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Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

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144Verweigerte Bluttransfusion mit Todesfolge<strong>und</strong> Risikozusammenhang steht <strong>und</strong> auch die Risikoerhöhung gegenüberdem an der differenzierten Maßfigur gemessenen rechtmäßigen Alternativverhaltengegeben ist.4.3.2 Der verfassungsrechtliche SchutzbereichWenn Zeugen Jehovas die Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnen<strong>und</strong> sich dabei auf die Religions- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit 95 berufen,ist bei Berücksichtigung derselben „für Fragen der <strong>Strafrecht</strong>sdogmatikdeshalb äußerste Zurückhaltung geboten“, weil dieses Gr<strong>und</strong>recht „verfassungsrechtlichausdrücklichen Beschränkungen unterworfen“ ist. 96Nach Art 9 Abs 2 EMRK darf die Religionsfreiheit „nicht Gegenstandanderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einerdemokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse deröffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Moraloder für den Schutz der Rechte <strong>und</strong> Freiheiten anderer sind“. Dieser Gesetzesvorbehaltermächtigt die nationale Gesetzgebung, in den gr<strong>und</strong>rechtlichgeschützten Bereich der Religions- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit einzugreifen,wenn Verhaltensweisen, die sich auf diese Gr<strong>und</strong>freiheitenberufen, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung, Ges<strong>und</strong>heit<strong>und</strong> Moral oder die Rechte <strong>und</strong> Freiheiten anderer verletzen. Die Verweigerungder lebensrettenden Bluttransfusion durch die erziehungsberechtigtenEltern, in deren Folge das Kind stirbt, ist nicht durch die verfassungsrechtlicheGarantie der Religions- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit geschützt,weil sie dem Gesetzesvorbehalt in Art 9 Abs 2 EMRK widerspricht. Insbesondersverletzt das in Rede stehende Verhalten die Ges<strong>und</strong>heit sowiedie Rechte <strong>und</strong> Freiheiten des Kindes, aber auch die Moral. Es ist dahernicht möglich, die Verweigerung der Bluttransfusion, wenn sie im konkretenFall einem strafgesetzlichen Tatbild entspricht, durch Berufung aufdie Religions- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit zu rechtfertigen, auch wenn denErziehungsberechtigten uU ein Gewissenskonflikt zugestanden werdenmuss. Versuche, in diesem Kontext der Gewissensfreiheit mehr Raum zugeben, werden aber schon für die <strong>Strafrecht</strong>sdogmatik abgelehnt, weildiese „nicht wirklich dazu geeignet“ sind, „das intendierte Ziel zu verwirklichen“.97 Gr<strong>und</strong>sätzlich kann es sein, dass „auch Gewissensgründesolche Umstände darstellen können, die den Täter in eine Situation derBedrängnis bringen können, in der dann die Erfüllung einer konkreten________________95 Vgl dazu <strong>Kap</strong> 2.5.4, <strong>Kap</strong> 2.5.5 <strong>und</strong> <strong>Kap</strong> 2.5.6.96 Vgl Lewisch 359 unter Bezugnahme auf Triffterer.97 Vgl Lewisch 364.

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