23.11.2012 Aufrufe

3 disput - Die Linke

3 disput - Die Linke

3 disput - Die Linke

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

das Girnus und Abusch in der Luft zerrissen,<br />

fi el unter Shdanow‘schen Formalismusverdacht.<br />

<strong>Die</strong> Enthüllungen<br />

des XX. Parteitages müssen ihn arg beschäftigt<br />

haben. Eisler thematisierte<br />

als einziger kommunistischer Musiker<br />

den XX. Parteitag, und zwar in seinem<br />

letzten Werk, den »Ernsten Gesängen«.<br />

Kritiker nannten sie nicht zu unrecht<br />

Anti-Symphonie, jene Arbeit von<br />

zehn Minuten Spieldauer, mit der Eisler<br />

Mitte der dreißiger Jahre Furore<br />

machen sollte. Es handelt sich um die<br />

»Kleine Sinfonie« op. 29 – ein Werk,<br />

das er zwischen 1931 und 1934 komponierte.<br />

Es ist ein technisch gewitztes,<br />

blutvolles, verschlagenes, sinnliches<br />

Stück, voller Schönheiten und<br />

Rauhbeinigkeiten. <strong>Die</strong> Form besteht<br />

aus Montagestücken, Bluesanklänge<br />

mit gestopften Trompeten werden<br />

vernehmlich, supergeschwind der<br />

Marsch zu Beginn. Protest und Klage<br />

führen einzelne Sätze mit.<br />

Das allseits bewunderte Stück setzte<br />

sich auch in kulturellen Zentren der<br />

Sowjetunion rasch durch. Es gibt eine<br />

gar despektierliche Geschichte darüber,<br />

die der Komponist per Brief seinem<br />

Freunde Brecht gesteckt hat: »Besonders<br />

hübsch ist, dass der größte<br />

Musikbonze der UdSSR, Mjaskowski,<br />

von dem hier alles abhängt, enthusiasmiert<br />

ist und überall herumerzählt,<br />

dass es das großartigste Stück ist, das<br />

er je gehört hat. <strong>Die</strong>se Mundreklame<br />

durch den offi ziellen Vertreter der Sowjetmusik,<br />

den ich immer als Reaktionär<br />

bekämpfte und mit dem ich die<br />

Zu den Gründungsmitgliedern der<br />

Musikhochschule in Berlin-Ost<br />

zählte Hanns Eisler. Seit 1964 trägt<br />

sie seinen Namen.<br />

43 DISPUT August 2012<br />

Stefan Amzoll ist Autor von Hörspielen,<br />

Features, Essays und Büchern.<br />

allergrößten Differenzen hatte, ist für<br />

mich ungeheuer günstig. Ich werde<br />

jetzt nicht nur als revolutionärer Komponist,<br />

sondern als großer ausländischer<br />

Spezialist gewertet. Übrigens<br />

zeigt das auch, was für eine falsche<br />

Taktik ich hier hatte, man muss diesen<br />

alten Bonzen mit technischen Leistungen<br />

den Mund stopfen.«<br />

Brecht drückte zwanzig Jahre später,<br />

Mitte der fünfziger Jahre, seine Haltung<br />

zur Allianz von Kunstbonzen und Sowjetkunst<br />

noch drastischer aus: »Vieles<br />

davon ist inhuman, barbarisch, oberfl<br />

ächlich, bourgeois, also kleinbürger-<br />

lich, schlampig, verantwortungslos,<br />

korrupt und so weiter... Das sind nicht<br />

nur Formfragen, das sind natürlich Inhaltsfragen.<br />

Und das von der Sowjetunion!<br />

... Das ist das Interessante: da<br />

sind echte Widersprüche vorhanden,<br />

aber echte, unauslöschliche, nicht vereinbare.«<br />

»Man ist nicht ungestraft<br />

in Hollywood«<br />

Anders ihre Exilerfahrungen in den kapitalistischen<br />

USA. Weg gezwungen<br />

aus Deutschland, fallen sie dort ins<br />

Loch der Namenlosigkeit, der Unbekanntheit.<br />

Was eins ist mit Degradation<br />

im Künstlerischen wie Menschlichen<br />

zum Appendix, zu einer Marginalie.<br />

Aufgestiegene, die nun gefallen sind?<br />

Nein, das sind falsche, weil Karriere-<br />

Kategorien, auf die es den beiden nie<br />

ankam. Verdammt hart, schmerzhaft<br />

ist in ihrem Fall zweierlei: erstens ihr<br />

Abschied aus der heiteren Ernsthaftigkeit<br />

eines revolutionären Lebens, den<br />

sie nehmen müssen, und zweitens –<br />

der wohl größte Verlust –, die Scharen<br />

eines proletarischen, linksbürgerlichen<br />

Publikums, das die eigenen Sachen<br />

versteht, auf unbestimmte Zeit zu<br />

verlieren.<br />

Gleichzeitig plagt beide Künstler die<br />

Depression, die allerdings zu keiner Ermattung,<br />

zu keinem Zusammenbruch<br />

führt. Denn der eingefl eischte rebellische<br />

Geist weiß selbst daraus noch Gewinn<br />

zu schlagen. Eisler: »Man ist nicht<br />

ungestraft in Hollywood. Man muss das

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!