Medizin tHEMA, ab Seite 14 - VSETH - ETH Zürich

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14 MedizinMedizinGertsCH (Mitte) im urwald von Malaysia

Medizin 15BioPHarmazieGift ausdem UrwaldWas Piraten in den Urwald verschlägt, wie man mit Cannabis heilenkann und ob Echinacea bei Erkältung tatsächlich hilft, erzählt unsBiochemiker Jürg Gertsch.Interview: Oriana Schällibaum, Foto: zVgHerr Gertsch, Sie sind Biochemiker underforschen, wie Menschen aus unterschiedlichenKulturkreisen Pflanzenoder auch Tiere in der Medizin oderfür die Jagd verwenden. Dafür warenSie auch schon im Urwald. Was habenSie dort gefunden?Nach der Matura bin ich nach Venezuela ausgewandert,um Ethnologie zu studieren. Aberdie politische Situation Anfang der 90er-Jahre in Caracas war instabil, es gab an derUni ständig Unruhen und Scharmützel. Fertigstudiert habe ich dann in Europa. Währendmeiner Doktorarbeit war ich wieder längereZeit in Venezuela, bei der indianischenEthnie der Yanomami im Süden des Landes.Bei den Yanomami kam ich in Kontakt mitpflanzlichen Halluzinogenen und hochpotentenGiften, so dass ich mich dafür entschiedenhabe, drei solche Pflanzen chemischund auch pharmakologisch zu analysieren.Das waren eine Fisch- und eine Pfeilgiftpflanzesowie Cupania scrobiculata, derenRinde in eine halluzinogene Schnupfdrogebeigemischt wird.Psychoaktive Pflanzen scheinen Siezu faszinieren. Schlagzeilen gemachthat auch Ihre Forschung zu Cannabis.Können Drogen heilen?In der Pharmazie ist jede Medizinalpflanze,die in der Pharmakopöe (amtliches Arzneibuch,Anm. d. Red.) auftaucht, per Definitioneine Droge. Ich bin der Meinung, dassjedes pharmakologisch wirksame Prinzip,das einen direkten Effekt auf unseren Körperausübt, auch therapeutisch genutzt werdenkann, sofern man das Wirkprinzip versteht.Dank der Substanzen in Cannabis sativa hatdie Forschung herausgefunden, wie in unseremKörper biochemische Prozesse funktionieren:Das Endocannabinoid-System wurdeentdeckt, das wichtige physiologische undpathophysiologische Prozesse beeinflusst.Faktoren, die positiv auf dieses System einwirken,führen zu Schmerzlinderung undhemmen entzündliche Prozesse, die in chronischenErkrankungen eine Rolle spielen.Cannabis wird in einigen Ländern seit einpaar Jahren als Extrakt zur Behandlung derneuropathischen Schmerzen bei MultipleSklerose-Patienten eingesetzt. Und: Weltweitarbeiten viele Forschungsgruppen daran,synthetische Cannabismedikamente zu entwickeln.Ein häufig genanntes Problem im Zusammenhangmit Ethnopharmazie ist«Biopiraterie», als eine subtile Formvon Neokolonialismus. Die Länder,aus denen die Stoffe stammen behaupten,dass traditionelles Wissenohne Entschädigung gestohlen undpatentiert werde.Die Bedenken der Geberländer sind durchausgerechtfertigt: So wurde zum Beispiel dasBreitbandantibiotikum Chloramphenicol auseiner Pilzart aus Venezuela isoliert. Währenddie Firma «Parke Davis» damals Milliardenverdiente, ist der venezolanische Staatleer ausgegangen. Theoretisch würden heutealle legalen Mittel zur Verfügung stehen, umeine faire Zusammenarbeit zu gewährleistenund sowohl die intellektuellen Eigentumsrechteder Geberländer zu berücksichtigenwie auch die Erforschung von biogenetischenRessourcen zu fördern. Praktisch ist aber dieAngst vor Missbrauch enorm. Insbesonderefür die universitäre Grundlagenforschung hatdies verheerende Konsequenzen.Wie haben Sie die Problematik gehandhabt?Allein für die Bewilligungen für meine Doktorarbeitmusste ich ein Jahr investieren.Der Export des Pflanzenmaterials war durcheinen internationalen Vertrag mit dem UmweltministeriumVenezuelas und mit demEinverständnis der indigenen Bevölkerungüber die ETH abgesichert. Sie können sichvorstellen, was es heisst, in einem Land dasvon einem nationalistischen PräsidentenZur personFortsetzung auf Seite 16Jürg Gertsch (39) ist seit 2009 Professor am«Institut für Biochemie and Molekulare Medizin»der Universität Bern. Er studierte Ethnologie,Neurowissenschaften und Biochemie.2002 schloss er ein transdisziplinäres Doktoratan der ETH ab, das ihm erlaubte, Feldforschungin Venezuela und Labortätigkeit zukombinieren. Anschliessend war er Habilitantam D-CHAB. Gertsch ist auch Vorstandsmitglieddes Bruno Manser Fonds.

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