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Dank und Abschied - "Du führst mich hinaus ins Weite" - in Roxel

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Predigt des Pfarrers Dr. Norbert Tillmannanl. se<strong>in</strong>er Verabschiedung <strong>in</strong> derEucharistiefeier am 11.10.2009<strong>Du</strong> führst <strong>mich</strong> <strong>h<strong>in</strong>aus</strong> <strong><strong>in</strong>s</strong> WeiteLiebe Geme<strong>in</strong>de, liebe Gäste!<strong>Abschied</strong> <strong>und</strong> AufbruchDie St<strong>und</strong>e des <strong>Abschied</strong>s ist da! Heute feiereich mit Ihnen <strong>in</strong> St. Pantaleon me<strong>in</strong>enletzten Sonntagsgottesdienst. In den Herbstferienwerde ich dann me<strong>in</strong>e Sachen ordnen<strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Koffer packen <strong>und</strong> vom Münsterland<strong><strong>in</strong>s</strong> Osnabrückerland umziehen. Das istnun schon der zwölfte Umzug <strong>in</strong> me<strong>in</strong>emLeben, <strong>und</strong> ich sollte <strong>mich</strong> eigentlich darangewöhnt haben, aber auch diesmal b<strong>in</strong> ichwieder sehr aufgeregt <strong>und</strong> mache mir vieleSorgen. Ich schwebe sozusagen zwischen<strong>Abschied</strong>sdepression <strong>und</strong> Angst vor demunbekannten Neuem. Vielleicht liegt es daran,dass mit den Jahren die jugendlicheAufbruchsbereitschaft abnimmt. Je älterman wird, um so mehr sehnt man sich nache<strong>in</strong>em Ort, wo man bleiben kann. Aber wennich <strong>in</strong> die Bibel - dem wichtigsten Reiseführerme<strong>in</strong>es Lebens - schaue, ist ganz e<strong>in</strong>deutig,dass wir unsere Wurzeln woandershaben sollten als <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er heimatlichenScholle.Der weite RaumNach jüdisch-kabbalistischer Vorstellung iste<strong>in</strong>er der geheimen Namen Gottes „MAKOM“.MAKOM – das bedeutet übersetzt: der weiteRaum. Man fragte Rabbi P<strong>in</strong>chas:„Warum wird Gott ‚Ort’ (MAKOM) genannt?Freilich ist er der Ort der Welt; aber dannmüsste man ihn eben so nennen, <strong>und</strong> nichtOrt schlechth<strong>in</strong>.“ Er antwortete: „Der Menschsoll <strong>in</strong> Gott h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehen, dass Gott ihn umgebe<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Ort werde.“ (Buber, Erz. 226)Ich würde die Antwort des Rabbi P<strong>in</strong>chasgerne noch e<strong>in</strong> wenig ergänzen: Das ist dasZiel unseres Lebensweges, dass wir unsereWohnung <strong>in</strong> Gott f<strong>in</strong>den <strong>und</strong> er se<strong>in</strong>e Wohnung<strong>in</strong> uns. Gott möchte für se<strong>in</strong>e Geschöpfeder weite Raum se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem sie auflebenkönnen. E<strong>in</strong> weites Land, <strong>in</strong> dem sie zugleichfrei <strong>und</strong> geborgen s<strong>in</strong>d. „In ihm leben wir,bewegen wir uns <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d wir!“ (Apg 17,28)MAKOM – dieser schöne geheimnisvolleName Gottes – das ist der Ort, wo wir unsereWurzeln haben sollten.RückblickDennoch war <strong>Roxel</strong> e<strong>in</strong> Ort, an dem ich <strong>mich</strong>wohl gefühlt habe. Ich mochte die Kirche,die Landschaft <strong>und</strong> die Menschen. Besondersgerne denke ich an die vielen jungenFamilien, deren K<strong>in</strong>der ich taufen durfte <strong>und</strong>bei denen ich jede Woche zu Taufgesprächenzu Gast war. <strong>Dank</strong>bar b<strong>in</strong> ich auch fürdie treuen Gottesdienstbesucher, die Sonntagfür Sonntag <strong>und</strong> sogar werktags me<strong>in</strong>enAuslegungen der Heiligen Schrift aufmerksamzugehört haben. Unvergessen bleibenmir auch all die leidgeprüften Geme<strong>in</strong>demitglieder,denen ich <strong>in</strong> unterschiedlichstenTrauersituationen e<strong>in</strong> wenig Trost spendendurfte.E<strong>in</strong> Journalist wollte vor e<strong>in</strong>igen Tagen vonmir wissen, welche großen Taten ich <strong>in</strong> denvergangenen 7 Jahren <strong>in</strong> <strong>Roxel</strong> vollbrachthabe. Aber von welchen großen Taten sollich da erzählen? E<strong>in</strong> Jünger Jesu ist <strong>in</strong> ersterL<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> Gottsucher! Das ist das Allerwichtigste!Wenn er damit aufhört, wird allesandere verkehrt! Und e<strong>in</strong> Jünger Jesu hatAufgaben, die nur unsichtbare Spuren h<strong>in</strong>terlassen.Ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>drucksvollen Denkmäler,sondern Spuren <strong>in</strong> den Herzen der Menschen.So seltsam es für heutige Ohren kl<strong>in</strong>gt: Dieerste Aufgabe ist die Feier des Gottesdienstes<strong>und</strong> die Spendung der Sakramente. E<strong>in</strong>ungläubiger Zeitgenosse kann damit nichtsanfangen, aber gläubige Menschen wissen,wie gut es tut, mit Herz <strong>und</strong> M<strong>und</strong> das Lobliedder K<strong>in</strong>der Gottes anzustimmen <strong>und</strong> <strong>in</strong>heiligen Zeichen se<strong>in</strong>e Nähe zu erfahren.Solange wir Gottesdienst feiern, haben wirnicht vergessen, dass wir Gottes geliebteK<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> dass er es ist - <strong>und</strong> nichtetwa der Mensch - dem wir uns selbst <strong>und</strong>die großartigen W<strong>und</strong>er der Schöpfung verdanken.Die zweite Aufgabe ist die Weitergabe desGlaubens. In unzähligen Predigten habe ichversucht zu vermitteln, dass es gut ist, anGott zu glauben <strong>und</strong> dass es hilft, se<strong>in</strong> Lebenim Licht der Weisungen Gottes zu bedenken.Und <strong>in</strong> nicht weniger Katechesen27


für Kle<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Große habe ich versucht,weiterzugeben, dass der Glaube dem Lebengut tut, dass er nicht <strong>in</strong> die Enge, sondern<strong><strong>in</strong>s</strong> Weite führt, dass er Angst abbaut <strong>und</strong>Vertrauen aufbaut.Für die dritte Aufgabe ist unser Pfarrpatron,der Hl. Pantaleon, e<strong>in</strong> schönes Vorbild. Vonihm wissen wir ja nicht viel, aber immerh<strong>in</strong>doch, dass er Arzt war <strong>und</strong> sich um Notleidendegekümmert hat. Deshalb zählt er jaauch zu den Vierzehn Nothelfern. In unsererGeme<strong>in</strong>de gibt es e<strong>in</strong> ökumenisches Sozialbüro,die Münstertafel <strong>und</strong> die Aktionen„Von Mensch zu Mensch“" <strong>und</strong> „Tischle<strong>in</strong>deck dich“, wichtige Helfergruppen, derenArbeit nur von wenigen getragen <strong>und</strong> auchnur wenig gewürdigt wird. Darüber <strong>h<strong>in</strong>aus</strong>kl<strong>in</strong>geln jeden Tag im Pfarrhaus Menschen,die um Hilfe bitten, Obdachlose ebenso wiealle<strong>in</strong> erziehende Mütter, die nicht mehr wissen,was sie ihren K<strong>in</strong>dern zu essen gebensollen. Wir versuchen, ihnen mit unserenbescheidenen Mitteln e<strong>in</strong> wenig zu helfen.Da ich auf Stadtebene im <strong>in</strong>terreligiösenDialog engagiert b<strong>in</strong>, habe ich <strong>mich</strong>, so gutich konnte, außerdem um e<strong>in</strong>ige Migrantengekümmert.28AusblickWie geht es nun mit St. Pantaleon weiter?Die Weichen für die Zukunft s<strong>in</strong>d gestellt!Noch bilden wir mit Mecklenbeck <strong>und</strong>Albachten e<strong>in</strong>e Seelsorgee<strong>in</strong>heit, aber Seelsorgee<strong>in</strong>heitenhaben nach Auskunft derBistumsleitung im Bistum Münster ke<strong>in</strong>e Zukunft.So wird es über kurz oder lang zurFusion kommen, wobei ich mit ziemlicherSicherheit davon ausgehe, dass St. Pantaleonzur Hauptkirche <strong>und</strong> St. Anna <strong>und</strong> St. Ludgeruszu Filialkirchen bestimmt werden.Ich persönlich habe bekanntermaßen e<strong>in</strong>eAbneigung gegenüber großen Strukturen <strong>und</strong>Institutionen. Jesus hat uns gezeigt, dassGott nicht im Großen <strong>und</strong> Mächtigen, sondernim Kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Unsche<strong>in</strong>baren zu suchen<strong>und</strong> zu f<strong>in</strong>den ist. Der e<strong>in</strong>zelne Mensch,die menschliche Familie <strong>und</strong> die christlicheGeme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> der man sich kennt <strong>und</strong> unterstützt,s<strong>in</strong>d für die Bibel die bevorzugtenWohnorte Gottes. „Wo zwei oder drei <strong>in</strong>me<strong>in</strong>em Namen versammelt s<strong>in</strong>d, da b<strong>in</strong> ichmitten unter ihnen!“ (Mt 18,20) So gesehen,b<strong>in</strong> ich ganz froh, dass ich <strong>in</strong> den kommendenJahren wieder <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Diaspora-Geme<strong>in</strong>dentätig se<strong>in</strong> werde. Auch die Ökumene,die christliche wie die monotheistische,wird <strong>in</strong> den kommenden Jahren wieder e<strong>in</strong>egrößere Rolle <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben spielen. Dieökumenische Weite des Glaubens <strong>und</strong> dieVerständigung unter den Weltreligionen,s<strong>in</strong>d für <strong>mich</strong> persönlich Visionen, denen ich<strong>mich</strong> seit me<strong>in</strong>em Studium <strong>in</strong> Jerusalemverpflichtet weiß.Schalom chaverim! Lehitraot!Dennoch fällt mir der <strong>Abschied</strong> von der Pantaleon-Geme<strong>in</strong>deschwer. Ich werde <strong>in</strong> derkommenden Zeit sicher e<strong>in</strong>e ganze Weilemit e<strong>in</strong>em Trauerkloß im Magen herumlaufen<strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige Menschen sehr vermissen.Die Seele braucht ihre Zeit, um <strong>Abschied</strong>sschmerzzu verarbeiten <strong>und</strong> sich auf neueVerhältnisse e<strong>in</strong>zustellen. Etliche Menschenhaben <strong>mich</strong> <strong>in</strong> den vergangenen Tagen besucht,<strong>mich</strong> angerufen oder mir e<strong>in</strong>en Briefgeschrieben. E<strong>in</strong>em dieser Briefe war e<strong>in</strong>Text mit dem Titel Ermutigung beigelegt.Diesen möchte ich gerne zitieren, weil er<strong>mich</strong> sehr angesprochen hat:Schau noch mal zurückauf die vielen Schritte de<strong>in</strong>es Lebens -sie wurden zu de<strong>in</strong>em Weg, auf dem duzum unverwechselbaren DU geworden bist.Schau nach vorne auf das, was kommen wird -zuversichtlich, gelassen <strong>und</strong> neugierig.Aber vor allem: Lebe im Hier <strong>und</strong> Jetzt.Schau auf den göttlichen Glanz,der den heutigen Tag, diese St<strong>und</strong>e,jeden Moment, jede Begegnungzum kostbaren Geschenk macht.Wage de<strong>in</strong>en nächsten Schritt<strong>und</strong> achte auf das Licht über de<strong>in</strong>em Weg -<strong>Du</strong> bist nicht alle<strong>in</strong>.(Bernhard Kraus)In diesem S<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem Vertrauenmöchte ich den neuen Aufbruch wagen <strong>und</strong><strong>mich</strong> von Ihnen verabschieden mit den Wortene<strong>in</strong>es Liedes, das wir als Studenten <strong>in</strong>Jerusalem immer zum <strong>Abschied</strong> gesungenhaben:Schalom chaverim! Lehitraot! - Das heißtübersetzt:Friede für Euch, liebe Weggefährten!Bis zum Wiedersehen!Dr. Norbert Tillmann

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