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Fotos: Veranstalter<br />
20<br />
<strong>Neusser</strong> Kultur<br />
Die Faszination des Shakespeare-Festivals<br />
As You Like It<br />
Sommer in Neuss ist Shakespeare-Zeit und der englische<br />
Sprachmeister geistert durch die Stadt und im<br />
Rennbahnpark umher. Seit 21 Jahren wird er in Neuss<br />
mit einem Festival geehrt. <strong>Der</strong> Event ist Publikumsmagnet,<br />
die Karten stets schnell ausverkauft. Denn<br />
Tja, was mag das sein…Eine erste Betrachtung unter dem Blickwinkel<br />
anderer, gern medial gefluteter Großevents wirft eine<br />
gewisse Skepsis auf das eher beschauliche, romantisch anmutende<br />
Treiben im Rennbahnpark. Da wäre einmal ein nostalgisches<br />
Holz-Stahl-Konstrukt im weißen Anstrich und mit schwarz-weiß<br />
gestreiften Fensterklappen, von dem wir wissen, dass es Shakespeares<br />
Original-Globe-Theater nachempfunden wurde. Ein annähernd<br />
runder Bau mit kleiner Bühne und zwei Emporen, mit Holzbänken<br />
bestückt, die nicht gerade den Sitzkomfort heutiger Theater<br />
offerieren. Technik gibt es nur in Maßen, Kulisse eher nicht und die<br />
Schauspieler laufen gern mal durchs Publikum.<br />
Anonymität wird hier nicht gewahrt, Distanz<br />
gibt es kaum, allein schon durch die Raumgröße;<br />
und visuelle Ablenkung sucht man erst gar nicht.<br />
Hier gibt es Bühne und Schauspiel – einfach, klar<br />
und unmittelbar.<br />
Unmittelbar – das muss man sich auf der Zunge<br />
zergehen lassen, genauso wie die Beschreibung<br />
‚einfach‘. Keine ausgefeilte Beschallung, aufwendige<br />
Light-, Sound- und Bühnentechnik oder gar<br />
Videoeffekte, darauf verzichtet man; bewusst.<br />
Es werden keine optischen und akustischen Visionen<br />
geboten. Nur Theater, nichts als Theater.<br />
Ja, wie spektakulär ist denn das? – Was entsteht,<br />
färbt sich im Kopf. Das ist Shakespeare, das ist<br />
elisabethanisches Schauspiel, das ist Globe und<br />
das ist das <strong>Neusser</strong> Festival. Aus dem Wort entspringt<br />
die Kraft, formt sich die Fantasie der<br />
Besucher ihre eigenen satten Bilder. Wahnsinn,<br />
Wahrheit und Wortgewalt – alles baut sich aus<br />
der Magie der Sprache und des Spiels, als sei<br />
ein Mehr an Kostüm und Kulisse nur bloße Ablenkung.<br />
Doch die Macht der Einbildung ist alles<br />
andere als schlicht, das wusste Shakespeare, das<br />
war sein Geheimrezept. Zu entfachen, was in<br />
uns selber lodert, ist die Kunst und die Faszination<br />
eines wahrhaft großen Spektakels. Das ist der<br />
Reiz. Das funktioniert.<br />
Genie, Geist und Gemütlichkeit<br />
Jetzt darf man nicht glauben, bei aller Konzentration<br />
aufs Wesentliche, das Festival hätte wenig<br />
zu bieten oder hier ginge es gar anstrengend<br />
trocken zu. Im Gegenteil. Das Programm spricht<br />
jedes Jahr für sich. Ein Kaleidoskop internationaler<br />
Kompanien, eine Mischung aus Komödie und<br />
Tragödie, aus moderner und klassischer Interpretation,<br />
aus Spiel und Theorie. Shakespeare auf<br />
die Besucher kommen lange nicht mehr nur aus dem<br />
<strong>Neusser</strong> Umland, nehmen weite Anreisen in Kauf,<br />
um einen Abend im Globe zu verbringen. Doch was<br />
macht eigentlich den Reiz des Festivals aus? Worin<br />
liegt der Erfolg begründet?<br />
Marion Stuckstätte<br />
Englisch, Deutsch, Französisch, Koreanisch… und was immer gerade<br />
spannend auf dem Shakespeare-Theatermarkt zu finden ist. Ein paar<br />
Altbekannte und immer was Neues, auch Gewagtes, das macht es<br />
interessant. Und rundherum ein stimmungsvolles Ambiente. Roter<br />
Samt im Lichte silberner Kerzenleuchter, Sofas, Sitzecken mit Kuschelkissen<br />
und lauschige Gartenplätze mit dekorierten Tischen.<br />
Dazu blinzelt Shakespeare von Plakaten, Büsten und Büchern herunter,<br />
wird die Vorstellung mit Rufen und Hand-Glöckchen eingeläutet.<br />
Es hat schon was fast Privates, was angenehm Gemütliches, dieses<br />
<strong>Neusser</strong> Shakespeare-Festival. Mögen es über 13.000 Besucher jährlich<br />
sein, die hier einziehen, allabendlich an die<br />
450 Gäste und mehr als dreißig Vorstellungen<br />
im Festivalmonat, so kennt das Publikum Hektik<br />
und Gedränge dennoch nicht. Hier wird geplaudert<br />
bei Wein, Bionade und Bier, werden Eis und<br />
Snacks bei untergehender Sonne und eingehendem<br />
Shakespeare-Zauber genossen. Ein Team<br />
von knapp 50 Helfern ist auf der Rennbahn im<br />
Einsatz, sorgt für das Wohl der Gäste.<br />
Mag man sich am Bücherstand oder durchs<br />
Shakespeare-Magazin informieren, am eigens<br />
fürs Festival kreierten Parfum schnuppern oder<br />
einen Shakespeare-Tee erwerben, es gibt einiges<br />
auf dem Festival-Gelände zu entdecken.<br />
Als Begleitprogramm werden Workshops und<br />
Education angeboten. Guten Zuspruch haben<br />
die Stück-Einführungen von Dr. Vanessa Schormann,<br />
die eine dreiviertel Stunde vor Vorstellungsbeginn<br />
mit Infos, Randgeschichten und Interviews<br />
das Publikum unterhält. Intellektuelle<br />
Anregung und gepflegte Entspannung, eine Basis,<br />
auf der Shakespeare in vollen Zügen wüten<br />
kann, Liebe, Hass und Leidenschaft über die<br />
Bühne toben lässt. Was ist, wird im Kopf. Dafür<br />
ist Shakespeare Meister; und das <strong>Neusser</strong> Festival<br />
ein ehrwürdiger Nährboden. Wer fragt da<br />
noch nach dem Erfolgsrezept? Man nehme Seele<br />
und Esprit, Muße und Gelassenheit und kitzle<br />
ein wenig mit klugen Wörtern an menschlicher<br />
Imagination. Und der Einzelne werde zum<br />
prächtigsten Bühnenbildner. „All the world’s a<br />
stage“, heißt es bei Shakespeare. Genie, Geist<br />
und Gemütlichkeit – ‚Was ihr wollt‘… und ‚Wie<br />
es euch gefällt‘…<br />
(Shakespeare-Festival noch bis zum 16. <strong>Juli</strong> im<br />
<strong>Neusser</strong> Globe Theater. Nähere Infos unter<br />
www.shakespeare-festival.de und unter Tel:<br />
01805 065 065)<br />
<strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> 07.<strong>2011</strong>