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Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

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132Schächten <strong>von</strong> Tierenratur, die sich mit Wertfragen auseinandersetzt, nicht bekannt. Nicht nuraktive Tierschützer sehen heute in Tieren „Subjekte des Lebens“, vielmehrentspricht diese Auffassung dem erfolgten Wertewandel in unsererGesellschaft, dem weder der OGH noch der VfGH ausreichend entsprochenhaben. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass der OGH zurAbstützung seiner Rechtsansicht ein VwGH-Erkenntnis aus dem Jahre1897 verwendet. Ob Probleme der Gegenwart mit Erkenntnissen des vergangenenJahrh<strong>und</strong>erts adäquat beantwortet werden können, ist zumindestzweifelhaft. In Bezug auf den gegenständlichen Anlassfall des Schächtens<strong>von</strong> Schafen meint der VfGH, dass der Tierschutz „insbesondere für dieöffentliche Ordnung nicht <strong>von</strong> derart zentraler Bedeutung“ ist, „dass erdas Verbot einer Handlung verlangt, die einem jahrtausendealten Ritusentspricht“. 38 In der Tat sticht dieses Argument nicht. Die Feststellung,dass es bestimmte Verhaltensweisen schon sehr lange gibt, sagt nochnichts über die Qualität derselben aus. Viele Religionen kennen Tier- <strong>und</strong>auch Menschenopfer. Man denke nur an die Aztekische Religion, in derMenschenopfer zum täglichen Ritual gehörten 39 , an die GermanischeReligion, in der vor allem den Göttern Tyr <strong>und</strong> Wodan Tier- <strong>und</strong> auchMenschenopfer dargebracht wurden 40 , die vergleichbaren Riten <strong>und</strong> Kulteder Inkas <strong>und</strong> Mayas 41 oder auch den Mithras-Mysterienkult, in dessenZentrum die Tötung eines Stieres als „kultische Vergegenwärtigung desMythos vom stiertötenden Mithras“ stand. All diese Religionen hatteneine lange Kulttradition, die aber alleine deswegen wohl keine Legitimationihrer zu hinterfragenden Riten für sich beanspruchen können. Ritualmorde<strong>und</strong> Ritualselbstmorde, wie sie in jüngster Vergangenheit <strong>von</strong>obskuren, meist eschatologisch ausgerichteten Religionsgemeinschaftenbekannt geworden sind, verdeutlichen noch mehr die Unmöglichkeit,Riten <strong>und</strong> Kulthandlungen durch die Zuordnung zum Bereich der Religions-<strong>und</strong> Bekenntnisfreiheit der geltenden Rechtsordnung quasi zu entziehen.Die Beurteilung des Schächtens als sozial adäquate Handlung durchOGH <strong>und</strong> VfGH, dass dieses sohin mit den Werten, die der österreichischenRechtsordnung zugr<strong>und</strong>e liegen, in Einklang stehe, ist mE daraufzurückzuführen, dass einerseits dem ethischen Aspekt, wie er heute <strong>von</strong>der Bevölkerung mehrheitlich vertreten wird, zu wenig Rechnung getragenwurde, andererseits die Tradition des den abrahamitischen Religionen________________38 Vgl VfGH 17.12.1998, B 3028/97-19, 13.39 Vgl Bellinger 44f.40 Vgl ebd 160f.41 Vgl ebd 229 <strong>und</strong> 304.

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