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30 Jahre unter den Toten - Herzlich willkommen bei „Die Liebe Gottes“

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G. Ich war in meinem Pfarramt nicht sehr erfolgreich (diese Behauptungwurde uns später bestätigt), wie es vielen anderen auch geht; <strong>den</strong>n anscheinendwurde meine Zuhörerschaft immer kleiner, das machte mich dannmutlos, und ich dachte <strong>bei</strong> mir, es ist ja doch alles nutzlos.Niemand schien sich aus meinen Predigten etwas zu machen. Ich war sehrentmutigt und habe manchmal <strong>bei</strong> mir gedacht, ob ich nicht die ganzeGeschichte aufgeben solle.Dr. Warum haben Sie das nicht getan?G. Wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen soll, warum ich das nicht getan habe,dann muß ich schon sagen, weil ich Frau und Familie zu ernähren hatte.Aber ich war kein erfolgreicher Prediger.Ich wünschte, ich wäre erst gar nicht Pfarrer gewor<strong>den</strong>, sondern hätte einenmehr praktischen Beruf gewählt; dann wäre ich glücklicher gewesen. (Esist uns später zu Ohren gekommen, daß dieser Verstorbene während seinesEr<strong>den</strong>lebens sich einem Amtsbruder gegenüber in derselben Weise geäußerthat.) — — Ich habe für meine Frau nicht so sorgen können, wie ich esgern wollte, und sie ist eine so gute Frau. Mein Einkommen war gering undwenn man eine Familie zu ernähren hat und sein Einkommen mit seinemMundwerk verdienen muß, so ist das äußerst schwer, wenn man von seinenZuhörern keinerlei Ermutigung erfährt.Gar mancher fand an mir etwas auszusetzen. Wenn ich auf die Kanzelstieg, war mein Herz nicht <strong>bei</strong> der Sache, weil ich wußte, sie machten sichnichts aus mir. Ich war wirklich nicht glücklich. Ich habe oft gewünscht,ich hätte in meinen jungen Tagen nicht studiert, sondern lieber einen ehrlichen,praktischen Beruf ergriffen. Ich sehe die Dinge jetzt, wie ich sie niezuvor gesehen habe, ich war blind und sehe nun, daß ich mich in schweremIrrtum befun<strong>den</strong> habe. Ich hätte einen anderen Weg einschlagen sollen.Man fand allerorts etwas an mir auszusetzen, und der Bischof schicktemich armen Kerl von einem Ort zum anderen. Da<strong>bei</strong> ging manchmal einganzes Monatsgehalt drauf. Ich habe mir einige Male sogar Geld borgenmüssen, um überhaupt umziehen zu können.Schließlich hatte ich es satt, immer wieder zu ziehen. Kaum hatte ich aneinem Ort ein paar Freunde gewonnen, da mußten wir schon wieder fort,und ich wurde immer mutloser.Endlich bekam ich ein Haus und nahm mir vor, hier zu bleiben. Ich sagteihnen, wenn sie mich nicht haben wollten, oder für mich nichts zu tun hätten,dann würde ich auf Ar<strong>bei</strong>t gehen.Ich habe niemals genug zusammen bekommen können, um meine Familieor<strong>den</strong>tlich zu ernähren, weil ich so oft versetzt wor<strong>den</strong> bin. Der Bischofschickte mich von einem Ort zum andern. Das ist nicht die rechte Art zuleben. Ich möchte es meinem schlimmsten Feinde nicht wünschen, Pfarrerzu sein. Das ist eine or<strong>den</strong>tliche Zumutung für einen Menschen.Jetzt bin ich freilich in weit schlimmerer Lage, als ich je gewesen, weil ichblind bin.— 374 —

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