Klinoskop 2/2009 - Klinikum Chemnitz
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Drei Patienten – drei Schicksale<br />
Regisseur Klaus-Gregor Eichhorn über seinen neuen Film –<br />
zahlreiche Drehorte im <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong><br />
Nein, kein Krankenhausfilm. Auch keine<br />
Abhandlung über Sterbehilfe. Oder über<br />
soziale Probleme. Oder den Kapitalismus.<br />
Nichts von alledem. „Drei Patienten” handelt<br />
von einer ganz einfach zu stellenden<br />
und gleichzeitig schier unmöglich zu beantwortenden<br />
Frage: Wie soll ich mich<br />
verhalten?<br />
Die „Automatenszene“ wird im Küchwald von Hauptdarsteller<br />
und Regisseur geprobt. So etwas ähnliches<br />
lief in diversen ironischen Varianten in der österreichischen<br />
Krimiserie „Kottan ermittelt“, die von 1976<br />
bis 1983 lief. Und Stefan Wancura ist Österreicher, er<br />
kennt sich bei „Kult-Kottan“ aus.<br />
Szenenprobe und Absprache im alten Foyer in der<br />
Flemmingstraße mit Stefan Wancura (r.), Claudia<br />
Kraus und Regisseur Klaus-Gregor Eichhorn.<br />
Ein Schmetterling in Japan<br />
Tagtäglich bewegen wir uns in einer Welt,<br />
die wir nicht verstehen und die uns immer<br />
komplizierter scheint. Ein Schmetterling<br />
in Japan verursacht Stürme in der Karibik.<br />
Eine Kaufentscheidung bei uns setzt den<br />
Arbeiter in China auf die Straße. Etwas,<br />
das heute und hier gut ist, kann sich morgen<br />
und in weiter Ferne in eine Katastrophe<br />
verwandeln.<br />
Es gibt nur Entscheidungen<br />
Der Notarzt Matthias Kurowski hat für sich<br />
eine Entscheidung getroffen: Er trifft nämlich<br />
keine Entscheidungen mehr. Tag für Tag<br />
funktioniert er scheinbar stoisch und gelassen<br />
in der Hektik des Medizinbetriebs, ohne<br />
innere Beteiligung, ohne Engagement und<br />
ohne Fragen. Mit Patienten, die er gerettet<br />
hat, spricht er nicht, denn er will nicht wissen,<br />
was aus seinen Handlungen wird: War<br />
es gut, dem Krebspatienten noch einen Monat<br />
zu schenken oder nicht? Das hat er ins<br />
Außerhalb seiner Wahrnehmung verdrängt.<br />
Handeln und Behandeln folgen bei ihm ausnahmslos<br />
den vorgeschriebenen Wegen des<br />
Gesetzes, denn er will nicht verantwortlich<br />
sein, für nichts: Sollte man den alten, kranken<br />
Mann noch wiederbeleben oder nicht?<br />
Die Frage braucht sich Dr. Kurowski nicht<br />
mehr zu stellen, denn er hat seinen Handlungsspielraum<br />
abgetreten, indem er nicht<br />
darüber nachdenkt. Der Komplexität der<br />
Realität begegnet er, indem er sich ihr verweigert.<br />
So kann er überleben, so kann ihm<br />
alles fern bleiben, so bewältigt er sein Leben<br />
- doch sein Umfeld, die Menschen um<br />
ihn herum müssen darunter leiden, denn<br />
er steht ihnen vollkommen teilnahmslos<br />
gegenüber.<br />
Positioniere dich<br />
Drei Patienten und ein junger, scheinbar<br />
etwas ungeeigneter Rettungssanitäter<br />
zwingen ihn, dieses Konstrukt zu verlassen:<br />
Ein alter Mann, ein junger Verkehrsrowdy<br />
und ein kleines Kind werden Dr. Kurowskis<br />
Gleichgültigkeit herausfordern, sie durchbrechen<br />
und entlarven als Verweigerung<br />
gegen seine persönliche Aufgabe und Verantwortung.<br />
„Drei Patienten” stellt die<br />
Beschwernisse der Postmoderne in einen<br />
dramatischen Rahmen, verdichtet sie auf<br />
Dreharbeiten im Anbau Flemmingstraße. In den neuen<br />
Patientenzimmern ging es mitunter eng zu. Wir stellten<br />
dem unabhängigen Team zahlreiche Drehorte gratis<br />
zur Verfügung, um diese <strong>Chemnitz</strong>er Filmproduktion<br />
überhaupt erst zu ermöglichen.<br />
Die Akteure<br />
Stefan Wancura war von 1997 bis 2001<br />
am Max Reinhardt Seminar in Wien, nahm<br />
2001 an einem Filmworkshop bei István Szabó<br />
teil. Bis 2008 spielte er am <strong>Chemnitz</strong>er<br />
Schauspiel tragende Rollen. Für Fernsehund<br />
Filmproduktionen wurde Wancura in<br />
den zurückliegenden Jahren gern gerufen.<br />
Claudia Kraus, Jahrgang 1978 und gebürtige<br />
Annabergerin, war von 2002 bis 2006<br />
am Staatstheater Wiesbaden engagiert.<br />
Seit dieser Spielzeit gehört sie zum Ensemble<br />
am Schauspiel <strong>Chemnitz</strong>. Auf der<br />
Bühne kann man sie als Gräfin Orsina in<br />
„Emilia Galotti“ und als Sophie Scholl als<br />
„Die weiße Rose“ erleben.<br />
Klaus Schleiff, Jahrgang 1939, wurde in<br />
der DDR durch die Hauptrolle im DEFA-Film<br />
„Drost“ einem größeren Publikum bekannt.<br />
Er war auf zahlreichen ostdeutschen Bühnen<br />
präsent. 1991 wechselte er fest ans<br />
Schauspiel <strong>Chemnitz</strong>, wo er auch im Pensionsalter<br />
weiterhin als Gast zu erleben ist.<br />
(kr)<br />
einprägsame Charaktere und mündet in einen<br />
leidenschaftlichen Aufruf: Stelle dich,<br />
positioniere dich, handle.<br />
Klaus-Gregor Eichhorn<br />
Regisseur und Autor<br />
Ein Foto in der nächtlichen Drehpause mit Stefan Wancura (l.), Klaus Schleiff und Klaus-Gregor Eichhorn. Der<br />
Kampf gegen die Müdigkeit beginnt. Fotos (4): Kreißig