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Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

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<strong>Zum</strong> Spannungsverhältnis <strong>von</strong> <strong>Verfassung</strong> <strong>und</strong> <strong>Strafrecht</strong> 143Täter pflichtwidrig unterlassenen Handlung hinzugedacht wird“. 91 Wirddies bejaht 92 , liegt eine objektive Zurechenbarkeit des Todeserfolges vor,die der Arzt zu verantworten hat. 93 Im gegenständlichen Fall stellen dieBluttransfusion <strong>und</strong> die alternative Behandlungsmethode keine gleichwertigenAlternativen dar. Die differenzierte Maßfigur würde zweifellos dieBlutaustauschtransfusion als die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitzur Abwendung des Todes führende Methode anwenden,um das Leben des Säuglings zu retten, <strong>und</strong> die riskantere Behandlungsalternativeverwerfen. Dies um so mehr, wenn mit der Alternativmethodenoch keine gesicherten Erfahrungswerte vorliegen, während Bluttransfusionenzum medizinischen Alltag gehören. Lediglich dann, wenn die alternativeBehandlungsmethode in jeder Hinsicht mit der traditionellenBluttransfusion vergleichbar <strong>und</strong> gleichwertig wäre, würde schon derVorwurf der Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht nicht greifen. Diedifferenzierte Maßfigur lässt sich durch die <strong>von</strong> den Erziehungsberechtigtenverweigerte Einwilligung in die Bluttransfusion nicht <strong>von</strong> seiner genuinärztlichen Aufgabe, Leben zu retten, abbringen. Sie weiß <strong>und</strong> darf daraufvertrauen, dass die notwendige Einwilligung durch das Gericht nach §178 ABGB substituiert wird. Wenn dafür die Zeit fehlt, so kann der Arztden <strong>von</strong> den Erziehungsberechtigten verweigerten Eingriff nach den Regelnder mutmaßlichen – gerichtlichen – Einwilligung, <strong>und</strong> insofern gerechtfertigt,vornehmen. Insgesamt gewährleisten diese Regeln, dass derArzt die lebensrettende Behandlung des Kindes auch gegen den Willender Erziehungsberechtigten vornehmen kann <strong>und</strong> auch muss, ohne sichnach § 110 StGB der eigenmächtigen Heilbehandlung schuldig zu machen.94 Im gegenständlichen Fall ist der Straftatbestand der fahrlässigenTötung iSd § 80 StGB in der Qualifikation des § 81 Z 1 StGB durch denArzt erfüllt, da dieser – wie dargestellt – die objektive <strong>und</strong> subjektiveSorgfaltspflicht verletzt <strong>und</strong> der Tod des Kindes als Erfolg der Unterlassungnicht nur im Kausalzusammenhang, sondern auch im Adäquanz-________________91 Vgl Hauptmann in WK § 92 Rz 15.92 Hier ist den SV-Gutachten eine besonders wichtige Bedeutung beizumessen.93 Burgstaller vertritt in Bezug auf die Erfolgszurechnung bei Unterlassung dieRechtsmeinung, dass für die objektive Erfolgszurechnung der bloße Nachweis, dassdie vom Täter zu verantwortende Unterlassung das Risiko des Todeseintrittes erhöhthat, weil die Wahrscheinlichkeit dieses Erfolges bei Setzung des gebotenen Tuns geringergewesen wäre, nicht ausreicht. (Vgl Burgstaller in WK § 80 Rz 57.) DieserAnsatz ist – gerade auch im Hinblick auf den gegenständlichen Fall – kritisch zu hinterfragen,da dies im medizinischen Bereich zu fatalen Folgen führen könnte.94 Vgl Lewisch 361.

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