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Kap 4: Zum Spannungsverhältnis von Verfassung und Strafrecht - KHA

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142Verweigerte Bluttransfusion mit Todesfolge‚die auch nur das Geringste dazu beigetragen hat, dass der Erfolg in seinerkonkreten Gestalt eingetreten ist“ 86 , ist bei der „Handhabung des praktischbesonders wichtigen Risikozusammenhanges“ vor allem „der fürdiese Zurechnungsvoraussetzung konstitutive Schutzzweck der übertretenenSorgfaltsnorm“ hinreichend zu konkretisieren. 87In Bezug auf den gegenständlichen Fall unterlässt der Arzt auf Drängender Eltern die notwendige Blutaustauschtransfusion am unmündigenOpfer, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod desKindes verhindert hätte, <strong>und</strong> wendet eine im Verhältnis zur Blutaustauschtransfusionriskantere alternative Behandlungsmethode an, die denEintritt des Erfolges nicht verhindern kann. Sowohl das ärztliche Ethos,das im Eid des Hippokrates eine allseits anerkannte Formel gef<strong>und</strong>en hat,als auch die einschlägigen Gesetze im medizinischen Bereich sowie diesogenannten ärztlichen Kunstregeln zielen auf die Erhaltung des Lebens.Letztere sind in der medizinischen Wissenschaft als der „gesicherte Bestandan gr<strong>und</strong>legenden Verhaltensanweisungen zu verstehen, die unterkeinen Umständen verletzt werden dürfen“. 88 Der Arzt, der die rettendeBluttransfusion unterlässt, verletzt damit nicht nur die objektive Sorgfaltspflicht,sondern auch den Schutzzweck der angeführten Normen, weiler als Arzt das Leben des Kindes unter allen Umständen zu retten <strong>und</strong>alles zu unternehmen hat, um den Tod des Kindes zu verhindern. Eine inconcreto religiös motivierte Weigerung der Erziehungsberechtigten, dieBluttransfusion vorzunehmen, enthebt ihn nicht der Verpflichtung, Lebenzu erhalten. Mit seiner Unterlassung der lebensrettenden Maßnahme konstituiertder Täter einen (Quasi-)Kausalzusammenhang. Aber auch Adäquanz-<strong>und</strong> Risikozusammenhang als konstitutive Elemente der Tatbestandsverwirklichungliegen vor, weil der Täter bereits zum Zeitpunkt derUnterlassung den Tod des Kindes objektiv befürchten muss, mit seinerEntscheidung, anstelle der Bluttransfusion eine im Gegensatz dazu riskantereAlternativbehandlung anzuwenden, „den Bereich des vom Rechtvielfach tolerierten Risikos überschreitet“ 89 <strong>und</strong> damit eine „Risikoerhöhunggegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten“ konstituiert. 90 Für dieZurechnung des Erfolges kommt es darauf an, „ob der Erfolg mit an Sicherheitgrenzender Wahrscheinlichkeit wegzudenken ist, wenn die vom________________86 Vgl ebd Rz 59.87 Vgl ebd Rz 62.88 Vgl ebd Rz 46, unter Bezugnahme auf Holczabek.89 Vgl ebd Rz 10.90 Vgl ebd Rz 56.

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