18 etHwelttraining mit dem joystick<strong>ETH</strong>weltBewegungen werden am BildsCHirm simuliertPolykum Nr. 6/10-11
<strong>ETH</strong>welt 19NeurologieDoktor RoboterAm «Reh<strong>ab</strong>ilitation Engineering»-L<strong>ab</strong> geht es um kleine Motoren,feinfühlige Sensoren, komplexe Programmierungen und visuelle Täuschungen.Alles im Interesse der Patienten.Text: Raphael Fuhrer, Fotos: zVgPolykum Nr. 6/10-11Wer vom Haldenegg an die <strong>ETH</strong> hochfährt,übersieht die riesige Baustelle kaum. Direktdaneben steht ein gelbliches Haus, das vomAbriss verschont blieb. In ihm befinden sichdie Räume des «Reh<strong>ab</strong>ilitation Engineering»-L<strong>ab</strong>s (RE-L<strong>ab</strong>), das vor gut zwei Jahren gegründetwurde und mittlerweile zwölf Forschendezählt. Sie gehen unter anderem derFrage nach, wie sich Robotertechnik im Reh<strong>ab</strong>ilitationsprozessbei Fällen, in denen dieFunktionen der Hand verunmöglicht odergestört sind, einsetzen lässt. Dies kann etwanach Knochenbrüchen im Handgelenk odereinem Hirnschlag der Fall sein. Davon sindin der Schweiz jedes Jahr mehrere tausendPersonen betroffen. Der Reh<strong>ab</strong>ilitationsprozessist zum Teil langwierig – Optimierungenkönnen deshalb nicht nur zu Kosteneinsparungenführen, sondern sind auch im Interesseder Patienten.Der Roboter als LehrerDie Forschenden des RE-L<strong>ab</strong>s arbeiten dahereng mit Zürcher Kliniken und Einrichtungenim Bereich Neurologie zusammen. Die eigentlicheArbeit des L<strong>ab</strong>s liegt im Bereichder Robotik, «doch interessiert uns immerder Bezug zu den Abläufen im Gehirn desPatienten», sagt der Leiter der Forschungsgruppe,Roger Gassert. Eine grundlegendeIdee dahinter: Roboter und ihre Programmierungkönnen den Wiedererlernungsprozessder feinmotorischen Bewegungen verbessern,indem sie die Defizite genauer erhebenals herkömmliche Methoden. Und siekönnen ausserdem helfen, die Einschränkungenim Lernprozess zu umgehen, indemsie vom Patienten noch nicht machbare Bewegungenimitieren und dem Gehirn damiteine Rückmeldung über die vermeintlichausgeführte Bewegung geben – was dem Gehirnmöglicherweise die Möglichkeit gibt,trotzdem zu lernen.Joystick misst BewegungenUm diese komplizierten Überlegungen nachvollziehenzu können, hilft eine Tour durchdas RE-L<strong>ab</strong>. Bleiben wir dazu beim Beispieldes Hirnschlags: Am Anfang jeder Therapiesteht eine genaue Beurteilung. Bisher wurdediese mittels einer Platte gemacht, auf derlinks neun Stifte stecken und rechts ebensoviele Vertiefungen eingelassen sind. Der Patientmuss dann die Stifte greifen und in dieVertiefungen stecken. Ein Therapeut beobachtetdie Bewegungen und misst die Zeit.Das Gerät, das bei Marie-ChristineFluet, einer Forscherin am RE-L<strong>ab</strong>, auf demTisch steht, ist ein kleiner Roboter, einemJoystick gleich, der an einem Laptop angeschlossenist. Auf dem Bildschirm ist dieselbePlatte wie oben beschrieben zu sehen.Der Patient muss die gleiche Aufg<strong>ab</strong>e ausführen,nur dass er beim Greifen, Haltenund Hineinstecken der Stifte den Roboterknaufin der Hand hat. Dieser simuliert alleWiderstände – zum Beispiel, wenn man andie Kante der Platte anschlägt –, misst denDruck von Finger und Hand und zeigt zudemalle Bewegungen auf. Damit lassen sich vielexaktere Aussagen über die Feinmotorik undSensorik machen.Das Gehirn täuschenDie Forscher des RE- L<strong>ab</strong>s versuchen jedochnicht nur bestehende Therapiegeräte zu optimieren:Sie tüfteln auch an neuen Behandlungsmethoden.Etwa an einem Gerät, dasden Heilungsprozess bei einem Handgelenk,das nach einem Schlaganfall nicht mehr bewegtwerden kann, deutlich verkürzenkönnte. Die zündende Idee der Forschendenam RE-L<strong>ab</strong> ist, das Handgelenk an einer Apparaturzu fixieren. Die durch Muskeln induzierteBewegungen werden von Sensorenaufgenommen und die Bewegung – statt dassdiese die Hand macht – wird auf dem Bildschirmdargestellt. Die Person spannt alsoihre Muskeln an, als ob sie die Hand bewegenwürde, diese verschiebt sich jedoch keinenMillimeter, die Kraft wird lediglich von derArmschiene über Sensoren gemessen undam Bildschirm dargestellt. Die Apparatur simuliertdie Bewegung der Hand: Zusammenmit den visuellen Eindrücken des Bildschirmsmeint das Gehirn, die Hand h<strong>ab</strong>e die be<strong>ab</strong>sichtigteBewegung tatsächlich durchgeführt.Die Hoffnung besteht, dass Muskeln, Feinmotorikund mentale Abläufe trainiert werdenkönnen, noch bevor die Heilung der Verletzungeine eigentliche Bewegung zulässt.Raphael Fuhrer (24) ist Polykum-Redaktor und studiertan der <strong>ETH</strong> Zürich. rfuhrer@polykum.ethz.ch