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Juli 2011 - Der Neusser

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<strong>Neusser</strong> Kultur<br />

Saisonprogramm <strong>2011</strong>/12 im RLT<br />

Wo Woyzeck liebt und Lola besticht<br />

Das ist eine seltsame Sache mit der Liebe. Die einen reden von biochemischen<br />

Prozessen und Glückshormonen, die anderen sprechen<br />

von einer Art psychischem Delirium. Wie auch immer, wen die Liebe<br />

packt, der büßt einen Teil seiner „gesunden“ Realitätswahrnehmung<br />

ein, trübt freiwillig oder zwangsläufig sein Bewusstsein. Was dann<br />

passiert, macht Liebe nicht immer liebenswert und Leben nicht notwendig<br />

leichter. Aber es bringt die besten Geschichten hervor. Drum<br />

kann man gespannt auf die neue Saison am Rheinischen Landestheater<br />

sein, denn nach „Träumen“ und „Kämpfen“ lautet das Motto der<br />

kommenden Spielzeit: „Lieben“.<br />

Marion Stuckstätte<br />

Liebe kann Berge versetzen, Herzen brechen, Bäume ausreißen<br />

und blutende Wunden schlagen; die Geschichten, die die Liebe<br />

schreibt, werden in großen Bildern gebaut und schreien zum<br />

Himmel. Welches Gefühl hat solche Wucht und ist fast unumgänglich<br />

mit so vielen anderen verknüpft: mit Lust und Leidenschaft, mit<br />

Eifersucht, Enttäuschung und Hass, mit dem Empfinden von Fliegen<br />

und Fallen zugleich. Was anfängt, muss auch Ende haben oder<br />

begleitet einen in den Tod. Es gibt so viele innige Bekenntnisse, so<br />

sehnsuchtsvolle wie zerstörerische Liebeswege. In dieser Spielzeit<br />

werden sie erkundet, über unterschiedlichste Charaktere, über Epochen<br />

und Genre hinweg.<br />

Da wäre beispielsweise „Woyzeck“. Ein tragischer Fall und eine Geschichte<br />

nach einer wahren Begebenheit. Ein Werk von Georg Büchner,<br />

das der sozialkritische Autor 1836/37 im Alter von nur 23 Jahren<br />

kurz vor seinem Tod als Fragment verfasste. Woyzeck liebt seine<br />

Freundin Marie. Sie und das gemeinsame uneheliche Kind sind sein<br />

gesamter Lebensinhalt. Für sie lässt er sich erniedrigen, schlägt sich<br />

mit Gelegenheitsarbeiten durch, damit er ihre Existenz sichern kann.<br />

Er ist ein einfacher Soldat, der für den Hauptmann als Laufbursche<br />

arbeitet und seinen Sold aufbessert, indem er sich beim Arzt für<br />

dubiose wissenschaftliche Versuche zur Verfügung stellt. Alle seelischen<br />

und körperlichen Demütigungen erträgt er, um das bisschen,<br />

was er besitzt, nicht zu verlieren. Doch als er erfährt, dass Marie ihn<br />

betrügt, ist es an Einsamkeit, Missbrauch und Schmerzen zu viel. Aus<br />

Eifersucht beschließt er Maries Tod. Gewalt scheint für ihn der letzte<br />

Ausweg zu sein.<br />

Fassbinders „Lola“ mit Live-Band<br />

So mächtig und zersetzend kann die Liebe sein. Ähnlich wie in Goethes<br />

„Iphigenie auf Tauris“. Hier ist es Thoas, der alternde König der<br />

Insel, der die Zurückweisung von seiner Priesterin Iphigenie nicht<br />

erträgt. In seiner Kränkung führt er den Brauch der menschlichen<br />

Opfergabe wieder ein und verlangt von Iphigenie zwei Gefangene,<br />

ihren eigenen Bruder und seinen Freund, für die Göttin zu töten.<br />

Zwei Dramen, zwei Abiturstücke, aber Liebe wird auch heiter im RLT<br />

geboten. Die Boulevardkomödie „Cash – Und ewig rauschen die Gelder“<br />

von Michael Cooney (Jahrgang 1966) ist ein buntes Verwechslungsstück<br />

mit schwarzem Humor und turbulenter Situationskomik.<br />

„Clyde und Bonnie“ heißt das mehrfach ausgezeichnete Jugendstück<br />

von Holger Schober, ein B-Movie fürs Theater, schnell, frech und provokant,<br />

unter dem Credo: Gemeinsam gegen den Rest der Welt.<br />

Als Uraufführungpräsentiert<br />

das RLT<br />

eine Collage<br />

„Väter & Söhne“,<br />

die eine<br />

ganz eigene<br />

Art der Liebe,<br />

aus Erwartung<br />

und Stolz, erkundet.<br />

Als<br />

klassische Romanze<br />

steht<br />

Shakespeares<br />

„Das Wintermärchen“<br />

auf dem Programm.<br />

In<br />

John von DüffelsSchauspiel<br />

„Sieben<br />

Sonette“ aus<br />

dem Jahr 2008<br />

geht es um die Liebeswirren und erotisch-rätselhaften Fährten<br />

zweier extrem unterschiedlicher Männer. Auch Arthur Schnitzler<br />

lässt in „Liebelei“ gegensätzliche Liebeskonzepte aufeinanderprallen,<br />

erkundet die Psyche derer, die hinter Liebe, Lüge und<br />

Selbstbetrug stehen. Sein bereits 1895 uraufgeführtes Werk wurde<br />

1958 mit Romy Schneider und Alain Delon verfilmt.<br />

Ebenfalls einen bekannten Film gibt es zum Schauspiel des Saisonauftakts.<br />

Intendantin Bettina Jahnke bringt „Lola“ von Rainer<br />

Werner Fassbinder auf die Bühne, eine BRD-Geschichte um den<br />

Baulöwen Schuckert und die Prostituierte Lola, die mit namhaften<br />

Schauspielern wie Armin Mueller-Stahl, Barbara Sukowa und<br />

Mario Adorf auf der Leinwand erfolgreich war. Mit Live-Band und<br />

Ohrwürmern aus der Zeit des Wirtschaftswunders rückt die Inszenierung<br />

der Korruption der späten 50er Jahre zu Leibe, zeichnet<br />

eine Geschichte über käufliches Leben und ebensolche Liebe<br />

und über heuchlerische gesellschaftliche Moral.<br />

(Das gesamte Spielzeit-Programm „Lieben!“ <strong>2011</strong>/12 unter www.<br />

rlt-neuss.de)<br />

Fotos: Björn Hickmann / Stage Picture<br />

<strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> 07.<strong>2011</strong>

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