Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG

Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG

23.11.2012 Aufrufe

28 die Fäden in der Hand. Er hatte ab 1961 das angestaubte Programm radikal umgestellt, mit Büchern zum 3. Reich mutig ein zu dieser Zeit noch ungern beackertes Themenfeld aufgegriffen und als einer der ersten im Westen den sowjetischen Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko verlegt. Diese Weitsicht sollte sich später bezahlt machen. 1966 erfolgte, um ein deutliches Zeichen zu setzen, mit Zustimmung des Aufsichtsrates unter dessen Vorsitzendem Johannes Schlingensiepen neben dem noch inaktiv weiter bestehenden Jugenddienst Verlag die Neugründung des „Peter Hammer Verlag“, und 1967 wurde Hermann Schulz zum Verlagsleiter gewählt. Aus dem „e.V.“ wurde eine GmbH mit einem wachsenden Stamm von Gesellschaftern - über 400 sind es heute. Auch der Personalbestand nahm zu, der Verlag beschäftigte in den Zeiten des Booms der 60er und 70er Jahre bis zu 16 Mitarbeiter, zu denen u.a. auch der Essayist und Lyriker Arnim Juhre zählte. Hermann Schulz blieb am Puls der Zeit, bereiste auf der Suche nach neuen Stoffen und neuen Stimmen Lateinamerika und Afrika und verschaffte in seinen 35 Jahren als Verlagsleiter dem Peter Ham- mer Verlag einen glänzenden Namen als der Verlag für Literatur aus und über Lateinamerika und Afrika. Große Namen und große Erfolge verbinden sich mit der Geschichte des Verlages, der Nobelpreisträger, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und vielfach mit Preisen aller Sparten überhäufte Autoren und Illustratoren entdeckte und hervorbrachte und sich stets durch sein Understatement auszeichnete. 1968 erschienen die Psalmen des nicaraguanischen Lyrikers Ernesto Cardenal, der 1980 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam und nach der sandinistischen Revolution von 1979- 1990 Kultur- und Erziehungsminister Nicaraguas war. Cardenal ist dem Peter Hammer Verlag bis heute verbunden. Noch immer kommt der mittlerweile 85 Jahre alte Autor zu Lesereisen nach Deutschland. Ähnlich verhält es sich mit Eduardo Galeano, dessen Schlüsselwerk „Die offenen Adern Lateinamerikas“ seit 1973 bis heute im Programm ist und jetzt in einer neuen Übersetzung erscheint – „Ein Standardwerk, das seinesgleichen nicht fi ndet“, so Monika Bilstein, seit August 2001 Leiterin des Verlages. Gioconda Belli, deren Buch „Die bewohnte Frau“ (1989) mit weit über 1 Mio. verkaufter Exemplare ungebrochenen Erfolg hat und die sich mit Ex-Kanzler Helmut Schmidt den Preis „Politisches Buch des Jahres“ der Friedrich-Ebert-Stiftung teilt, gehört ebenfalls zu den Entdeckungen des Peter Hammer Verlages, zu dem sie regelmäßigen Kontakt unterhält. Bellis erotische Gedichte (1978) und ihr von Wolf Erlbruch illustriertes Buch „Die Werkstatt der Schmetterlinge“ (1994) sind gleichfalls Verkaufsschlager von Dauer. Auf einer Reise durch 14 afrikanische Staaten, die der Etablierung einer Literatur-Reihe „Dialog Afrika“ dienen sollte, begegnete Hermann Schulz 1979 in Nigeria das Werk Wole Soyinkas, den er in das literarische Programm aufnahm. Soyinka erhielt 1986 als erster Afrikaner den Literatur-Nobelpreis. Als ähnlich verdienstvoll erwies sich die Entdeckung von Ngugi wa Thiong´o, dessen „Verbrannte Blüten“ heute als „die Buddenbrooks Schwarzafrikas“ gerühmt wird. Andere afrikanische Autoren, die durch den deutschen Peter Hammer Verlag Geltung bekamen, sind Patrice Nganang mit „Hundezeiten“, Desmond Tutu, der wie Cardenal den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam und

der posthum zu Ruhm gelangte Aniceti Kitereza, dessen Buch „Die Kinder der Regenmacher“ das Afrika vor der weißen Annexion beschreibt. Aniceti Kiterezas ostafrikanischer Roman ist der Anfang einer „klassischen“ Literatur Afrikas, das erst sehr spät zu einer literarischen Sprache fand. Ein Gegenstück dazu ist die in den USA lebende Nigerianerin Sefi Atta, die als Vertreterin der modernen afrikanischen Literatur gilt. Ihre Bücher „Sag allen, es wird gut“ und „It´s My Turn“ erscheinen in deutscher Übersetzung im Peter Hammer Verlag. Doch der Verlag beschäftigte sich durchaus auch sehr nah an der deutschen Wirklichkeit mit aktuellen Fragen, Problemen und Literaturen. 1974 wurde das erste ehrliche deutsche Aufklärungsbuch „Zeig mal!“ wegen seiner unverschleierten fotografi schen Darstellungen zum Aufreger des Jahres. Das Buch ist längst vergriffen, doch so begehrt, daß bis heute Anfragen eingehen und der Antiquariatshandel es als sehr wertvoll einstuft. Für die Fotos hatte Schulz damals den Top-Fotografen Will McBride gewinnen können. Schon 1973 hatte der Peter Hammer Verlag ein Aufklärungsbuch veröffentlicht, dessen Programm im Titel steckte: „Anders als bei Schmetterlingen“. Hier kamen die Illustrationen von Heinz Edelmann, der Ikone der Pop- Art, der auch das „Beatles Songbook“ illustrierte und den Kult-Trickfi lm „The Yellow Submarine“ zeichnete. Der Deutsche Art Director´s Club verlieh dem Buch seine Goldmedaille. Und weil wir gerade von Illustratoren sprechen: auch auf dem Sektor „Bilderbuch“ entwickelte sich der Peter Hammer Verlag zur Talentschmiede, die Zeichner und Graphiker zu Ruhm und Karriere führte. Fast nicht zu zählen sind die Auszeichnungen Wolf Erlbruchs für u.a. „Das Bärenwunder“, „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ (in 30 Sprachen erschienen), „Der Adler, der nicht fl iegen wollte“, „Leonard“, „Die fürchterlichen Fünf“, „Frau Meier, die Amsel“ und „Nachts“: Deutscher Jugendlitera- turpreis samt Sonderpreisen, Gutenbergpreis, Hans-Christian-Andersen-Preis u.a.m.. Zum Standard gehören schon Wolf Erlbruchs Kinderzimmer-Kalender und sein „Familienplaner“. Erlbruchs Stil - er hat als Hochschullehrer in Wuppertal viele Talente gefördert, die heute auf seinen Spuren wandeln – wurde oft kopiert, „...aber wir haben das Original“, so Monika Bilstein. Zu den ganz großen Zeichen-Talenten der „jungen Garde“, die der Peter Hammer Verlag entdeckt und gefördert hat, gehören Nadia Budde, die seit 2000 mit ihren wundervollen Kinderbuch- Illustrationen („Eins zwei drei Tier“, „Trauriger Tiger toastet Tomaten“, „Unheimliche Begegnungen auf Quittenquart“) Preise abräumt. Auch Tobias Krejtschi, Dorota Wünsch, Wiebke Oeser und Christiane Pieper gehören u.a. zum Kreis der brillanten Zeichner. Mit den „Geschichten ohne Worte“ hat Monika Bilstein ein Genre des reinen Bilderbuchs (auch für Erwachsene) eingeführt, das völlig ohne Text auskommt und den- 29

28<br />

die Fäden in der Hand. Er hatte ab<br />

1961 das angestaubte Programm radikal<br />

umgestellt, mit Büchern zum 3. Reich<br />

mutig ein zu dieser Zeit noch ungern<br />

beackertes Themenfeld aufgegriffen<br />

und als einer der ersten im Westen den<br />

sowjetischen Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko<br />

verlegt. Diese Weitsicht sollte<br />

sich später bezahlt machen.<br />

1966 erfolgte, um ein deutliches Zeichen<br />

zu setzen, mit Zustimmung des<br />

Aufsichtsrates unter dessen Vorsitzendem<br />

Johannes Schlingensiepen neben<br />

dem noch inaktiv weiter bestehenden<br />

Jugenddienst Verlag die Neugründung<br />

des „Peter Hammer Verlag“, und 1967<br />

wurde Hermann Schulz zum Verlagsleiter<br />

gewählt. Aus dem „e.V.“ wurde eine<br />

GmbH mit einem wachsenden Stamm<br />

von Gesellschaftern - über 400 sind es<br />

heute. Auch der Personalbestand nahm<br />

zu, der Verlag beschäftigte in den Zeiten<br />

des Booms der 60er und 70er Jahre bis<br />

zu 16 Mitarbeiter, zu denen u.a. auch<br />

der Essayist und Lyriker Arnim Juhre<br />

zählte.<br />

Hermann Schulz blieb am Puls der Zeit,<br />

bereiste auf der Suche nach neuen Stoffen<br />

und neuen Stimmen Lateinamerika<br />

und Afrika und verschaffte in seinen 35<br />

Jahren als Verlagsleiter dem Peter Ham-<br />

mer Verlag einen glänzenden Namen<br />

als der Verlag für Literatur aus und über<br />

Lateinamerika und Afrika.<br />

Große Namen und große Erfolge<br />

verbinden sich mit der Geschichte des<br />

Verlages, der Nobelpreisträger, Träger<br />

des Friedenspreises des Deutschen<br />

Buchhandels und vielfach mit Preisen<br />

aller Sparten überhäufte Autoren und<br />

Illustratoren entdeckte und hervorbrachte<br />

und sich stets durch sein Understatement<br />

auszeichnete.<br />

1968 erschienen die Psalmen des nicaraguanischen<br />

Lyrikers Ernesto Cardenal,<br />

der 1980 den Friedenspreis des Deutschen<br />

Buchhandels bekam und nach der<br />

sandinistischen Revolution von 1979-<br />

1990 Kultur- und Erziehungsminister<br />

Nicaraguas war. Cardenal ist dem Peter<br />

Hammer Verlag bis heute verbunden.<br />

Noch immer kommt der mittlerweile<br />

85 Jahre alte Autor zu Lesereisen nach<br />

Deutschland. Ähnlich verhält es sich mit<br />

Eduardo Galeano, dessen Schlüsselwerk<br />

„Die offenen Adern Lateinamerikas“<br />

seit 1973 bis heute im Programm ist<br />

und jetzt in einer neuen Übersetzung<br />

erscheint – „Ein Standardwerk, das<br />

seinesgleichen nicht fi ndet“, so Monika<br />

Bilstein, seit August 2001 Leiterin des<br />

Verlages. Gioconda Belli, deren Buch<br />

„Die bewohnte Frau“ (1989) mit weit<br />

über 1 Mio. verkaufter Exemplare<br />

ungebrochenen Erfolg hat und die sich<br />

mit Ex-Kanzler Helmut Schmidt den<br />

Preis „Politisches Buch des Jahres“ der<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung teilt, gehört<br />

ebenfalls zu den Entdeckungen des Peter<br />

Hammer Verlages, zu dem sie regelmäßigen<br />

Kontakt unterhält. Bellis erotische<br />

Gedichte (1978) und ihr von Wolf<br />

Erlbruch illustriertes Buch „Die Werkstatt<br />

der Schmetterlinge“ (1994) sind<br />

gleichfalls Verkaufsschlager von Dauer.<br />

Auf einer Reise durch 14 afrikanische<br />

Staaten, die der Etablierung einer Literatur-Reihe<br />

„Dialog Afrika“ dienen sollte,<br />

begegnete Hermann Schulz 1979 in<br />

Nigeria das Werk Wole Soyinkas, den er<br />

in das literarische Programm aufnahm.<br />

Soyinka erhielt 1986 als erster Afrikaner<br />

den Literatur-Nobelpreis. Als ähnlich<br />

verdienstvoll erwies sich die Entdeckung<br />

von Ngugi wa Thiong´o, dessen „Verbrannte<br />

Blüten“ heute als „die Buddenbrooks<br />

Schwarzafrikas“ gerühmt wird.<br />

Andere afrikanische Autoren, die durch<br />

den deutschen Peter Hammer Verlag<br />

Geltung bekamen, sind Patrice Nganang<br />

mit „Hundezeiten“, Desmond Tutu,<br />

der wie Cardenal den Friedenspreis des<br />

Deutschen Buchhandels bekam und

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!