30 Jahre unter den Toten - Herzlich willkommen bei „Die Liebe Gottes“
30 Jahre unter den Toten - Herzlich willkommen bei „Die Liebe Gottes“ 30 Jahre unter den Toten - Herzlich willkommen bei „Die Liebe Gottes“
Solange er im Gefängnis saß und auf seine Hinrichtung wartete, bewahrte er biszum letzten Augenblick seine unbekümmerte Haltung, spielte in größterGemütsruhe mit seinem Gefangenen-Aufseher Karten und ließ sich Eis-Creme,seine Lieblingsspeise, bringen, so oft er sie bekommen konnte."Ich gehe ja jetzt in die Hölle", sagte er zu dem Gefangenen-Aufseher, "undwenn Sie dann dorthin nachkommen, bewirte ich Sie zum Empfang mit Eis-Creme.Während dieser Zeit schickte ich ihm, ohne mich als Absender bekannt zugeben, ein Buch und verschiedene Aufsätze mit Zeitschriften über die Geisterwelt,hatte aber sonst keinerlei Beziehungen zu ihm.Am 27. Februar 1908 bat uns eine Krankenschwester, uns doch der Frau Mc A.anzunehmen, — einer Kranken, welche sie in Pflege hatte und bei der stark zuvermuten war, daß ihre anhaltenden Krankheits- und Schwächezustände reinmedialen Ursprungs, d.h. auf Besessenheit zurückzuführen seien.Die Schwester war selbst medial und vermutete, daß viele der Wahnvorstellungenbei ihrer hübschen Patientin durch Besessenheit verursacht würden. DieSchwester hatte selbst schon verschiedentlich versucht, die belästigenden Geisterzu vertreiben.Eines Tages verlangte Frau Mc A. ganz dringend nach selbstgemachter Eis-Creme, obgleich sie sich sonst nicht das geringste daraus gemacht hatte. Abersie bestand darauf, ihren Wunsch sofort erfüllt zu sehen, und machte ihren Mädchendadurch große Umstände.Als die Schwester dann mit der Eis-Creme ins Zimmer trat, hatte sie plötzlichdas Gefühl, als stürze sich jemand auf sie. Im nächsten Augenblick überkam sieein so starkes Würge- und Erstickungsgefühl, daß sie gezwungen war, das Zimmerzu verlassen. Nachdem sie sich etwas erholt hatte, kam sie ins Zimmerzurück und, fest davon überzeugt, daß hier ein Geistwesen im Spiel sei, machtesie ein Fenster weit auf und gab nur in Gedanken, ohne es auszusprechen, denBefehl, daß jedes etwa anwesende fremde Wesen sofort das Haus zu verlassenhabe.Am Abend desselben Tages nahm diese Schwester und ein Mädchen der FrauMc A. an unserer Sitzung teil, und der Geist, welcher sich dabei kundgab, klagtesogleich über Schmerzen im Nacken und erklärte ungefragt, er habe das Genickgebrochen, als er gehängt worden sei. — Sein Name sei Harry Hayward!Könnt Ihr mir nicht etwas Eis-Creme geben? Ich habe wieder und immer wiederversucht, etwas zu bekommen, und heute habe ich es fast schon geschmeckt,aber bekommen habe ich es doch wieder nicht. Ich wurde von einer Frau fortgejagt— sie hat mich aus dem Fenster geworfen! Das ist nicht etwa ein Vergnügen,sich von einer Frau aus dem Fenster werfen zu lassen!"Hayward war sich darüber klar, daß er sich als Geist auf der Erde herumtreibe;und als wir ihn fragten, woher er denn über das Geisterleben Bescheid wisse,— 154 —
erwiderte er, er habe während seiner Haft einige Aufsätze darüber gelesen, welcheihm ein Unbekannter zugeschickt habe. Er beklagte sich jedoch darüber,daß, wohin er auch gehe, niemand Notiz von ihm nähme; selbst wenn er imEisenbahnzuge sitze, kommt bestimmt einer und setze sich ihm auf den Schoß,so daß er sich nicht rühren könne.Er war sehr froh darüber, sich endlich mal wieder mit Menschen unterhalten zukönnen und stellte viele Fragen nach den verschiedenen Personen, mit denen erwährend seines gerichtlichen Strafverfahrens zu tun gehabt hatte; besonderserkundigte er sich nach dem Gefangenen-Aufseher, mit dem er sich ein gut Teilseiner Zeit durch Kartenspiel vertrieben hatte.Ich hatte das Gefühl, dieser Gefangene sei vor einiger Zeit gestorben, undäußerte das auch dem Geiste gegenüber; zugleich wies ich ihn darauf hin, daß esihm vielleicht möglich wäre, diesen in der Geister-Welt aufzufinden.Darauf schwieg er einen Augenblick und bemühte sich offenbar, seinen früherenFreund aufzuspüren. Dann sagte er ganz bestimmt und mit Nachdruck: "Nein,der Mann ist nicht tot. Ich sehe ihn im Hause seines Sohnes in Minneapolis Kartenspielen."Es fiel gar nicht schwer, Hayward zu belehren und auf das höhere Leben hinzuweisen.Er verabschiedete sich schließlich von uns mit der Versicherung, daß ersich um seinen Aufstieg in der Geisterwelt alle Mühe geben wolle.Nach dieser Sitzung ließ unsere mediale Kranke in ihrem Befinden eine auffallendeWandlung zum Besseren erkennen; und auf unsere nachträgliche brieflicheAnfrage erhielten wir die Bestätigung, daß Haywards Aussagen über seinenalten Gefangenen-Aufseher richtig gewesen waren. Dieser lebte noch und hattetatsächlich an dem Abend unserer Sitzung mit Hayward im Hause seines SohnesKarten gespielt.Zehn Jahre später, nachdem sich der Geist eines anderen Mörders, der gehängtworden war, in unserm Zirkel kundgegeben hatte, meldete sich Hayward nocheinmal wieder und erzählte uns einiges aus seinem irdischen Leben.— — —Sitzung vom 21. September 1918Geist: Harry HaywardIch habe gedacht, hier möchte ich gern mal einkehren, um etwas zu sagen, dennich merke, ich hab im selben Boot gesessen, wie der Bursche, der soeben vormir hier gewesen ist, — ich meine, auf derselben Plattform — Es geht mirjedoch nicht viel besser als ihm. Ich bin mir doch in etwas höherem Grade als erdarüber klar gewesen, daß ich Unrecht tat, und daher traf mich die Strafe auchhärter. — Ich besaß eine gute Schulbildung und hatte mein gutes wirtschaftlichesAuskommen; das war mir aber nicht genug.— 155 —
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erwiderte er, er habe während seiner Haft einige Aufsätze darüber gelesen, welcheihm ein Unbekannter zugeschickt habe. Er beklagte sich jedoch darüber,daß, wohin er auch gehe, niemand Notiz von ihm nähme; selbst wenn er imEisenbahnzuge sitze, kommt bestimmt einer und setze sich ihm auf <strong>den</strong> Schoß,so daß er sich nicht rühren könne.Er war sehr froh darüber, sich endlich mal wieder mit Menschen <strong>unter</strong>halten zukönnen und stellte viele Fragen nach <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Personen, mit <strong>den</strong>en erwährend seines gerichtlichen Strafverfahrens zu tun gehabt hatte; besonderserkundigte er sich nach dem Gefangenen-Aufseher, mit dem er sich ein gut Teilseiner Zeit durch Kartenspiel vertrieben hatte.Ich hatte das Gefühl, dieser Gefangene sei vor einiger Zeit gestorben, undäußerte das auch dem Geiste gegenüber; zugleich wies ich ihn darauf hin, daß esihm vielleicht möglich wäre, diesen in der Geister-Welt aufzufin<strong>den</strong>.Darauf schwieg er einen Augenblick und bemühte sich offenbar, seinen früherenFreund aufzuspüren. Dann sagte er ganz bestimmt und mit Nachdruck: "Nein,der Mann ist nicht tot. Ich sehe ihn im Hause seines Sohnes in Minneapolis Kartenspielen."Es fiel gar nicht schwer, Hayward zu belehren und auf das höhere Leben hinzuweisen.Er verabschiedete sich schließlich von uns mit der Versicherung, daß ersich um seinen Aufstieg in der Geisterwelt alle Mühe geben wolle.Nach dieser Sitzung ließ unsere mediale Kranke in ihrem Befin<strong>den</strong> eine auffallendeWandlung zum Besseren erkennen; und auf unsere nachträgliche brieflicheAnfrage erhielten wir die Bestätigung, daß Haywards Aussagen über seinenalten Gefangenen-Aufseher richtig gewesen waren. Dieser lebte noch und hattetatsächlich an dem Abend unserer Sitzung mit Hayward im Hause seines SohnesKarten gespielt.Zehn <strong>Jahre</strong> später, nachdem sich der Geist eines anderen Mörders, der gehängtwor<strong>den</strong> war, in unserm Zirkel kundgegeben hatte, meldete sich Hayward nocheinmal wieder und erzählte uns einiges aus seinem irdischen Leben.— — —Sitzung vom 21. September 1918Geist: Harry HaywardIch habe gedacht, hier möchte ich gern mal einkehren, um etwas zu sagen, <strong>den</strong>nich merke, ich hab im selben Boot gesessen, wie der Bursche, der soeben vormir hier gewesen ist, — ich meine, auf derselben Plattform — Es geht mirjedoch nicht viel besser als ihm. Ich bin mir doch in etwas höherem Grade als erdarüber klar gewesen, daß ich Unrecht tat, und daher traf mich die Strafe auchhärter. — Ich besaß eine gute Schulbildung und hatte mein gutes wirtschaftlichesAuskommen; das war mir aber nicht genug.— 155 —