strong>n auch die moralischeund verfassungsmäßigen Verpflichtungeneinzelner Staaten gegenüber Flüchtlingenund Asylsuchenden untergraben,die sie sich einstm<strong>als</strong> aufgrund ihrer Erfahrungen(sei es <strong>der</strong> Kollaboration o<strong>der</strong>2/10


20 Beiträgedes Wi<strong>der</strong>stands) mit Nation<strong>als</strong>ozialismusund Totalitarismus auferlegt haben.“67 Noch 1989 hat ÖsterreichFlüchtlinge aus <strong>der</strong> Deutschen DemokratischenRepublik, die eine politische Entscheidungzugunsten <strong>der</strong> herrschendenKlasse <strong>der</strong> imperialistischen Bundesrepublikgetroffen haben, willkommen geheißen.Insbeson<strong>der</strong>e seit dem Lissabon-Vertrag 2009 ist die radikale Abgrenzunggegenüber Menschen aus Drittlän<strong>der</strong>nfestgeschrieben und sind Flüchtlingeund Asylwerber in den Graubereichzwischen Legalität und Illegalität gedrängt.Auf dem Wiener Symposium inmemoriam Broda hat <strong>der</strong> Wiener RechtsanwaltGeorg Zanger eingefor<strong>der</strong>t, dass<strong>der</strong> Kampf für ein Grundrecht auf Asylin Österreich geführt werden solle. 68 SeineFeststellung, die Gefahr, dass Asylgesetzerestriktiv abgeän<strong>der</strong>t werden würden,sei größer, während die For<strong>der</strong>ungnach einem Grundrecht auf Asyl nur eineRichtung zu mehr Rechten für die Asylsuchendenhabe, ist durch die Entwicklungvollinhaltlich bestätigt. 69 GeorgZanger würde die Asylfrage in <strong>der</strong> Gegenwartaber noch weiter fassen. EinStaat ist seiner Meinung nach auch dannverpflichtet, „Fremde <strong>als</strong> Asylwerber anzuerkennen,wenn sie sich durch Fluchtlebensbedrohenden wirtschaftlichen Verhältnissenentziehen, weil das Grundrechtauf Leben das wohl wichtigste Menschenrechtdarstellt“. Es sei, so Zanger, „nichtnachvollziehbar, wie es den Menschenrechtenentsprechen soll, wenn in Kenntnisdessen, dass die lebensnotwendigenMittel eines Flüchtlings im Herkunftsstaatnicht gesichert sind und sein Leben deshalbbedroht ist, eine Abschiebung dorthinmöglich und zulässig sein soll“. 70In Asylangelegenheiten ist es in zurRegion <strong>der</strong> imperialistischen EU hinabgesunkenen Republik Österreich zu einerfür Asylwerber bedrohlichen Verschärfunggekommen. Asylanten gelten insgesamtim Schengen-Raum mehr o<strong>der</strong> weniger<strong>als</strong> kriminelle Personen, <strong>der</strong>en Erkennungsdatenin <strong>der</strong> Dublin-DatenbankEurodac erfasst werden. Die zentraleRolle von Massenmedien, welche dieBevölkerung manipulieren und Feindseligkeitenschüren, ist offenkundig. Deshalbnehmen die Berufe, die sich daraufspezialisieren, auch enorm zu. Den vonBroda vorangetriebenen humanen Gedanken,ein Grundrecht auf Asyl zu installieren,hat die Republik Österreichlängst ad acta gelegt. Auch von einerFortentwicklung <strong>der</strong> Rechtsregeln zugunstenvon Asylwerbern und Flüchtlingenim Sinne von Broda ist nicht die Re-2/10de. Die Soziallehre <strong>der</strong> römisch-katholischenWeltkirche definiert in <strong>der</strong> Gegenwart<strong>als</strong> „De facto Flüchtlinge“ auch jeneMenschen, die, arbeitslos und hungernd,ihre persönliche Existenz und dieihrer Familie durch Flucht vor den unmenschlichenpolitisch wirtschaftlichenVerhältnissen eines Landes retten wollen.Die Republik Österreich ist gewisskein Asylland mehr, sie schottet sich gegenübersolchen Menschen ohne jedeHoffnung ab o<strong>der</strong> interniert sie unter inakzeptablenBedingungen in Lager. Wenigeund völlig überlastete Nichtregierungsorganisationenwie <strong>der</strong> Jesuitenflüchtlingsdienst(Jesuit Refugee ServiceJRS) 71 geben den „De facto Flüchtlingen“da und dort Hilfestellungen.Anmerkungen:1/ „Kritik des Gothaer Programms“ und Gleichheitsphrase<strong>der</strong> Gegenwart. Weg und Ziel 10 /1975, 1–3; MEW 19 (1973), 11–32 und MEW 21(1973), 491–509, hier 494.2/ Eduard Rabofsky: Über das Wesen <strong>der</strong>„Gruppe Soldatenrat“. Erinnerungen und Einschätzungen.In: Arbeiterbewegung – Faschismus– Nationalbewusstsein. Wien–München–Zürich 1983, 213–224.3/ In <strong>der</strong> Festschrift für den amtierenden Bundesministerfür Justiz Christian Broda zum60. Geburtstag findet sich zur Asylproblematikkein Artikel. Wien 1976. Für die hier vorliegendeStudie wurden nicht weiter ausgewiesene Dokumenteaus dem Nachlass von Christian Brodaverwendet. ÖNB/Handschriftenabteilung.4/ Z.B. Felix Ermacora: Menschenrechte in <strong>der</strong>sich wandelnden Welt. I. Bd. Historische Entwicklung<strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten.Wien 1974, 560–565; Hermann Klenner:Marxismus und Menschenrecht. Studien zurRechtsphilosophie. Anhang: Menschenrechtskatalogeaus Vergangenheit und Gegenwart (=Schriften zur Philosophie und ihrer Geschichte14). Berlin 1982, 409–414.5/ BGBl. 492 / 1987.6/ Stefan Rosenmayr: Asylrecht. In: RudolfMachacek [Hg.], Grund- und Menschenrechte inÖsterreich. Bd. 3. 50 Jahre Allgemeine Erklärung<strong>der</strong> Menschenrechte – Wesen und Werte.Kehl am Rhein [u.a.] 1997, 535–484.7/ Salzburger Nachrichten, 28./29.1.1956.8/ Salzburger Nachrichten, 2.6.1959.9/ Herrn em. o. Univ.-Prof. Dr. Günther Winklerbesten Dank für seine frdl. E-Mail vom 2.5.<strong>2010</strong>!10/ Peter Goller/Gerhard Oberkofler (Hg.):Österreichische Grundrechtsreform. Die Protokolledes Expertenkollegiums für Probleme <strong>der</strong>Grund- und Freiheitsrechte (1962–1965). UnterMitarbeit von Hans R. Klecatsky (= Rechts- undSozialwissenschaftliche Reihe. Bd. 30). Frankfurt/M.[u.a.] 2003; dazu Peter Goller/GerhardOberkofler: Grundrechtskatalog für Österreich?Historisch-politische Anmerkungen zur österreichischenGrundrechtsreform (1962–1965).Frankfurt/M. 2004.11/ Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet:www.wibilex.de: Volker Wagner: Asyl/Asylrecht(AT).12/ Heinz Barta: „Graeca non leguntur“? Zu denUrsprüngen des europäischen Rechts im antikenGriechenland. Bd. I, Wiesbaden <strong>2010</strong>, 446.13/ Ebd., 466.14/ Lexikon des Mittelalters I. München–Zürich1980, Artikel Asyl, Sp. 1156–1158. I. KirchlichesRecht (H. Zapp); II. Weltliches Recht [1] (H.-J.Becker), [2] (P.-C. Timbal).15/ Blaise Pascal: Gedanken. Leipzig 1948, 80;dazu Hermann Klenner: Vom Recht <strong>der</strong> Naturzur Natur des Rechts (= Staats- und rechtstheoretischeStudien 14). Berlin 1984. Das kühneDenken von Pascal dokumentiert <strong>der</strong> altösterreichische,mit Christian Broda freundschaftlichverkehrende Historiker Eduard Winter: Über diePerfektibilität des Katholizismus. GrundsätzlicheErwägungen in Briefen von Pascal, Bolzano,Brentano und Knoll. Berlin 1971.16/ Hegel: Grundlinien <strong>der</strong> Philosophie desRechts o<strong>der</strong> Naturrecht und Staatswissenschaftim Grundrisse. Nach <strong>der</strong> Ausgabe von EduardGans hg. und mit einem Anhang versehen vonHermann Klenner. Berlin 1981, 143f., hier 144.17/ Wilhelm Raimund Beyer: Der „alte Politikus“Hegel. Frankfurt/M. 1980, 34f.18/ Brief an Maxim Gorki vom August 1912. Lenin,Werke 35 (1973), 32f., hier 32.19/ Aischylos: Agamemnon, Vers 1668; übersetztso zeitnah und treffend in: Autorenkollektivunter Leitung von Miroslav Beck und Jirí Veselý,Exil und Asyl. Antifaschistische Literatur in <strong>der</strong>Tschechoslowakei 1933–1938. Berlin 1981, 81;ansonsten z.B. Aischylos Agamemnon. Deutschvon Emil Staiger. Stuttgart 1963, 62; für Absolventenhumanistischer Gymnasien in Griechisch:Aeschyli Agamemnon. Edidit Martin L.West. Stuttgart 1991.20/ MEW 6 (1973), 198f., hier 198.21/ Dazu Beyer, Der alte „Politikus“ Hegel, 22f.22/ Grundlegend das Buch des tschechoslowakischenHistorikers Josef Macek: Der Tiroler Bauernkriegund Michael Gaismair. Deutsche Ausgabebesorgt von R. F. Schmiedt. Berlin 1965.23/ Informativ Exil und Asyl, 1981.24/ Friedrich Nowakowski: Politisches Delikt undethnische Min<strong>der</strong>heiten. Skolast. Son<strong>der</strong>nummerXII, Studientagung 1968, 2. Teil, 28–33.25/ Gerhard Oberkofler/Eduard Rabofsky: HeinrichLammasch (1853–1920). Innsbruck 1993(mit Vorwort von Bundesminister für Justiz a.D.Hans R. Klecatsky, 7).26/ Lammasch, Auslieferungspflicht und Asylrecht,220f. und 226f.27/ Ebd., 227f.28/ Drei österreichische Rufer zum Frieden.Bertha von Suttner – <strong>Alfred</strong> Fried – ProfessorHeinrich Lammasch. UNESCO Austria Edition.


Beiträge 21Wien [1955].29/ Lammasch, Auslieferungspflicht und Asylrecht,229.30/ Für Lammasch. Die Fackel, <strong>Nr</strong>. 474–483,Mai 1918, 46–49.31/ Der Kampf 12 (1919), 792–798; wie<strong>der</strong> abgedrucktin: Otto Bauer. Werkausgabe. Bd. 8,Wien 1980, 1008–1018. Dazu Peter Goller: OttoBauer (1881–1938) über das Recht. In: FestschriftWilhelm Braune<strong>der</strong>. Wien 2008, 119–135.32/ UA Wien, Rigorosenprotokoll24.10.1905–3.7.1906, Blatt 1617.33/ Gerhard Oberkofler: Der Eintritt des Heimatblocksin das Kabinett Dollfuß I. Zeitgeschichte9 (1982), 121–125; über Pabst: Klaus Gietinger:Der Konterrevolutionär. Hamburg 2009.34/ Lammasch, 235f.35/ Bauer, Werkausgabe, 1017.36/ Festschrift für Christian Broda zum 60. Geburtstag.Wien 1976, 373–404.37/ Goller/Oberkofler, Österreichische Grundrechtsreform,31.38/ Ebd., 96.39/ Klenner, Marxismus und Menschenrechte,333; dazu Völkerrecht. Lehrbuch. Berlin 1960,163–166.40/ Klenner, Marxismus und Menschenrechte, 336.41/ Ebd., 361.42/ Ebd., 306.43/ Ebd., 317.44/ Ebd., 303.45/ www.zaoerv.de/1984, Max-Planck-Institut fürausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.Berichte und Urkunden. Deutsche Rechtsprechungin völkerrechtlichen Fragen 1982, 132.46/ C.E.D.R.I. Basel [1982/1983].47/ Ebenda, 23.48/ II. Kongress des C.E.D.R.I. Schlussbericht(Vervielfältigung).49/ Ebenda.50/ Bulletin C.E.D.R.I., <strong>Nr</strong>. 13, Mai/Juni 1986. Spezialnummer– Dritter Kongress (Vervielfältigung).51/ Asylrecht ist Menschenrecht. InternationalesSymposium in memoriam Christian Broda. Wien–Basel1987, 97f.52/ „Niemand darf <strong>der</strong> Folter o<strong>der</strong> unmenschlichero<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Strafe o<strong>der</strong> Behandlungunterworfen werden.“ Europäische Menschenrechtskonvention(EMRK)/Konventionzum Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheitenvom 4. November 1950, BGBl. 1958/210.53/ Österreichisches Anwaltsblatt. Organ desÖsterreichischen Rechtsanwaltskammertages49 (1987), 3–7.54/ <strong>Mitteilungen</strong>. <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>.4/2008, 13–17.55/ C.E.D.R.I.: Betrifft: Hüsein Yildirim.15.1.1986.56/ Vervielfältigung Missionsstrasse 35, Postfach,CH–4002 Basel.57/ Sozialarchiv Zürich. Bestand Angeline Fankhauser.58/ Ebd.59/ Terrorist wollte Staatsbürgerschaft, in: DiePresse, 5.6.2009.60/ Ratifiziert am 29.7.1987.61/ Zu 7) hat Karl Blecha formuliert: „Schon <strong>der</strong>inzwischen <strong>als</strong> verfassungswidrig aufgehobene§ 3 Fremdenpolizeigesetz hat <strong>als</strong> Voraussetzungfür die Ausweisung eines Auslän<strong>der</strong>snach strafgerichtlicher Verurteilung die Erlassungeines Aufenthaltsverbotes normiert, wobeidie Verhängung eines <strong>der</strong>artigen Verbotesnicht verpflichtend, son<strong>der</strong>n im Ermessen <strong>der</strong>Behörde gelegen war. Auch die nunmehrigeNeuregelung des § 3 Fremdenpolizeigesetz determiniertgesetzlich hinreichend eine <strong>der</strong>artigeMöglichkeit <strong>der</strong> Interessensabwägung im Sinne<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten Verhältnismäßigkeit bei <strong>der</strong>Ausweisung eines Auslän<strong>der</strong>s“.62/ Blecha: „Die Entscheidung durch Tribunaleist im Hinblick auf die österreichische Gesetzgebungund die diesbezügliche Verwaltungspraxis<strong>der</strong>zeit nicht möglich“.63/ Es folgen noch „Schlusssätze“, die aber imüberlieferten Text nicht ausgeführt sind.I. Dokumentation des SymposiumsHans Hautmann: Die KPÖ in <strong>der</strong>österreichischen Revolution 1918/19Winfried R. Garscha: Grundlinien <strong>der</strong>Politik <strong>der</strong> KPÖ 1920 bis 1945Manfred Mugrauer: Die Politik <strong>der</strong>KPÖ in den Jahren 1945 bis 1955/56Hans Hautmann: Die KPÖ in den1960er bis 1990er JahrenII. EinzelstudienHeimo Halbrainer: Die KPÖ in Graz1918/19Hans Hautmann: Die Untersuchungskommissiondes Arbeiterrats über dieVorfälle des 15. Juni 1919 in WienChristine Kanzler: ProletarischesTheater in <strong>der</strong> Ersten RepublikSimon Loidl: Illegalität im Exil. ÖsterreichischeKommunistInnen in denUSAHeimo Halbrainer: „Kampf mit allenuns zur Verfügung stehenden Mitteln“– Kommunistischer Wi<strong>der</strong>stand in <strong>der</strong>Steiermark 1938 bis 194564/ Österreichisches Anwaltsblatt 49 (1987),111–118 (Abschied von DDr. Christian Broda.Ansprachen anlässlich <strong>der</strong> Kremation und Urnenbeisetzung).65/ Einen Aspekt stellt <strong>der</strong> Zürcher Arzt undPsychoanalytiker Emilio Modena dar: PolitischesAsyl. Zur Invalidisierung <strong>der</strong> Revolutionäre.Werkblatt 61, 25. Jg. (2008), Heft 2, 55–71.66/ Asylrecht ist Menschenrecht, 1–8; ÖsterreichischesAnwaltsblatt 49 (1987), 107–110.67/ Seyla Benhabib: Die Rechte <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en.Auslän<strong>der</strong>, Migranten, Bürger. Frankfurt/M.2008, 151f.68/ Georg Zanger: Die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Chartafür den wirksamen Schutz <strong>der</strong> Menschenrechteund <strong>der</strong> Flüchtlinge und Gastarbeiter. Asylrechtist Menschenrecht, 78–85.69/ Vgl. Magdalena Pöschl: Gleichheit vor demGesetz. Wien 2008, 417f., A. 369, 751, A. 6470/ Herr RA Dr. Georg Zanger danke ich sehrherzlich für seine frdl. E-Mail vom 4.5.<strong>2010</strong>!71/ Einsatz für Flüchtlinge weltweit. Jesuiten,<strong>Nr</strong>. 4/2009.NeuerscheinungManfred Mugrauer (Hg.):90 Jahre KPÖStudien zur Geschichte <strong>der</strong>Kommunistischen Partei ÖsterreichsWien: Verlag <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> 2009(Quellen & Studien, Son<strong>der</strong>band 12), 348 S., 15,–ISBN 978–3–9501986–8–3InhaltMartin Krenn: „Es ist nicht länger zuertragen!“ – Zur Agrarpolitik <strong>der</strong> KPÖim BurgenlandManfred Mugrauer: „Oft setzte mansich über vernünftige Argumente hinweg...“.Die krisenhafte Entwicklung<strong>der</strong> KPÖ in den Jahren 1968 bis 1971III. Politikfel<strong>der</strong> und AkteurInnenGerhard Oberkofler: Wissenschaft undKommunistische Partei in ÖsterreichAlexan<strong>der</strong> Dinböck: „Die größte sozialpolitischeErrungenschaft war die Verstaatlichte“.Interview mit KarlRußheimIrma Schwager: KommunistischeFrauenpolitik in <strong>der</strong> NachkriegszeitErnest Kaltenegger: Die KPÖ Steiermark– kommunistische Politik heuteFranz Stephan Parte<strong>der</strong>: 90 JahreKPÖ und die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>GegenwartBestellmöglichkeit:ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTklahr.gesellschaft@aon.at2/10


22 BerichtIrma Schwager 90 JahreIn diesen Tagen feiert die antifaschistischeWi<strong>der</strong>standskämpferin,langjährige Vorsitzende des BundesDemokratischer Frauen und ehem<strong>als</strong>führende Funktionärin <strong>der</strong> KPÖ IrmaSchwager ihren 90. Geburtstag.Als die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> am13. November 1993 gegründet wurde,die (europäische) Arbeiterbewegung inBezug auf ihre eigene Geschichte grundlegendverunsichert wurde. Die mangelndeintellektuelle Gegenwehr, <strong>als</strong> diediversen Schwarzbücher die kommunistischeBewegung in Verruf brachten,war eine Folge davon. Die kampfloseKapitulation vieler ehemaliger hoherFunktionäre (kommunistischer Parteien)vor diesen Angriffen und ihre Metamorphosezu Kronzeugen <strong>der</strong> „Anklage“, einean<strong>der</strong>e.Robert Steigerwald, Philosoph, Autorund in <strong>der</strong> Deutschen KommunistischenPartei (DKP) viele Jahre für theoretische-und Bildungsfragen zuständig,kann man diesen Vorwurf freilich nichtmachen. Im Gegenteil, von seinen 85 Lebensjahrenhat er den Großteil in <strong>der</strong>kommunistischen Bewegung verbrachtund dabei sämtliche Höhen und Tiefenerlebt, ohne je mit seiner Überzeugungzu brechen. Anlässlich dieses Geburtstageshat <strong>der</strong> Berliner Verlag Kulturmaschinenin drei Bänden verschiedeneSchriften von ihm herausgegeben. Theundcharakterlichen Qualitäten, die entscheidenddazu beitrugen, unsere Vereinigungauch in Situationen vereinigt zuhalten, <strong>als</strong> ihr Gefahren drohten. Als Vizepräsidentinkonnte sie sich aus eigenerAnschauung davon überzeugen, dass die<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> mit ihren Forschungenzur Geschichte <strong>der</strong> ArbeiterInnenbewegung,mit ihren Symposien,Vortragsveranstaltungen und Büchereditioneneine nützliche Tätigkeit entfaltet,die, fern von kleinlichem Hickhack, dasGemeinsame über das Trennende zustellen sucht. Wie wir weiß auch sie,dass das in einer Zeit umso notwendigererklärte sie sich sofort zur Mitarbeit bereit,und die konstituierende Generalversammlungwählte sie zur Vizepräsidentin.In all den seither vergangenen 17Jahren zählte Irma Schwager nicht nurzu den aktivsten Mitglie<strong>der</strong>n des Vorstandes;sie bereicherte darüber hinausdurch ihre große politische Erfahrungund ihr profundes historisches Wissendas Wirken <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>ungemein. Davon zeugen zahlreicheBeiträge aus ihrer Fe<strong>der</strong> in unseren<strong>Mitteilungen</strong>, so <strong>der</strong> – geradezu <strong>als</strong> Pionierleistungzu bezeichnende – Artikel„Mädelarbeit in Frankreich“ aus demJahr 1995, in dem sie, aus persönlicherErinnerung gespeist, die ebenso wichtigewie gefahrvolle Agitation junger österreichischerKommunistinnen unter denSoldaten <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht imbesetzten Frankreich beschrieb. WeitereArtikel hatten ihr beson<strong>der</strong>es Anliegen,bedeutende Frauengestalten <strong>der</strong> kommunistischenBewegung biographisch zuwürdigen, zum Inhalt: über Anna Strömer-Hornik,Selma Steinmetz, AnnaGrün, Margarete Schütte-Lihotzky sowiezur Frauenpolitik <strong>der</strong> KPÖ in <strong>der</strong> Nachkriegszeitinsgesamt.Die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> verdanktaber Irma Schwager noch mehr. Es warenund sind ihre hohen menschlichen2/10ist, in <strong>der</strong> die hemmungslosen Attackendes Kapit<strong>als</strong> die Gesamtheit <strong>der</strong> arbeitendenMenschen treffen und in <strong>der</strong> esgilt, für <strong>der</strong>en Sache durch historische,wissenschaftliche, marxistische AnalysenPartei zu ergreifen.Die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> schätztsich glücklich, Irma Schwager in ihrenReihen zu haben und übermittelt ihrzum 90. Geburtstag den Dank und alleguten Wünsche.HANS HAUTMANNWALTHER LEEBRobert Steigerwald: So steht es nicht imGeschichtsbuch. Aufsätze zu sozialistischerund bürgerlicher Politik. VermischteSchriften in drei Bänden, Bd. 3.Berlin: Verlag Kulturmaschinen <strong>2010</strong>,16,80–Eine <strong>der</strong> nachhaltigsten Folgen desZusammenbruchs des realen Sozialismusin Osteuropa ist sicher jene, dassBuchpräsentationTransitional Justice:Gerechtigkeit nachDiktatur und KriegDas österreichische Kriegsverbrechergesetzvom 26. Juni1945 und die Ahndung von MenschenrechtsverletzungenheuteEine Veranstaltung <strong>der</strong> Zentralenösterreichischen ForschungsstelleNachkriegsjustiz am DÖWBuchpräsentation und VorträgeClaudia Kuretsidis-Hai<strong>der</strong>/WinfriedR. Garscha (Hg.): Gerechtigkeitnach Diktatur und Krieg. TransitionalJustice 1945 bis heute: Strafverfahrenund ihre Quellen. Graz:CLIO Verlag <strong>2010</strong> (Veröffentlichungen<strong>der</strong> Zentralen österreichischenForschungsstelle Nachkriegsjustiz,Bd. 3)Vorstellung des Buches und Vorträgevon Univ.-Prof. Dr. Frank Höpfelund Mag. a Eva BlimlingerDonnerstag, 24. Juni <strong>2010</strong>, 17.00Großer Schwurgerichtssaal desLandesgerichts für Strafsachen WienLandesgerichtsstraße 11, 1080 WienBestellungen online unterhttp://www.clio-graz.net


Rezension/Nachruf 23matisch sind sie nach Philosophie („Unten,wo das bürgerliche Leben…“, Band1), Literatur („Des Pudels Kern“, Band2) und Aufsätzen zu sozialistischer undbürgerlicher Politik („So steht es nichtim Geschichtsbuch“, Band 3) geordnet.Gleich vorweg: Lesenwert sind sie alle;allerdings soll an dieser Stelle <strong>der</strong> dritteBand genauer besprochen werden.Im Buch „Aufsätze zu sozialistischerund bürgerlicher Politik“ sind zahlreicheSchriften Steigerwalds mit Bezug zurGeschichte <strong>der</strong> deutschen und internationalenArbeiterbewegung zu finden. BeimLesen wird man feststellen: Steigerwaldneigt we<strong>der</strong> zur politischen Nostalgienoch ist er festgefahren in seinen Ansichten.Seine Analysen kann man teilen(o<strong>der</strong> auch nicht), sein Bemühen aber umdie Wie<strong>der</strong>gewinnung <strong>der</strong> Handlungsfähigkeit<strong>der</strong> kommunistische Bewegungist unübersehbar und durchzieht alle Artikel.Etwa wenn er sich mit den MoskauerProzessen beschäftigt („Koba,warum brauchst Du meinen Tod?“ Bucharinan Stalin) und <strong>als</strong> Fazit für einenkünftigen sozialistischen Aufbau eineGewaltentrennung (wohlgemerkt, keineGewaltenteilung) <strong>der</strong> legislativen, exekutivenund judikativen Gewalt samt einer<strong>der</strong> sozialistischen Verfassung verpflichtetenVerfassungsgerichtsbarkeitvorschlägt, um Willkürakte zu vermeidenund Urteile <strong>der</strong> Gerichte gegebenenfallsüberprüfen können zu lassen. ImKapitel „Über ,Revisionismus‘ und ,Revisionsmus-Kritik‘“gibt Steigerwald einenguten Überblick über die Vorgeschichte,Verlauf (u.a. erläutert er wichtigeBeschlüsse) und Auswirkungen desXX. Parteitages <strong>der</strong> KPdSU im Jahr1956. Man merkt diesem Text an, dass erin einer laufenden Parteiauseinan<strong>der</strong>setzunggeschrieben wurde. So enthält ermanche Polemik an seine Kontrahenten,welche in diesem Buch eigentlich fehlam Platz ist. Einem gewissenhaften Lektorhätte dies ebenso auffallen müssenwie die zahlreichen ärgerlichen Druckfehler,die das Lesevergnügen deutlichbeeinträchtigen.Gleich mehrere Beiträge befassen sichmit <strong>der</strong> Ursachenforschung für dasScheitern des realen Sozialismus in Osteuropa.Steigerwald beschäftigt sich indiesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s mitdem Thema „Sozialismus und Demokratie“.Dabei schließt er sich nicht demmoralinsauren Lamento diverser „Kommunismusforscher“an, son<strong>der</strong>n berücksichtigtin seinen Überlegungen dieschwierigen außen- und innenpolitischenBedingungen <strong>der</strong> sozialistischen Län<strong>der</strong><strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Verein zur Erforschung <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Arbeiterbewegung60 Jahre OktoberstreikUniv.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut für Neuere und Zeitgeschichte<strong>der</strong> Universität Linz): Der „Kommunisten-Putsch 1950“.Entstehung und Funktion einer GeschichtslegendeDr. Wilhelm Svoboda (Wiener Stadt- und Landesarchiv, angefragt):Die Olah-LegendeMittwoch, 22. September <strong>2010</strong>, 19.00Café 7Stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wienund würdigt ihre beachtlichen, humanistischenLeistungen. Es schließen sichTexte zur Bündnispolitik, KPD/DKP-Geschichte (etwa zum KPD-Verbot1956), zur Verfassungsgeschichte desGrundgesetzes (<strong>der</strong> BRD), zu „Marxismus– Zionismus – Judenfeindschaft“u.v.m. an. Bereits diese Auswahl zeigtdie universelle Gelehrtheit von Steigerwaldund seine breite Themenvielfalt. Eshandelt sich um spannend geschriebeneFerdinand Hackl(1918-<strong>2010</strong>)Geschichte (und Geschichten) von untenabseits <strong>der</strong> halben Wahrheiten des bürgerlichenAgitprop und <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nenBeliebigkeit. Trotz <strong>der</strong> handwerklichenMängel des Buches kann es zurÜberprüfung des eigenen Standpunktessowie zur Klarheit in den Köpfen beitragen.Es ist ihm – wie auch den beiden an<strong>der</strong>enBänden <strong>der</strong> Steigerwald-Schriften– eine breite Verbreitung zu wünschen.ALEXANDER DINBÖCKAm 10. Mai <strong>2010</strong> ist FerdinandHackl, antifaschistischer Wi<strong>der</strong>standskämpferund Interbrigadist, im91. Lebensjahr gestorben. „Ferdl“Hackl wurde am 2. Oktober 1918 ineiner sozialdemokratischen Arbeiterfamiliein Wien geboten. Als 15-Jähriger wurde er Mitglied des KommunistischenJugendverbandes, 1935trat er <strong>der</strong> KPÖ bei. Im Februar 1937ging er – unterstützt von <strong>der</strong> Partei –nach Spanien, um dort die Republikgegen die Franco-Faschisten zu verteidigen.Hackl kämpfte in den Reihen<strong>der</strong> Internationalen Brigaden an<strong>der</strong> Süd- und Zentrumsfront. Nach<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Republik im Februar1939 flüchtete Hackl gemeinsammit den meisten an<strong>der</strong>en Interbrigadistennach Frankreich, wo er inden Lagern Saint-Cyprien, Gurs, Argelèsund Les Milles interniert wurde.Nach <strong>der</strong> Besetzung Frankreichdurch deutsche Truppen kam Hacklzunächst in Gestapo-Haft und im Juni1941 ins KZ Dachau, wo er 1945 befreitwurde. Nach dem Krieg arbeiteteer <strong>als</strong> Angestellter einer Spedition und<strong>als</strong> Versicherungsangestellter. Politischengagierte er sich weiter in <strong>der</strong>KPÖ und im Österreichischen Friedensrat,dessen Vorstand er angehörte.Nach seiner Pensionierung war erjahrzehntelang <strong>als</strong> ehrenamtlicherMitarbeiter des Dokumentationsarchivsdes Österreichischen Wi<strong>der</strong>standestätig. Der <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>gehörte Ferdinand Hackl seit ihrerGründung im Jahr 1993 <strong>als</strong> Mitgliedan und nahm an ihren Aktivitätengroßen Anteil. Bis zuletzt war er häufig<strong>als</strong> Gast bei unseren Veranstaltungenzu sehen. Zeit seines Lebens tratHackl gegen Faschismus und Krieg,für Demokratie und Sozialismus ein.2/10


24 Ankündigungen<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Verein zur Erforschung <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> ArbeiterbewegungTribüne o<strong>der</strong> Politikfeld?ArbeiterInnenbewegung und Parlamente –Am Beispiel <strong>der</strong> KPÖDiskussionsveranstaltung <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut für Neuere und Zeitgeschichte<strong>der</strong> Universität Linz):Die KPÖ im National- und Bundesrat 1945–1959Dr. Werner Murgg (KPÖ-Landtagsabgeordneter in <strong>der</strong> Steiermark):Die KPÖ im steiermärkischen Landtag 2005–<strong>2010</strong>Josef Iraschko (Bezirksrat <strong>der</strong> KPÖ in Wien-Leopoldstadt):Die KPÖ in Wiener BezirksrätenDie Diskussion findet im Anschlussan die drei Referate statt.Freitag, 25. Juni <strong>2010</strong>, 19.00Café 7SternSiebensterngasse 31, 1070 Wien<strong>Mitteilungen</strong> <strong>der</strong>ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTHerausgeber und Medieninhaber:ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTPräsident: Dr. Walther LeebRedaktion und Grafik: Manfred MugrauerMitarbeiterInnen dieser Ausgabe:Alexan<strong>der</strong> Dinböck, Hans Hautmann,Walther Leeb, Gerhard OberkoflerAdresse: Drechslergasse 42, 1140 WienTel.: (+43–1) 982 10 86E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.atwww.klahrgesellschaft.atVertragsnummer: GZ 02 Z 030346 SP.b.b., Verlagspostamt 1140 Wien<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Verein zur Erforschung<strong>der</strong> Geschichte<strong>der</strong> ArbeiterbewegungBILDUNGSVEREIN DERKPÖ STEIERMARKLagergasse 98a, 8020 Grazhttp://bildungsverein.kpoe-steiermark.at2/10Tribüne o<strong>der</strong> Politikfeld?ArbeiterInnenbewegung und Parlamente – Am Beispiel <strong>der</strong> KPÖSymposiumSamstag, 19. Juni <strong>2010</strong>, 10.00 bis ca. 18.00KPÖ-Bildungszentrum im Volkshaus GrazLagergasse 98a, 8020 Graz10.00 Begrüßung durchDr. Walther Leeb (<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>) undFranz Stephan Parte<strong>der</strong> (KPÖ Steiermark)10.15 Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut fürNeuere und Zeitgeschichte <strong>der</strong> Universität Linz):Die KPÖ im National- und Bundesrat 1945–195911.15 Claudia Klimt-Weithaler (LAbg., KPÖ Steiermark):Die KPÖ im steiermärkischen Landtag 2005–<strong>2010</strong>12.15–13.45 Mittagspause13.45 Prof. Dr. Peter Porsch (Die Linke):Die PDS/Linke im Sächsischen Landtag – Sysiphos o<strong>der</strong>Pfahl im Fleisch14.45 Hendrijk Guzzoni MA (Linke Liste – SolidarischeStadt Freiburg): Kommunistische und fortschrittlicheKommunalpolitik in <strong>der</strong> BRD15.30 Leopold Pacher: Zeitzeugenbericht aus demGemein<strong>der</strong>at Knittelfeld16.00–16.30 Kaffeepause16.30 Round-Table-Gespräch mit Prof. Dr. PeterPorsch, Hendrijk Guzzoni MA, Elke Kahr (Stadträtin,KPÖ Graz) und Dr. Werner Murgg (LAbg., KPÖ Steiermark),Mo<strong>der</strong>ation: Dr. Lutz Holzinger (<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong><strong>Gesellschaft</strong>)17.30 Ernest Kaltenegger (LAbg., KPÖ Steiermark):KommunistInnen und Parlamente.Resümierende ÜberlegungenMit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung

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