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Diskussion<br />
Erfahrungen aus 40 Jahren Einheitsschule in der DDR –<br />
Impulse für die Entwicklung der Gemeinschaftsschule<br />
Günter Wilms<br />
I.<br />
Das öffentliche Bildungswesen der Bundesrepublik befindet sich seit langem in einer Krise,<br />
weil sich in ihm alle ökonomischen, sozialen und kulturellen Widersprüche der Gesellschaft<br />
widerspiegeln.<br />
Dass das Bildungswesen in Deutschland einer grundlegenden demokratischen Reformierung<br />
bedarf, und dass es dabei in erster Linie um die Verwirklichung des Rechts auf Bildung für<br />
alle, um die Sicherung einer guten Bildung für alle geht, das wussten linke politische Kräfte<br />
auch vor PISA und vor der Anfang 2007 vorgelegten vernichtenden Kritik des UN-<br />
Sonderberichterstatters für das Menschenrecht auf Bildung.<br />
Bildungsfragen sind Fragen der Gesamtentwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und<br />
müssen in den Kampf für deren Veränderung eingeordnet werden. Bildung hat immer etwas<br />
mit Gegenwart und Zukunft und deren Gestaltung zu tun.<br />
<strong>Die</strong> Veränderung / Reformierung des Bildungswesens beginnt mit der Schaffung besserer<br />
Lebens-, Entwicklungs- und Sozialisationsbedingungen für alle Kinder, insbesondere für die<br />
Kinder aus benachteiligten sozialen Schichten, und schließt ausdrücklich die Betreuung,<br />
Bildung und Erziehung der Kinder im Vorschulalter durch hochschulgemäß ausgebildete<br />
ErzieherInnen ein.<br />
II.<br />
Ein Blick in die Geschichte des Bildungswesens und der Pädagogik macht deutlich, dass die<br />
Forderung nach Bildung für alle Kinder und Jugendlichen und die darauf basierende<br />
Einheitsschulidee tief in den pädagogischen und bildungspolitischen Auffassungen<br />
progressiver pädagogischer und philosophischer Denker der vergangenen Jahrhunderte, in<br />
der sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Lehrerbewegung und vor allem in der<br />
Arbeiterbewegung verankert ist.<br />
In fast allen Ländern Europas entwickeln sich nach der Zerschlagung des Faschismus –<br />
eingeordnet in die Prozesse einer sehr unterschiedlich interpretierten und praktizierten<br />
allgemeinen Demokratisierung – Einheitsschulsysteme. In allen Ländern, außer der BRD,<br />
Österreichs und einem Teil der Schweiz, wird der Übergang von dualistischen bzw. vertikal<br />
mehrgliedrigen Schulsystemen mit einer frühen Auslese und Festlegung der Kinder auf<br />
verschiedene Bildungswege unterschiedlicher Dauer hin zu einer gemeinsamen Schule für alle<br />
vollzogen.<br />
<strong>Die</strong> internationalen Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass die mit der<br />
Einheitsschulidee verbundenen pädagogischen und bildungspolitischen Anliegen nur dann voll<br />
verwirklicht werden können, wenn in einem Land ein flächendeckendes Einheitsschulsystem<br />
entsteht.<br />
Auch in Deutschland, sowohl in der sowjetischen wie in den westlichen Besatzungszonen, gab<br />
es nach der Zerschlagung des Faschismus Bestrebungen und Aktivitäten zur Entwicklung von<br />
Einheitsschulmodellen.<br />
Im Jahr 1948 verabschiedete die „Konferenz der deutschen Erziehungsminister“ auf ihrer<br />
Tagung am 19. und 20. Februar in Stuttgart-Hohenheim eine Entschließung, die auf eine<br />
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