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Wolff plant: Schulen selbst schuld an Unterrichtsausfall - GEW ...

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FLZ Nr. 3/05 FORT (VON DER) BILDUNGSEITE 7Die SonntagsschuleDie Lehrer, die Fortbildung undder DienstherrAn der Kirchentür blieb Tom zurückund sprach einen sonntäglichgekleideten Kameraden <strong>an</strong>: „Sagmal, Bill, hast du einen gelbenZettel?“„Ja.“„Was willst du dafür?“„Was gibst du?“„Ein Stück Süßholz und einenAngelhaken.“„Lass mal sehen!“Tom zeigte seine Ware. Beidewaren einverst<strong>an</strong>den, und dieSchätze wechselten ihren Besitzer.Darauf h<strong>an</strong>delte Tom mit einigenweißen Murmeln drei rote Zettel,mit wieder <strong>an</strong>deren Kleinigkeitenauch noch ein paar blaue ein.Nach der Ankunft neuer Jungenfuhr er noch eine Zeitl<strong>an</strong>g fort,Zettel in den verschiedensten Farbenaufzukaufen. (...)Für das Auswendiglernen vonzwei Versen gab es nämlich einenblauen Zettel, zehn blaue hattenden Wert eines roten und konntendafür eingetauscht werden. Zehnrote Zettel wiederum warengleich einem gelben, und für zehngelbe Zettel schenkte der Predigerdem Schüler eine sehr einfach gebundeneBibel. (...)Nur ein Ding fehlte, um des HerrnPredigers Freudenrausch vollkommenzu machen: eine Gelegenheitzum Aushändigen einesEine peinliche Geschichtevon Mark TwainBibelpreises, um so die Wunderseiner Erzieherkunst ins richtigeLicht zu stellen. Wohl hatten einigeSchüler ein paar gelbe Zettel,aber keiner hatte genug; Waltershatte bereits bei allen Musterschülernherumgefragt.Aber gerade in diesem Augenblick,da er schon alle Hoffnungaufgegeben hatte, trat Tom Sawyermit neun gelben, neun rotenund zehn blauen Zetteln vor undbat um einen Buchpreis. Das warein Blitz aus heiterem Himmel!Ein Ersuchen aus diesem Mundehatte der Prediger innerhalb dernächsten zehn Jahre nicht erwartet.Dennoch gab es nichts dar<strong>an</strong>zu deuteln: Die Zettel waren daund in schönster Ordnung. Tomwurde also <strong>an</strong> den erhöhten Platzgeführt, wo die Richter und diesonstigen Auserwählten saßen,und die große Neuigkeit wurdevom Hauptquartier aus verkündet.(...)Sag dem Herrn auch deinenFamiliennamen, Thomas“, sagteder Prediger. „Und sag auch ‚HerrKreisrichter’. Du weißt doch, wassich gehört.“„Thomas Sawyer, Herr Kreisrichter!“„Also so heißt du! Du bist einbraver Junge! Ein hübscher Junge!Ein tüchtiger Kerl! ZweitausendVerse, das ist viel, außerordentlichviel. Aber die Mühe, diedir das Lernen gekostet hat, wirstdu nie bereuen, denn Wissen istmehr wert als sonst etwas in dieserWelt. Wissen macht die großenMänner und die guten Menschen.Auch du, Thomas, wirst einst eingroßer und guter M<strong>an</strong>n sein, undwenn du später auf die verg<strong>an</strong>genenZeiten zurückblickst, d<strong>an</strong>nwirst du dir sagen: Alles, was ichbin, verd<strong>an</strong>ke ich der Sonntagsschulemeiner Jugendzeit, meinenlieben Lehrern, die mich zum Auswendiglernen<strong>an</strong>gehalten haben,dem guten Herrn Prediger, dermich ermutigte und über mirwachte. (...)Das Ende dieser peinlichenGeschichte wird besser nicht erzählt.Auszüge aus„Die Abenteuer des Tom Sawyer“,Reutlingen 1949, S. 38–47Fortbildungspflicht alsAblenkungsm<strong>an</strong>över für die Versäumnisseim BildungssystemEin wunderbarer Anf<strong>an</strong>gAuf der Ver<strong>an</strong>staltung am 10.Oktober2005 in der Joh<strong>an</strong>n Wolfg<strong>an</strong>gGoethe-Universität wurdenunter dem Aufruf „Das Bildungswesenist kein Wirtschaftsbetrieb!“die fünf Einsprüche gegendie technokratische Umsteuerungdes Bildungswesens vorgestellt unddiskutiert. Ungefähr 220 Pädagoginnenund Pädagogen, Erziehungswissenschaftlerund <strong>GEW</strong>-Mitglieder waren gekommen, umsich gegen das „gig<strong>an</strong>tische Erziehungsexperiment“wie Radtke esn<strong>an</strong>nte zu wehren und sich dieFrage zu stellen „Wollen wir eigentlichmit Neuer Verwaltungssteuerungregiert werden?“ DieAntwort war ein deutliches NEIN!Auch Kollegen aus dem Fr<strong>an</strong>kfurterBezirksvorst<strong>an</strong>d erhobenihre Stimme. Klaus Schermelleh1. Wir wenden uns gegen die Illusioneneiner alle politischen Parteienübergreifenden Bildungspolitik,die das Bildungssystem nachbetriebswirtschaftlichen Musternin den Griff zu bekommen sucht.2. Wir widersprechen der völligirreführenden Behauptung, bei dergegenwärtigen Umorg<strong>an</strong>isationder Bildungsinstitutionen gehe esum mehr Autonomie von <strong>Schulen</strong>und Hochschulen.3. Wir halten es für einen folgenschwerenIrrtum, wenn behauptetwird, Erziehungswissenschaft erfülleihren öffentlichen Auftragnur d<strong>an</strong>n, wenn sie unmittelbarverfügbare und kurzfristig nutzbareErgebnisse für Politik und Praxiszeitige.4. Wir protestieren gegen die weitereAushöhlung von universitärenStudiengängen – insbesonderebetont, dass Bildung freie Entfaltungder Persönlichkeit bedeutet,wir dar<strong>an</strong> gehindert und auf Wirtschaftzugerichtet werden sollen.Heiner Becker sieht in den Einsprücheneinen Aufbruch ausscheinbarer Aussichtslosigkeit undweist darauf hin, dass die Erklärungin Europa bek<strong>an</strong>nt gemachtwerden muss. Es gibt eine internationaleBewegung gegen die Privatisierungvon Schule und Hochschuleund wir sind nicht so ohnmächtig.Benjamin Ortmeyer hebtneben dem ökonomischen Aspektdie Gefahren einer Veränderunghin zum autoritären Charakterhervor und stellt fest, dass dergebildete Mensch sich gegen Herrschaftwehren will. Er sieht in demAufruf einen wunderbaren Anf<strong>an</strong>g.„Das Bildungswesen ist keinWirtschaftsbetrieb!“auch in der Lehrerausbildung -durch ihre zunehmende Verschulung.5. Wir bezweifeln die vorherrschendeMeinung, die Festlegungund Durchsetzung von Leistungsst<strong>an</strong>dardszur Überprüfung vonBasiskompetenzen sei ein geeignetesMittel, um der demokratischenForderung nach größtmöglicherGleichheit der Bildungsch<strong>an</strong>cenGenüge zu tun.Andreas Gruschka(Fr<strong>an</strong>kfurt/M.), Ulrich Herrm<strong>an</strong>n(Tübingen),Fr<strong>an</strong>k-Olaf Radtke(Fr<strong>an</strong>kfurt/M.), Udo Rauin(Schwäb. Gemünd),Jörg Ruhloff (Wuppertal),Horst Rumpf (Fr<strong>an</strong>kfurt/M.),Michael Winkler (Jena)Fr<strong>an</strong>kfurt, den 7.9.05Der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnenund Lehrer beim StaatlichenSchulamt Fr<strong>an</strong>kfurt kritisiert zuSchuljahresbeginn die Versäumnisseder hessischen L<strong>an</strong>desregierungim Bildungssystem.Von m<strong>an</strong>gelndem Fortbildungswillender Lehrkräfte zu sprechenzeugt <strong>an</strong>gesichts der Zerschlagungdes in vielen Jahren bewährtenSystems staatlicher Fortbildungnicht nur von Zynismus, sondernauch von Unkenntnis der wahrenVerhältnisse. Ähnlich wie bei derUnterrichtsgar<strong>an</strong>tie werden auchhier der Bevölkerung Lügen aufgetischt,die von den wahren Versäumnissenin der Bildungspolitikablenken sollen.Die Nachweispflicht bzgl. Fortbildungfür Lehrkräfte, die zumSchuljahresbeginn 1.8.05 eingeführtwurde, bedeutet ein kleinkariertesKontrollsystem, das von dem „Institutfür Qualitätsentwicklung“gestützt, die Lehrkräfte <strong>an</strong>weist,ihre Fortbildungs<strong>an</strong>strengungenpenibel aufzulisten. Dabei gibt esin der Praxis eine Reihe ungelösterProbleme, da m<strong>an</strong> Träger von Ver<strong>an</strong>staltungen,die Lehrkräfte zuihrer Fortbildung nutzen wollen,nicht zwingen k<strong>an</strong>n, sich den Vorschriftendes Hessischen Kultusministeriumszu unterwerfen.Wer aber glaubt, dass das HessischeKultusministerium keineAnstrengung ungenutzt lässt, umFortbildungs<strong>an</strong>gebote für Lehrkräftebereit zu stellen, der irrt. Dasbestehende Fortbildungs<strong>an</strong>gebotsteht in keinem Verhältnis zurAnzahl der Lehrkräfte und ihremBedarf. Mit St<strong>an</strong>d 1.9.05 weisendie Fortbildungsseiten des HessischenKultusministerium Folgendesaus: das „Amt für Lehrerbildung“beispielsweise, das zentrale Fortbildungsver<strong>an</strong>staltungenfür alle ca.50 000 hessischen Lehrkräfte <strong>an</strong>bietensoll, geht zum Schuljahresbeginnmit 26 (!!!) Angeboten insRennen, davon 8 für das schulischeLeitungspersonal und 6 für Lehrkräfte,die in speziellen Funktionentätig sind. Das Staatliche SchulamtFr<strong>an</strong>kfurt, das als „regionales Bildungszentrum“für ca. 5 500 Fr<strong>an</strong>kfurterLehrkräfte fungiert, startetmit 15 Ver<strong>an</strong>staltungen, wobei Fortbildungin Fächern wie Deutsch,Mathematik, Physik, alle Sprachen,sowie für den gesamten Bereich derBeruflichen <strong>Schulen</strong> vollkommenfehlen.Dafür darf sich die Lehrkraftaber per Internet durch ein unübersichtlichesAngebot von 260 privatenFortbildungsträgern arbeiten,wobei unklar bleibt, ob die Kostenfür solche Fortbildungsmaßnahmenvom Arbeitgeber übernommenwerden, da der vom L<strong>an</strong>d zurVerfügung gestellte Etat hartnäckignicht beziffert wird.Der Gesamtpersonalrat derLehrerinnen und Lehrer bezeichnetdiese Situation als unerträglich. Esliegt im Interesse des Arbeitgebers,für die Fortbildung, den Erhalt undAusbau der beruflichen Quaifikationdes Personals zu sorgen und dieMittel hierfür bereit zu stellen. DerWeg in die Privatisierung und dieAbsicht, die Kosten den Lehrkräftenaufzubürden, ist der falsche Weg.Lehrerinnen und Lehrer aberhaben es satt, als Sündenböcke fürdie Versäumnisse <strong>an</strong>derer herhaltenzu müssen. Um die Defizite desBildungssystems zu beheben, fordernsie schon seit l<strong>an</strong>gem kleinereKlassen, mehr Zeit für die Kinderund Jugendlichen, Unterstützungdurch ein Netz von Psychologenund Sozialpädagogen,wie es z.B. in Finnl<strong>an</strong>d <strong>selbst</strong>verständlichist, ein freundliches undsauberes Lernumfeld sowie bessereAusstattung mit Lernmittelnund vieles <strong>an</strong>dere mehr.

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