11.07.2015 Aufrufe

Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Zum</strong> Spannungsverhältnis <strong>von</strong> <strong>Verfassung</strong> <strong>und</strong> <strong>Strafrecht</strong> 147Konnexität zueinander. Die Menschenwürde als allgemeiner Wertungsgr<strong>und</strong>satzunserer Rechtsordnung 111 besagt, „dass kein Mensch jemals alsbloßes Mittel für welche Zwecke immer betrachtet <strong>und</strong> behandelt werdendarf“. 112 Was bedeutet das aber in Bezug auf eine Entscheidung, die denTod eines Menschen, im vorliegenden Fall eines Säuglings, bewusst inKauf nimmt? Wird hier nicht eine Glaubensdoktrin verzweckt, die mitmenschlichem Leben bezahlt werden muss? Überall dort, wo eine Doktrinüber das menschliche Lebensrecht gestellt wird, werden die unsererRechtsordnung zugr<strong>und</strong>e liegenden Werte <strong>und</strong> Normen gravierend verletzt.Die Verweigerung der lebensrettenden Blutaustauschtransfusion <strong>von</strong>Zeugen Jehovas für deren eigenes Kind stellt eine f<strong>und</strong>amentale doktrinimmanenteVerzweckung einer Lehre dar, die sämtlichen Gr<strong>und</strong>sätzenunserer Rechtsordnung widerspricht. 113 Die Absolutsetzung einer Doktringleich welcher Provenienz muss für einen demokratisch-freiheitlich denkenden<strong>und</strong> der Rechtsordnung verb<strong>und</strong>enen Staatsbürger immer fragwürdigsein, dies um so mehr, als sie den Tod <strong>von</strong> Menschen in Kaufnimmt. Die Absolutsetzung des Bluttransfusionsverbotes ist daher als einedurch nichts zu rechtfertigende Verzweckung einer Glaubensdoktrin zubewerten wie einst die Hexenverbrennungen in der Vergangenheit. Aufder Basis der unsere Gesellschaft <strong>und</strong> unsere Rechtsordnung prägendenWerte <strong>und</strong> Normen ist Achtung <strong>und</strong> Respekt vor dem Leben gefordert,„die in der Würde des menschlichen Lebens gründen <strong>und</strong> sich in denMenschenrechten, vor allem im Recht auf Leben, konkretisieren“. 114 DieseAchtung <strong>und</strong> dieser Respekt vor dem Leben muss <strong>von</strong> der Rechtsordnungvor allem dort erzwungen werden, wo Menschen hilflos sind <strong>und</strong>geschützt werden müssen, sie muss dort erzwungen werden, wo MenschenGefahr laufen, instrumentalisiert zu werden <strong>und</strong> einer Ideologieoder Doktrin zum Opfer zu fallen. 115 Hier treffen sich sittliche Norm <strong>und</strong>rechtliche Norm, Sozialstruktur <strong>und</strong> Rechtsstruktur, Ethik <strong>und</strong> Recht.________________111 Vgl <strong>Kap</strong> 2.1.112 Vgl VfGH 10.12.1993; G 167/92.113 Vgl dazu auch VfGH 11.3.1998, B 2287/97, insb die darin wiedergegebene Begründungfür die ablehnende Haltung des Kultusministeriums im Kontext des Bemühensder Zeugen Jehovas um Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft.114 Vgl Sagmeister in Rotter/Virt 423.115 „Ausnahmen“ vom absoluten Tötungsverbot wurden gemacht in der Frage derNotwehr <strong>und</strong> Nothilfe, der Todesstrafe oder auch der Tötung im „gerechten Krieg“.Zur Legitimation bediente man sich einer teleologischen Argumentation, „welche dieWerteinsichten <strong>und</strong> normativen Aussagen <strong>von</strong> ihren Bedeutungen, Wirkungen <strong>und</strong>Folgen her zu legitimieren versucht“. (Vgl ebd.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!