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Regionen fördern, nicht bestrafen<br />
Warum DIE LINKE die EU-Regionalpolitik zu ihrem Thema machen muss<br />
Von Renate Harcke<br />
Seit Jahrzehnten unterstützen die EU-<br />
Strukturfonds und der Europäische<br />
Landwirtschaftsfonds den Prozess der<br />
Angleichung der Lebensverhältnisse in<br />
der Europäischen Union. Ziel war und<br />
ist es, Entwicklungsunterschiede zwischen<br />
den Regionen zu verringern. <strong>Die</strong><br />
Erneuerung der Infrastruktur im Osten<br />
Deutschlands, ein Großteil der Maßnahmen<br />
zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit<br />
und auch die Entwicklung<br />
der dünnbesiedelten ländlichen<br />
Räume in ganz Deutschland sind ohne<br />
diese Mittel nicht denkbar.<br />
Um diesen Ansatz für die Zukunft<br />
zu sichern, bringen sich die europäischen<br />
Regionen, darunter Brandenburg,<br />
in die europaweite Diskussion<br />
über die Rahmenbedingungen für die<br />
EU-Förderperiode 2014–2020 ein. Mit<br />
dem Eintritt in die Landesregierung haben<br />
sich die Wirkungsmöglichkeiten<br />
der Brandenburger LINKEN dabei erweitert.<br />
Unsere Ministerin und unsere<br />
Minister und die Mitglieder der Landtagsfraktion<br />
führen seit Längerem bei<br />
Arbeitsbesuchen in Brüssel Gespräche<br />
mit EU-Verantwortungsträgern. Denn<br />
die Entscheidungen, die in den nächsten<br />
Monaten in Brüssel fallen, bestimmen<br />
wesentlich, was DIE LINKE an Projekten<br />
künftig bundes-, landes- und<br />
kommunalpolitisch umsetzen kann. In<br />
dem Antrag der Koalitionsfraktionen<br />
»Fonds der EU – auch in der Förderperiode<br />
2014–2020 Grundlage einer nachhaltigen<br />
Entwicklung Brandenburgs« 1 ,<br />
der auf unsere Initiative hin entstanden<br />
ist, haben wir im März 2012 Brandenburgs<br />
Position zu einigen wesentlichen<br />
Fragen formuliert.<br />
1. Der Einsatz von EU-Fördermitteln<br />
muss auch künftig von der Solidarität<br />
der Stärkeren mit den Schwächeren getragen<br />
sein: So wie Brandenburg seit<br />
1990 erheblichen Nutzen von der EU-<br />
Regionalpolitik hatte, haben jetzt der<br />
Nordwesten Bulgariens oder Ostpolen<br />
den Anspruch auf Höchstförderung.<br />
2. Regionen, die trotz erfolgreicher<br />
Entwicklung noch einen erheblichen<br />
Rückstand zum europäischen Durchschnitt<br />
haben, sollen auch in Zukunft<br />
eine angemessene Unterstützung der<br />
EU bekommen, etwa in der Wirtschaftsförderung<br />
oder Arbeitsmarktpolitik. Zu<br />
ihnen gehört Brandenburg.<br />
3. Alle Regionen sollen weiter den<br />
EUROPA<br />
Freiraum haben, entsprechend ihren<br />
Bedingungen Schwerpunkte für<br />
den Einsatz von EU-Fonds zu setzen.<br />
Überbordende Regeln oder einengende<br />
Quoten, wie die EU-Kommission sie<br />
vorschlägt, sind entbehrlich. Der große<br />
Vorzug der Strukturfonds, passfähige<br />
Lösungen vor Ort zu entwickeln, muss<br />
erhalten bleiben.<br />
4. Um ihre Aufgaben zu erfüllen,<br />
braucht die EU einen angemessenen<br />
Finanzrahmen. <strong>Die</strong> von der Kommission<br />
für 2014–2020 vorgeschlagenen<br />
1,025 Billionen Euro sind aus linker<br />
Sicht das Minimum. Wenn sich hingegen<br />
die Bundesregierung mit ihrer Forderung<br />
nach zehnprozentiger Kürzung<br />
durchsetzt und keine substanziellen<br />
Kürzungen in anderen Bereichen vorgenommen<br />
werden, bedeutet das: <strong>Die</strong><br />
Übergangsförderung für den Südwesten<br />
Brandenburgs ist infrage gestellt.<br />
5. Neben der Förderung von Aus-<br />
und Fortbildung geht es nicht nur um<br />
die Förderung von Arbeitsplätzen<br />
schlechthin. Wir wollen »Gute Arbeit«,<br />
Arbeit, von der Menschen angemessen<br />
leben können, ohne Sozialleistungen<br />
beantragen zu müssen. Für DIE LINKE<br />
ist dies ein Thema genauso wie die Unterstützung<br />
eines öffentlich geförderten<br />
Beschäftigungssektors durch EU-<br />
Mittel.<br />
6. Auch wenn wir starre Quoten für<br />
bestimmte Ziele oder Fonds aus grundsätzlichen<br />
Erwägungen ablehnen, fi nden<br />
wir die von der Kommission erhobene<br />
Forderung, 20 Prozent der Mittel<br />
aus dem Europäischen Sozialfonds<br />
für soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung<br />
einzusetzen, wichtig und<br />
richtig. Vor allem die Bekämpfung von<br />
Kinderarmut muss Schwerpunkt der<br />
Programme ab 2014 sein.<br />
7. <strong>Die</strong> Vorbereitung der neuen Förderperiode<br />
muss in enger Partnerschaft<br />
mit den Gewerkschaften, den<br />
in diesem Bereich engagierten Nichtregierungsorganisationen<br />
und Verbänden<br />
und mit den Parlamenten erfolgen.<br />
<strong>Die</strong> Brandenburger LINKE setzt mit<br />
diesem Herangehen eine Forderung<br />
im Grundsatzprogramm unserer Partei<br />
um. 2 Im Erfurter Programm haben wir<br />
unseren (linken!) von Solidarität und<br />
Unterstützung für ärmere Regionen geprägten<br />
Ansatz der Strukturpolitik formuliert,<br />
hier haben wir uns für die Be-<br />
richtigung sozialer und ökologischer<br />
Kriterien in der Strukturpolitik ausgesprochen.<br />
<strong>Die</strong>ser Ansatz muss auch maßgeblich<br />
sein, wenn wir als LINKE uns in den<br />
nächsten Monaten auf Bundesebene<br />
und in den Ländern in die Diskussion<br />
über die Vorbereitung der neuen Förderperiode<br />
einbringen. <strong>Die</strong> neue Förderperiode<br />
ist nicht nur Sache einer Ministerialbürokratie:<br />
Sie ist ein zutiefst<br />
politischer Gestaltungsprozess, dem<br />
sich DIE LINKE nicht verweigern darf.<br />
Unsere Partei ist vielmehr in den Parlamenten<br />
und in der Regierungsverantwortung,<br />
vor allem aber im außerparlamentarischen<br />
Raum gefordert, eigene<br />
Ideen einzubringen.<br />
Im Wissen darum haben sich die<br />
Europapolitischen Sprecherinnen und<br />
Sprecher aus den Landtagsfraktionen<br />
und Europapolitiker aus Europaparlament<br />
und Bundestag frühzeitig dieser<br />
Aufgabe gewidmet. Nicht zum ersten<br />
Mal! Im Ergebnis sind »Positionen der<br />
Partei DIE LINKE zur Zukunft der Europäischen<br />
Kohäsionspolitik« 3 entstanden,<br />
die der Parteivorstand in seiner<br />
Sitzung am 16. Oktober 2011 diskutiert<br />
und zur Kenntnis genommen hat.<br />
Eine vertiefte Diskussion fand am 19.<br />
November auf einer Konferenz in Erfurt<br />
statt. In Weiterentwicklung dieser Positionen<br />
agieren die Mitglieder unserer<br />
Delegation im Europäischen Parlament<br />
und die Landtagsfraktionen seitdem.<br />
Gemeinsame Aktion der Linksfraktion<br />
im Europaparlament<br />
<strong>Die</strong> längerfristige, fraktionsübergreifende<br />
und solide Vorarbeit der deutschen<br />
LINKEN mündete Anfang Juli<br />
auch in eine gemeinsame Aktion der<br />
Linksfraktion im Europaparlament.<br />
Erstmals seit Jahren! Darüber können<br />
wir uns ruhig einmal freuen, darauf<br />
können wir stolz sein! Ohne die deutsche<br />
LINKE würde es diese europaweite<br />
Aktion nicht geben!<br />
<strong>Die</strong> Unterschriftensammlung der<br />
GUE/NGL-Fraktion steht unter dem<br />
Motto »Regionen fördern, nicht bestrafen«.<br />
Auf der Internetseite der Partei<br />
findet man Informationen dazu,<br />
wie sich Mitglieder unserer Partei und<br />
Nichtmitglieder an dieser Aktion beteiligen<br />
können 4 . Noch bis zum 28. Sep-<br />
DISPUT August 2012 36