Klinoskop 2/2009 - Klinikum Chemnitz
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Ein genetischer Wanderprediger<br />
Verabschiedung von Chefarzt, Kinderarzt und Genetiker Dr. med. Dietmar Müller im<br />
Februar diesen Jahres – Eine Erinnerung von Dr. Albrecht Kobelt<br />
Chefarzt Dr. Dietmar Müller als Kinderarzt,<br />
Chefarzt Dr. Dietmar Müller als Genetiker?<br />
Wo hört der eine Müller auf, wo fängt<br />
der andere an?<br />
Diese Trennung ist nur administrativ möglich,<br />
indem man Leiter der Neonatologie<br />
und Leiter eines Institutes für Medizinische<br />
Genetik ist. Im wirklichen Leben ist eine<br />
derartige Trennung nicht möglich, ja sogar<br />
vielleicht gefährlich.<br />
Die Klinische Genetik<br />
erwuchs aus der Klinik<br />
Insbesondere die Klinische Genetik erwuchs<br />
eben aus der Klinik, und welche Fachrichtung<br />
ist geradezu prädestiniert dafür? Die<br />
Kinderheilkunde. Jeder werdende Arzt wird<br />
während seiner Ausbildung mit genetischen<br />
Krankheitsbildern konfrontiert. Je nach Auf-<br />
Prof. Dr. Jürgen Klingelhöfer, Medizinischer Geschäftsführer<br />
der <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong> gGmbH, hielt die Laudatio<br />
auf Herrn Dr. Müller bei der offiziellen Verabschiedung<br />
durch das Unternehmen.<br />
fassung sind diese Krankheiten dann „Exoten“,<br />
seltene Dinge, fast Kuriositäten – ein<br />
Randgebiet, ein kleines Rinnsal im Strom<br />
des gesamten Fachgebietes. Doch wenn<br />
man die vielen angesprochenen Rinnsale<br />
der einzelnen Gebiete zusammenfasst, wird<br />
ein Fluss daraus, ja geradezu ein Ozean.<br />
Diese eigentliche Einheit von Klinik und klinischer<br />
Genetik konnte Herr Chefarzt Müller<br />
in einzigartiger Manier darstellen, ja geradezu<br />
vorleben. Jeder Ausbildungsassistent,<br />
der in der Säuglingsklinik Dienst tat - immer<br />
mit einem Facharzt im Haus als Hintergrund<br />
– kann sich an die zum Teil turbulenten, anstrengenden<br />
Dienste erinnern – besonders,<br />
wenn Herr Dr. Müller den Hintergrund stellte.<br />
Wenn Ruhe auf den Stationen war, wurden<br />
von ihm Syndrome gezeigt – per Dia oder<br />
Foto, beschrieben, verglichen mit Publikationen,<br />
die per Post – damals verbotenerweise<br />
– als Sonderdrucke den Briefkasten<br />
von ihm füllten. Es war nicht so, dass Bilder<br />
nur gezeigt wurden, nein, die ganzen Umstände,<br />
die zur Diagnosestellung führten,<br />
und waren es auch nur die Theorien, die in<br />
den jeweiligen Familien kursierten, wurden<br />
geradezu zelebriert. Aber – genau so prägt<br />
sich ein Syndrom eben besser ein. Nicht die<br />
Aufzählung der einzelnen Symptome ergibt<br />
ein Bild, sondern auch die Darstellung des<br />
gesamten Kindes und der familiären Umgebung.<br />
Einige Kollegen werden dies unter<br />
dem Begriff Anamnese wohl noch kennen.<br />
Die besondere Situation<br />
während der Dienste<br />
Aber noch einmal zu der Situation während<br />
der Dienste. Natürlich konnte nicht jeder<br />
Assistent diese Leidenschaft teilen, nur bei<br />
Prof. Dr. med. Stefan Mundlos vom Institut für Medizinische<br />
Genetik der Charité Berlin sprach auf der Vormittagsveranstaltung.<br />
wenigen schlug der Funke über, in diesem<br />
Gebiet einmal arbeiten zu wollen. Aber seine<br />
mitreißende Art, seine lebendige Erzählweise<br />
hat zumindest den Eindruck hinterlassen,<br />
dass bei Fehlbildungen immer nach<br />
einer Ursache gesucht werden sollte.<br />
Herrn Dr. Müllers Sicherheit in der Diagnosestellung<br />
bei genetischen Erkrankungen wie<br />
auch seine richtungsweisenden Gedanken<br />
sind ohne Zweifel beeindruckend, beruhen<br />
aber nicht auf reiner Intuition, sondern auf<br />
einer systematischen langen Arbeit, gepaart<br />
mit einem exorbitanten Erinnerungsvermögen.<br />
Dies ermöglichte ihm, Zusammenhänge<br />
zu erkennen, Verbindungen herzustellen,<br />
Theorien zu entwickeln.<br />
Dieses Lernen machte Spaß<br />
Das Lernen bei Herrn Chefarzt Dr. Müller<br />
machte Spaß, ungezählt sind die vielen<br />
Gespräche über Patienten, der Gedankenaustausch,<br />
sei es während der täglichen<br />
offiziellen Besprechungen oder im persönlichen<br />
Gespräch. Wer mit ihm gearbeitet<br />
hat, wird mit dem Genetik-Virus infiziert.<br />
Fast zwangsläufig endet ein Gespräch, das<br />
im medizinischen Bereich angesiedelt ist,<br />
in der Genetik. Aber sollte jemand deshalb<br />
glauben, dass es für ihn keine anderen Gesprächsthemen<br />
gibt, wird dieser schnell eines<br />
Besseren belehrt. Dies kann die Malerei,<br />
Mineralien, Pflanzen oder Geschichte sein,<br />
um nur einige zu nennen, in deren Gefilden<br />
er außerordentlich bewandert ist.<br />
Die Mitarbeiter des Genetischen Institutes,<br />
das in <strong>Chemnitz</strong> viele Bezeichnungen hatte,<br />
denken gern an die Arbeit mit unserem Chef<br />
zurück. An alles wurde gedacht: Als das<br />
Zentrum für Humangenetik noch im Haus<br />
Prof. Dr. med. Peter Meinecke aus Hamburg<br />
gehörte zu den Festrednern. Fotos (10): Fischer