Anneke Bühler Karin Metz Christoph Kröger 50/0560 - IFT
Anneke Bühler Karin Metz Christoph Kröger 50/0560 - IFT
Anneke Bühler Karin Metz Christoph Kröger 50/0560 - IFT
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<strong>Anneke</strong> <strong>Bühler</strong><br />
<strong>Karin</strong> <strong>Metz</strong><br />
<strong>Christoph</strong> <strong>Kröger</strong><br />
<strong>50</strong>/<strong>0560</strong><br />
Literaturauswertung zur Wirksamkeit von Warnhinweisen auf<br />
Zigarettenpackungen 1)<br />
München, 28.9.2007<br />
Leiter des Instituts<br />
Prof. Dr. Gerhard Bühringer<br />
1)<br />
Finanzielle Förderung: Bundesministerium für Gesundheit (Förderkennzeichen II A5-2<strong>50</strong>7<br />
DSM 409, vom 25. 7 und 10.8. 2007)<br />
<strong>IFT</strong> � Institut<br />
für Therapieforschung<br />
Parzivalstraße 25<br />
80804 München<br />
www.ift.de<br />
Träger: <strong>IFT</strong> � Institut für<br />
Therapieforschung<br />
Gemeinnützige Gesellschaft mbH<br />
Registergericht München<br />
HRB 46395<br />
Geschäftsführung:<br />
Hartmut Behle<br />
(Verwaltungsleiter)<br />
Prof. Dr. Gerhard Bühringer<br />
Sparkasse München<br />
Kto.-Nr. 23 168 370<br />
BLZ 701 <strong>50</strong>0 00<br />
Ust.-IdNr.: DE 129521698
2<br />
Reihe <strong>IFT</strong>-Berichte<br />
Band Nr. 166<br />
Herausgegeben vom <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung<br />
(Verantwortlich: Dr. Gerhard Bühringer)<br />
In der Reihe <strong>IFT</strong>-Berichte sind zuletzt erschienen:<br />
Bauer, C., Sonntag, D. & Hellwich, A. K. (2006). Suchthilfestatistik 2005.<br />
Bericht zur aktuellen Situation und den Aktivitäten der<br />
Suchthilfeeinrichtungen des Landes Thüringen (<strong>IFT</strong>-Berichte Bd. 159).<br />
München: <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung.<br />
Hellwich, A. K., Bauer, C. & Sonntag, D. (2006). Suchthilfestatistik 2005.<br />
Bericht zur aktuellen Situation und den Aktivitäten der ambulanten<br />
Suchthilfeeinrichtungen des Landes Berlin (<strong>IFT</strong>-Berichte Bd. 160).<br />
München: <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung.<br />
Hellwich, A. K., Bauer, C. & Sonntag, D. (2006). Suchthilfestatistik 2005.<br />
Bericht zur aktuellen Situation und den Aktivitäten der stationären<br />
Suchthilfeeinrichtungen des Landes Berlin (<strong>IFT</strong>-Berichte Bd. 161).<br />
München: <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung.<br />
Kraus, L., Baumeister, S. & Stonner, T. (2007). Epidemiologischer<br />
Suchtsurvey 2006: Repräsentativerhebung zum Gebrauch und<br />
Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Bayern. (<strong>IFT</strong>-<br />
Berichte Bd.162). München: <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung.<br />
Kraus, L., Rösner, S., Baumeister, S. & Stonner, T. (2007).<br />
Epidemiologischer Suchtsurvey 2006. Repräsentativerhebung zum<br />
Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Jugendlichen<br />
und Erwachsenen in Rheinland-Pfalz (<strong>IFT</strong>-Berichte Bd. 163). München:<br />
<strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung.<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Die Berichte können von Fachinstitutionen kostenlos angefordert und von Studenten<br />
über die Universitätsbibliothek ausgeliehen werden.
Inhaltsverzeichnis<br />
Kurzfassung ....................................................................................................................4<br />
1 Ausgangslage......................................................................................................6<br />
1.1 Rauchverhalten in der deutschen Bevölkerung...................................................6<br />
1.2 Maßnahmen der Tabakkontrolle..........................................................................6<br />
1.3 Fachlicher Hintergrund zur Wirkungsweise von Warnhinweisen.......................10<br />
1.4 Ziel der Literaturauswertung..............................................................................11<br />
1.5 Fragestellung.....................................................................................................12<br />
2 Methodik............................................................................................................13<br />
2.1 Suchstrategie.....................................................................................................13<br />
2.2 Auswahlstrategie ...............................................................................................13<br />
2.3 Auswertung der Publikationen und Kodierraster ...............................................13<br />
2.4 Evidenzstärkebestimmung ................................................................................18<br />
2.5 Zusammenfassende Beschreibung und methodische Beurteilung der Studien 19<br />
3 Ergebnisse.........................................................................................................22<br />
3.1 Wahrnehmung von Warnhinweisen...................................................................22<br />
3.1.1 Schlussfolgerungen zur Wahrnehmung von Warnhinweisen ............................24<br />
3.2 Kognitive, emotionale und Verhaltensreaktion auf Warnhinweise.....................24<br />
3.2.1 Schlussfolgerungen zur Reaktion auf Warnhinweise ........................................27<br />
3.3 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Wissen ...................................28<br />
3.3.1 Schlussfolgerungen zur Wirkung von Warnhinweisen auf das Wissen.............29<br />
3.4 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Einstellung gegenüber dem<br />
Rauchen ............................................................................................................30<br />
3.4.1 Schlussfolgerungen der Wirkung von Warnhinweisen auf die Einstellung........31<br />
3.5 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Aufhörmotivation ....................31<br />
3.5.1 Schlussfolgerungen Wirkung von Warnhinweisen auf die Motivation ...............33<br />
3.6 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Rauchverhalten ......................34<br />
3.6.1 Schlussfolgerungen Wirkung von Warnhinweisen auf das Verhalten ...............36<br />
4 Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick ...................................................37<br />
4.1 Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und differentielle Aussagen.........37<br />
4.2 Welche Wirkung ist nach Einführung von bildgestützten Warnhinweisen zu<br />
erwarten?...........................................................................................................40<br />
4.3 Abschließende Schlussfolgerung ......................................................................41<br />
Literatur.........................................................................................................................42<br />
Ausgewertete Publikationen..........................................................................................44<br />
3
4<br />
Kurzfassung<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Ziel der vorliegenden Literaturauswertung ist es, den neuesten Stand des Wissens zur<br />
Wirkung von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen auf das Rauchverhalten und<br />
rauchrelevante Variablen darzustellen. Befunde zu Zusammenhängen zwischen<br />
Warnhinweisregelungen und Wahrnehmung, Reaktion, Wissen, Einstellung, Motivation<br />
und Rauchverhalten werden zusammengestellt. Dabei soll, wo möglich, eine<br />
Differenzierung hinsichtlich der Wirkung von Texthinweisen und bildgestützten<br />
Hinweisen erfolgen. Ebenso wird versucht, bei Vorliegen von entsprechenden<br />
Ergebnissen, differenzierende Aussagen hinsichtlich Geschlecht, Alter, sozialer Lage<br />
und Motivationsstadium der Raucher zu formulieren.<br />
Nach systematischer Literatursuche wurden für den Zeitraum von 1990 bis 2007 28<br />
peer begutachtete Veröffentlichungen ausgewählt. Sie bestehen aus 19 Studien der<br />
Feldforschung (16 Umfragen, 3 Zeitreihenanalysen), aus sechs Laborstudien (fünf<br />
randomisierte, kontrollierte Studien) und vier Fokusgruppenstudien. Die Arbeiten<br />
wurden von einem Senior Scientist inhaltlich und methodisch ausgewertet und<br />
eingeschätzt. Die Schlussfolgerungen wurden mit drei anderen Senior Scientists<br />
diskutiert und formuliert. Jede Schlussfolgerung wurde mit einem Hinweis versehen,<br />
auf welchen Arbeiten sie basiert. Wenn eine Schlussfolgerung nicht nur<br />
populationsbeschreibend sondern hypothesenüberprüfend formuliert wurde, erhielt sie<br />
einen Evidenzstärkegrad nach der gängigen klinischen Klassifikation. Schließlich<br />
bildeten die Schlussfolgerungen die Basis für eine Einschätzung der Größe der<br />
Wirkungen von bildgestützten Warnhinweisen.<br />
Bildgestützte Warnhinweise, wie sie in der Forschungsliteratur untersucht wurden, sind<br />
meist als umfassendste Warnhinweisregelung zu verstehen und bestehen aus Bild,<br />
Text und Aufhörinformation. Kausale Aussagen zur Wirkung von bildgestützten<br />
Warnhinweisen sind aus den Feldforschungsstudien nicht möglich (Evidenzgrad III),<br />
die Laborstudien weisen dagegen einen Evidenzgrad von Ib auf und erlauben somit die<br />
Wirkung auf die Warnhinweise zurückzuführen. Da sich die zur Verfügung stehende<br />
Forschungsliteratur überraschend selten widerspricht und Labor- und<br />
Feldforschungsergebnisse bemerkenswert stark in die ähnliche Richtung weisen, stellt<br />
sie unserer Meinung nach angesichts des Mangels von evidenzbasierten<br />
Aussagemöglichkeiten die derzeit bestmögliche Basis für unsere evidenzorientierten<br />
Schlussfolgerungen dar.<br />
Zusammenfassend lässt sich die Forschungslage sich die Forschungslage zur Wirkung<br />
von bildgestützten Warnhinweisen im Vergleich zu Texthinweisen folgendermaßen<br />
beurteilen:<br />
1. In der Gesamtgruppe der Raucher haben bildgestützte Warnhinweise, die eine<br />
Kombination von Bildern, Text und Aufhörinformationen darstellen, einen<br />
starken Effekt auf die Wahrnehmung von Warnhinweisen, auf die kognitive,<br />
emotionale und Verhaltensreaktion und auf das Wissen über gesundheitliche<br />
Folgen und Inhaltsstoffe. Einen mittleren Effekt erzielen die bildgestützten<br />
Warnhinweise auf die Einstellung gegenüber dem Rauchen und die Motivation,<br />
mit dem Rauchen aufzuhören. Der geringste oder kein Effekt von<br />
Warnhinweisen ist auf das Rauchverhalten zu erwarten.<br />
2. Die wenigen Forschungsergebnisse zur differentiellen Wirkung der<br />
bildgestützten Warnhinweise deuten darauf hin, dass eine Wirkung eher bei<br />
weiblichen, schwächeren und aufhörmotivierteren Rauchern als bei<br />
männlichen, stärkeren und wenig aufhörmotivierten Rauchern zu erwarten ist.<br />
3. Bildgestützte Warnhinweise scheinen eine ähnliche Wirkung auf die Zunahme<br />
von Wissen bei bildungsferneren und einkommensschwächeren Rauchern wie
ei bildungsnäheren und einkommensstärkeren Rauchern zu haben, wobei der<br />
Ausgangsunterschied erhalten bleibt.<br />
4. Für Nichtraucher ist eine ähnliche oder stärkere Wirkung der bildgestützten<br />
Warnhinweise als bei Rauchern auf die Reaktion, Einstellung und Motivation<br />
festzustellen.<br />
5. Bei Ex-Rauchern ist eine mittlere Wirkung auf die Abstinenzmotivation und ein<br />
geringer Effekt auf das Aufrechterhalten der Abstinenz zu erwarten.<br />
Hinsichtlich unerwünschter Wirkungen wird von Gegnern der bildgestützten<br />
Warnhinweisen angeführt, dass sich Raucher und Nichtraucher von den drastischen<br />
Darstellungen belästigt fühlen, sich nicht auf sie einlassen und Raucher als Reaktion<br />
erst recht zur Zigarette greifen. Die Befundlage zeigt, dass davon nicht die Rede sein<br />
kann. Die Mehrheit der Raucher und Nichtraucher spricht sich für die Einführung dieser<br />
Warnhinweisregelungen aus. Tatsächlich reagieren Raucher mit Angst und Ekel und<br />
etwa ein Drittel versucht, die Bilder zu vermeiden. Negative Emotionen fördern aber<br />
das spätere Aufhörverhalten. Die Zigarettenpackungen mit Bildern zu vermeiden<br />
beeinflusst das spätere Aufhörverhalten dagegen nicht negativ. Etwa ein Drittel bis die<br />
Hälfte der Raucher erwartet, dass die Warnhinweise auf das konkrete Aufhörverhalten<br />
Einfluss nehmen. Nur ganz wenige erwarten (< 5%), dass unerwünschte Effekte<br />
auftreten, d.h. Raucher erst recht nicht aufhören (wollen).<br />
Zur Frage, inwiefern Jugendliche anders durch bildgestützte Warnhinweise zu<br />
beeinflussen sind als Erwachsene, lässt sich keine auffallend andere Befundlage<br />
ausmachen.<br />
Die Literaturauswertung schließt mit einem Szenario der möglichen Auswirkungen<br />
einer Einführung bildgestützter Warnhinweisregelungen.<br />
Zusammenfassend lässt sich aus den meist korrelativen Forschungsbefunden<br />
schlussfolgern, dass bildgestützte Warnhinweise, die aus großflächigen Bildern,<br />
Texthinweisen und Aufhörhilfen bestehen, als Aufklärungsinstrument wirkungsvoller<br />
sind als Texthinweise alleine. Als isolierte Intervention zur Reduktion der<br />
Raucherprävalenz auf Bevölkerungsebene haben sie sich bisher nicht als erfolgreich<br />
erwiesen (aufgrund fehlender kausaler Studien nicht erweisen können). Sie stellen<br />
somit nicht eine Alternative zum Einsatz evidenzbasierter Aufhörmethoden dar,<br />
sondern sind als ein sinnvolles und darüber hinaus sehr effizientes Element einer<br />
umfassenden Tabakkontrollpolitik zu betrachten.<br />
5
6<br />
1 Ausgangslage<br />
1.1 Rauchverhalten in der deutschen Bevölkerung<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Im Jahr 2006 rauchten in Deutschland rund 36% der Männer (9,4 Millionen) und 28%<br />
der Frauen (7,1 Millionen) zwischen 18 und 64 Jahren (Baumeister et al., 2007). Etwa<br />
30% dieser Rauchenden sind starke Raucher 1 , d.h. sie konsumieren täglich 20 oder<br />
mehr Zigaretten. Im Jugendalter sind die Anteile ebenfalls hoch: 18% der befragten 11<br />
bis 17-Jährigen bezeichnen sich im Jahr 2007 als ständige oder gelegentliche<br />
Raucher. Insgesamt rauchen 8% der Jugendlichen 10 oder mehr Zigaretten am Tag<br />
(BZgA, 2007). Schätzungen von Mortalitätsraten ergeben, dass in Deutschland etwa<br />
110.000 bis 140.000 Menschen jährlich aufgrund tabakassoziierter Erkrankungen<br />
sterben (John & Hanke, 2001).<br />
Am Arbeitsplatz ist jeder Fünfte und zuhause sind 8% Zigarettenrauch in der Atemluft<br />
ausgesetzt (Baumeister et al., 2007). Nichtraucher fühlen sich zu etwa zwei Drittel<br />
durch Passivrauch gestört. Die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens beliefen<br />
sich im Jahr 2003 auf geschätzte 21 Milliarden Euro in Deutschland (Neubauer et al.,<br />
2006). Hiervon entfielen 7,5 Milliarden Euro auf Kosten, die durch die medizinische<br />
Versorgung der aufgrund des Rauchens entstandenen Erkrankungen entstanden<br />
waren (etwa 3% aller Ausgaben im Gesundheitssystem).<br />
In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, trugen sich weniger als 25% der<br />
Raucher, die überhaupt schon einmal einen Aufhörversuch gestartet hatten, mit der<br />
Absicht, das Rauchen im nächsten halben Jahr aufzugeben (Stadium der<br />
Absichtslosigkeit) (Rumpf et al., 2002). Dagegen waren 17% im Stadium der<br />
Absichtsbildung und etwa 7% bereiteten sich konkret vor, im nächsten Monat mit dem<br />
Aufhören zu beginnen.<br />
1.2 Maßnahmen der Tabakkontrolle<br />
Maßnahmen zur Prävention und Behandlung des Rauchverhaltens können effektiv<br />
sein (<strong>Bühler</strong> & <strong>Kröger</strong>, 2006; <strong>Kröger</strong>, 2000). In Deutschland sind die Aktivitäten der<br />
Bundesregierung sowie der Drogen- und Suchtplan des Bundesministeriums für<br />
Gesundheit (BMG), die Maßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche<br />
Aufklärung (BZgA), die Angebote der Krankenkassen und das Engagement an Schulen<br />
Teil der Bemühungen, dem Rauchverhalten entgegen zu wirken. Eine umfassende<br />
Tabakkontrollpolitik besteht aus vielen Elementen (z.B. Wakefield & Chaloupka, 2000):<br />
• Aufklärung durch Plakate, elektronische Medien und Printmedien (darunter<br />
auch Warnhinweise auf Verpackungen);<br />
• Gesetzliche Bestimmungen: Entwicklung und Umsetzung von gesetzlichen<br />
Altersbeschränkungen in Konsum und Verkauf; Werbeeinschränkungen;<br />
Schaffung rauchfreier Umgebungen;<br />
• Kommunale Initiativen, Gelder für lokale Organisationen für Projekte am<br />
Arbeitsplatz,<br />
• Behandlung: Training und Unterstützung für Tabakentwöhnung im<br />
Gesundheitswesen, direkte Aufhörhilfen für Raucher (Hotline und Materialien)<br />
• Prävention mit jungen Altersgruppen: schulbasierte Programme mit dem<br />
Fokus auf Curriculumentwicklung, Schulpolitik und Prävention<br />
• sowie Forschung und Evaluation.<br />
1 Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird der maskuline Begriff Raucher verwendet, der aber – sollte<br />
nicht eine explizite Differenzierung vorgenommen worden sein - die weiblichen Raucherinnen mit<br />
einschließt.
Als wirksamste Maßnahmen zur Reduktion der Raucherraten, zur Verhinderung des<br />
Einstiegs und zum Schutz vor Passivrauchen auf gesellschaftlicher Ebene werden<br />
Steuererhöhungen, Werbeverbote, Abschaffung von Zigarettenautomaten,<br />
Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen und Gaststätten, massenmediale<br />
Kampagnen, Warnhinweise und Verkaufsbeschränkungen für Jugendliche und<br />
Zugangserleichterungen zu Tabakentwöhnungsmaßnahmen betrachtet (Jha,<br />
Chaloupka, Corrao & Jacob, 2006).<br />
Mittels Warnhinweisen auf Verpackungen über die Risiken des Konsums aufklären zu<br />
wollen, ist ein relativ leicht und kostengünstig zu implementierendes Element der<br />
Tabakkontrolle mit einer hohen und spezifischen Erreichung der Zielgruppe.<br />
Die bildgestützten Warnhinweise werden zunehmend als Instrument der<br />
Tabakkontrolle in anderen Ländern eingesetzt. Dabei gehen die Regelungen z. T. weit<br />
über das hinaus, was in Kanada 2001 eingeführt und Gegenstand der meisten Studien<br />
ist. Viele Länder haben andere, meist umfassendere bildgestützte Warnhinweise<br />
bereits heute oder für die nahe Zukunft vorgeschrieben: Brasilien 2002, Singapur 2004,<br />
Jordanien 2005, Venezuela 2005, Thailand 2005, Uruguay 2006, Chile 2006,<br />
Australien 2006, Hong Kong 2007, Belgien 2007, Großbritannien 2008, Neuseeland<br />
2008, Rumänien 2008, Indien 2008 (www.smoke-free.ca).<br />
Aufgrund der EU-Richtlinie 2001/37/EG dürfen in Deutschland seit dem 1.Januar 2004<br />
nur noch Zigarettenpackungen im Handel vertrieben werden, die auf der Vorderseite<br />
einen von zwei Warntexten (Größe 30% der Packungsfläche) und auf der Rückseite<br />
einen von 14 ergänzenden Warntexten (Größe 40% der Fläche) tragen. Im September<br />
2003 entschied sich die EU-Kommission für die Verwendung von Farbfotographien<br />
oder anderen Abbildungen auf Verpackungen für Tabakerzeugnisse (2003/641/EG). Im<br />
Mai legte sie eine Bibliothek ausgewählter, meist bildgestützter Warnhinweise vor. Die<br />
für Deutschland vorgeschlagenen Hinweise sind in Abbildung 1 dargestellt<br />
(http://ec.europa.eu/health/ph_determinants/life_style/Tobacco/Documents/de_pictures<br />
.pdf). Den Mitgliedstaaten ist es freigestellt, ob sie die Bildmotive einführen. Falls sie<br />
dies tun, muss dieses auf 40% der rückseitigen Fläche der Verpackung geschehen.<br />
Abbildung 1: Von der EU vorgeschlagene kombinierte Warnhinweise<br />
(http://ec.europa.eu/health/ph_determinants/life_style/Tobacco/Documents/de_pictures.pdf)<br />
7
8<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007
10<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Der wohl ausgewiesenste Experte im Bereich der Forschung zur Gestaltung von<br />
Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen, hat kürzlich seine Empfehlungen zur „Best<br />
Practice“ vorgestellt (Hammond, 2007). Demnach<br />
• sollten Warnhinweise so sichtbar wie möglich sein, indem ihre Größe erhöht<br />
wird, sie auf dem oberen Teil der Packung positioniert sind und Bilder und Text<br />
verwendet werden.<br />
• sollten die gesundheitlichen Folgen leicht verständlich und personalisiert<br />
vermittelt werden, indem Bilder verwendet und Testimonials abgebildet werden.<br />
• sollten Warnhinweise Informationen enthalten, die das Aufhören unterstützen<br />
wie z.B. die Nummer der nationalen telefonischen Raucherberatung oder<br />
Erklärungen, wie das Aufhören konkret die Gesundheitschancen verbessert.<br />
• sollten Warnhinweise alle zwei bis vier Jahre aktualisiert werden.<br />
• sollten die maschinellen Messwerte der Inhaltsstoffe von der Packung entfernt<br />
werden, weil sie nicht für die individuelle Aufnahme der Schadstoffe<br />
aussagekräftig sind und von Rauchern falsch interpretiert werden.<br />
• sollten die Angaben zu Inhaltsstoffen mit leicht verständlichen Erklärungen zu<br />
deren schadhafter Wirkung ersetzt werden.<br />
• sollten irreführende Namengebungen der Zigarettenmarke („light“, „smooth“,<br />
„mild“) verboten werden.<br />
• sollten andere irreführende Gestaltungselemente (Farben, Symbole, Design)<br />
verboten werden.<br />
1.3 Fachlicher Hintergrund zur Wirkungsweise von Warnhinweisen<br />
Warum sollten Warnhinweise, insbesondere bildgestützte Warnhinweise, Raucher und<br />
Nichtraucher in ihrem Zigarettenkonsum oder in rauchrelevanten Variablen (Wissen,<br />
Einstellung, Motivation) beeinflussen? Die internationale Forschung legt ihren<br />
theoretischen Schwerpunkt auf Annahmen zur Informationsverarbeitung (z.B.<br />
Hammond et al., 2006): graphische Hinweise würden wirken, weil sie eine höhere<br />
Salienz hätten und eher Aufmerksamkeit auslösten und weil sie das Wissen über<br />
gesundheitliche Folgen sowie die Risikowahrnehmung beeinflussten.<br />
Mittels der Theorie der Schutzmotivation (Maddux & Rogers, 1983, zit. nach Stroebe &<br />
Jonas, 2001), die den Einfluss Furcht erregender Kommunikationen zu begreifen<br />
versucht, sowie des Konstrukts „Implementationsintention“ lässt sich der Bogen von<br />
der Informationsverarbeitung zur Motivations- und zur Verhaltensänderung schlagen<br />
(Milne, Orbell & Sheeran, 2002). In Abbildung 2 ist ein Wirkmodell in Anlehnung an die<br />
genannten Theorien skizziert.<br />
Die kognitive Verarbeitung der Warnhinweise, wie sie von der EU vorgeschlagen<br />
werden, kann zum einen zur Wahrnehmung der „Schwere der Krankheit“ beitragen.<br />
Dieses kann durch graphische und textliche Vermittlung der Risiken des<br />
Zigarettenkonsums für die eigene Person (früherer Tod, Herzinfarkte, Schlaganfälle,<br />
Lungenkrebs, Unfruchtbarkeit, Impotenz) und für andere Personen (Föten und Kinder)<br />
geschehen. Zum anderen kann auch die Wahrnehmung der „Wirksamkeit der<br />
Reaktion“ beeinflusst werden, da auch die positiven Folgen des Aufhörens und Hilfen<br />
beim Aufhören auf den Zigarettenpackungen angegeben werden. Wie schwer die<br />
Krankheit wahrgenommen wird und wie die Wirksamkeit der Reaktion eingeschätzt<br />
wird, nimmt der Theorie entsprechend dann über zwei Pfade Einfluss auf die<br />
Schutzmotivation. Motivation ist ein wichtiger Prädiktor der Verhaltensänderung, wobei<br />
aber die konkrete Umsetzungsabsicht größere Bedeutung hat. (Milne, Orbell &<br />
Sheeran, 2002).
Abbildung 2: Wirkweise von Warnhinweisen auf das Rauchverhalten<br />
Verletzlichkeit<br />
(Weil ich rauche, könnte ich krank werden.)<br />
Wahrgenommene Schwere der Krankheit<br />
(Die meisten Raucher werden krank.)<br />
Belohnung für fehlangepasste Reaktion<br />
(Rauchen ist für mich Erholung.)<br />
Wirksamkeit der Reaktion<br />
(Wenn man aufhört zu rauchen, wird das<br />
Risiko, krank zu werden, beträchtlich<br />
verringert.)<br />
Selbstwirksamkeit<br />
(Wenn ich will, kann ich aufhören.)<br />
Kosten der angepassten Reaktion<br />
(Mit dem Rauchen aufzuhören ist eine<br />
aufreibende Sache und mir wird es eine<br />
ganze Zeit schlecht gehen. )<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
Bewertung der Bedrohung<br />
+<br />
+<br />
Schutzmotivation<br />
(Ich beabsichtige, mit dem<br />
Rauchen aufzuhören.)<br />
Umsetzungsabsicht<br />
(Ich werde im Mai mit dem<br />
Rauchen aufhören und<br />
mich heute bei einem<br />
Tabakentwöhnugskurs<br />
anmelden.)<br />
Bewertung der Bewältigung<br />
Die bisherige Forschung zur allgemeinen Wirkung von Furchtappellen auch über das<br />
Thema Rauchen hinaus zeigt, dass starke Furchtappelle überzeugender sind als<br />
schwache Appelle (Witte & Allen, 2000). Sie weist darauf hin, dass starke<br />
Furchtappelle kombiniert mit Botschaften, welche die Selbstwirksamkeit stärken, am<br />
meisten Verhaltensänderung bewirken. Ebenso lässt sich davon ausgehen, dass<br />
starke Furchtappelle ohne Förderung der Selbstwirksamkeit in starker Abwehrhaltung<br />
resultieren.<br />
Angesichts dieser komplexen theoretischen Vorstellungen und differenzierten<br />
Ergebnisse der Grundlagenforschung, ist es nicht verwunderlich, dass der Einsatz von<br />
Warnhinweisen umstritten ist. Zum einen wird bezweifelt, ob Warnhinweise überhaupt<br />
Wirkung entfalten können. Das Wirkmodell verdeutlicht den potenziellen langen,<br />
komplexen Wirkungspfad dieser Maßnahme. Zum anderen wird befürchtet, dass die<br />
abschreckenden Inhalte der bildgestützten Warnhinweise zu einer Vermeidung ihrer<br />
Wahrnehmung bis hin zu einer Reaktanzreaktion der Raucher („Jetzt erst recht!“)<br />
führen. Schließlich wird angeführt, dass schwache Warnhinweise es der<br />
Tabakindustrie ermöglichen, ihren Produkthaftungsverpflichtungen nachzukommen<br />
und sie wo möglich vor Schadensersatzklagen zu schützen, ohne einen<br />
gesundheitspolitischen Nutzen zu haben (Givel, 2007).<br />
Vor diesem kontroversen Hintergrund erscheint es uns sinnvoll, die Forschungsliteratur<br />
zur Wirksamkeit von Warnhinweisen zu sichten.<br />
1.4 Ziel der Literaturauswertung<br />
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den neuesten Stand des Wissens zur Wirkung von<br />
Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen auf das Rauchverhalten und auf<br />
rauchrelevante Variablen darzustellen. Dabei soll, wo möglich, eine Differenzierung<br />
hinsichtlich der Wirkung von Texthinweisen und bildgestützten Hinweisen erfolgen.<br />
Ebenso wird versucht, bei Vorliegen von entsprechenden Ergebnissen,<br />
+<br />
+<br />
11<br />
Rauchstopp
12<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
differenzierende Aussagen hinsichtlich Geschlecht, Alter und Motivationsstadium der<br />
Raucher zu formulieren.<br />
1.5 Fragestellung<br />
Inwiefern wirken bildgestützte Warnhinweise im Vergleich zu Texthinweisen auf<br />
• die Wahrnehmung der Warnhinweise<br />
• die kognitive, emotionale und Verhaltensreaktion gegenüber den<br />
Warnhinweisen<br />
• das Wissen über gesundheitliche Folgen und schädliche Inhaltsstoffe einer<br />
Zigarette<br />
• die Einstellung gegenüber dem Rauchen<br />
• die Motivation, mit dem Rauchen aufzuhören oder weiter rauchfrei zu bleiben<br />
• das Rauchverhalten?
2 Methodik<br />
2.1 Suchstrategie<br />
Entsprechend der Fragestellung wurden für die Literatursuche Schlüsselwörter<br />
festgelegt: warning labels, warnings, fear appeal, deterrence allein und verknüpft mit<br />
cigarettes, tobacco, smoking.<br />
Als Datenbanken wurden die Cochrane Library, Database of Abstracts of Reviews of<br />
Effects (DARE), Education Resources Information Center (ERIC) und PubMed sowie<br />
Psychinfo und Psyndex herangezogen. Ebenso wurden Internetseiten von<br />
Organisationen, die im Bereich der Tabakkontrollstrategien arbeiten, nach<br />
Publikationen durchforstet (z.B. www.tabakkontrolle.de, www.smoke-free.ca). Nach<br />
dem Schneeballprinzip wurden weitere Studien in den relevanten Publikationen<br />
identifiziert.<br />
Die Literatursuche fand im Zeitraum Juni bis Juli 2007 statt.<br />
2.2 Auswahlstrategie<br />
Die Auswahl der letztlich in der Literaturauswertung berücksichtigten Arbeiten geschah<br />
anhand von zwei Kriterien: inhaltliche Relevanz und Veröffentlichung in einer<br />
peerbegutachteten Zeitschrift nach 1990. Es gibt einige Berichte über<br />
Forschungsarbeiten, die für die Regierungen der Länder Kanada, Australien und<br />
Neuseeland durchgeführt wurden. Diese haben in andere zusammenfassende Arbeiten<br />
(z.B. Pötschke-Langer & Schulze, 2005, van den Kamp, 2007) Eingang gefunden. Um<br />
den höchstmöglichen wissenschaftlichen Standard für diese Literaturauswertung sicher<br />
zu stellen, wurde entschieden, nur solche Artikel einzuschließen, die bereits von<br />
mehreren anderen Wissenschaftlern begutachtet und als wissenschaftlich solide<br />
eingestuft worden waren. Damit basieren die Schlussfolgerungen der Autoren dieser<br />
Literaturauswertung auf Forschungsarbeiten, die Kriterien der wissenschaftlichen<br />
Arbeit ausreichend erfüllen und von der scientific community anerkannt werden.<br />
Nach Anwendung dieser Auswahlkriterien bilden 28 Publikationen die Basis für die<br />
vorliegende Literaturauswertung. Als Fußnoten werden die Ergebnisse zweier<br />
unveröffentlichter Arbeiten berichtet, da sie zum einen mit einer deutschen Stichprobe<br />
arbeiteten [23a] bzw. von der EU vorgeschlagene bildgestützte Warnhinweise zum<br />
Untersuchungsgegenstand haben [30] und diese beiden Aspekte nicht Gegenstand der<br />
veröffentlichten Publikationen sind.<br />
2.3 Auswertung der Publikationen und Kodierraster<br />
Mithilfe eines Kodierrasters wurden die Inhalte der Studien ausgewertet. Entsprechend<br />
der dort gesammelten Informationen sind die Studien in Tabelle 1 in ihrer Methodik und<br />
in Tabelle 2 in ihren untersuchten Inhalten und Evidenzstärken beschrieben. Im<br />
Folgenden wird beschrieben, wie die Spaltenüberschriften zu verstehen sind.<br />
13
14<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Tabelle 1: Beschreibung der ausgewerteten Literatur (Feldforschung)<br />
Studie Jahr Design Studienart Land Alters- Statu Warnhinweis Stichprobe N zu T0 AusHalte- Auswertung<br />
gruppe s<br />
schöpfungquote 18 1994 Nachtest-<br />
Follow-Up<br />
Umfrage USA Jugendliche R, NR Kleine Text anfallend 803 - 88,2% Längsschnitt<br />
1 2001 Nachtest- Umfrage Kanada Erwachsene R Bildgestützte repräsentativ 616 76% 70,3% Quer- und<br />
Follow-Up<br />
Längsschnitt<br />
3 s. 1 s. 1 Umfrage s. 1 s. 1 s. 1 s. 1 s. 1 s. 1 s. 1 s. 1 Quer- und<br />
Längsschnitt<br />
2 1994 Vortest- Umfrage Australien Erwachsene R Kleine und größere repräsentativ 510 66% 48% Quer- und<br />
Nachtest<br />
Text<br />
Längsschnitt<br />
22 s. 2 s. 2 Umfrage s. 2 Erwachsene R, NR s. 2 s. 2 s. 2 s. 2 Querschnitt<br />
29 2000- Vortest- Umfrage Kanada Jugendliche R, NR Bildgestützte repräsentativ 20176 ? - Zeitreihenanalyse<br />
2001 Nachtest<br />
und<br />
Erwachsene<br />
7 2002- Kontrollierte Umfrage Kanada, Erwachsene R Kleine und größere repräsentativ 9058 49,5%, - Zeitreihenanalyse<br />
2005 Zeitreihenanaly<br />
Australien,<br />
Text und<br />
45,8%,<br />
se<br />
Großbritannien<br />
Bildgestützte<br />
37,8%,<br />
, USA<br />
25,6%<br />
8 2002 Nachtest Umfrage s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 - Querschnitt<br />
9 2002 Nachtest Umfrage s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 s. 7 Querschnitt<br />
24 2004 Nachtest Umfrage s. 7 s. 7 s. 7 Inhaltsstoffe s. 7 6679 35%? - Querschnitt<br />
13 2005/ Nachtest Umfrage Kanada (s. 7), s. 7 s. 7 Große Text und s. 7 1751 + 65%, 86% - Querschnitt<br />
2006<br />
Mexico<br />
Bildgestützte<br />
1081<br />
6 2003 Nachtest Umfrage USA Jüngere R, Ex- Größere Text und anfallend 774 21 oder - Querschnitt<br />
R bildgestützte<br />
41%<br />
28 2002/<br />
2003<br />
Nachtest Umfrage Niederlande Erwachsene R Größere Text repräsentativ 3318 ? - Querschnitt<br />
26 1993? Nachtest Umfrage USA Jüngere R, NR Kleine Text anfallend 288 +<br />
243<br />
- - Querschnitt<br />
27 1999 Umfrage Umfrage Israel Erwachsene R, NR Referenz für repräsentativ 1000 + 45%, 8% - Querschnitt<br />
Warnhinweis<br />
200<br />
19 2002 Nachtest Umfrage Kanada Jüngere R, NR Bildgestützte ? 1279 90% - Querschnitt<br />
20 2001 Nachtest Umfrage Kanada Erwachsene Ex-R Bildgestützte repräsentativ 191 70% - Querschnitt<br />
10 1955- Zeitreihenanaly Statistiken USA - - Kleine Text repräsentativ <strong>50</strong> states - - Zeitreihenanalyse<br />
1994 se<br />
14 2001- Zeitreihenanaly Statistiken Niederlande - - Größere Text mit repräsentativ Gesamt - - Zeitreihenanalyse<br />
2002 se<br />
Tel.nr.
Tabelle 1 (cont.): Beschreibung der ausgewerteten Literatur (Laborforschung und Fokusgruppen)<br />
Studie Jahr Design Studienart Land Alters- Statu Warnhinweis Stichprobe N zu T0 Ausschöp Halte- Auswertung<br />
gruppe s<br />
fung quote<br />
11 1995 Nachtest Labor USA Jugendliche R, NR Kleine Text,<br />
Cartoonierte<br />
repräsentativ 580 ? - Querschnitt<br />
16 Nach RCT Labor USA Erwachsene R, NR Kleine Text und anfallend 169 - - Querschnitt<br />
2001?<br />
Bildgestützte<br />
12 Vor RCT Labor Kanada Jugendliche R, NR Größere (?) Text anfallend 202 - - Querschnitt<br />
1999<br />
auf blanker oder<br />
normaler Packung<br />
17 Nach RCT mit Labor UK Jüngere R, NR Bildgestützte und anfallend 119 - 40,2% Quer- und<br />
2001? Follow-Up<br />
Selbstwertstützung<br />
Längsschnitt<br />
25 ? RCT Labor USA Jüngere R, NR Größere/Große<br />
Text und<br />
Selbstwertstützung<br />
anfallend 130 - - Längsschnitt<br />
21 Nach RCT Labor USA Jugendliche R,NR Bildgestützte und Niedriger SES 186 ? - Querschnitt<br />
2001<br />
Rauchfilmszene<br />
4 1998 Fokusgruppen USA Jugendliche R, NR Kleine Text repräsentativ 785 ? - Querschnitt<br />
5 2002 Fokusgruppen USA Jüngere R, NR Kleine Text und<br />
Bildgestützte<br />
repräsentativ 95 (25,6%) - Querschnitt<br />
23 2002 Fokusgruppen Europa Erwachsene R, NR Kleine und größere anfallend 56 - - Querschnitt<br />
Text<br />
Gruppen<br />
15
16<br />
Tabelle 2 Beschreibung der ausgewerteten Literatur<br />
Studie Warnhinweis Wahrnehmung Reaktion Wissen Einstellung Motivation Verhalten Evidenzstärke*<br />
18 Kleine Text # III<br />
1 Bildgestützte ## # # ## III<br />
3 s. 1 ### # ## III<br />
2 Kleine und größere Text # # #### III<br />
22 s. 2 # ## ## ## III<br />
29 Bildgestützte # III<br />
7 Kleine und größere Text und Bildgestützte ## # # # IIa/III**<br />
8 s. 7 ### III<br />
9 s. 7 ## III<br />
24 Inhaltsstoffe # III<br />
13 Große Text und Bildgestützte ## # # III<br />
6 Größere Text und bildgestützte # # # # III<br />
28 Größere Text # # # # III<br />
26 Kleine Text # III<br />
27 Referenz für Warnhinweis # -<br />
19 Bildgestützte # # ## III<br />
20 Bildgestützte # # # III<br />
10 Kleine Text # III<br />
14 Größere Text mit Telefonnummer # III<br />
11 Kleine Text, Cartoonierte # III<br />
16 Kleine Text und Bildgestützte # # # Ib<br />
12 Größere (?) Text auf blanker oder normaler Packung # Ib<br />
17 Bildgestützte und Selbstwertstützung ## ## # Ib<br />
25 Größere/Große Text und Selbstwertstützung # # # Ib<br />
21 Bildgestützte und Rauchfilmszene # # Ib<br />
4 Kleine Text # -<br />
5 Kleine Text und Bildgestützte # # # -<br />
23 Kleine und größere Text # ### -<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
* Grad der Aussagekraft der Studienergebnisse für die Wirkung (s. 3.4) ** Das Design der Studie erlaubt für die Auswirkung der Einführung von größeren<br />
Texthinweisen Aussagen mit Evidenzstärke IIa, für die Wirkung von bildgestützten Warnhinweisen Aussagen mit Evidenzgrad III.
Design<br />
Die Fragestellung betrifft die Wirkung von Warnhinweisen auf rauchrelevante Variablen<br />
und das Rauchverhalten, es handelt sich also um eine Fragestellung der<br />
Interventionsforschung. Verändern sich die relevanten Variablen in die gewünschte<br />
oder ungewünschte Richtung? Um diese Fragestellung zu überprüfen, gibt es mehrere<br />
Untersuchungsdesigns, die sich in ihrer Evidenzstärke unterscheiden (s. 3.4). Je nach<br />
Befragungszeitpunkt kann man die Studien folgendermaßen nennen: Vortest-Nachtest<br />
Studie, Nachtest Studie, Nachtest-Follow-Up Studie (s. Tabelle 3). Ab einer gewissen<br />
Anzahl von Erhebungszeitpunkten spricht man von einer Zeitreihenanalyse, in der nicht<br />
immer dieselben Personen befragt werden, sondern unterschiedliche Personen der<br />
gleichen Bevölkerung.<br />
Tabelle 3: Design der Studien<br />
Vortest Warnhinweise Nachtest Follow-Up<br />
x x Vortest-Nachtest Studie<br />
x Nachtest Studie<br />
x x Nachtest-Follow-Up Studie<br />
xxxxxx x xxxxxxxx Zeitreihenanalyse AB<br />
Die Studie ist dann kontrolliert, wenn man eine Gruppe von Menschen vergleicht, die<br />
eine bestimmte Art von Warnhinweisen erhält, mit einer Gruppe, die keinen oder einer<br />
anderen Art von Warnhinweisen ausgesetzt ist (und sich nicht in anderen relevanten<br />
Aspekten unterscheidet wie z.B. Zigarettenpreis).<br />
Von Randomisierung spricht man, wenn die Studienleitung per Zufall entscheidet,<br />
welche Person welche Art von Warnhinweis erhält. Diese Studien werden dann RCT<br />
(randomized controlled trial) genannt.<br />
Auswertung der Daten<br />
Bei der querschnittlichen Auswertung werden Daten eines Zeitpunkts von einer, zwei<br />
oder mehreren Gruppen berichtet oder miteinander verglichen. Bei der<br />
längsschnittlichen Auswertung werden Daten mehrerer Zeitpunkte von einer, zwei oder<br />
mehreren Gruppen verglichen, wobei es sich um Daten derselben Personen handelt.<br />
Bei der Zeitreihenanalyse werden Daten mehrerer Zeitpunkte von einer, zwei oder<br />
mehreren Gruppen verglichen, wobei es sich um Daten unterschiedlicher Personen<br />
derselben Bevölkerung oder um Daten der zu dem Zeitpunkt bestehenden<br />
Gesamtbevölkerung handelt.<br />
Stichprobe und Ausschöpfungs- und Haltequote<br />
Eine Stichprobe kann so gezogen werden, dass sie die Population, auf die Ergebnisse<br />
verallegemeintert werden sollen (z.B. erwachsene Raucher), repräsentiert<br />
(repräsentative Stichprobe). Eine anfallende Stichprobe (convenience sample) nimmt<br />
alle Personen auf, die sich für die Studie melden und ist in den meisten Fällen nicht<br />
repräsentativ. Am repräsentativsten ist die Stichprobe der Gesamtpopulation. Je<br />
repräsentativer die Stichprobe, desto allgemeingültiger die Ergebnisse der Studie.<br />
Eine Stichprobe zu ziehen, heißt noch nicht, dass alle gezogenen Personen auch<br />
Daten für die Studie liefern. Die Ausschöpfung benennt die Prozentzahl der Personen,<br />
die tatsächlich Daten zur Verfügung stellen. Die Haltequote benennt im Fall einer<br />
Längsschnittstudie die Prozentzahl der Personen, bei denen auch zu einem weiteren<br />
17
18<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Befragungszeitpunkt Daten erhoben werden konnten. Je höher die Ausschöpfung und<br />
je höher die Haltequote, desto valider sind die Ergebnisse der Studie.<br />
Altersgruppe<br />
In dieser Literaturauswertung wurde unterschieden zwischen Erwachsenen (alle<br />
Erwachsene), Jüngeren (nur jüngere Erwachsene) und Jugendlichen (meist Schülern).<br />
Definition Art von Warnhinweisen<br />
Die Warnhinweise, die in der ausgewerteten Literatur vorkommen, wurden in vier<br />
Kategorien eingeordnet. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, der Menge<br />
und Inhalte der rotierenden Hinweise und der Verwendung von Bildern (s. Tabelle 4).<br />
Während die kleinen Texthinweise nur vier bis sechs rotierende Textboxen umfassen,<br />
nehmen größere Texthinweise mehr Platz ein und stehen auch in 16 Ausführungen zur<br />
Verfügung. Große Texthinweise sind auf <strong>50</strong>% der Packungsfläche zu sehen.<br />
Schließlich nehmen auch die bildgestützten Warnhinweise bestehend aus Bild und<br />
Text die Hälfte der Vorder- und Rückseite einer Packung ein, zusätzlich sind aber im<br />
Inneren der Packung noch weitere Erklärungen (auch zum Aufhören) angebracht. Es<br />
geht also bei dieser Klassifizierung nicht nur um die Größe eines Hinweises. Die<br />
Kategorien unterscheiden sich auch aufsteigend hinsichtlich der Vielfalt der<br />
Hinweise und der Inhalte der Hinweise. Die bildgestützten Warnhinweise stellen<br />
somit die umfassendste Warnhinweisregelung dar und entsprechen am ehesten dem,<br />
was von Experten in diesem Bereich aufgrund von Marketingstudien empfohlen wird<br />
(z.B. Hammond, 2007). Die Regelungen, die im Folgenden aus Lesefreundlichkeit mit<br />
„bildgestützte Warnhinweise“ betitelt werden sind umfassender, als die EU-<br />
Kommission sie vorschlägt.<br />
2.4 Evidenzstärkebestimmung<br />
Die Ergebnisse von Studien zur Wirkung einer Maßnahme können unterschiedlich<br />
aussagekräftig sein, d.h. unterschiedlich stark durch alternative<br />
Erklärungsmöglichkeiten als die Wirkung der untersuchten Maßnahme bedroht sein. Je<br />
mehr solcher Störgrößen vom Studiendesign kontrolliert werden, umso evidenzstärker<br />
sind die Resultate. Alternative Erklärungsmöglichkeiten werden durch die<br />
vergleichende Untersuchung mindestens zweier Gruppen (eine erhält die Maßnahme,<br />
die andere funktioniert als Kontrolle) und durch Randomisierung der Individuen oder<br />
Gruppen zur Bedingung (Maßnahme oder nicht) kontrolliert. Dementsprechend wird die<br />
randomisierte, kontrollierte Studie von Evidenzstärkeklassifikationen als<br />
evidenzstärkste Einzelstudienart eingeordnet (Shekelle et al., 1999). Höchste<br />
Evidenzkraft besitzen demnach Ergebnisse von Meta-Analysen, die Resultate von<br />
randomisierten, kontrollierten Einzelstudien quantitativ zusammenfassen. In Tabelle 5<br />
ist das Klassifikationssystem nach Shekelle et al. (1999) übersetzt.<br />
Tabelle 5 Evidenzstärkeklassifikation nach Shekelle et al., (1999)<br />
Evidenzgrad Basis<br />
Ia Evidenz einer Meta-Analyse mit randomisierten, kontrollierten Studien<br />
Ib Evidenz von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie<br />
IIa Evidenz von mindestens einer kontrollierten, nicht randomisierten Studie<br />
IIb Evidenz von mindestens einer anderen Art quasi-experimenteller Studie<br />
III Evidenz von nicht experimentellen Beobachtungsstudien wie<br />
Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, Einzelfallstudien<br />
IV Evidenz von Expertenberichten oder –empfehlungen oder klinischer<br />
Erfahrung von anerkannten Authoritäten, oder beides
Tabelle 4: Definition von kleinen, größeren und großen Texthinweisen und<br />
bildgestützten Warnhinweisen<br />
Bezeichnung Beispiel Beispielland<br />
Kleine<br />
Texthinweise<br />
USA<br />
Größere<br />
Texthinweise<br />
Große<br />
Texthinweise<br />
Bildgestützte<br />
Warnhinweise<br />
30% front, 40% back<br />
<strong>50</strong>% front<br />
16 Texthinweise,<br />
plus<br />
Information im Innern der Packung<br />
19<br />
Großbritannien vor<br />
2003<br />
Deutschland<br />
Mexico<br />
Canada<br />
2.5 Zusammenfassende Beschreibung und methodische Beurteilung der<br />
Studien<br />
Drei Gruppen von Studien haben sich mit dem Thema der Wirkung von Warnhinweisen<br />
auf Zigarettenpackungen befasst. In der Feldforschung wurden Umfragen und<br />
Zeitreihenstudien durchgeführt. Im Gegensatz zu den Umfragen, die zu einem<br />
Zeitpunkt Personen per Telefon oder Fragebogen befragen, finden die Befragungen in<br />
Zeitreihenstudien zu mehreren Zeitpunkten statt. Mit letzteren lässt sich der Verlauf
20<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
von z.B. Wissen über die gesundheitlichen Folgen in der Bevölkerung darstellen und<br />
mit der Einführung neuer Warnhinweise in Zusammenhang bringen. Die Feldforschung<br />
hat den Vorteil, dass meist repräsentative Gruppen, die die Warnhinweise in der realen<br />
Welt erlebt haben, untersucht werden (externe Validität). Sie haben den Nachteil, dass<br />
nicht kontrolliert werden kann, welchen Warnhinweisen in welcher Dosis die Befragten<br />
ausgesetzt waren und welche anderen Tabakkontrollstrategien auf die Befragten<br />
einwirken. Sie kann vor allem nicht sicher stellen, dass die Personen, die sich z.B.<br />
Warnhinweise merken können, in einer für das Rauchverhalten wichtigen Eigenschaft<br />
von den Personen unterscheiden, die sich keine Warnhinweise merken (z.B.<br />
aufhörbereite Raucher achten eher auf Warnhinweise).<br />
In der Laborforschung ist die Kontrolle über die Art und Dosis der Intervention<br />
(Warnhinweise) maximal. Personen können zufällig verschiedenen Bedingungen<br />
zugeordnet werden, so dass Ausgangsunterschiede nicht anzunehmen sind (z.B.<br />
Jugendliche werden zufällig der Gruppe zugeordnet, die bildgestützte Warnhinweise<br />
oder Texthinweise beurteilen soll). Beides führt dazu, dass die gemessenen Wirkungen<br />
viel eher auf die Warnhinweise zurückzuführen sind (interne Validität). Allerdings ist<br />
unklar, inwiefern die Laborbedingungen auf die reale Welt übertragbar sind. So ist es<br />
sinnvoll davon auszugehen, dass die wiederholte Präsenz der Warnhinweise im Alltag<br />
der Raucher anders wirkt als eine kurzfristige Exposition im Rahmen einer Laborstudie.<br />
Unter Fokusgruppen, eine qualitative Methode, die vornehmlich in der Marktforschung<br />
eingesetzt wird, versteht man eine moderierte Gruppendiskussion mit 6 bis 12<br />
Teilnehmern. Dauer der Diskussion ist etwa 1,5 bis 2 Stunden, geleitet wird sie von<br />
einem erfahrenen Moderator. Meist wird Stimulusmaterial eingesetzt und Ziele der<br />
Diskussion vorgegeben. Vorteil der Fokusgruppe ist, dass neues, noch nicht fertiges<br />
Material getestet werden kann. Im Vergleich zu Fragebogen können neue Aspekte<br />
eines Themas aufgeworfen werden. Wenn auch die Ergebnisse nur in seltensten<br />
Fällen als repräsentativ gelten können, erfährt man oft Motive, die hinter einem<br />
bestimmten Verhalten oder einer bestimmten Einstellung stehen.<br />
Von den 28 hier ausgewerteten Studien sind 19 Studien der Feldforschung<br />
zuzuordnen, davon 17 Umfragen und zwei Zeitreihenanalysen. Von den 17 Umfragen<br />
hatten vier Studien eine Längsschnittstichprobe, d.h. die gleichen Personen wurden<br />
zwei Mal befragt. In 15 der 17 Umfragen waren repräsentative Stichproben angestrebt<br />
worden. Die Ausschöpfungsraten variieren allerdings stark (20 bis 100%) und nicht<br />
jede Studie hat bei niedriger Ausschöpfung die Repräsentativität ihrer befragten<br />
Gruppe für die untersuchte Population geprüft. Bei den meisten Feldforschungsstudien<br />
handelt es sich um Befragungen nach Einführung einer Warnhinweisart, um ein<br />
sogenanntes Nachtest-Design. Für die Überprüfung der Wirkung von bildgestützten<br />
Warnhinweise liegt nur ein Vortest-Nachtest-Design vor, das allerdings keine Kontroll-<br />
oder Vergleichsgruppe beinhaltet [29]. Die kontrollierte Zeitreihenanalyse erlaubt<br />
kontrollierte Vor- Nachtest-Aussagen für die Einführung von größeren Texthinweisen,<br />
nicht aber für die bildgestützten Warnhinweise [7]. Zudem wurden in dieser Studie<br />
potenziell konfundierende, andere Tabakkontrollstrategien der Länder nicht<br />
mitberücksichtigt. Insofern sind keine Schlussfolgerungen mit höheren Evidenzstärken<br />
als III (für Beobachtungsstudien, Shekelle et al., 1999) aus dieser Forschung zur<br />
Wirkung von bildgestützten Warnhinweisen abzuleiten.<br />
Sechs der in die Literaturauswertung eingegangenen Studien sind Laborstudien,<br />
darunter fünf randomisierte, kontrollierte Studien. Lediglich in zwei Studien werden<br />
bildgestützte Warnhinweise oder cartoongestützte Texte mit Texthinweisen verglichen<br />
[11, 16]. Dafür wird zur Untersuchung der Abwehrhaltung in zwei Studien die Reaktion<br />
von Rauchern mit der Reaktion von Nichtrauchern verglichen [17, 25]. Zu den
Bereichen Wahrnehmung, Reaktion, Einstellung und Motivation liegen damit Aussagen<br />
mit Evidenzstärke Ib vor.<br />
Schließlich konnte aus drei Fokusgruppenstudien Hintergrundwissen zur Einschätzung<br />
von Warnhinweisen extrahiert werden. Diese beschäftigen sich aber nur in einem Fall<br />
auch mit bildgestützten Warnhinweisen [5].<br />
Insgesamt ist die Forschungslage so einzuschätzen, dass nicht evidenzbasierte<br />
sondern nur evidenzorientierte Aussagen zur Wirkung von bildgestützten<br />
Warnhinweisen möglich sind. Eine evidenzbasierte Aussage zur Wirksamkeit von<br />
Warnhinweisen bedürfte einer Studie, die zwei Regionen vergleicht, die sich sehr<br />
ähnlich sind und sich nicht in ihren Tabakkontrollbemühungen unterscheiden. Eine<br />
repräsentative Stichprobe aus jeder Region müsste vor und nach der Einführung der<br />
Warnhinweisregelungen befragt werden und welche Region welche Art von<br />
Warnhinweise erhält, müsste zufällig entschieden werden. Da diese Studie derzeit<br />
nicht vorliegt und vielleicht auch nie realisiert werden kann, muss auf bereits realisierte<br />
Feld- und Laborforschung mit dazugehörenden Mängeln zurückgegriffen werden.<br />
Die zur Verfügung stehende Forschungsliteratur widerspricht sich überraschend selten<br />
und Labor- und Feldforschungsergebnisse weisen bemerkenswert stark in die ähnliche<br />
Richtung. Deswegen stellt sie unserer Meinung nach angesichts des Mangels an<br />
evidenzbasierten Aussagemöglichkeiten eine derzeit bestmögliche Basis für unsere<br />
Schlussfolgerungen dar.<br />
21
22<br />
3 Ergebnisse<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Im Ergebniskapitel wird auf jeden inhaltlichen Bereich der Wirkungsforschung von<br />
Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen getrennt eingegangen (Wahrnehmung,<br />
Reaktion, Wissen, Einstellung, Motivation, Rauchverhalten). Innerhalb jedes<br />
inhaltlichen Bereichs gibt es wiederum Unterpunkte, die verschiedene Aspekte dieses<br />
Bereichs beleuchten. Die Studienergebnisse werden dann wie folgt dargestellt: Zuerst<br />
wird auf die Studien eingegangen, in denen bildgestützte Warnhinweise allein oder im<br />
Vergleich mit Texthinweisen untersucht wurden, und zwar zuerst die quantitative<br />
Forschung (Umfragen und Laborstudien) und später die qualitative Forschung<br />
(Fokusgruppenstudien). Darauf folgen dann die Studien zu Texthinweisen ohne Bezug<br />
zu bildgestützten Warnhinweisen.<br />
Neben Zahlen zur Einschätzung der Verbreitung eines bestimmten rauchrelevanten<br />
Merkmals (z.B. Wissen über gesundheitliche Folgen), ist es auch interessant,<br />
Zusammenhänge zwischen den Merkmalen zu kennen (z.B. Wissen und<br />
Aufhörabsicht). Da in querschnittlichen Auswertungen keine Ursache-Wirkung-<br />
Beziehung aufgestellt werden kann (z.B. mehr Wissen führt zu stärkerer Aufhörabsicht<br />
oder stärkere Aufhörabsicht führt zu mehr Wissen), werden in den Ergebnissen nur<br />
gefundene längsschnittliche Zusammenhänge berichtet (z.B. mehr Wissen zu<br />
Zeitpunkt 1 führt zu mehr Aufhörabsicht zu Zeitpunkt 2).<br />
Am Ende eines jeden inhaltlichen Bereichs sind die Schlussfolgerungen der Expertise<br />
zu lesen. Die Studienergebnisse sind also als „Rohwerte“ anzusehen, die dann in die<br />
Schlussfolgerungen einfließen. Eine Evidenzstärke erhält eine Schlussfolgerung dann,<br />
wenn sie eine klinische Hypothese aufstellt (z.B. Warnhinweise führen zu mehr<br />
Wissen) und nicht nur populationsbeschreibend (z.B. Raucher lesen Warnhinweise) ist.<br />
Die Evidenzstärke drückt dann aus, wie stark diese Hypothese durch Forschung<br />
gestützt wird.<br />
3.1 Wahrnehmung von Warnhinweisen<br />
Bemerken der Warnhinweise<br />
Den Umfragen zufolge werden Warnhinweise auf Zigarettenpackungen von Rauchern<br />
bemerkt, wobei der jeweilige prozentuale Anteil der Raucher, die Warnhinweise<br />
bemerken, etwas nach Studie und stark nach Art der Warnhinweise und ihrer Neuigkeit<br />
(jünger als ein Jahr) variiert: Kleine Texthinweise werden von etwa 30 bis 45% [2,7]<br />
Rauchern bemerkt, größere Texthinweise von etwa <strong>50</strong>%, wobei kurzfristig nach<br />
Einführung dieser Anteil mit etwa 65 bis 85% höher ist [2, 7, 28]. Große Texthinweise<br />
wurden im letzten Monat von etwa 40% [13] und bildgestützte Warnhinweise von 56 bis<br />
60% bemerkt [7, 13]. Von jüngeren Erwachsenen werden bildgestützte Warnhinweise<br />
ein Jahr nach Einführung zu 67% bemerkt, wenn sie Nichtraucher sind, zu 89% wenn<br />
sie Experimentierer oder Ex-Raucher sind und zu 99% wenn sie Raucher sind [19].<br />
Raucher geben eher an, Warnhinweise zu bemerken als Nichtraucher [19] und jüngere<br />
Erwachsene eher als ältere Erwachsene [2]. Werden umfangreichere Texthinweise neu<br />
eingeführt, steigt der Anteil der Raucher, die Warnhinweise bemerken, um etwa das<br />
Doppelte [2, 7], um dann auf relativ hohem Niveau zu verbleiben [7]. 2<br />
2 In einer noch unveröffentlichten Studie [30] haben 623 kanadische Raucher und Nichtraucher<br />
(anfallende Stichprobe) beurteilt, inwiefern die 2005 vorgeschlagenen EU-Warnhinweise<br />
Aufmerksamkeit erringen. Dabei sollten sie vergleichen zwischen einer Packung, auf der nur eine<br />
Textbox angebracht war, und einer Packung, die zu demselben Thema ein Bild mit demselben Text trug.<br />
Den bebilderten Hinweisen wurde durchgehend häufiger zugesprochen, Aufmerksamkeit zu erregen.
Lesen der Warnhinweise<br />
Die Warnhinweise auf dem Äußeren einer bildgestützten Packung neun Monate nach<br />
Einführung mindestens ein Mal gelesen zu haben, berichten über 90% der Raucher,<br />
44% berichten dies für die Warnhinweise, die im Inneren der Packung angebracht sind<br />
[1]. Die äußeren Warnhinweise auch im letzten Monat noch oft gelesen zu haben,<br />
geben je nach Art der Warnhinweise 18 bis 35% der Raucher an [7, 13]. Bildgestützte<br />
Warnhinweise werden eher gelesen als kleine oder größere Texthinweise [7], aber<br />
vergleichbar oft mit großen Texthinweisen [13].<br />
Werden größere Texthinweise neu eingeführt, liegt der Anteil derer, die sie im letzten<br />
Monat oft gelesen haben, doppelt so hoch [7].<br />
Ergebnisse der Fokusgruppen bestätigen, dass kleine Texthinweise nicht auffällig sind<br />
und größere Texthinweise mehr Aufmerksamkeit erringen [23]. Jüngere Erwachsene<br />
urteilen, dass kleine Texthinweise nicht beachtet werden und bildgestützte<br />
Warnhinweise im Vergleich dazu viel sichtbarer seien [5].<br />
Aufmerksamkeitspanne<br />
Zwei Laborstudien [16, 25] haben die Zeit gemessen, die Raucher und Nichtraucher<br />
damit verbracht haben, Warnhinweise am Computerbildschirm anzuschauen. Diese<br />
Zeit kann darauf hinweisen, wie intensiv gezeigte Inhalte verarbeitet werden und ob<br />
gegebenenfalls eine Abwehrreaktion dem Gezeigten gegenüber erfolgt. Kleine<br />
Texthinweise wurden von den Probanden 4,5s lang angeschaut, bildgestützte<br />
Warnhinweise dagegen 8,4s, also fast doppelt so lange [16]. Dabei war kein<br />
Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern auszumachen.<br />
Bei der Betrachtung des gleichen Pools an Warnhinweisen mit größeren oder großen<br />
Texten, nahmen sich Raucher genauso viel Zeit wie Nichtraucher [25].<br />
Wiedererkennen und Wiedergabe<br />
Das Wiedererkennen von Warnhinweisen (gestützte Abfrage) ist eine niedrigschwellige<br />
Art zu prüfen, ob Inhalte im Gedächtnis gespeichert wurden. Die freie Wiedergabe<br />
(ungestützte Abfrage) stellt eine höhere Anforderung an das Gedächtnis dar. In einer<br />
Umfrage konnten 70% der befragten Raucher alle der drei richtigen und drei falschen<br />
vorgegebenen bildgestützten Warnhinweise korrekt identifizieren, nur 3,6% hatten<br />
keinen richtigen oder falschen Hinweis entsprechend wieder erkennen können [1].<br />
Bei der Vorgabe von im Land üblichen kleinen Texthinweisen konnten nur 55% der<br />
Raucher und 51% der Ex-Raucher drei von vier Hinweisen wieder erkennen [6]. Das<br />
Wiedererkennen von kleinen Texthinweisen ist bei Rauchern stärker zu beobachten als<br />
bei Nichtrauchern [26]. In einer anderen Umfrage wurde die Wiedergabe von<br />
landesüblichen Warnhinweisen untersucht, da aber in dem Interview erst die<br />
Warnhinweise vorgegeben worden waren und dann abgefragt wurden, liegen nur<br />
verzerrte Wiedergaberaten vor, die hier nicht berichtet werden [22].<br />
In einem Experiment konnten Jugendliche je nach Länge der größeren Texthinweise<br />
nach kurzem Ansehen zu 22%, 13% bzw. 13% die Inhalte der drei Hinweise<br />
wiedergeben [12]. Der Anteil war unter den Jugendlichen doppelt so hoch, die die<br />
Insbesondere für das Motiv mit den Zähnen, das Motiv zum Herzinfakt und das Motiv „Asthma bei<br />
Kindern“ wurden unterschiedlich beurteilt.<br />
23
24<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
beiden kurzen Hinweise auf einer weißen, blanken und nicht herkömmlichen Packung<br />
gesehen hatten (56 und 27%), allerdings konnte sich kaum ein Jugendlicher an den<br />
langen Hinweis erinnern, wenn er auf einer blanken Packung gestanden hatte (1%).<br />
3.1.1 Schlussfolgerungen zur Wahrnehmung von Warnhinweisen<br />
Warnhinweise werden von Rauchern bemerkt 2, 7, 27, 13, 19 , insbesondere, wenn sie neu<br />
sind 2,7 , aber auch wenn sie schon länger eingeführt wurden 7,13 .<br />
Bildgestützte Warnhinweise werden von Rauchern eher bemerkt als Texthinweise 7,13<br />
(III).<br />
Warnhinweise werden von Rauchern gelesen 1, 7, 13 .<br />
Bildgestützte Warnhinweise und große Texthinweise werden eher gelesen als kleine<br />
und größere Texthinweise 7,13 (III).<br />
Äußere bildgestützte Warnhinweise werden von Rauchern eher gelesen als<br />
Warnhinweise, die im Inneren der Packung angebracht sind 1 (III).<br />
Bildgestützte Warnhinweise werden intensiver kognitiv bearbeitet als Texthinweise<br />
(Aufmerksamkeit) 16 (Ib).<br />
Die Erinnerung von kurzen Texthinweisen auf blanken Packungen ist besser als auf<br />
handelsüblichen Packungen, bei längeren Texthinweisen ist es umgekehrt 12 (Ib).<br />
Die Wahrnehmung von bildgestützten Warnhinweisen unter Rauchern ist bei Frauen<br />
größer 19 als bei Männern und bei starken Rauchern stärker als bei schwachen<br />
Rauchern 19 (III).<br />
3.2 Kognitive, emotionale und Verhaltensreaktion auf Warnhinweise<br />
Nachdenken über Warnhinweise<br />
Die Auseinandersetzung mit den Inhalten von Warnhinweisen haben drei Umfragen [1,<br />
13, 7] versucht abzubilden. In einem Land mit bildgestützten Warnhinweisen stellte<br />
sich heraus, dass etwa 75% der Raucher über die Inhalte der äußeren Hinweise und<br />
23% über die Inhalte der inneren Hinweise zumindest einmal nachgedacht hatten [1].<br />
Ein Drittel berichtete, über die Warnhinweise oder ihre Inhalte auch dann einmal<br />
nachgedacht zu haben, wenn die Packung nicht im Sichtfeld war.<br />
Bei dem Vergleich von Rauchern, deren Zigarettenpackungen große Texthinweise<br />
hatten, mit Rauchern, deren Warnhinweise bildgestützt waren, berichtete die erste<br />
Gruppe zu 28%, dass sie aufgrund der Hinweise über die Folgen des Rauchens<br />
nachdenken während in der zweiten Gruppe 48% davon berichteten [13].<br />
In einer Zeitreihenstudie [7] blieben die Anteile in den jeweiligen Ländern über die drei<br />
Jahre des Untersuchungsintervalls etwa gleich: etwa <strong>50</strong>% der Raucher von Zigaretten<br />
in Packungen mit bildgestützten Hinweisen, etwa 40% bei neu eingeführten größeren<br />
Texthinweisen, und jeweils 35% bei bereits länger eingeführten, größeren und kleinen<br />
Texthinweisen hatten im letzten Monat über deren Inhalte nachgedacht. 3<br />
3 In einer noch unveröffentlichten Studie [30] haben 623 kanadische Raucher und Nichtraucher<br />
(anfallende Stichprobe) beurteilt, inwiefern die 2005 vorgeschlagenen EU-Warnhinweise zum
Über Warnhinweise diskutieren<br />
Mit anderen Rauchern oder Nichtrauchern über die neuen bildgestützten Warnhinweise<br />
zu reden, davon berichten 81% der befragten Raucher neun Monate nach Einführung<br />
der neuen Hinweise [1]. Drei Monate später tun dies noch 76%.<br />
In einer Studie, während der von kleinen zu größeren Texthinweisen gewechselt<br />
worden war, gaben vier Monate nach Einführung der neuen Hinweise 16% der<br />
befragten, die neuen Warnhinweise kennenden Raucher an, mit anderen darüber zu<br />
reden [22].<br />
Insgesamt lässt sich aus den Studien mit wiederholten Befragungen über einen kurzen<br />
[1] und langen Zeitraum [7] bei gleich bleibenden Warnhinweisen ein relativ stabiles<br />
Niveau der Ausprägung von Variablen der Auseinandersetzung (Nachdenken,<br />
Diskutieren) feststellen.<br />
Vermeidung von Warnhinweisen durch Verhalten<br />
In einer Umfrage von Rauchern, die bildgestützten Warnhinweisen ausgesetzt waren,<br />
hatten insgesamt 36% in irgendeiner Weise versucht, die Warnhinweise zu vermeiden<br />
(Warnhinweise verdeckt, in eigener Dose verwahrt, andere Packung verlangt) [3].<br />
Nach einem Wechsel von kleinen zu größeren Texthinweisen, berichteten 6% der<br />
Raucher davon, den Kauf der neu beschrifteten Zigarettenpackungen zu vermeiden<br />
[22]. Jeweils 2% gaben an, die Warnhinweise zu überkleben oder umzudrehen. Bei<br />
einem ähnlichen Wechsel berichteten in einer anderen Umfrage 14% der Raucher,<br />
jetzt wegen der Texthinweise weniger geneigt zu sein, diese Zigarettenpackungen zu<br />
kaufen [28]. Etwa 30% würden, wenn sie die Wahl hätten, eher Packungen ohne<br />
Warnhinweise kaufen.<br />
Emotionale Reaktion auf Warnhinweise<br />
Auf die neuen bildgestützten Warnhinweise reagieren 44% bzw. 58% der Raucher<br />
nach Selbstauskunft mit Angst bzw. mit Ekel [3]. In einem Laborexperiment wurden<br />
Raucher um ihre Einschätzung gebeten, wie bedrohlich sie die für sie neuen<br />
bildgestützten Warnhinweise finden [17]: Im Durchschnitt schätzten sie die<br />
Bedrohlichkeit auf einer Skala von eins bis sieben mit einem Wert von vier ein.<br />
Ergebnisse einer multinationalen Fokusgruppenstudie [23], die untersuchte, wie<br />
Raucher auf kleine und größere Texthinweise reagieren, zeigen, dass größere,<br />
abschreckende Texthinweise emotionale Reaktionen von Schock, Angst und Schuld<br />
auslösen. Sozial-relevante Texthinweise (Passivrauchen) evozierten starke Wut auf die<br />
Raucher, die in Gegenwart von Kindern rauchen. Dagegen wurden die unterstützenden<br />
Hinweise als erleichternd, positiv und ermutigend empfunden. Allerdings zeigten sich<br />
regionale Unterschiede: In einigen südeuropäischen Ländern sind Raucher irritiert und<br />
feindselig ob des größeren Formats.<br />
Nachdenken über gesundheitliche Risiken bringen. Dabei sollten sie vergleichen zwischen einer Packung,<br />
auf der nur eine Textbox angebracht war, und einer Packung, die zu demselben Thema ein Bild mit<br />
demselben Text trug. Den bebilderten Hinweisen wurde durchgehend häufiger zugetraut, Leute zum<br />
Nachdenken anzuregen. Insbesondere für das Motiv mit den Zähnen, das Motiv zum Herzinfarkt und das<br />
Motiv „Asthma bei Kindern“ wurde unterschiedlich beurteilt.<br />
25
26<br />
Glaubwürdigkeit der Warnhinweise<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Raucher, die in einer Umfrage zur Glaubwürdigkeit von bildgestützten Warnhinweisen<br />
befragt wurden, geben zu 87% an, dass sie die Warnhinweise als glaubwürdig<br />
erachten [13].<br />
Zwei Studien verglichen im Labor, als wie glaubwürdig Raucher und Nichtraucher<br />
bildgestützte Warnhinweise einschätzten. In der einen Studie mit Erwachsenen<br />
ergaben sich keine Unterschiede: Kleine Texthinweise und bildgestützte Warnhinweise<br />
wurden beide als eher glaubwürdig empfunden und auch Raucher unterschieden sich<br />
in ihrem Urteil nicht von Nichtrauchern [16]<br />
In der anderen Studie mit Jugendlichen wurden Texthinweise mit oder ohne<br />
Comicfiguren, die als cool, beliebt, reich, Statussymbole besitzend und gerne feiernd<br />
wahrgenommen wurden, beurteilt. Die Jugendlichen sollten die Glaubwürdigkeit von<br />
cartoonierten Warnhinweisen mit der von Texthinweisen ohne Cartoons vergleichen<br />
[11]. Wenn auch nicht stark, war die empfundene Glaubwürdigkeit signifikant größer für<br />
große Texthinweise mit einer Comicfigur als ohne. Als glaubwürdiger hatten vor allem<br />
weiße Kinder im Grundschulalter die cartoonierten Warnhinweise eingestuft. Beim<br />
Vergleich der Wichtigkeit der nicht cartoonierten großen Texthinweise wurde der<br />
ausführlichere Text als wichtiger wahrgenommen. Rauchende Jugendliche sprachen<br />
den Texthinweisen weniger Wichtigkeit zu als Nichtraucher.<br />
Fragt man jüngere Erwachsene in Fokusgruppen nach der Glaubwürdigkeit von kleinen<br />
Texthinweisen und bildgestützten Warnhinweisen, so wird den kleinen Texthinweisen<br />
Glaubwürdigkeit abgesprochen, auch deshalb, weil die Formulierungen nicht klar<br />
genug sind („Rauchen kann … verursachen“ versus „Rauchern verursacht…“) [5].<br />
Bildgestützte Warnhinweise werden dagegen als informativer und faktenreicher<br />
eingeschätzt. 4<br />
Im Labor wurde auch getestet, ob eine selbstwertfördernde Maßnahme (auf der<br />
Zigarettenpackung steht über dem Texthinweis der Satz „Du bist eine freundliche<br />
Person!“) die Abwehrhaltung von Rauchern (konkret das Glaubwürdigkeitsempfinden)<br />
abschwächen kann [25]. Es stellte sich heraus, dass durch den vorangestellten Satz<br />
der Selbstwert nicht beeinflusst wurde und damit die eigentliche Hypothese nicht<br />
getestet werden konnte. Die Daten zeigen aber, dass Raucher – wie wohl auf hohem<br />
Niveau - größere und große Warnhinweise als weniger akkurat und seriös beurteilen<br />
als Nichtraucher, also eine Abwehrhaltung an den Tag legten.<br />
In der europäischen Fokusgruppenstudie [23] wurden die lauteren Motive für kleine<br />
Texthinweise auf Zigarettenpackungen angezweifelt, größere Texthinweise dagegen<br />
bereits aufgrund ihres Formats als glaubwürdiger empfunden. Allerdings sind<br />
Unterschiede je nach Motivationsstadium der Gruppen und regionale Unterschiede in<br />
den Ergebnissen festzustellen. Während von den meisten anderen Rauchern<br />
furchterregende Texte als realistisch und angemessen erlebt wurden, diskutierten<br />
Rauchergruppen in der Phase der Absichtslosigkeit hinsichtlich einer<br />
Verhaltensänderung häufiger, dass die furchterregenden Texte eher unwahrscheinlich<br />
seien. Die Botschaften seien zu einfach, Rauchen im Vergleich zu anderen<br />
4 Im Rahmen der europäischen Fokusgruppenstudie [23] wurde ein Bericht für Deutschland erstellt, in<br />
dem auch bildgestützte Warnhinweise diskutiert wurden [23a]. Acht Gruppen mit insgesamt 54<br />
Teilnehmern äußerten sich zur Verwendung von bildgestützten Warnhinweisen (Text und Bilder). Sie<br />
werden von allen Gruppen als effektivste Methode von Warnhinweisen angesehen, es wird emotional und<br />
überrascht/verwundert darauf reagiert. Als bestes Motiv der kanadischen Hinweise werden die krankhaft<br />
entstellten Zähne beurteilt, das Motiv zur Atemlosigkeit, Herzensbrecher und Impotenz ruft auch Skepsis<br />
hervor. Die Informationen zur Unterstützung beim Aufhören werden stark gefordert.
Risikoverhaltensweisen zu sehr im Fokus des Interesses. Passivrauchen sei eher als<br />
etwas Unangenehmes für andere, aber nicht als moralisch verwerflich anzusehen. Die<br />
Unterstützung durch Ärzte und Apotheker sahen sie skeptisch. Für Gruppen, die aus<br />
Rauchern der Phase der Absichtsbildung hinsichtlich Rauchstopp bestanden, traf dies<br />
nicht zu. Ähnlich skeptisch äußerten sich die südeuropäischen Gruppen im Vergleich<br />
zu den nordeuropäischen Gruppen. Letztere hatten wenn den Einwand, dass die neu<br />
einzuführenden, größeren Texthinweise im Vergleich zu den bisherigen kleinen<br />
Texthinweisen keinen neuen, zusätzlichen Informationsgewinn brächten. 5<br />
Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, auf welche Quelle sich die Inhalte der<br />
Warnhinweise beziehen sollten. Diese Frage hat eine Arbeit mittels einer Umfrage und<br />
Interviewstudie untersucht [27]. Die Umfrage ergab, dass mehr Nichtraucher als Quelle<br />
das Gesundheitsministerium als die medizinische Forschung favorisieren (43% vs.<br />
35%), bei den Rauchern die Nennungen für die beiden Institutionen aber gleich sind<br />
(jeweils 35%). In beiden Gruppen sprachen sich etwa 10% für keine Quellenangabe<br />
aus. Aus der Interviewstudie wurde deutlich, dass schwere Raucher sich im Vergleich<br />
zu leichteren Rauchern eher für die medizinische Forschung als Referenz<br />
aussprachen.<br />
Persönliche Relevanz der Warnhinweise<br />
Inwiefern Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern bildgestützte Warnhinweise als<br />
persönlich relevant empfinden, hat eine Laborstudie analysiert [17]. Beide Gruppen<br />
beurteilten bildgestützte Warnhinweise als relevant und unterschieden sich in dieser<br />
Einschätzung nicht. Durch eine selbstwertstützende Maßnahme (Auflisten von<br />
persönlichen Stärken) vor Anschauen der bildgestützten Warnhinweise, konnte eine<br />
Verstärkung der Personalisierung erreicht werden.<br />
Aus der europäischen Fokusgruppenstudie geht hervor, dass sozial-relevante<br />
Texthinweise gut personalisiert und auf die eigene Person bezogen wurden [23].<br />
Raucher in der Absichtsbildung konnten die Inhalte von furchterregenden, größeren<br />
Texthinweisen eher personalisieren und auf sich beziehen als Raucher in der<br />
Absichtslosigkeit. Junge Raucher personalisierten diese Texte viel weniger als Ältere,<br />
weil sie meinten, mit dem Rauchen aufzuhören, bevor diese Folgen eintreten würden.<br />
3.2.1 Schlussfolgerungen zur Reaktion auf Warnhinweise<br />
Raucher setzen sich mit bildgestützten Warnhinweisen inhaltlich auseinander<br />
(nachdenken, darüber diskutieren) 1,7 .<br />
Raucher setzen sich mit bildgestützten Warnhinweisen inhaltlich stärker auseinander<br />
als mit Texthinweisen 7,13 (III).<br />
Eine Untergruppe (~30%) von Rauchern vermeidet bildgestützte Warnhinweise 3 .<br />
Raucher reagieren mit negativen Emotionen auf bildgestützte Warnhinweise 3,17 .<br />
Raucher empfinden bildgestützte Warnhinweise als glaubwürdig 3,16 .<br />
Raucher empfinden bildgestützte Warnhinweise gleich glaubwürdig wie Texthinweise 16<br />
(Ib).<br />
5 Im deutschen Bericht dieser multinationalen Fokusgruppenstudie [23a] werden kleine Texthinweise als<br />
ineffektiv, nutzlos und überflüssig eingestuft, größere Texthinweise als richtiger Schritt angesehen, aber<br />
bildgestützte Hinweise als deutlicher Fortschritt empfunden.<br />
27
28<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Jugendliche empfinden Texthinweise mit Comicfiguren als glaubwürdiger als<br />
Texthinweise alleine 11 (Ib).<br />
Als Informationsquelle für die Inhalte von Warnhinweisen wird von Rauchern die<br />
medizinische Forschung und das Gesundheitsministerium eher als keine oder eine<br />
andere Quelle favorisiert 27 (III).<br />
Raucher empfinden bildgestützte Warnhinweise als persönlich relevant 17 .<br />
Persönliche Relevanz kann durch eine intensivere, selbstwertfördernde Maßnahme vor<br />
dem Sehen von bildgestützten Warnhinweisen erhöht werden 17 (Ib).<br />
Raucher zeigen gegenüber bildgestützten Warnhinweisen insofern eine<br />
Abwehrhaltung, als dass sie Warnhinweise vermeiden und emotional negativ<br />
3, 16, 17<br />
reagieren, halten sie aber gleichzeitig für glaubwürdig und persönlich relevant<br />
(III, Ib).<br />
Die Reaktion auf bildgestützte Warnhinweise ist unter Rauchern bei Frauen<br />
positiver/ausgeprägter als bei Männern 6, 19 , bei Älteren positiver als bei Jüngeren 6 , bei<br />
starken Rauchern weniger ausgeprägt als bei schwachen Rauchern 17 und bei<br />
Nichtrauchern insgesamt weniger abwehrend als bei Rauchern 11 .<br />
3.3 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Wissen<br />
Wissen über gesundheitliche Folgen<br />
Im Jahr 2002 wurden folgende Zahlen zur Verbreitung des Wissens über<br />
gesundheitliche Folgen je nach nationaler Warnhinweisverordnung verzeichnet [8]:<br />
Insgesamt wussten in der internationalen Stichprobe (gestützte Abfrage) 94% (Spanne<br />
94-95%), dass Rauchen Krebs verursacht und 89% (Spanne 86-91%), dass sich<br />
dadurch Herzkrankheiten entwickeln. Rauchen als Ursache für Herzinfarkt kannten<br />
73% (Spanne 70-83%), 70% für Krebserkrankungen bei anderen Personen (Spanne<br />
68-80%) und 41% für Impotenz (Spanne 34-60%). In Ländern mit kleinen<br />
Texthinweisen ist der Anteil an Rauchern, die über alle fünf genannten Folgen<br />
Bescheid wissen, 24% bzw. 25%, in dem Land mit größeren Texthinweisen 27% und in<br />
dem Land mit bildgestützten Warnhinweisen 49%. Der Anteil, der fälschlicherweise<br />
denkt, Nikotin würde Krebs verursachen, ist in allen vier Ländern zwischen 40 und <strong>50</strong>%<br />
groß.<br />
Aus einem Vergleich der Wissensprävalenzen zwischen einem Land mit bildgestützten<br />
Warnhinweisen und einem Land mit großen Texthinweisen [13] wird deutlich, dass das<br />
Wissen unter den Rauchern stark damit zusammenhängt, welche Informationen die<br />
Hinweise enthalten: Der Anteil an Wissenden über die Folgekrankheiten, über die in<br />
den bildgestützten, nicht aber in den großen Texthinweisen informiert wird, ist im Land<br />
mit den bildgestützten Warnhinweisen 13 bis 35% größer.<br />
Mitte der 1990er Jahre berichteten Raucher (ungestützte Abfrage), in deren Land sich<br />
kleine Texthinweise auf den Zigarettenpackungen befinden, von folgenden<br />
Krankheiten, die das Rauchen verursacht: 53% von Krebs, 33% von<br />
Kreislauferkrankungen, 43% von Atemwegserkrankungen, 6% von Husten und<br />
Erkältungen und 0% von Auswirkungen bei der Schwangerschaft [22]. Nach<br />
Einführung größerer Texthinweise ist je nach Erkrankung eine Zunahme von 2 bis 8%<br />
an wissenden Rauchern zu verzeichnen, in einem Fall eine Abnahme um 3%. Bei
Nichtrauchern ist keine Zunahme festzustellen. Die Zustimmung zu den Aussagen über<br />
gesundheitliche Folgen ist nach Einführung nicht signifikant höher (54 auf 60%).<br />
Wissen über Inhaltsstoffe von Zigaretten<br />
In der internationalen Stichprobe sind 80,3% (Spanne 65-91%) der Raucher über den<br />
Inhaltsstoff Kohlenmonoxid, 48% (Spanne 25-72%) über Zyanid und 39% (Spanne 17-<br />
58%) über Arsen informiert [8]. Wiederum ist der Anteil der Raucher, die alle drei<br />
Inhalte kennen, im Land mit bildgestützten Warnhinweisen am höchsten (51%), bei<br />
größeren Texthinweisen beträgt er 29% und bei kleinen Texthinweisen 11% bzw. 35%.<br />
Eine Studie analysiert in der internationalen Stichprobe das Wissen über den<br />
Teergehalt der eigenen Zigarettenmarke [24]. Ist keine Aufklärung verpflichtend,<br />
wissen 9% der Raucher eine Zahl zu nennen. Sind zwei Zahlen zu Inhaltsstoffen von<br />
Zigaretten ohne weitere Erläuterung ihrer Bedeutung vorgeschrieben, beträgt der Anteil<br />
37%. Bei sechs Inhaltsstoffen ohne weitere Erläuterung nennen 29% den Teergehalt<br />
ihrer Zigarette. Wenn drei Inhaltsstoffe auf der Packung beschrieben und diese auch in<br />
ihrer Wirkung erklärt werden, sind 68% der Raucher in der Lage, eine Zahl zum<br />
Teergehalt ihrer Zigarette zu nennen.<br />
Die Verbreitung von Wissen über gesundheitliche Folgen und Inhaltsstoffe ist mit dem<br />
Bildungs- und Einkommensstatus der Raucher assoziiert [9]. Besondere<br />
Wissensdefizite in den weniger gebildeten und einkommensschwächeren Gruppen<br />
sind in allen vier untersuchten Ländern zu beobachten, wobei das Niveau des Wissens<br />
auch bei diesen Gruppen in dem Land mit bildgestützten Warnhinweisen am höchsten<br />
ist.<br />
Hinsichtlich des Wissens über Inhalte von Zigaretten, konnte eine Zunahme nach dem<br />
Wechsel von kleinen Texthinweisen zu größeren Texthinweisen verzeichnet werden<br />
[22].<br />
Informationsquellen<br />
Woher beziehen Raucher ihr Wissen über die Folgen des Rauchens? Das Fernsehen<br />
wird von Rauchern als die wichtigste Informationsquelle genannt (88%) [8]. Danach<br />
folgen je nach Warnhinweispolitik des Landes die Printmedien oder die Warnhinweise<br />
auf Zigarettenpackungen. Raucher, deren Packungen kleine Texthinweise aufweisen,<br />
nennen zu 56% bzw. zu 47% ihre Packungen als drittwichtigste Informationsquelle.<br />
Raucher mit Packungen mit größeren Texthinweisen nennen sie mit 69% und Raucher<br />
mit Packungen mit bildgestützten Warnhinweisen nennen sich mit 84% als<br />
zweitwichtigste Quelle.<br />
Eine andere Umfrage in einem Land mit kleinen Texthinweisen kommt zu einem<br />
ähnlichen Ergebnis [6]: 43% der jüngeren Erwachsenen finden, dass Warnhinweise<br />
eine wichtige Informationsquelle sind.<br />
3.3.1 Schlussfolgerungen zur Wirkung von Warnhinweisen auf das Wissen<br />
Bildgestützte Warnhinweise führen dazu, dass Raucher mehr über gesundheitliche<br />
Risiken und Inhaltsstoffe von Zigaretten wissen als Texthinweise 8, 13 (III).<br />
Das Wissensniveau variiert stark je nach gesundheitlicher Folge und je nachdem,<br />
welche spezifischen Wissensinhalte von den Warnhinweisen vermittelt werden 8,13,22<br />
(III).<br />
29
30<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Das Wissensniveau variiert stark je nach Einkommens- und Bildungsstatus der<br />
Raucher und dies sowohl bei bildgestützten als auch bei Texthinweisen 9 (III).<br />
Warnhinweise sind mit die wichtigste Informationsquelle für die Folgen des Rauchens<br />
8 .<br />
Sind Warnhinweise bildgestützt werden sie als wichtigere Informationsquelle<br />
betrachtet, als wenn sie nur aus Text bestehen 8 (III).<br />
3.4 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Einstellung<br />
gegenüber dem Rauchen<br />
Rauchen und Raucherimage<br />
Eine Laborstudie hat sich mit der Wirkung von kleinen Texthinweisen und<br />
bildgestützten Warnhinweisen auf unterschiedliche Einstellungsmaße befasst [16].<br />
Raucher und Nichtraucher beurteilten rauchrelevante Schlüsselreize (z.B. brennende<br />
Zigarette in Aschenbecher) und rauchbezogene Wörter (z.B. Nikotin) negativer, wenn<br />
sie vorher bildgestützte Warnhinweise angeschaut hatten, als wenn sie vorher kleine<br />
Texthinweise angeschaut hatten. Die bildgestützten Warnhinweise wurden länger<br />
angeschaut, was den Effekt aber nicht erklären konnte. Weiterhin beschrieben die<br />
Gruppen eine imaginative Person unterschiedlich, je nachdem ob sie Zigaretten<br />
eingekauft hatte oder nicht. Nach Anschauen der bildgestützten Warnhinweise war die<br />
Beschreibung der Person mit Zigaretten im Einkaufskorb negativer als nach Lesen der<br />
Texthinweise. Raucher und Nichtraucher unterscheiden sich in der Bedingung der<br />
bildgestützten Warnhinweise: Nichtraucher haben ein negativeres Image von<br />
Personen, die Zigaretten einkaufen, als Raucher. Dieser Unterschied traf auch für die<br />
jüngere Erwachsenengruppe zu.<br />
Wirkerwartungen an das Rauchen<br />
In einer Laborstudie mit Jugendlichen, deren Hauptfragestellung war, ob bildgestützte<br />
oder größere Texthinweise die Effekte von Kinoszenen mit Rauchern puffern können,<br />
wurden gesundheitliche und soziale/entspannende Wirkerwartungen untersucht [21].<br />
Unabhängig von Art des Warnhinweises erwarteten Jugendliche, wenn sie eine<br />
Raucherszene gesehen hatten, negativere gesundheitliche Wirkerwartungen, als wenn<br />
kein Warnhinweis vorher gezeigt worden war. Diese Unterschiede waren bei sozialen<br />
Wirkerwartungen und Erwartungen entspannender Wirkungen nicht zu beobachten.<br />
Einstellung gegenüber Tabakkontrollstrategien<br />
Raucher, die in einer Umfrage nach der Einführung bildgestützter Warnhinweise nach<br />
der Angemessenheit der Informationsvermittlung durch die Warnhinweise gefragt<br />
wurden, gaben zu 27% an, dass zu viel Informationen zu gesundheitlichen Risiken auf<br />
den Packungen stünden [3]. Die Hälfte der Raucher wünschte noch mehr<br />
Gesundheitsinformationen auf Zigarettenpackungen.<br />
Jüngere Erwachsene, in deren Land im Jahr zuvor bildgestützte Warnhinweise<br />
eingeführt worden waren, sollten in einer Umfrage einschätzen, inwiefern die<br />
Einführung noch stärkerer Warnhinweise effektiv wäre [19]. Nichtraucher und<br />
Experimentierer glaubten zu <strong>50</strong>%, dass dies bezogen auf die Effektivität sinnvoll wäre,<br />
wogegen 70% der Raucher sich dagegen aussprachen.
In einer Laborstudie, in der Raucher und Nichtraucher bildgestützte Warnhinweise oder<br />
kleine Texthinweise zu sehen bekamen [16], war in der Gruppe mit bildgestützten<br />
Warnhinweisen eine tendenziell höhere Akzeptanz einer Erhöhung der legalen<br />
Altersgrenze zum Kauf von Tabakwaren auf 21 Jahren zu verzeichnen (60%) als in der<br />
Gruppe mit den kleinen Texthinweisen (42%). In beiden Gruppen sprachen sich 80%<br />
der Nichtraucher und 60% der Raucher für eine Einführung der bildgestützten<br />
Warnhinweise aus.<br />
In einer Fokusgruppenstudie mit 129 Gruppen von Jugendlichen in einem Land mit<br />
kleinen Texthinweisen wurden unterschiedliche Tabakkontrollstrategien (z.B.<br />
Warnhinweise, Deklaration der Inhaltsstoffe, Preis, Verbote) zur Diskussion gestellt [4].<br />
Für Warnhinweise forderten sie Veränderungen in Richtung bildgestützter Regelungen.<br />
In jeder Gruppe brachten nur zwei Strategien die Jugendlichen zum Nachdenken über<br />
ihr Rauchverhalten: eine starke Preiserhöhung und die Auflistung von Inhaltsstoffen<br />
und wie sie sonst genutzt werden.<br />
In einer Fokusgruppenstudie mit 11 Gruppen jüngerer Erwachsener in einem Land mit<br />
kleinen Texthinweisen, empfahlen Raucher und Nichtraucher, Frauen und Männer,<br />
bildungsnahe und bildungsfernere Teilnehmer nach Anschauen von bildgestützten<br />
Warnhinweisen, die kleinen Texthinweise durch bildgestützte zu ersetzen. 6<br />
3.4.1 Schlussfolgerungen der Wirkung von Warnhinweisen auf die Einstellung<br />
Bildgestützte Warnhinweise führen bei Rauchern und Nichtrauchern zu einer<br />
negativeren Einstellung gegenüber dem Rauchen als Texthinweise 16 (Ib).<br />
Bildgestützte Warnhinweise führen bei Nichtrauchern zu einem negativeren Image von<br />
Rauchern als Texthinweise 16 (Ib).<br />
Bildgestützte und Texthinweise puffern den Effekt von Rauchszenen in Filmen in<br />
Hinblick auf gesundheitliche Folgeerwartungen 21 (Ib).<br />
Die Einführung von bildgestützten Warnhinweisen wird von der Mehrheit der Raucher<br />
und Nichtraucher begrüßt oder gewünscht 3, 16 .<br />
3.5 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Aufhörmotivation<br />
Wirkung auf Nachdenken über das Aufhören<br />
Laut einer Umfrage mit jungen Erwachsenen [19] berichten 37% der rauchenden<br />
Männer und 48% der rauchenden Frauen, dass sie, nachdem sie die neu eingeführten<br />
bildgestützten Warnhinweise gesehen hatten, darüber nachgedacht hätten, mit dem<br />
Rauchen aufzuhören. Etwas niedriger, nämlich etwa 40%, sind die Prävalenzen für<br />
diese Kognitionen bei einer repräsentativen Stichprobe von Rauchern, auf deren<br />
Zigarettenpackungen bildgestützte Warnhinweise gedruckt sind [7]. Hier wurde<br />
allerdings danach gefragt, ob ein solcher Gedanke im letzten Monat vorgekommen<br />
war. Vergleichbar hoch ist der Anteil in Ländern mit größeren, neu eingeführten<br />
Texthinweisen (etwa 40%), im Gegensatz dazu liegt der Anteil in Ländern mit kleinen<br />
Texthinweisen bei etwa 30% [7]. In einer anderen Studie wurde im Vergleich zu großen<br />
6 Im Rahmen der europäischen Fokusgruppenstudie [23], wurde ein Bericht für Deutschland erstellt, in<br />
dem auch bildgestützte Warnhinweise diskutiert wurden [23a]. Acht Gruppen mit insgesamt 54<br />
Teilnehmern äußerten sich zur Verwendung von bildgestützten Warnhinweisen (Text und Bilder). Alle<br />
Teilnehmer wünschten, dass dieses Verfahren auch in Europa eingeführt wird.<br />
31
32<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Texthinweisen (18%) bei bildgestützten Warnhinweisen (27%) häufiger von dieser<br />
Wirkung berichtet [13].<br />
Wirkung auf Aufhörintention, Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugung<br />
Aus zwei Laborstudien liegen Daten zur Auswirkung von bildgestützten Warnhinweisen<br />
auf Motivationsvariablen vor. Jugendliche, die bildgestützte Warnhinweise gesehen<br />
hatten, äußerten danach weniger Intention zu rauchen als Jugendliche, die größere<br />
Texthinweise gesehen hatten – unabhängig davon, ob sie nach den Hinweisen eine<br />
Raucherszene oder dieselbe Filmszene ohne Rauchverhalten anschauten [21].<br />
Junge erwachsene Raucher, denen bildgestützte EU- Warnhinweise gezeigt wurden<br />
und die zusätzlich vorher eine selbstwertstützende Aufgabe (Auflisten persönlicher<br />
Stärken) lösten, berichteten eine höhere Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit<br />
hinsichtlich Aufhörverhalten und eine stärkere Aufhörintention als die Raucher, die<br />
keine selbstwertstützende Aufgabe durchführten und die Warnhinweise sahen [17]. Im<br />
momentanen Aufhörwunsch und im beabsichtigten Aufhörzeitpunkt unterschieden sich<br />
die beiden Gruppen nicht.<br />
In einer Umfrage geben 19% der Raucher an, wegen der neu eingeführten, größeren<br />
Texthinweise motivierter zu sein, mit dem Rauchen aufzuhören [27]. Allerdings sind je<br />
nach Stadium der Veränderungsbereitschaft die Prävalenzen höher oder niedriger: Bei<br />
denen, die im Zeitraum bis zu einem Jahr aufhören wollen, macht dieser Anteil etwa<br />
ein Drittel aus. Raucher, die nicht vorhaben, mit dem Rauchen aufzuhören, berichten<br />
sogar zu 15%, dass sie durch die größeren Texthinweise weniger motiviert sind, mit<br />
dem Rauchen aufzuhören.<br />
Erwartete Wirkung auf Aufhörmotivation<br />
Drei Umfragen erhoben, inwiefern Raucher den Warnhinweisen eine Wirkung<br />
hinsichtlich der Motivation, das Rauchverhalten zu ändern, zuschreiben. Unter<br />
Rauchern, die im Alltag bildgestützte Warnhinweise auf ihren Packungen vorfinden,<br />
nehmen 25% an, dass die Warnhinweise eine positive Wirkung auf die<br />
Selbstwirksamkeit hinsichtlich Aufhören haben (2% nehmen eine negative Wirkung an)<br />
[3]. Genau ein Drittel geht davon aus, dass die bildgestützten Warnhinweise sich<br />
positiv auf die Aufhörwahrscheinlichkeit auswirken (5% negative Auswirkung) und 51%<br />
schreiben den Warnhinweisen das Potenzial zu, Raucher über die gesundheitlichen<br />
Risiken des Rauchens zum Nachdenken zu bringen (2% nicht).<br />
Im Vergleich zu größeren Texthinweisen, denen junge Raucher und Ex-Raucher zu<br />
etwa 40% Effektivität im Sinne der Auslösung von Besorgtheit über gesundheitliche<br />
Folgen zuschreiben, wird bildgestützten Warnhinweisen dies von etwa 60% zugetraut<br />
[6]. Das Potenzial, zum Aufhören oder weiterem Nichtrauchen zu motivieren, wird bei<br />
größeren Texthinweisen von ungefähr 30% bzw. 40% der Raucher und Ex-Raucher<br />
gesehen, bei bildgestützten Warnhinweisen von etwa 55% bzw. 65% angenommen.<br />
Etwa ein Vierfaches an Effektivität schreiben sie den bildgestützten Warnhinweisen in<br />
Hinblick auf Aufhörmotivation und Motivation, Nichtraucher zu bleiben, im Vergleich zu<br />
größeren Texthinweisen zu. Frauen und ältere junge Erwachsene scheinen dabei den<br />
bildgestützten Warnhinweisen mehr zuzutrauen als Männer und jüngere junge<br />
Erwachsene. 7<br />
7 In einer noch unveröffentlichten Studie [30] haben 623 kanadische Raucher und Nichtraucher<br />
(anfallende Stichprobe) beurteilt, inwiefern die 2005 vorgeschlagenen EU-Warnhinweise die<br />
Aufhörmotivation fördern. Dabei sollten sie vergleichen zwischen einer Packung, auf der nur eine<br />
Textbox angebracht war, und einer Packung, die zu demselben Thema ein Bild mit demselben Text trug.<br />
Den bebilderten Hinweisen wurde durchgehend häufiger zugetraut, die Aufhörmotivation der Raucher zu
In einer Laborstudie [25] stellte sich heraus, dass Nichtraucher hinsichtlich der Wirkung<br />
von größeren Texthinweisen auf die Aufhörmotivation mehr erwarteten als Raucher.<br />
In einer Fokusgruppenstudie [5] wurde deutlich, dass junge Erwachsene je nach Inhalt<br />
der bildgestützten Warnhinweise Unterschiede in der Wirkung auf die Aufhörmotivation<br />
erwarten. Am effektivsten erschienen Rauchern und Nichtrauchern die Warnhinweise<br />
vor Lungenkrebs und Herzinfarkt. Die Warnung vor Mundkrankheiten empfanden<br />
Raucher als unrealistisch und damit nicht effektiv. Beide Warnhinweise zum<br />
Passivrauchen fanden am wenigsten Anklang. Schließlich wurde der Warnhinweis vor<br />
Impotenz skeptisch angenommen und eine Wirkung auf die Aufhörmotivation nur dann<br />
erwartet, wenn ein Raucher selber Impotenzerfahrungen mache.<br />
Nachfrage telefonische Raucherberatung<br />
Ein Anruf bei einer Raucherhotline kann als Zeichen der Aufhörmotivation gewertet<br />
werden. Aus den Niederlanden liegen Zahlen vor, die veranschaulichen, wie stark die<br />
Anruferzahlen zunahmen, nachdem größere Texthinweise mit der Nummer der<br />
nationalen Raucherhotline auf Zigarettenpackungen anzubringen waren [14]. Nach<br />
dem Höchstpunkt zwei Wochen nach Einführung der neuen Texthinweise pendelte sich<br />
die Nachfrage auf das Dreieinhalbfache von vorher ein. Ansonsten waren in dem<br />
Zeitraum keine anderen Tabakkontrollstrategien eingeführt worden. Vorher hatte das<br />
Klientel v.a. aus der Mittelschicht gestammt, das sich vornehmlich im Stadium der<br />
Vorbereitung oder Aktion des Aufhörens befand. Nach Einführung der Telefonnummer<br />
mit dem größeren Texthinweis war eine viel heterogenere Gruppe zu verzeichnen,<br />
wovon 90% zu einem ernsthaften Gespräch bereit waren.<br />
Abstinenzmotivation<br />
Befragt man ausschließlich Ex-Raucher [20], ob ihnen Warnhinweise (größere und<br />
bildgestützte) bei der Aufrechterhaltung ihrer Rauchabstinenz geholfen hätten, bejahen<br />
dies 27%, darunter 5%, die angeben, die Warnhinweise hätten ihnen sehr oder extrem<br />
geholfen.<br />
3.5.1 Schlussfolgerungen Wirkung von Warnhinweisen auf die Motivation<br />
Bildgestützte Warnhinweise regen stärker zum Nachdenken über das Aufhören an als<br />
Texthinweise 7, 13 (III).<br />
Bildgestützte Warnhinweise fördern bei Jugendlichen die Absicht, zukünftig nicht zu<br />
rauchen 21 (Ib).<br />
Bildgestützte Warnhinweise fördern bei Ex-Rauchern die Motivation, weiterhin<br />
abstinent zu bleiben 20 (III).<br />
Selbstwertstützende Maßnahmen, die mit bildgestützten Warnhinweisen einhergehen,<br />
fördern die Aufhörabsicht und die Selbstwirksamkeit sowie die Kontrollüberzeugung<br />
hinsichtlich des Aufhörens 17 (Ib).<br />
Raucher erwarten, dass bildgestützte Warnhinweise zum Nachdenken über Folgen des<br />
Rauchens und über das Aufhören anregen 3, 6 .<br />
erhöhen. Insbesondere gilt dies für das Motiv mit den Zähnen, das Motiv zum Herzinfarkt und das Motiv<br />
„Asthma bei Kindern“.<br />
33
34<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Eine Untergruppe (~30%) von Rauchern erwartet, dass die bildgestützten<br />
Warnhinweise Einfluss auf die Aufhörmotivation und Aufhörselbstwirksamkeit der<br />
Raucher nimmt 3, 6 .<br />
Bildgestützten Warnhinweisen wird ein um ein Vierfaches höherer Effekt auf die<br />
Aufhörmotivation zugeschrieben als größeren Texthinweisen 6 (III).<br />
Nur eine kleine Minderheit (< 5%) erwartet negative Auswirkungen der bildgestützten<br />
Warnhinweise auf die Aufhörmotivation 3 .<br />
Wird die Nummer der Raucherhotline auf die Zigarettenpackung zusätzlich angegeben,<br />
steigt die Nachfrage nach Beratung um ein Dreieinhalbfaches 14 (III).<br />
Die Wirkung von bildgestützten Warnhinweisen auf die Aufhörmotivation unter<br />
Rauchern ist bei Frauen größer als bei Männern 6, 19 , bei starken Rauchern kleiner als<br />
bei schwachen Rauchern 17 und bei wenig aufhörmotivierten Rauchern weniger 6 oder<br />
gleich 14 stark wie bei aufhörmotivierteren Rauchern.<br />
3.6 Zusammenhang zwischen Warnhinweisen und Rauchverhalten<br />
Vermutete Wirkung auf den Einstieg ins Rauchen<br />
In einer Umfrage mit jungen Erwachsenen glauben 30% der Nichtraucher und 42% der<br />
Experimentierenden, dass die neu eingeführten bildgestützten Warnhinweise einen<br />
Einstieg ins Rauchen verhindern. Von einer Förderung des Rauchens durch die<br />
bildgestützten Warnhinweise gehen 3% der Nichtraucher und 5% der<br />
Experimentierenden aus.<br />
Im Vergleich zu größeren Texthinweisen sind nach Einschätzungen von jungen<br />
Erwachsenen bildgestützte Warnhinweise fast fünf Mal so effektiv, um Personen davon<br />
abzuhalten, das Rauchen zu beginnen [6].<br />
Vorzeitiges Ausdrücken und Überspringen einer Zigarette aufgrund der<br />
Warnhinweise<br />
Als direkte Verhaltensreaktion auf einen Warnhinweis auf der Zigarettenpackung ist<br />
das Überspringen einer Zigarette und das vorzeitige Ausdrücken der gerauchten<br />
Zigarette zu verstehen. Diese Reaktionen untersuchten drei Umfragen. Raucher, die<br />
die verbreiteten kleinen Texthinweisen wahrgenommen hatten, berichteten zu 7% ein<br />
vorzeitiges Ausdrücken und zu 11% ein Überspringen [2]. Nachdem in dem Land<br />
größere Texthinweise eingeführt worden waren, berichteten 14,2% der Raucher, die<br />
die neuen Warnhinweise bemerkt hatten, die Zigarette ausgedrückt zu haben, bevor<br />
sie zu Ende geraucht war und 17%, dass sie eine Zigarette übersprungen hatten.<br />
Die Prävalenz des Überspringens einer Zigarette war in einer internationalen Studie je<br />
nach Warnhinweisanforderungen unterschiedlich [7]. Bei kleinen Texthinweisen lag der<br />
Anteil der Raucher, die in den letzten sechs Monaten eine Zigarette wegen der<br />
Warnhinweise übersprungen hatten, bei 5 bis 10%, bei größeren Texthinweisen bei 10<br />
bis 12% und bei bildgestützten Warnhinweisen bei 11 bis 15%. Rauchende, junge<br />
Erwachsene, die in einem Land mit bildgestützten Warnhinweisen lebten, berichteten<br />
zu 23% (Männer) bzw. 27% (Frauen) sich im letzten Monat wegen der neuen<br />
Warnhinweise gegen eine Zigarette entschieden zu haben [19].
Wirkung auf Aufhörversuche, Aufhören und Konsumreduktion<br />
Eine Studie fasste Daten einer Serie von bevölkerungsweiten Umfragen als zwei<br />
Messzeitpunkte, nämlich vor und nach Einführung von bildgestützten Warnhinweisen,<br />
zusammen [29]. Sie analysierte den Effekt der neuen Warnhinweise und bezog auch<br />
Informationen zu gleichzeitigen Steuererhöhungen sowie einige soziodemographische<br />
Variablen in die Analyse mit ein. Es konnte zwar ein Rückgang der Prävalenz und der<br />
Menge des Rauchens in der Bevölkerung über den Einjahreszeitraum festgestellt<br />
werden. Unabhängig von dem stark angestiegenen Zigarettenpreis und seiner Wirkung<br />
(Preiselastizität von -0,57) war der Effekt der Einführung von bildgestützten<br />
Warnhinweisen (9% weniger Konsummenge) aber nicht statistisch überzufällig.<br />
Erwachsene Raucher, die seit neun Monaten bildgestützten Warnhinweisen ausgesetzt<br />
waren, berichteten zu 19%, wegen der Warnhinweise weniger zu rauchen [3]. Inwiefern<br />
berichtete gescheiterte Aufhörversuche, erfolgreiches Aufhören und Reduktion von<br />
Variablen durch die Verarbeitung von und Reaktion auf die Warnhinweise vorhergesagt<br />
werden kann, wurde in der Längsschnittauswertung überprüft. Demnach haben<br />
Raucher, die bildgestützte Warnhinweise verarbeiten (lesen, darüber nachdenken,<br />
darüber diskutieren), drei Monate später eine höhere Wahrscheinlichkeit, das Aufhören<br />
versucht, das Rauchen aufgegeben und den Konsum reduziert zu haben. Die<br />
Bedeutung der Verarbeitung von bildgestützten Warnhinweisen bleibt bestehen, wenn<br />
statistisch für die zum ersten Messzeitpunkt erhobene Aufhörintention, Konsummenge,<br />
Konsumjahre und Anzahl früherer Versuche sowie das Geschlecht und den<br />
Bildungsstatus kontrolliert wird [1]. Desgleichen war nach drei Monaten eher ein<br />
Aufhörversuch zu erwarten, wenn die Raucher zu Beginn der Studie mit stärkerer<br />
Angst und Ekel auf die kürzlich eingeführten bildgestützten Warnhinweise reagiert<br />
hatten [3]. Dagegen spielte das Vermeidungsverhalten (Warnhinweise verdecken etc.)<br />
in der Vorhersage von späterem Aufhörverhalten keine Rolle [3].<br />
Ex-Raucher, in deren Haushalt kein anderer Raucher lebt, gaben zu 33% in einer<br />
Umfrage an, dass Warnhinweise ihren Rauchstopp beeinflusst hätten [20]. Wenn in<br />
dem Zeitraum nach Einführung von bildgestützten Warnhinweisen und nicht bereits<br />
vorher, als noch größere Texthinweise vorgeschrieben waren, aufgehört worden war,<br />
wurde der Einfluss von Warnhinweisen fast drei Mal häufiger genannt als vorher.<br />
In einer Laborstudie war die Tatsache, ob die Raucher die bildgestützten<br />
Warnhinweise mit oder ohne selbstwertstützende Maßnahme gesehen hatten, für das<br />
Konsumverhalten nicht prädiktiv [17].<br />
In einer Umfragestudie war bei der Vorhersage von Aufhörverhalten das Bemerken von<br />
bereits lange etablierten kleinen Texthinweisen kein signifikanter Prädiktor [2].<br />
Raucher, die zu Beginn der Studie stärkere Aufhörintention, höhere Selbstwirksamkeit<br />
hinsichtlich Aufhören, mehr Aufhörversuche und häufigeres Ausdrücken der Zigarette<br />
wegen sorgenvoller Gedanken berichteten, hatten mit größerer Wahrscheinlichkeit<br />
sechs Monate später einen Aufhörversuch gestartet. Für späteres Aufhören war nur<br />
das zu Beginn berichtete Überspringen einer Zigarette prädiktiv. In beiden Analysen<br />
war das Bemerken der kleinen Texthinweise für die Vorhersage unbedeutend.<br />
In einer Längsschnittstudie mit Jugendlichen wurde gezeigt, dass, je mehr Wissen<br />
Jugendliche über kleine Texthinweise besaßen (bemerken Warnhinweis, kennen seine<br />
Platzierung, können Text wiedergeben), desto eher eine Zunahme an Rauchverhalten<br />
drei Monate später zu verzeichnen war [18]. Auch wenn für die Konsummenge<br />
kontrolliert wurde, blieb der Zusammenhang statistisch bedeutsam. Der<br />
Zusammenhang traf für Raucher und Experimentierende zu, nicht aber für<br />
Nichtraucher.<br />
35
36<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Nach dem Wechsel von kleinen zu größeren Texthinweisen gaben die neuen Ex-<br />
Raucher einer Umfragestichprobe zu 18% an, von den neuen Warnhinweisen<br />
beeinflusst worden zu sein [22]. Raucher gaben zu 14% an, dass sie jetzt wegen der<br />
größeren Texthinweise weniger konsumierten.<br />
Ähnlich sind die Zahlen in einer neueren Studie: 10% sagen nach dem Wechsel zu<br />
größeren Texthinweisen, dass sie wegen der Warnhinweise weniger rauchen [27].<br />
Dabei ist unter den Rauchern mit der konkreten zeitnächsten Absicht, das Rauchen<br />
aufzugeben, der Anteil am höchsten.<br />
Per capita Konsum<br />
Eine Studie, deren eigentliche Hauptfragestellung die Auswirkungen von<br />
Steuererhöhungen auf den Konsum ist, analysiert auch die Wirkung von<br />
Warnhinweisen auf den Prokopfverbrauch von Zigaretten pro Jahr in den USA [10].<br />
Auswertungen der Daten von 1955 bis 1994 ergeben, dass mit Einführung der kleinen<br />
Texthinweise in den 1960er Jahren 1,65 Zigarettenpackungen pro Kopf und Jahr<br />
weniger geraucht wurden. Zum Vergleich erbrachte eine 1 Cent – Erhöhung der<br />
Bundessteuer eine Reduktion um 1,284 Zigarettenpackungen pro Kopf und Jahr.<br />
3.6.1 Schlussfolgerungen Wirkung von Warnhinweisen auf das Verhalten<br />
Nichtraucher und Experimentierende erwarten, dass bildgestützte Warnhinweise den<br />
Einstieg in das Rauchen verhindern 19 .<br />
Nur eine kleine Minderheit (
4 Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick<br />
Eine evidenzbasierte Aussage zur Wirksamkeit von Warnhinweisen bedürfte einer<br />
Studie, die zwei Regionen vergleicht, die sich sehr ähnlich sind und sich nicht in ihren<br />
Tabakkontrollbemühungen unterscheiden. Eine repräsentative Stichprobe aus jeder<br />
Region müsste vor und nach der Einführung der Warnhinweisregelungen untersucht<br />
werden und, welche Region welche Art von Warnhinweise erhält, müsste zufällig<br />
entschieden werden. Da diese Studie derzeit nicht vorliegt und vielleicht auch nie<br />
realisiert werden kann, muss auf bereits realisierte Feld- und Laborforschung mit<br />
dazugehörenden Mängeln hinsichtlich interner und externer Validität zurückgegriffen<br />
werden. Weisen alle verfügbaren, unterschiedlich angelegten Studien in dieselbe<br />
Richtung, spricht es für die Validität der Ergebnisse.<br />
Die Frage bei Wirkungsstudien ist also die, inwieweit die beobachteten Effekte<br />
tatsächlich auf die Maßnahme, also auf die bildgestützten Warnhinweise<br />
zurückzuführen sind (interne Validität), und inwiefern die Ergebnisse für die Wirklichkeit<br />
aussagekräftig sind (externe Validität). Wiewohl eine der besten Studien, macht eine<br />
kanadische Untersuchung [29] das Problem der internen Validität deutlich: Es ist zwar<br />
eine Abnahme des Zigarettenkonsums nach Einführung der bildgestützten<br />
Warnhinweise festzustellen, wenn man aber die gleichzeitig gestiegenen Preise für<br />
Zigaretten mit in die Rechnung aufnimmt, ist kein signifikanter Effekt auszumachen.<br />
Das umfassendste Forschungsprojekt [7] zur Bestimmung der Wirkung von<br />
Tabakkontrollstrategien hat zwar vier Länder mit unterschiedlichen<br />
Warnhinweisstrategien im Vergleich analysiert, Unterschiede in anderen<br />
Tabakkontrollstrategien der Länder aber nicht kontrolliert. So haben Ergebnisse aus<br />
diesem Projekt als höchste Evidenzstärke IIa oder III. Um die interne Validität dieser<br />
Feldstudien dennoch zu erhöhen, wurden prozessorientierte Variablen erhoben. Es<br />
wurden – wie in den meisten anderen Umfragen auch - viele untersuchte<br />
Wirkungsvariablen auf das Anschauen der Warnhinweise bezogen (z.B. Hat Sie der<br />
Warnhinweis dazu gebracht, über das Aufhören nachzudenken?). Zudem haben<br />
andere Studien erfolgreich versucht, die direkte Wirkung von Warnhinweisen (z.B.<br />
Intensität der Verarbeitung) längsschnittlich mit distaleren Verhaltensweisen (z.B.<br />
Aufhörverhalten nach drei Monaten) in Zusammenhang zu bringen [1, 3].<br />
Sehr gute Evidenzstärke (Ib) erzielen Laborexperimente. Sie informieren uns v.a. über<br />
die Wahrnehmung von und Reaktion auf bildgestützte Warnhinweise sowie kurzfristige<br />
Einstellungs- oder Wissensveränderungen. Inwiefern diese Ergebnisse dann auf die<br />
reale Einführung von bildgestützten Warnhinweisen zu verallgemeinern sind, bleibt<br />
ungeklärt. Wenn Raucher und Nichtraucher bereits nach einmaligem Hinsehen ihre<br />
Einstellung gegenüber dem Rauchen verändern, heißt das dann, dass dies erst recht<br />
der Fall sein wird, wenn sie die Hinweise mehrmals täglich sehen, oder tritt dann ein<br />
Decken- oder Gewöhnungseffekt ein?<br />
Die zur Verfügung stehende Forschungsliteratur widerspricht sich überraschend selten<br />
und Labor- und Feldforschungsergebnisse weisen bemerkenswert stark in die ähnliche<br />
Richtung. Deswegen stellen sie unserer Meinung nach angesichts des Mangels an<br />
evidenzbasierten Aussagemöglichkeiten die derzeit bestmögliche Basis für unsere<br />
Schlussfolgerungen dar.<br />
4.1 Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und differentielle<br />
Aussagen<br />
In die Literaturauswertung gingen insgesamt 28 Studien ein. Davon beschäftigten sich<br />
15 Studien mit den Regelungen, die den umfassenderen, bildgestützten<br />
37
38<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Warnhinweisen zugrunde liegen (Bilder, Text, Aufhörinformation). Neun Studien<br />
untersuchten die Wirkung von Texthinweisen und vier Studien fokussierten auf wichtige<br />
einzelne Aspekte von Warnhinweisregelungen (Inhaltsstoffe und Erklärungen, Quelle<br />
für Information, Telefonnummer der Rauchersprechstunde, Blanker oder<br />
herkömmlicher Packungshintergrund). Ergebnisse von zwei noch unveröffentlichten<br />
Studien wurden wegen ihrer Relevanz für die deutsche Stichprobe oder für die von der<br />
EU vorgeschlagenen bildgestützten Hinweise berichtet, gingen aber nicht in die<br />
Schlussfolgerungen mit ein.<br />
Sieben der Studien mit bildgestützten Warnhinweisen machten eine Aussage zu<br />
Effekten hinsichtlich Geschlecht, Alter, Rauchstärke, Motivationsstadium oder<br />
verglichen Raucher mit Nichtrauchern. Sieben der Studien mit Texthinweisen lieferten<br />
ebenso Informationen dazu.<br />
Tabelle 6 fasst die Schlussfolgerungen aus den einzelnen Bereichen zusammen. In<br />
Spalte 1 wurde versucht, die Stärke der Wirkung von bildgestützten Warnhinweisen<br />
zwischen den einzelnen inhaltlichen Bereichen zu gewichten. Da keine statistischen<br />
Größen dazu vorliegen (Effektstärken), basiert diese Gewichtung auf dem Urteil der<br />
Autoren. Die Evidenzstärken der Ergebnisse der einzelnen Bereiche sind nochmals zur<br />
Einschätzung der Aussagekraft der Schlussfolgerungen angegeben.<br />
Zur Abschätzung der Wirkung ist auch interessant, welche Gruppen von Rauchern am<br />
ehesten profitieren und inwiefern auch Nichtraucher profitieren. In Tabelle 6 ist daher<br />
auch dargestellt, ob eher Frauen oder Männer, eher Ältere oder Jüngere, eher starke<br />
oder schwache Raucher, eher motivierte oder unmotivierte Raucher von den<br />
Warnhinweisen beeinflusst werden. Schließlich ist der Vergleich zwischen Raucher<br />
und Nichtraucher angegeben.<br />
Aus der Tabelle wird deutlich, dass sich die Forschungslage zur Wirkung von<br />
bildgestützten Warnhinweisen im Vergleich zu Texthinweisen folgendermaßen<br />
beurteilen lässt:<br />
1. In der Gesamtgruppe der Raucher haben bildgestützte Warnhinweise, die eine<br />
Kombination von Bildern, Text und Aufhörinformationen darstellen, einen<br />
starken Effekt auf die Wahrnehmung von Warnhinweisen, auf die kognitive,<br />
emotionale und Verhaltensreaktion und auf das Wissen über gesundheitliche<br />
Folgen und Inhaltsstoffe. Einen mittleren Effekt erzielen die bildgestützten<br />
Warnhinweise auf die Einstellung gegenüber dem Rauchen und die Motivation,<br />
mit dem Rauchen aufzuhören. Der geringste oder kein Effekt von<br />
Warnhinweisen ist auf das Rauchverhalten zu erwarten.<br />
2. Die wenigen Forschungsergebnisse zur differentiellen Wirkung der<br />
bildgestützten Warnhinweise deuten darauf hin, dass eine Wirkung eher bei<br />
weiblichen, schwächeren und aufhörmotivierteren Rauchern als bei<br />
männlichen, stärkeren und wenig aufhörmotivierten Rauchern zu erwarten ist.<br />
3. Bildgestützte Warnhinweise scheinen eine ähnliche Wirkung auf die Zunahme<br />
von Wissen bei bildungsferneren und einkommensschwächeren Rauchern wie<br />
bei bildungsnäheren und einkommensstärkeren Rauchern zu haben, wobei der<br />
Ausgangsunterschied erhalten bleibt.<br />
4. Für Nichtraucher ist eine ähnliche oder stärkere Wirkung der bildgestützten<br />
Warnhinweise als bei Rauchern auf die Reaktion, Einstellung und Motivation<br />
festzustellen.<br />
5. Bei Ex-Rauchern ist eine mittlere Wirkung auf die Abstinenzmotivation und ein<br />
geringer Effekt auf das Aufrechterhalten der Abstinenz zu erwarten.
Tabelle 6: Zusammenfassung der Schlussfolgerungen: Bildgestützte Warnhinweise im Vergleich zu Texthinweisen<br />
Bereich Raucher Nichtraucher<br />
39<br />
Ex-<br />
Raucher<br />
Gesamt Frauen vs Männer Ältere vs. Jüngere Starke vs. Unmotivierte vs.<br />
Schwache Motiviertere<br />
Wahrnehmung +++ Frauen > Männer gleich Starke ><br />
(Ib, III)<br />
Schwache<br />
Reaktion +++ Frauen > Männer Ältere > Junge Starke <<br />
+++<br />
(Ib, III)<br />
Schwache<br />
Wissen +++<br />
(III)<br />
Einstellung ++<br />
(Ib)<br />
gleich ++<br />
Motivation ++ Frauen > Männer<br />
Starke < Unmotivierte≤ ++ ++<br />
(Ib, III)<br />
Schwache Motiviertere<br />
Verhalten +/0<br />
(III)<br />
gleich +<br />
+++ Starker Effekt, ++ mittlerer Effekt, + kleiner Effekt, 0 kein Effekt<br />
Ib= randomisierte, kontrollierte Laborstudie, III= unkontrollierte, nicht randomisierte, korrelative Querschnittsstudie oder längsschnittliche<br />
Beobachtungsstudie
40<br />
<strong>Bühler</strong> et al., 2007<br />
Hinsichtlich unerwünschter Wirkungen wird von Gegnern der bildgestützten<br />
Warnhinweisen angeführt, dass sich Raucher und Nichtraucher von den drastischen<br />
Darstellungen belästigt fühlen, sich nicht auf sie einlassen und Raucher als Reaktion<br />
erst recht zur Zigarette greifen. Die Befundlage zeigt, dass davon nicht die Rede sein<br />
kann. Die Mehrheit der Raucher und Nichtraucher spricht sich für die Einführung dieser<br />
Warnhinweisregelungen aus. Tatsächlich reagieren Raucher mit Angst und Ekel und<br />
etwa ein Drittel versucht, die Bilder zu vermeiden. Negative Emotionen fördern aber<br />
das spätere Aufhörverhalten. Die Zigarettenpackungen mit Bildern zu vermeiden<br />
beeinflusst das spätere Aufhörverhalten dagegen nicht negativ. Etwa ein Drittel bis die<br />
Hälfte der Raucher erwartet, dass die Warnhinweise auf das konkrete Aufhörverhalten<br />
Einfluss nehmen. Nur ganz wenige erwarten (< 5%), dass unerwünschte Effekte<br />
auftreten, d.h. Raucher erst recht nicht aufhören (wollen).<br />
Zur Frage, inwiefern Jugendliche anders durch bildgestützte Warnhinweise zu<br />
beeinflussen sind, lässt sich nur eine Studie heranziehen, die die Wirkung auf<br />
Jugendliche direkt mit der Wirkung auf Erwachsene vergleicht [29]. Demnach ist das<br />
Rauchverhalten von Jugendlichen genauso wenig durch die Einführung von<br />
bildgestützten Warnhinweisen zu beeinflussen wie das der Erwachsenen (Evidenzgrad<br />
III, zur Problematik dieser Studie s. o.). Vergleicht man indirekt die Ergebnisse von<br />
Studien mit Jugendlichen mit denen von Erwachsenen, lässt sich auch hier keine<br />
auffallend andere Befundlage ausmachen: Kleine Texthinweise werden als nicht<br />
glaubwürdig empfunden [4], bildgestützte Warnhinweise als glaubwürdig beurteilt [11],<br />
wenn sich auch eine ähnliche Abwehrhaltung von rauchenden im Vergleich zu nicht<br />
rauchenden Jugendlichen abzeichnet [11]. Warnhinweise können den negativen Effekt<br />
von Rauchszenen im Kino in Hinblick auf die Abstinenzmotivation puffern, allerdings<br />
trifft dies auf bildgestützte und Texthinweise zu [21]. Einen wichtigen, möglicherweise<br />
jugendspezifischen Aspekt der Gestaltung von Warnhinweisen werfen Duffy und<br />
Burton [11] auf. Sie hatten gefunden, dass ausführlichere Texthinweise als<br />
glaubwürdiger eingeschätzt werden als kurze, wiewohl andere Studien zeigten, dass<br />
kurze Texte eher behalten werden als längere. Sie geben zu bedenken, dass<br />
Glaubwürdigkeit der Hinweise bei Jugendlichen als wichtigerer Indikator für den Erfolg<br />
von Warnhinweisen zu behandeln als der Umstand, ob die Hinweise wiedergegeben<br />
werden könnten oder nicht. Wenn Warnhinweise nicht angemessen die Risiken des<br />
Rauchens vermittelten aber einen hohen Bekanntheitswert hätten, würden sie als<br />
attraktiv wahrgenommen werden und wirkungslos bleiben.<br />
4.2 Welche Wirkung ist nach Einführung von bildgestützten<br />
Warnhinweisen zu erwarten?<br />
Ausgehend von den Studienergebnissen in anderen Ländern wird nun ein Szenario<br />
beschrieben, welche Auswirkungen die Einführung von bildgestützten Warnhinweisen<br />
in Deutschland haben könnte. Wo möglich wird abgeschätzt, wie groß der Anteil der<br />
Betroffenen ist, auf die die jeweilige Wirkung zu erwarten ist. Die wissenschaftliche<br />
Ausrichtung unseres Berichts verlangt, vorher nochmals zu betonen, dass es sich hier<br />
nicht um eine evidenzbasierte sondern um eine evidenzorientierte Prognose handelt.<br />
Da bei den Schlussfolgerungen zu bildgestützten Warnhinweisen meist kanadische<br />
Ergebnisse herangezogen wurden, lässt sich sagen, dass bei ähnlichen<br />
Tabakkontrollbemühungen wie in Kanada folgendes zu erwarten ist.<br />
Die Einführung von bildgestützten Warnhinweisen (bestehend aus Bild, Text und<br />
Aufhörinformationen) wird von fast allen Rauchern bemerkt werden, die Texte auf dem<br />
Äußeren der Packung von mehr als 90% zumindest anfangs gelesen werden. Nach<br />
längerer Zeit werden die Warnhinweise weiterhin von etwa zwei Drittel der Raucher<br />
bemerkt und von einem Drittel gelesen werden.
Die Raucher werden sich den bildgestützten Warnhinweisen sehr aufmerksam<br />
zuwenden und die Hinweise im Gedächtnis speichern.<br />
Zuerst werden die bildgestützten Warnhinweise mehr als drei Viertel der Raucher zum<br />
Nachdenken bringen und von etwa 80% diskutiert werden. Später werden noch etwa<br />
die Hälfte der Raucher durch die Warnhinweise zum Nachdenken angeregt werden.<br />
Um die 85% der Raucher werden die Inhalte der Hinweise als glaubwürdig empfinden,<br />
insbesondere die Furcht erregenden Bilder und solche, die das Passivrauchen<br />
thematisieren. Die Aufhörinformationen werden sie willkommen heißen. Trotzdem<br />
werden anfänglich ein Drittel der Raucher eine abwehrende Haltung gegenüber den<br />
Warnhinweisen zeigen, d.h. sie werden etwas tun, um die Bilder nicht zu sehen.<br />
Hinsichtlich des Wissens über gesundheitliche Folgen werden Warnhinweise eine noch<br />
wichtigere Position als Informationsquelle einnehmen. Nach dem Fernsehen wird es<br />
die Quelle sein, aus der sie sich darüber informieren. Eine Zunahme des Wissens wird<br />
es insbesondere bei den bisher nicht so bekannten Folgen, die aber Thema der<br />
Warnhinweise sind, geben (z.B. Krebserkrankungen bei anderen Personen,<br />
Herzinfarkt, Fruchtbarkeit und Impotenz) sowie zu einem breiteren Wissen über die<br />
Inhaltsstoffe von Zigaretten. Diese Zunahme wird in allen Bildungs- und<br />
Einkommensschichten erfolgen, ohne allerdings die Wissensschere zu schließen.<br />
Die bildgestützten Warnhinweise werden bei Rauchern und Nichtrauchern die Meinung<br />
gegenüber dem Rauchen negativ beeinflussen, das Image von Rauchern wird bei<br />
Nichtrauchern (auch Jüngeren) verschlechtert.<br />
Nicht nur nach Einführung, auch später werden die Warnhinweise die Raucher<br />
anregen, über das Aufhören nachzudenken. Kurzfristig wird wahrscheinlich auch die<br />
Aufhörabsicht gestärkt. Mit Anbringen der Telefonnummer der Raucherberatung auf<br />
die Zigarettenpackungen ist eine drei Mal so hohe Nachfrage dieses Angebots zu<br />
erwarten.<br />
Ein bevölkerungsweit festzustellender Rückgang der Raucherprävalenz ist durch die<br />
alleinige Einführung von bildgestützten Warnhinweisen nicht zu erwarten.<br />
Möglicherweise können die Warnhinweise den Trend, dass Raucher weniger rauchen,<br />
weiter unterstützen. Die Raucher, die auf die Bilder emotional reagieren und sich<br />
intensiv mit den Warnhinweisen und ihren Informationen und Empfehlungen<br />
beschäftigen, haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen aufzuhören.<br />
4.3 Abschließende Schlussfolgerung<br />
Zusammenfassend lässt sich aus den meist korrelativen Forschungsbefunden<br />
schlussfolgern, dass bildgestützte Warnhinweise, die aus großflächigen Bildern,<br />
Texthinweisen und Aufhörhilfen bestehen, als Aufklärungsinstrument wirkungsvoller<br />
sind als Texthinweise alleine. Als isolierte Intervention zur Reduktion der<br />
Raucherprävalenz auf Bevölkerungsebene haben sie sich bisher nicht als erfolgreich<br />
erwiesen (aufgrund fehlender kausaler Studien nicht erweisen können). Sie stellen<br />
somit nicht eine Alternative zum Einsatz evidenzbasierter Aufhörmethoden dar,<br />
sondern sind als ein sinnvolles und darüber hinaus sehr effizientes Element einer<br />
umfassenden Tabakkontrollpolitik zu betrachten.<br />
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