Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG
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„Joseph Beuys. Parallelprozesse“<br />
in der Kunstsammlung<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Joseph Beuys, um 1980<br />
Düsseldorfer Heimspiel<br />
Hohepriester eines radikal neuen<br />
Kunstbegriffs oder dreister Provokateur,<br />
sensibler Zeichner oder Protagonist einer<br />
kruden Materialästhetik, Messias einer<br />
besseren Gesellschaft oder politischer<br />
Phantast, Schamane oder Scharlatan – an<br />
Beuys (1921–1986) haben sich schon<br />
immer die Geister geschieden, und auch<br />
die aktuelle Werkschau in der Düsseldorfer<br />
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />
dürfte bei allem Publikumsinteresse daran<br />
kaum etwas ändern. Und das, obwohl der<br />
Künstler längst einen festen Platz in der<br />
Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des<br />
20. Jahrhunderts hat, die Forschungsliteratur<br />
Regale füllt und in den Medien<br />
über Beuys mehr als über jeden anderen<br />
Künstler berichtet wird.<br />
Nachdem sich der im Juni verstorbene<br />
Gründungsdirektor und langjährige Leiter<br />
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />
Werner Schmalenbach stets geweigert<br />
hatte, den jahrzehntelang in Düsseldorf<br />
lebenden und arbeitenden Beuys in<br />
seinen Räumen auszustellen, richtete sein<br />
Nachfolger Armin Zweite dem rheinischen<br />
Avantgarde-Künstler im Jahr 1991<br />
eine große und seinerzeit vielbeachtete<br />
Ausstellung unter dem Titel „Natur, Materie,<br />
Form“ ein. Nun sucht sich fast zwei<br />
Jahrzehnte danach Zweites erst kürzlich<br />
in die rheinische Metropole gekommene<br />
Nachfolgerin Marion Ackermann im<br />
Rahmen der diesjährigen Düsseldorfer<br />
Quadriennale an der damaligen Ausstellung<br />
zu messen, indem sie Beuys unter<br />
dem Motto „Parallelprozesse“ präsentiert.<br />
Ihr Ziel ist es, die Vielgestaltigkeit und<br />
Vielschichtigkeit des Beuysschen Œuvres<br />
darzustellen und dessen „komplexe<br />
Vernetzungsstrukturen … sichtbar und<br />
sinnlich erfahrbar“ zu machen. So geht<br />
es um die Parallelitäten von Zeichnung<br />
und Bildhauerei, von Installationen und<br />
Performance, von künstlerischem Denken<br />
und politischem Handeln; und um die<br />
Konvergenz all dieser Aspekte in dem von<br />
Beuys postulierten „erweiterten Kunstbegriff“,<br />
der die – letztlich uneinlösbare –<br />
Aufhebung der Differenz von Kunst und<br />
Leben bedeutet.<br />
Mit einem klaren, der Chronologie<br />
verpfl ichteten und zugleich thematisch<br />
gliedernden Konzept versucht die Düsseldorfer<br />
Ausstellung, Beuys dem Besucher<br />
näherzubringen. Die Darbietung des<br />
Materials kreist um jeweils exemplarisch<br />
ausgewählte Artefakte, die für die entsprechende<br />
Werkphase signifi kant sind. Den<br />
Auftakt bildet der „Torso“ (Abb. 2) von<br />
1949/51, eine Arbeit, die in der Akademiezeit<br />
von Joseph Beuys entstand und<br />
die sich, obwohl vermutlich von seinem<br />
Lehrer, dem Bildhauer Ewald Mataré<br />
angeregt, doch in ihrem vermeintlichen<br />
Nonfi nito (sie befi ndet sich bis heute<br />
auf dem Modellierbock und bildet mit<br />
ihm gleichsam eine Einheit), deutlich<br />
von den straffen, geschlossenen Formen<br />
des Lehrers unterscheidet. So zeugt der<br />
Abb. 2, Torso, 1949-51