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3 disput - Die Linke

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Arbeitssuchenden, prekär Beschäftigten<br />

und Rentnerinnen und Rentnern<br />

überdurchschnittlich verloren. 4 Offenkundig<br />

haben sie bei der vergangenen<br />

Wahl Hoffnungen in uns gesetzt, die<br />

wir nicht erfüllen konnten. <strong>Die</strong> Frage<br />

der Kompetenz und Fähigkeit, die Probleme<br />

der Menschen auch lösen bzw.<br />

die Lebenslage deutlich verbessern zu<br />

können, ist für uns von entscheidender<br />

Bedeutung. Einerseits konnten wir zwar<br />

zeigen, dass »links wirkt«, insofern die<br />

aktuelle politische Debatte originär linke<br />

Themen (wie Mindestlohn, Reichensteuer,<br />

Finanztransaktionssteuer, Abzug<br />

der Bundeswehr aus Afghanistan)<br />

umfasst. Andererseits hat sich aber<br />

doch real nichts geändert. Das heißt:<br />

Eine zentrale strategische Problemstellung<br />

ist daher die Frage, wie DIE LINKE<br />

für die Wählerinnen und Wähler als politische<br />

Option, die aus einer bestimmten<br />

Machtkonstellation heraus auch<br />

Dinge verändern kann, wieder erkennbar<br />

wird. Allein das Versprechen, nach<br />

der Wahl eine gute und die einzig wahre<br />

Opposition zu sein, wirkt über einen<br />

längeren Zeitraum augenscheinlich<br />

nicht vielversprechend.<br />

Methode und Politikstil<br />

Eine weitere Erkenntnis der Wahlstatistik<br />

ist, dass wir bei den Wahlberechtigten<br />

unter 45 Jahren und bei den Nichtwählerinnen<br />

und -wählern stark rückläufige<br />

Zustimmung erfahren 5 . Das<br />

deutet auf ein weiteres Problem hin:<br />

Auf der einen Seite fehlt uns die Kompetenz,<br />

»etwas verändern zu können«.<br />

Auf der anderen Seite fehlt uns die Attraktivität,<br />

junge Wählergruppen bzw.<br />

Nichtwählerinnen und -wähler anzusprechen.<br />

Woran kann das liegen? Gewiss,<br />

zum einen scheint das Neue und<br />

Aufregende nach den Anfangsjahren<br />

verfl ogen zu sein, zum anderen haben<br />

wir aber akuten Nachholbedarf im Aufbau<br />

von Methoden und Strukturen, die<br />

einer pluralen linken Partei angemessen<br />

sind.<br />

Seit dem Programmparteitag im Oktober<br />

vergangenen Jahres wurde in der<br />

Partei eine Personaldebatte geführt,<br />

die leider nie eine war. Aus Gründen,<br />

die im Nachhinein die Bundesschiedskommission<br />

der Partei verwarf, wurde<br />

eine Mitgliederbefragung über die<br />

künftige Parteiführung verhindert. Ohne<br />

die innerparteilichen Vorgänge zwischen<br />

Erfurt und Göttingen im Einzelnen<br />

zu rekonstruieren, können wir sagen,<br />

dass wir aus dieser Zeit Lehren<br />

für einen Neuanfang als moderne linke<br />

Mitgliederpartei ziehen müssen.<br />

Das bedeutet, dass wir künftig Personaldebatten<br />

(und nicht Personende-<br />

33 DISPUT August 2012<br />

batten) unter weitestgehender Beteiligung<br />

der Mitgliederschaft organisieren<br />

müssen, in der es nicht zuvorderst um<br />

die Personen, sondern um deren politisch-strategische<br />

Konzepte geht. Den<br />

unweigerlich daraus resultierenden<br />

Streit dürfen wir dabei aber selbst nicht<br />

als Zerstrittenheit erfahren.<br />

<strong>Die</strong> landläufige Behauptung, die<br />

Wählerin oder der Wähler mag keinen<br />

Streit in einer Partei, ist äußerst<br />

fraglich. (Fraglos ist dagegen, dass<br />

die Wählerin bzw. der Wähler wissen<br />

möchte, von welcher Person die Partei<br />

ihrer Wahl in den nächsten Jahren vertreten<br />

wird.) Allenfalls können wir generell<br />

sagen, dass zerstrittene Parteien<br />

an Zustimmung verlieren. Es geht<br />

aber hier um Streit und nicht um Zerstrittenheit.<br />

Wir benötigen ein Verständnis<br />

dieser Unterscheidung. Streit<br />

und Widersprüche können als Gewinn<br />

erlebt werden, Zerstrittenheit bedeutet<br />

Blockade. <strong>Die</strong> entscheidende Frage<br />

ist, worüber denn eigentlich gestritten<br />

wird. Geht es um Personen oder<br />

um die Sache? Wir brauchen zukünftig<br />

wieder den konstruktiven und solidarischen<br />

Streit um die Sache. Derzeit erleben<br />

wir doch eine rasant zunehmende<br />

Sympathie in der Bevölkerung für eine<br />

Partei, die den Streit nicht nur aushält,<br />

sondern lebt, ja zum Teil institutionalisiert.<br />

Damit signalisiert sie nach außen<br />

Offenheit, Modernität und die Botschaft,<br />

mitmachen zu können. 6 In diesem<br />

Zusammenhang müssen wir beispielsweise<br />

lernen, dass der Begriff der<br />

»Kampfkandidatur« überholt ist (vor allem,<br />

wenn es noch nicht einmal zu dieser<br />

kommen darf).<br />

Ob die unter anderem mit der Eigentor-Theorie<br />

abgewürgte Personaldebatte<br />

den Wahlausgang in Schleswig-Holstein<br />

und Nordrhein-Westfalen negativ<br />

beeinfl usste, lässt sich nicht gesichert<br />

sagen. Dass dieses Vorgehen aber<br />

nicht zum Erfolg geführt hat, kann nicht<br />

ernsthaft bestritten werden. Eigentor-<br />

Theorien und Einteilungen der Partei<br />

in destruktive und nicht-destruktive<br />

Kräfte sind das Destruktivste schlechthin<br />

– sie spalten. <strong>Die</strong>s darf sich unter<br />

der neuen Parteiführung nicht wiederholen.<br />

Es widerspricht der Idee einer<br />

pluralen, demokratischen und emanzipatorischen<br />

<strong>Linke</strong>n. Es widerspricht<br />

letztlich dem Ziel, Attraktivität auf vor<br />

allem junge kritische, von der Politik<br />

enttäuschte und auch depolitisierte<br />

Menschen auszustrahlen.<br />

Strategiedebatte<br />

Eine Folge der parteiinternen Vorgänge<br />

der vergangenen Monate war, dass<br />

eine längst überfällige Debatte um die<br />

Sache, nämlich um eine Strategie, wie<br />

auf die Herausforderungen und Problemlagen<br />

der Partei zu reagieren ist,<br />

unterblieb.<br />

<strong>Die</strong> in der Tat unterschiedlichen Vorstellungen<br />

in der Partei über wesentliche<br />

strategische Fragen, wie beispielsweise<br />

das Verhältnis zur SPD und die<br />

Position zu einer möglichen Regierungsbeteiligung,<br />

müssen in einer solidarischen<br />

Diskussionskultur erörtert<br />

werden. Hierzu benötigen wir aber<br />

auch eine Debatte über die Methoden.<br />

Strategie ist nicht nur auf die »richtige«<br />

Beantwortung der Frage der Regierungsbeteiligung<br />

bzw. der Führung eines<br />

Bundestagswahlkampfs zu reduzieren.<br />

Es geht darum: Können wir als<br />

linke Partei überhaupt Erfolg haben –<br />

ohne solidarisch, demokratisch und<br />

anti-autoritär zu sein?<br />

Eine Erfolgsstrategie müsste demzufolge<br />

zuallererst die Methodenfrage<br />

klären.<br />

Jan Marose ist Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle,<br />

Bereich Strategie und<br />

Grundsatzfragen.<br />

1 Der Text ist die Kurzfassung eines Essays<br />

zu strategischen Fragen der Partei<br />

DIE LINKE. <strong>Die</strong>s ist der erste Teil. Der<br />

zweite – mit den Schlussfolgerungen –<br />

erscheint im September-»DISPUT«.<br />

2 Stichwort: Mövenpick-Partei FDP<br />

3 Vgl.: Kriese/Hoff/Kahrs (Mai 2012):<br />

DIE LINKE erneut rausgewählt. Wahlnachtbericht-Spezial:<br />

DIE LINKE nach<br />

der NRW-Wahl, S.8<br />

4 Vgl.: ebd., S. 4–5<br />

5 Insbesondere unsere schwindende<br />

Anziehungskraft auf Nichtwähler halte<br />

ich für äußerst problematisch. Vgl.:<br />

ebd., S.6, 7<br />

6 Obgleich der Gegenstand des Streits<br />

(spezifi sche politische Inhalte) oft nebulös<br />

bleibt.<br />

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