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Juli 2011 - Der Neusser

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Fotos: Veranstalter<br />

20<br />

<strong>Neusser</strong> Kultur<br />

Die Faszination des Shakespeare-Festivals<br />

As You Like It<br />

Sommer in Neuss ist Shakespeare-Zeit und der englische<br />

Sprachmeister geistert durch die Stadt und im<br />

Rennbahnpark umher. Seit 21 Jahren wird er in Neuss<br />

mit einem Festival geehrt. <strong>Der</strong> Event ist Publikumsmagnet,<br />

die Karten stets schnell ausverkauft. Denn<br />

Tja, was mag das sein…Eine erste Betrachtung unter dem Blickwinkel<br />

anderer, gern medial gefluteter Großevents wirft eine<br />

gewisse Skepsis auf das eher beschauliche, romantisch anmutende<br />

Treiben im Rennbahnpark. Da wäre einmal ein nostalgisches<br />

Holz-Stahl-Konstrukt im weißen Anstrich und mit schwarz-weiß<br />

gestreiften Fensterklappen, von dem wir wissen, dass es Shakespeares<br />

Original-Globe-Theater nachempfunden wurde. Ein annähernd<br />

runder Bau mit kleiner Bühne und zwei Emporen, mit Holzbänken<br />

bestückt, die nicht gerade den Sitzkomfort heutiger Theater<br />

offerieren. Technik gibt es nur in Maßen, Kulisse eher nicht und die<br />

Schauspieler laufen gern mal durchs Publikum.<br />

Anonymität wird hier nicht gewahrt, Distanz<br />

gibt es kaum, allein schon durch die Raumgröße;<br />

und visuelle Ablenkung sucht man erst gar nicht.<br />

Hier gibt es Bühne und Schauspiel – einfach, klar<br />

und unmittelbar.<br />

Unmittelbar – das muss man sich auf der Zunge<br />

zergehen lassen, genauso wie die Beschreibung<br />

‚einfach‘. Keine ausgefeilte Beschallung, aufwendige<br />

Light-, Sound- und Bühnentechnik oder gar<br />

Videoeffekte, darauf verzichtet man; bewusst.<br />

Es werden keine optischen und akustischen Visionen<br />

geboten. Nur Theater, nichts als Theater.<br />

Ja, wie spektakulär ist denn das? – Was entsteht,<br />

färbt sich im Kopf. Das ist Shakespeare, das ist<br />

elisabethanisches Schauspiel, das ist Globe und<br />

das ist das <strong>Neusser</strong> Festival. Aus dem Wort entspringt<br />

die Kraft, formt sich die Fantasie der<br />

Besucher ihre eigenen satten Bilder. Wahnsinn,<br />

Wahrheit und Wortgewalt – alles baut sich aus<br />

der Magie der Sprache und des Spiels, als sei<br />

ein Mehr an Kostüm und Kulisse nur bloße Ablenkung.<br />

Doch die Macht der Einbildung ist alles<br />

andere als schlicht, das wusste Shakespeare, das<br />

war sein Geheimrezept. Zu entfachen, was in<br />

uns selber lodert, ist die Kunst und die Faszination<br />

eines wahrhaft großen Spektakels. Das ist der<br />

Reiz. Das funktioniert.<br />

Genie, Geist und Gemütlichkeit<br />

Jetzt darf man nicht glauben, bei aller Konzentration<br />

aufs Wesentliche, das Festival hätte wenig<br />

zu bieten oder hier ginge es gar anstrengend<br />

trocken zu. Im Gegenteil. Das Programm spricht<br />

jedes Jahr für sich. Ein Kaleidoskop internationaler<br />

Kompanien, eine Mischung aus Komödie und<br />

Tragödie, aus moderner und klassischer Interpretation,<br />

aus Spiel und Theorie. Shakespeare auf<br />

die Besucher kommen lange nicht mehr nur aus dem<br />

<strong>Neusser</strong> Umland, nehmen weite Anreisen in Kauf,<br />

um einen Abend im Globe zu verbringen. Doch was<br />

macht eigentlich den Reiz des Festivals aus? Worin<br />

liegt der Erfolg begründet?<br />

Marion Stuckstätte<br />

Englisch, Deutsch, Französisch, Koreanisch… und was immer gerade<br />

spannend auf dem Shakespeare-Theatermarkt zu finden ist. Ein paar<br />

Altbekannte und immer was Neues, auch Gewagtes, das macht es<br />

interessant. Und rundherum ein stimmungsvolles Ambiente. Roter<br />

Samt im Lichte silberner Kerzenleuchter, Sofas, Sitzecken mit Kuschelkissen<br />

und lauschige Gartenplätze mit dekorierten Tischen.<br />

Dazu blinzelt Shakespeare von Plakaten, Büsten und Büchern herunter,<br />

wird die Vorstellung mit Rufen und Hand-Glöckchen eingeläutet.<br />

Es hat schon was fast Privates, was angenehm Gemütliches, dieses<br />

<strong>Neusser</strong> Shakespeare-Festival. Mögen es über 13.000 Besucher jährlich<br />

sein, die hier einziehen, allabendlich an die<br />

450 Gäste und mehr als dreißig Vorstellungen<br />

im Festivalmonat, so kennt das Publikum Hektik<br />

und Gedränge dennoch nicht. Hier wird geplaudert<br />

bei Wein, Bionade und Bier, werden Eis und<br />

Snacks bei untergehender Sonne und eingehendem<br />

Shakespeare-Zauber genossen. Ein Team<br />

von knapp 50 Helfern ist auf der Rennbahn im<br />

Einsatz, sorgt für das Wohl der Gäste.<br />

Mag man sich am Bücherstand oder durchs<br />

Shakespeare-Magazin informieren, am eigens<br />

fürs Festival kreierten Parfum schnuppern oder<br />

einen Shakespeare-Tee erwerben, es gibt einiges<br />

auf dem Festival-Gelände zu entdecken.<br />

Als Begleitprogramm werden Workshops und<br />

Education angeboten. Guten Zuspruch haben<br />

die Stück-Einführungen von Dr. Vanessa Schormann,<br />

die eine dreiviertel Stunde vor Vorstellungsbeginn<br />

mit Infos, Randgeschichten und Interviews<br />

das Publikum unterhält. Intellektuelle<br />

Anregung und gepflegte Entspannung, eine Basis,<br />

auf der Shakespeare in vollen Zügen wüten<br />

kann, Liebe, Hass und Leidenschaft über die<br />

Bühne toben lässt. Was ist, wird im Kopf. Dafür<br />

ist Shakespeare Meister; und das <strong>Neusser</strong> Festival<br />

ein ehrwürdiger Nährboden. Wer fragt da<br />

noch nach dem Erfolgsrezept? Man nehme Seele<br />

und Esprit, Muße und Gelassenheit und kitzle<br />

ein wenig mit klugen Wörtern an menschlicher<br />

Imagination. Und der Einzelne werde zum<br />

prächtigsten Bühnenbildner. „All the world’s a<br />

stage“, heißt es bei Shakespeare. Genie, Geist<br />

und Gemütlichkeit – ‚Was ihr wollt‘… und ‚Wie<br />

es euch gefällt‘…<br />

(Shakespeare-Festival noch bis zum 16. <strong>Juli</strong> im<br />

<strong>Neusser</strong> Globe Theater. Nähere Infos unter<br />

www.shakespeare-festival.de und unter Tel:<br />

01805 065 065)<br />

<strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> 07.<strong>2011</strong>

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