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Institut für Astronomie <strong>und</strong> Astrophysik derLudwig-Maximilians-Universität MünchenPlanetarische <strong>Nebel</strong> <strong>und</strong> <strong>deren</strong><strong>Zentralsterne</strong>A.W.A. Pauldrach1


1 Die Thematik der GasnebelNeben stellaren Objekten sind es vor allem Gasnebel, die uns durch ihrecharakteristische Strahlung mit Informationen über physikalische <strong>und</strong> astronomischeZustandsgrößen versorgen. Da sich Gasnebel (üblicher Begriff inder Literatur Gaseous Nebulae“) als helle, ausgedehnte Objekte darstellen,”die auch in den Galaxien des Virgo-Haufens noch präzise beobachtbar sind,ist es nicht überraschend, daß das Verständnis dieser Objekte auch unsergegenwärtiges Verständnis des Universums entscheidend mitgeprägt hat.Das wesentlichste Charakteristikum der Gasnebel ist <strong>deren</strong> Emissionslinienspektrum,das im optischen (d.h. visuellen) Bereich nicht nur von den bekanntenBalmer-Linien <strong>und</strong> einigen wesentlichen He-Linien dominiert wird,sondern auch von vielen verbotenen Linienübergängen der Elemente O, N<strong>und</strong> S. Derartige Emissionslinienspektren stellen ein Schreckensbild für allethermodynamischen Gleichgewichtsphysiker“ dar, denn sie weisen auf extremeAbweichungen vom lokalen thermodynamischen Gleichgewicht hin, soge-”nanntes non-LTE“. Die Physik der Gasnebel, die diese Spektren hervorruft,”ist aber gerade wegen dieser extremen Abweichung klar überschaubar <strong>und</strong>einfach zu verstehen.Gasnebel mit den genannten Eigenschaften umspannen eine Vielzahl verschiedenartigsterastrophysikalischer Objekte, wie HII-Regionen, SupernovaRemnants sowie Planetarische <strong>Nebel</strong>. Nur mit ihnen wollen wir uns hier näherbefassen.2


2 Planetarische <strong>Nebel</strong>Die Planetarischen <strong>Nebel</strong> (PN) verdanken ihren Namen einer Verwechslung,denn als man mit Teleskopen die ersten Himmelsdurchmusterungen durchführte,entdeckte man <strong>Nebel</strong>scheibchen, die auf den ersten Blick den gleichen, weilfarbigen, Anblick boten wie die bekannten Planetenscheibchen. Später erkannteman, daß es sich bei den Planetarischen <strong>Nebel</strong>n um Gashüllen handelt,die von einem in ihrem Zentrum liegenden alten, extrem heißen Mutterstern(T eff ≈ 30 − 120kK) vor – astronomisch gesehen – kurzer Zeit abgestoßenwurden (s. Abb.1). Es gilt als gesichert, daß die <strong>Zentralsterne</strong> Planetarischer<strong>Nebel</strong> (ZSPN) raschen Schrittes den Stadium der weißen Zwerge zustreben,währen sich ihre <strong>Nebel</strong>hüllen mit einer eher geringen Expansionsgeschwindigkeitvon ca. 25 km/s verdünnen <strong>und</strong> dadurch nach einigen 10 4 Jahrenunsichtbar werden.Weit weniger gesichert ist die Vermutung, daß die Planetarischen <strong>Nebel</strong>von roten Riesen an der Spitze des ”Asymptotischen Riesenastes“ (AsymptoticGiant Branch – AGB, s. Abb.2) abgestoßen werden. Diese Vermutung wirdgetragen von der Tatsache, daß alle mit Hilfe der Emissionslinien beobachtetenExpansionsgeschwindigkeiten im Bereich der atmosphärischen Entweichgeschwindigkeitensolcher Sterne liegen. Weitere Untermauerungen dieser Annahmesind jedoch schwer zu erhalten, da die <strong>Nebel</strong> in diesem Anfangsstadiumihrer Existenz nicht direkt beobachtbar sind. Dies liegt zum einen anihren dann noch sehr kleinen Durchmessern <strong>und</strong> zum an<strong>deren</strong> an der nochzu geringen Temperatur ihrer <strong>Zentralsterne</strong>, die deshalb noch nicht genügendionisierende UV-Photonen emittieren <strong>und</strong> dadurch den <strong>Nebel</strong> noch nicht zumLeuchten anregen können (s. unten). In jüngster Zeit ist es durch modernereObservatorien im visuellen, infraroten <strong>und</strong> Radiobereich möglich geworden,diese frühe <strong>Nebel</strong>phase (sog. ”Post AGB Objekte“) präziser zu studieren, wasin naher Zukunft ein tiefergehendes Verständnis dieser Objekte hinsichtlichihrer Entwicklung ermöglichen wird.Weitgehend verstanden ist hingegen die Frage, welche Objekte den AGBerklimmen <strong>und</strong> wie sie dies bewerkstelligen (s. Abb.2). Gemäß der Theorieder Sternentwicklung gelangen Sterne mit einer Masse zwischen 0.8 <strong>und</strong>8M ⊙ an diese Position. Demnach entwickeln sie sich nach dem Erlöschen deszentralen Wasserstoffbrennens (Hauptreihenphase) zunächst zum Roten Riesen,dehnen sich dabei aus <strong>und</strong> erhöhen so ihre Leuchtkraft. Später fallen siedurch das explosionsartige Zünden des entarteten He-Kerns (sog. He-flash“)auf den Horizontalast, wo das zentrale He-Brennen abläuft. Danach wandern3


Abbildung 1: NGC 7293sie bei noch höheren Leuchtkräften, größeren Radien <strong>und</strong> entsprechend geringerenEntweichgeschwindigkeiten entlang des Asymptotischen Riesenasteszu dessen Spitze ( ”tip“) wo sie ihre äußere Hülle, den <strong>Nebel</strong>, abwerfen.Der Reststern, nichts anderes als der durch Kernfusion mit Metallen angereicherteKern des ehemaligen Roten Riesen oder Überriesen, entwickeltsich weiter, indem er bei konstanter Leuchtkraft kontrahiert <strong>und</strong> demnachseine Effektivtemperatur (s.u.) erhöhen muß. Dieser Anstieg in T eff ist dafürverantwortlich, daß der <strong>Nebel</strong> (ab ca. 30000K) zu leuchten <strong>und</strong> uns mit Informationenzu versorgen beginnt.Diese in Form von Lichtquanten verschlüsselte Information kann mit einfachenHilfsmitteln <strong>und</strong> theoretischen Überlegungen gewonnen werden. Sie4


Abbildung 2: Das Gebiet der Subdwarf-O-Sterne <strong>und</strong> <strong>Zentralsterne</strong> Planetarischer<strong>Nebel</strong> im Hertzsprung-Russel-Diagramm.ist zweifelsohne von großer astrophysikalischer Bedeutung, denn sie gestattetes, außer dem physikalischen Zustand der <strong>Nebel</strong>materie auch die EffektivtemperaturT eff des Zentralsterns zu ermitteln. T eff erhält man per Definitiondurch Gleichsetzen der ν-integrierten Planckfunktion mit der ν-integriertenemergenten Strahlung eines Sternes.Als weiteres Analysemittel dienen die photosphärischen Absorptionsliniendes Wasserstoffs (Balmerlinien), <strong>deren</strong> Absorptionsflügel durch den (linearen)Stark-Effekt verbreitert werden, was die Bestimmung der Schwerebeschleunigunglog g an der Sternoberfläche ermöglicht. Mit diesen beiden Größen(T eff <strong>und</strong> log g) können durch einen Vergleich mit theoretischen Sternentwicklungstracksder ZSPNs nicht nur <strong>deren</strong> Masse <strong>und</strong> Entfernung sondernauch Masse <strong>und</strong> Durchmesser der <strong>Nebel</strong> bestimmt werden.5


Der theoretische Entwicklungsweg eines Sternes mit 1M ⊙ ist ebenfalls eingezeichnet.Ein Stern im Roten-Riesen-Stadium entwickelt einen ”Sternwind“<strong>und</strong> verliert ständig Masse. Daher ist die Masse nach Durchlaufen dieser Phasezusätzlich angegeben. Der Entwicklungsweg eines Horizontalaststerns mit0.51M ⊙ ist ebenfalls dargestellt.Die Sternentwicklungstracks scheinen gesichert, da die ZSPNs bezüglichihres Aufbaus im wesentlichen nichts anderes als Weiße Zwerge darstellen,<strong>und</strong> sich bei konstanter Leuchtkraft <strong>und</strong> Masse zu höheren Temperaturen<strong>und</strong> damit zum Zwergstadium entwickeln. Dies ermöglicht einen Vergleichmit der Massenverteilung der beobachteten Weißen Zwerge.Damit ist die Möglichkeit gegeben, das Entwicklungsszenario der AGB-Objekte <strong>und</strong> die Entstehung ihrer Hüllen zu überprüfen. Außerdem erhältman eine Vorstellung davon, welchen Betrag an Masse die <strong>Nebel</strong> an dasInterstellare Medium zurückführen <strong>und</strong> inwieweit dies für die Modellierungder Galaxienentwicklung von Bedeutung ist.6


Dreht man diese Schlußfolgerung nun dahingehend um, daß bei Objekten,die reine Emissionslinienspektren produzieren, die Stoßprozesse für die Einstellungdes Ionisationsgleichgewichtes nur sek<strong>und</strong>är sind, kann die Größenordnungder <strong>Nebel</strong>dichte abgeschätzt werden. Dazu ist lediglich zu berücksichtigen,daß1. Stoßprozesse proportional zum Quadrat der Dichte sind2. in der Photosphäre des Zentralsterns Stöße bei einer Elektronen-Teilchenzahldichtevon n e ≈ 10 11 cm −3 kaum noch von Bedeutung sind3. aufgr<strong>und</strong> der gewaltigen <strong>Nebel</strong>durchmesser (≈ 0.1pc) das Strahlungsfelddes Zentralsterns extrem geometrisch verdünnt ist (VerdünnungsfaktorW (r) ≈ (R ∗ /2r) 2 ; bei R ∗ ≈ R ⊙ , r ≈ 0.1pc folgt W ≈ 10 −14 )<strong>und</strong> demgemäß die Anzahl der dominierenden Strahlungsprozesse umdiesen Faktor reduziert ist.Mit der genäherten Annahme, daß das Verhältnis von Strahlungs– zuStoßprozessen im <strong>Nebel</strong> vergleichbar mit dem entsprechenden Verhältnis inden äußeren photosphärischen Schichten des Sterns ist, so erhält man eineElektronendichte vonn e ≈ [(10 11 ) 2 · 10 −14 ] 1/2 cm −3 = 10 4 cm −3Anmerkung: Eine präzise Bestimmung der Elektronendichte erfolgt durcheinen Vergleich der Intensitäten benachbarter verbotener Linienübergänge(s. Osterbrock, 1974, ”Astrophysics of Gaseous Nebulae“, Kap.5.5).Geringfügig schwieriger ist die Bestimmung der <strong>Nebel</strong>temperatur, die ausder Bilanzierung von Heiz- <strong>und</strong> Kühlungsprozessen ermittelt wird. Die Problematikbesteht darin, daß zwar die Photoionisation der einzige Heizmechanismusist, aber die Kühlung nicht von der Rekombination sondern von stoßangeregterLinienstrahlung dominiert wird. Obwohl Stoßprozesse vergleichsweiseselten sind, entziehen sie aufgr<strong>und</strong> der Vielzahl tiefliegender Energieniveausder Metalle (Z > 2) dem Plasma stetig Energie, die dann durch spontaneLinienübergänge in Form von Photonen abgestrahlt wird. Diese Prozessesind effizient genug, um den <strong>Nebel</strong> gegenüber der Effektivtemperatur desSterns erheblich abzukühlen, so daß sich eine <strong>Nebel</strong>temperatur von 10–20kKeinstellt. (Anmerkung: Aus der Beobachtung läßt sich die <strong>Nebel</strong>temperaturauf ähnliche Weise wie die Dichte bestimmen, s.Osterbrock, Kap.5.5)8


4 Planetarische <strong>Nebel</strong> als” Photonentransformatoren“In ähnlicher Weise wie ein Fernsehapparat ein Bildschirm für unsichtbareElektronenstrahlen ist, ist der Planetarische <strong>Nebel</strong> ein Bildschirm für dieUV-Photonen seines Zentralsterns. Diese Aussage wird deutlich, wenn manden Prozeß, dem Planetarische <strong>Nebel</strong> unterliegen, im Detail betrachtet.Der gr<strong>und</strong>legende Prozeß besteht darin, daß der <strong>Nebel</strong> nicht beobachtbareLyman-Quanten des Zentralsterns absorbiert (führt zur Photoionisation) <strong>und</strong>in Folge von Rekombination <strong>und</strong> darauf folgender spontaner Emission beobachtbareQuanten emittiert. Dabei entspricht im zeitlichen Mittel dieAnzahl der Ionisationen der Summe der Rekombinationen. DieserSachverhalt wird mit dem Begriff Ionisationsgleichgewicht beschrieben. Der<strong>Nebel</strong> fungiert gleichsam als Photonen- ”Transformator“.Weiterhin geht man davon aus, daß der <strong>Nebel</strong> wegen seiner großen geometrischenAusdehnung im Lyman-Kontinuum optisch dick ist <strong>und</strong> folglich allevom Zentralstern emittierten ionisierenden Photonen absorbiert.Dies ist das Kernstück der hier verwendeten Theorie:Pro Zeiteinheit entspricht die Anzahl der ionisierenden Photonender Zahl der Ionisationen <strong>und</strong> diese wiederum der Zahl derRekombinationen.Mathematisch läßt sich dieser Sachverhalt wie folgt darstellen: Sei L νdie Leuchtkraft des Sternes bei der Frequenz ν in erg/s/Hz. Die Anzahl derionisierenden Quanten erhält man dann, indem man L ν durch ein Quant derEnergie hν teilt <strong>und</strong> über alle Frequenzen jenseits der Ionisationskante (hier:Lyman-Kante für H oder He) integriert.N Ion =∫∞ν LyL νhν dνDie Anzahl der Rekombinationen hängt von der Elektronenzahldichte n e , derProtonenzahldichte n p <strong>und</strong> dem totalen Rekombinationskoeffizienten abzüglichder Rekombination zum Gr<strong>und</strong>zustand, α 2 (T ), ab:∫N Rec = n e n p α 2 (T ) dVV9


mitMit N Ion = N Rec sieht man:α 2 (T ) =∞∑l=2˜α l (T )∫∞ν Ly∫L νhν dν =Vn e n p α 2 (T ) dV (1)Die linke Seite von Gl.(1) kann man sich relativ einfach beschaffen: das spektraleVerhalten des Zentralsterns ist im Idealfall durch T eff <strong>und</strong> log g bestimmt<strong>und</strong> kann (im einfachsten Fall) durch die Planck-Funktion B ν (T eff )oder durch eine Modellatmosphäre F ν (T eff , log g) beschrieben werden. Wennes gelingt, die rechte Seite von Gl.(1) zu berechnen, kann man durch eineneinfachen Vergleich mit einem dieser Modelle die Effektivtemperatur des Zentralsternsbestimmen.Man benützt jetzt den ”Bildschirmcharakter“ des <strong>Nebel</strong>s <strong>und</strong> betrachtetdie beobachtbare Größe L ll ′, mitL ll ′ = hν ll ′∫Vn l A ll ′ dV (2)die die insgesamt emittierte Leuchtkraft einer bestimmten Emissionslinie vomNiveau l nach l ′ (z.B. Hβ, l = 4, l ′ = 2) beschreibt. n l ist die Besetzungszahldes oberen Niveaus der Linie, A ll ′ der Einsteinkoeffizient der spontanenEmission. Man teilt nun diese Größe durch Gl.(1) <strong>und</strong> bekommt:∫nL ll ′/hν l A ll ′ dVll ′ V∞∫=L νdν ∫n e n p α 2 (T ) dVhνν LyVIn der sogenannten ”on the spot approximation“ nimmt man an, daß dieGleichung nicht nur über den ganzen <strong>Nebel</strong> sondern auch ”lokal“ erfüllt ist,<strong>und</strong> man kann schreiben:L ll ′/hν ll ′∞∫≈ n lA ll ′L νdν n e n p α 2 (T )hνν Ly(3)10


Gl.(3) enthält nun die bemerkenswerte Aussage, daß die Zahl der Photonen,die der <strong>Nebel</strong> in einer bestimmten Spektrallinie emittiert, proportional zurZahl der Photonen ist, die der Zentralstern im Lyman-Kontinuum emittiert(Zanstra, 1931, Publ.Dom.Astrophys.Obs.4,209).Mit der Beziehung: F ll ′/F refλ = L ll ′/L refλ (Die mit F bezeichneten Größenbeschreiben beobachtete Flüsse, ref“ bezieht sich auf eine beliebige Referenzfrequenzin einen Bereich ohne Emissionslinien, d.h. man sieht ausschließ-”lich die stellare Strahlung. Im visuellen Bereich verwendet man i.a. λ ref =5480Å. ll ′ bezieht sich auf die gewählte Emissionslinie, üblicherweise Hβ oderHe4686.) kann man Gl.(3) zweckmäßig umschreiben:Z :=∞∫ν Lyn l A ll ′= hν ll ′L νdν n e n p α 2 (T )hνLref λF refλF ll ′(4)Z definiert dabei das sogenannte ”Zanstra-Verhältnis“.Die linke Seite kann nun zur Bestimmung der Effektivtemperatur desZentralsterns verwendet werden, entweder approximativ durch die Planckfunktionoder besser (?) mit dem Ergebnis einer Modellatmosphäre:B refλ (T eff)∞∫ B ν(T eff )hνν Lydν= Z theo = F ref,modλ (T eff , log g)∞∫ν LyFν mod (T eff ,log g)dνhν(5)Trotz dieser nicht tricklosen Vorgehensweise (Harman <strong>und</strong> Seaton, 1966,MNRAS 132,15 für die speziell Interessierten) verbleibt uns das Problem,die rechte Seite von Gl.(3) zu berechnen. Dem wollen wir uns jetzt zuwenden.Die eigentliche Schwierigkeit stellt dabei die Berechnung der Besetzungszahlendar. In Gl.(4) will man die Besetzungszahl n l als Funktion der Dichtenn e n p ausdrücken. Man benötigt dafür die Gleichungen des statistischenGleichgewichts, die aber für Planetarische <strong>Nebel</strong> wegen des extremen non-LTE (s.o.) besonders einfach sind. Zu berücksichtigen sind lediglich die Rekombination<strong>und</strong> die Kaskadierung zum Gr<strong>und</strong>zustand.∞∑n e n p α l (T ) + n l ′A l ′ l = n l A l ∀l (6)l ′ >l11


wobeiA l =∑l−1A ll ′l ′ =2Der physikalische Sachverhalt wird klarer, wenn man die WahrscheinlichkeitP l ′ l einführt, mit der ein direkter Strahlungsübergang von l ′ nach l erfolgt:P l ′ l = A l ′ lA l ′(7)Damit kann man Gl.(6) auf folgende Weise anschaulicher schreiben:n l = n e n p[( αl +∞∑l ′ =l+1α l ′P l ′ l +∞∑l ′ −1 ∑l ′ =l+2 l ′′ =l+1α l ′P l ′ l ′′P l ′′ l + · · · )/ A l](8)In der dargestellten Reihenfolge beschreiben die einzelnen Terme in den eckigenKlammern die Population des l-ten Levels durch:• direkte Rekombination nach l• Rekombination zu einem höheren Niveau gefolgt von einem direktenStrahlungsübergang nach l• Rekombination zu einem höheren Niveau <strong>und</strong> Kaskadierung nach l übereinen Zwischenzustand• · · · über zwei Zwischenzustände · · ·Die eckige Klammer kann somit für hydrogenische Atome berechnet <strong>und</strong>tabelliert werden (s.Tab.1). Die Tabellierung ist so gehalten, daß die Ladungsabhängigkeitz 2 in der Temperatur T des Plasmas bereits berücksichtigt ist.wobei gilt: T + := T/z 2 .n l = n e n p B(l, T + )/T 3/2 (9)Setzt man dies in Gl.(4) ein, bekommt man sofort:B(l, T + )A ll ′Z = hν ll ′T 3/2 α 2 (T )F refλF ll ′(10)Die A ll ′sind in Tab.2 für die wichtigsten H– <strong>und</strong> He–Linien angegeben.12


Es verbleibt noch die erheblich mühsamere Berechnung der Rekombinationskoeffizientenα 2 (T ) (Seaton, 1959, MNRAS 119,81), die aber durch folgendeFormel gut (zumindest für H <strong>und</strong> HeII) approximiert werden können:α 2 (T ) = Czx 1 2 (12 ln x + 0.469x− 1 3 − 0.3412 ) (11)Hierbei sind:z die KernladungszahlC = 5.197 · 10 −14x = 1.57890 · 10 5 z 2 /TT + = T/z 2 13


5 VersuchsdurchführungZiel des Versuches ist es, anhand der beobachteten Größen von NGC 6210 diegr<strong>und</strong>legenden Parameter des Zentralsterns – T eff , log g, M – zu ermitteln<strong>und</strong> damit die Entfernung des Systems <strong>und</strong> den Durchmesser des <strong>Nebel</strong>s zubestimmen.Letztlich soll auch die leuchtende Masse des <strong>Nebel</strong>s bestimmt werden,um damit das Entwicklungsszenario der Post-AGB-Objekte zu überprüfen.Demgemäß wäre zu erwarten, daß ein 1.5M ⊙ -Stern einen ZSPN von ca.0.8M ⊙<strong>und</strong> eine <strong>Nebel</strong>hülle von ca. 0.7M ⊙ ergibt.5.1 BeobachtungsmaterialDas Beobachtungsmaterial besteht im wesentlichen aus einem Spaltspektrum(s.Abb.3 als Beispiel), das u.a. die Emissionslinien Hβ, Hγ <strong>und</strong> HeII(λ4686)enthält. Mit einem symmetrischen Schnitt in Dispersionsrichtung kann manaus einem derartigen Spaltbild die spektrale Intensitätsverteilung der <strong>Nebel</strong>-Emissionslinien auf dem Hintergr<strong>und</strong> des Zentralsterns erhalten (beachte dieAufspaltung der Emissionslinien – Erklärung!).Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Linie des Spaltspektrums15


Abbildung 4: Rohbeobachtung eines SpaltspektrumsDarüberhinaus ist die vertikale Ausdehnung ein Maß für den Winkeldurchmesserder leuchtenden Fläche bei der entsprechenden Frequenz.Teil des Versuches wird es sein, sowohl die Winkeldurchmesser ϑ l (1“ˆ= 1.82 pix) als auch die frequenzintegrierten relativen Intensitäten f l derEmissionslinien von Hβ <strong>und</strong> HeIIλ4686 zu bestimmen. Um das ”seeing“ mitzu berücksichtigen werden außerdem die Halbwertsbreiten dieser Emissionslinien<strong>und</strong> des Sternscheibchens senkrecht zur Dispersionsrichtung benötigt.(Verständnisfrage: wie sind etwaige Unterschiede in den Winkeldurchmessernder Linien zu erklären?)Neben dem Spaltbild steht für NGC 6210 auch ein “high dispersion spectrum“von Hγ zur Verfügung. Die Apertur für diese Messung war so klein gehalten,daß praktisch nur der Zentralstern beobachtet wurde. In diesem Spektrumsind (neben den geschwächten <strong>Nebel</strong>emissionslinien) die photosphärischenAbsorptionsflügel deutlich erkennbar. Diese Absorptionsflügel werden16


Abbildung 5: Intensitätsdarstellung eines Spaltspektrumsdurch den Verbreiterungsmechanismus des (linearen) Stark-Effektes gebildet.Ihre Struktur ist deshalb vorwiegend von der Dichte in der Photosphäre desZentralsterns abhängig <strong>und</strong> damit von der Schwerebeschleunigung (s.Abb.4).Durch einen einfachen Vergleich mit theoretischen Linienpro<strong>file</strong>n, die für verschiedenelog g <strong>und</strong> T eff bereitstehen, kann also die Schwerebeschleunigungermittelt werden. Dies ist ebenfalls Teil der praktischen Durchführung.5.2 Bestimmung von T eff durch die Zanstra-MethodeWie wir in Abschnitt 4 gesehen haben, fungiert der <strong>Nebel</strong> als ”Photonentransformator“.Dieshat zur Folge, daß der Fluß einer <strong>Nebel</strong>emissionslinievon H oder He proportional zur Gesamtzahl der vom Stern emittierten Hoder HeII ionisierenden Photonen ist. Dieser von Zanstra erkannte Sachverhaltkann nun zur Bestimmung der Effektivtemperatur T eff des Zentralsternsherangezogen werden.17


Abbildung 6: Hγ Pro<strong>file</strong>Benötigte Werte <strong>und</strong> Beobachtungsgrößen• Fluß von Hβ (spaltlos) in erg/cm 2 /s:log F Hβ = −10.08(±0.3) + c• Extinktion:c = 0.09 ± 0.07• Fluß bei λ = 5480Å in erg/cm 2 /s/Å (Referenzfrequenz):F ref5480 = 3.65 · 10 −9 · 10 −0.4V 0wobeiV 0 = 12.9(±0.3) − 2.175c• <strong>Nebel</strong>temperatur (Elektronentemperatur):¯T neb = 9600K• Mittlere (Elektronen-) Teilchenzahldichte:¯n e = 5.1 · 10 3 cm −3 18


Der absolute Fluß (in erg/cm 2 /s) von Hβ, F Hβ ist aus einer spaltlosenMessung (d.h der komplette <strong>Nebel</strong> wurde ausgemessen) bereits bekannt(s.oben). Damit <strong>und</strong> mit den f l <strong>und</strong> ϑ l kann jetzt auch der absolute Fluß derHeII(λ4686)-Linie bestimmt werden (Achtung Fehlerquelle!).wobeiF Hβ = α Hβ f HβF He4686 = α He4686 f He4686α He4686 = α Hβ f(ϑ Hβ , ϑ He4686 ) (12)Der so erhaltene Fluß F He4686 muß noch um die Extinktion bei dieser Wellenlängevergrößert werden (+1.04c). Mit Gl.(10) kann man jetzt die beobachtetenZanstra-Verhältnisse jeweils für beide Linien berechnen (Verständnisfrage:warum kann man der Bestimmung mittels Hβ alleine nicht trauen?Hinweis: optische Tiefe für H <strong>und</strong> He, unterschiedliche Winkeldurchmesser).Die Effektivtemperatur kann nun mit Gl.(5) für beide Linien berechnetwerden, wobei sowohl die Planckfunktion (→ Teff) P als auch die Ergebnissevon non-LTE Modellatmosphären Anwendung finden sollen (→ TeffMod ). Siehedazu Tabelle III. Beachte, daß dort die Zahl der ionisierenden PhotonenN(H,He+) in 1/cm 2 /s <strong>und</strong> F λ in erg/cm 2 /s/Å angegeben sind.Bei einem möglichen Unterschied zwischen Teff P <strong>und</strong> TeffMod sollte im weiterenTeff P Verwendung finden. Der Gr<strong>und</strong> dafür liegt im Einfluß des Sternwindesauf die Besetzungszahlen.19


Abbildung 7: Ergebnisse von non-LTE Modellatmosphären20


5.3 Bestimmung der ZSPN-Masse <strong>und</strong> der Entfernungdes SystemsWie bereits dargelegt ist es bei Kenntnis von T eff <strong>und</strong> log g des Zentralsterns(hier: mit Zanstra-Methode <strong>und</strong> photosphärischem Hγ) möglich, die ZSPN-Masse durch einen Vergleich mit theoretischen Sternentwicklungsmodellen zuermitteln.Mit log g <strong>und</strong> M ∗ sind aber sofort der Sternradius <strong>und</strong> damit auch dieEntfernung des Sterns bekannt:d 2 · F ref5480 = R∗ 2 · F5480 Mod(13)R 2 = GM/g5.4 Bestimmung des Durchmessers <strong>und</strong> der Masse des<strong>Nebel</strong>sDer <strong>Nebel</strong>durchmesser wird üblicherweise aus der leuchtenden Fläche vonHβ ermittelt. Man benötigt dafür nur die Entfernung d <strong>und</strong> den bereitsbekannten Winkeldurchmesser ϑ Hβ :r Neb = 4.848 · 10 −6 ϑ Hβ2 d (14)Bei der Berechnung der <strong>Nebel</strong>masse nehmen wir einen sphärisch symmetrischen<strong>Nebel</strong> mit einer mittleren Dichte ¯ρ an <strong>und</strong> gehen weiter davon aus,daß nur ein Bruchteil ɛ des Gesamtvolumens V zur Masse beiträgt:M Neb = V ɛ¯ρ¯ρ = ¯n p (1 + 4y)m H≈ ¯n e11.13 (1 + 4y)m H (15)wobeiy := n He /n H = 0.1Der ”filling factor“ ɛ läßt sich am einfachsten aus der beobachteten FlußgrößeF Hβ berechnen. Dabei gehen wir von Gl.(2) sowie von der Annahmeeiner mittleren Dichte im Volumen ɛV aus :L Hβ = hν Hβ¯n 4 A 42 V ɛ (16)wobei:L Hβ = 4πd 2 F Hβ21


Abbildung 8: Entwicklungstracks der <strong>Zentralsterne</strong>22


Aus den Gln.(15), (16) <strong>und</strong> (9) folgen nun direkt die <strong>Nebel</strong>masse (Diskussion!)<strong>und</strong> der filling factor ɛ. Darüber hinaus kann jetzt auch der innereRadius der <strong>Nebel</strong>sphäre approximativ bestimmt werden, <strong>und</strong> mit der (ausder aus der Breite der Emissionslinien bekannten) Expansionsgeschwindigkeitv exp = 21km/s erhält man das kinematische Alter des <strong>Nebel</strong>s.Vergleicht man dieses mit dem aus den Sternentwicklungsrechnungen vorhergesagtenAlter, dann sieht man, daß das Entwicklungsszenario der Post-AGB-Objekte bereits sehr sicher / noch unsicher (?) ist. Die Zahlenangabenzu den Tracks in Tab.III sind in 1000 Jahren angegeben.23


6 AusarbeitungDie Ausarbeitung sollte im fortlaufenden Text folgende Aspekte berücksichtigen<strong>und</strong> diskutieren. Sie sind für das Verständnis wesentlich. Natürlichbraucht man sich nicht durch die Vorgaben eingeschränkt fühlen. Außerdemsind auch im fortlaufenden Text vereinzelt Fragen eingestreut, die gleichfallsberücksichtigt werden sollten.• Wie entsteht die Strahlung, die der <strong>Nebel</strong> im optischen Wellenlängenbereichemittiert?• Was versteht man unter dem Begriff Ionisationsgleichgewicht <strong>und</strong> welcheAnnahmen gehen ein? Warum wird dann bei der Berechnung destotalen Rekombinationskoeffizienten (z.B. für Wasserstoff) die Rekombinationzum Gr<strong>und</strong>zustand nicht mitberücksichtigt?• Wie sieht das beobachtete optische Spektrum des <strong>Nebel</strong>s qualitativaus?• Welcher Zusammenhang verbindet die (im optischen) beobachtbarenGrößen mit der Effektivtemperatur T eff des <strong>Zentralsterne</strong>s? (Wie istT eff definiert? Muß klar sein, aber nicht unbedingt in die Ausarbeitung)• Diskutiere die Zuverlässigkeit von T eff aus dem Fluß von Hβ. Warumist R(He4686) < R(Hβ)? (Anmerkung: Ionisationskante von HeII beiλ = 227.8Å, die von H bei λ = 911Å, Wien’scher Bereich)• Die relativen Flüsse der Emissionslinien von Hβ <strong>und</strong> HeII wurden anhandeines Spaltspektrums gewonnen. Wie erfolgt die Umrechnung desrelativen Flusses von HeIIλ4686 auf den absoluten mit Hilfe des absolutenFlusses von Hβ?Hinweis: Umrechnung von Winkeldurchmesser auf Fläche. Eigentlichtrivial, aber immer wieder Fehlerquelle.24


Hinweise für die quantitative Auswertung: Alle Größen beziehensich auf cgs-Einheiten, wobei Wellenlängen in Ångstroem <strong>und</strong> Frequenzen inHz anzusetzen sind.1. Berechne wahre Winkeldurchmesser ϑ Hβ <strong>und</strong> ϑ He4686 .Die gemessenen Spektren resultieren aus einer Faltung dreier Einflüsse:wahres Profil(Erd-)atmosphärisches ”seeing“Instrumentenprofil.Das Instrumentenprofil wurde bereits bei der graphischen Auswertungdurch Linearisierung der Schenkel berücksichtigt. Um das Seeing zuberücksichtigen, wird angenommen, daß ”wahres“ Profil <strong>und</strong> Seeing einGauss’sches Profil aufweisen. Bei der Faltung von Gauss-Funktionenaddieren sich die Halbwertsbreiten quadratisch.∆x 2 gem = ∆x 2 wahr + ∆x 2 See⇒∆x 2 gem = (f · ∆x gem ) 2 + ∆x 2 SeeDamit bekommt man die ”wahren“ Winkeldurchmesser.2. f Hβ , f HeII sind die relativen Flüsse. Berechne mit F Hβ <strong>und</strong> α Hβ jetztF HeII <strong>und</strong> α HeII . (Gl.(12) aus Anleitung)3. Damit (<strong>und</strong> mit Angaben aus Anleitung) berechne die Zanstra-VerhältnisseZ Hβ <strong>und</strong> Z He4686 . (Gl.(10) aus Anleitung)4. Aus B ν dν = B λ dλ berechne B λ .Damit berechne für einige T eff ∈ [40; 80]kK die Flüsse für λ = 5480Åinerg , also in cgs-Einheiten.cm 2 sÅZur Berechnung der Anzahl ionisierender Photonen für He <strong>und</strong> H ∫ ∞ν minB νhν dνverwende B ν in der Wien’schen Näherung.Dimension:1cm 2 sDamit ergeben sich die theoretischen Zanstra-Verhältnisse für die Planck’scheModellatmosphäre.25


Damit bestimme die zugehörigen Werte für T eff .Der Gr<strong>und</strong> für die Verwendung von B λ liegt in der Angabe der absolutenFlußwerte für Hβ aus der spaltlosen Messung in erg/cm 2 /s <strong>und</strong>für F λ=5480 in erg/cm 2 /s/Å.Des weiteren sind auch die Flüsse der Modellatmosphäre (Tab.III) in1/cm 2 /s/Å angegeben. Mit diesen Dimensionierungen sind die Vergleicheder Zanstra-Verhältnisse leichter möglich, da sie alle von vorneherein im gleichen Einheitensystem gegeben sind.5. Mit Tabelle III, (hydrostatische Modellatmosphäre) bestimme T Modeff<strong>und</strong> log g Mod (approximativ).6. Bestimme M ZSP N aus Entwicklungsrechnungen.7. Bestimme R ZSP N .8. Mit Tabelle III: bestimme den Abstand des Systems.9. Bestimme Radius, Masse <strong>und</strong> kinematisches Alter des <strong>Nebel</strong>s.Wo angebracht ist bei den Ergebnissen eine Fehlerüberlegung oder Plausibilitätsbetrachtungvorzunehmen, um zu überprüfen, ob die Ergebnisse auch(astro-)physikalisch sinnvoll sind. (z.B: d = 20 Mpc , R ZSP N = 0.0001R ⊙ ??)26

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