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3 disput - Die Linke

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Nicht-autoritäre, solidarische LINKE<br />

<strong>Die</strong> Partei vor dem Neustart Von Jan Marose<br />

Im Folgenden 1 möchte ich in dieser kurzen<br />

Analyse wesentliche Problemlagen<br />

der Partei DIE LINKE diskutieren und<br />

Schlussfolgerungen für eine veränderte<br />

strategische Ausrichtung ziehen. Insofern<br />

stellt sie einen Beitrag zur notwendigen<br />

innerparteilichen Strategiedebatte<br />

der kommenden Wochen und<br />

Monate dar. Strategie wird dabei nicht<br />

nur als kurzfristige bestmögliche Mobilisierung<br />

der gesamten Partei für die<br />

Bundestagswahl im kommenden Jahr<br />

begriffen, sondern auch als eine längerfristige<br />

Vorgehensweise für einen<br />

Neuanfang als veränderte, nämlich solidarischere,<br />

pluralere und demokratischere<br />

LINKE.<br />

Ohne Zweifel ist die Bundestagswahl<br />

2013 in Anbetracht aktueller Umfragen<br />

von existenzieller Bedeutung für<br />

unsere Partei. Darüber darf aber nicht<br />

vergessen werden, dass wir uns schon<br />

jetzt aufgrund des innerparteilichen<br />

Zustandes in einer kritischen Lage befi<br />

nden. Auswege aus dieser Situation<br />

können aber nur gefunden werden,<br />

wenn nicht grundsätzliche Probleme<br />

und Konfl ikte aufgrund der Notwendigkeit<br />

eines erfolgreichen Bundestagswahlkampfes<br />

verkannt und ignoriert<br />

werden. Neben der offensiven Kampagne<br />

benötigen wir einen Blick ins Innere<br />

der Partei.<br />

Der langfristige und nachhaltige Aufbau<br />

einer pluralen LINKEN mit einem<br />

solidarischen Parteileben ist ebenso<br />

wichtig und existenziell wie die Wahlkämpfe<br />

im nächsten Jahr.<br />

Vor diesem Hintergrund werde ich<br />

argumentieren, dass wir nur als antiautoritäre<br />

LINKE Attraktivität und Rückhalt<br />

zurückgewinnen, wenn wir (1) nach<br />

innen die Grundvoraussetzung einer<br />

modernen linken Partei erfüllen, nämlich<br />

eine plurale und solidarische Mitgliederpartei<br />

zu sein, wenn wir uns (2)<br />

für ein neues thematisches Feld offen<br />

zeigen und den Diskurs um Arbeitszeitverkürzungen<br />

und das bedingungslose<br />

Grundeinkommen nicht anderen überlassen<br />

und uns (3) als eine emanzipatorische<br />

Protestpartei betrachten, die<br />

einerseits die gesellschaftliche Empörung<br />

vertritt und artikuliert und andererseits<br />

in ihrer strategischen Orientierung<br />

Koalitionsoptionen mit anderen<br />

Parteien ausdrücklich einschließt, sofern<br />

damit die Lebensbedingungen der<br />

DEBATTE<br />

Menschen spürbar verbessert werden<br />

können. Ohne Macht wird Emanzipation<br />

nicht zu haben sein.<br />

Problemlagen<br />

Seit geraumer Zeit können wir in Umfragen<br />

das Ergebnis der Bundestagswahl<br />

aus dem Jahr 2009 von knapp 12 Prozent<br />

nicht mehr bestätigen. <strong>Die</strong> Landtagswahlen<br />

verliefen, insbesondere<br />

zuletzt im Mai 2012, für unsere Partei<br />

enttäuschend. Der Wiedereinzug in die<br />

Landtage wurde deutlich verpasst. Wir<br />

haben spürbar in den Ländern und auf<br />

Bundesebene an Rückhalt und Attraktivität<br />

verloren. Offenbar sind wir in den<br />

Augen vieler Menschen nicht mehr die<br />

Partei, der – neben dem Ausdruck politischen<br />

Protests – zugetraut wird, tatsächliche<br />

positive Veränderungen der<br />

Lebensbedingungen herbeizuführen.<br />

Infolge der Bundestagswahl im Jahr<br />

2009 wurde die Große Koalition von einer<br />

Koalition aus CDU/CSU und FDP abgelöst.<br />

<strong>Die</strong> SPD musste in die Opposition,<br />

wo die Grünen bereits waren. Obwohl<br />

wir trotzdem die einzige tatsächliche<br />

Oppositionspartei im Bundestag in<br />

Bezug auf die wesentlichen politischen<br />

Fragen (Frieden, Hartz IV und Finanzkrise)<br />

blieben, war die parlamentarische<br />

Ausgangssituation nach 2009 für DIE<br />

LINKE deutlich schwieriger als nach<br />

der Wahl 2005. Eine grundlegende Revision<br />

der Politik der Agenda 2010 gab<br />

es in der SPD nicht. Hier ein bisschen<br />

Reichensteuer, da ein bisschen Mindestlohn<br />

und eine zu Beginn desaströs<br />

agierende schwarz-gelbe Bundesregierung<br />

erweckten bei vielen Menschen<br />

den Eindruck, SPD und Grüne<br />

entwickelten sich wieder zu einer wählbaren<br />

Alternative zur Merkel-Union für<br />

2013. Im Frühjahr des vergangenen Jahres<br />

führte zudem die Katastrophe im<br />

Atomkraftwerk von Fukushima zu einer<br />

gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierung<br />

2 der Themen Ausstieg aus der<br />

Kernenergie und Einstieg in die Energiewende.<br />

<strong>Die</strong>s kam ohne Zweifel, insbesondere<br />

bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg<br />

im März, den Grünen<br />

zugute. Nach der Berlin-Wahl im September<br />

2011 konzentrierte sich der mediale<br />

und demoskopische Hype auf die<br />

Piraten-Partei. Sie ist seitdem in weitere<br />

Landtage eingezogen, zuletzt in zwei<br />

Parlamente, aus denen wir gleichzeitig<br />

raus gewählt wurden. <strong>Die</strong> Piraten stellen<br />

für DIE LINKE ein veritables Problem<br />

dar – nicht aufgrund ihrer Inhalte, sondern<br />

aufgrund ihrer Strukturen.<br />

Soziale Gerechtigkeit –<br />

ein Thema von gestern?<br />

<strong>Die</strong> Gesetze der Agenda 2010 und das<br />

Hartz-IV-System sind nach wie vor in<br />

Kraft. Ihre Auswirkungen sind aber offenbar<br />

immer weniger ein Grund, DIE<br />

LINKE zu wählen. Woran liegt das? Halten<br />

die Menschen den Sozialabbau unter<br />

Rot-Grün nun in der Rückschau für<br />

ökonomisch sinnvoll und sozial vertretbar?<br />

Nein, das ist mit Sicherheit nicht<br />

der Fall. Wir wissen von den einschlägigen<br />

Umfragen, dass sich eine Mehrheit<br />

der Bevölkerung für einen gesetzlichen<br />

Mindestlohn, gegen die Praxisgebühr<br />

und für eine Rente ab 65 Jahren<br />

ausspricht. Das sind alles Forderungen,<br />

die sich gegen die Grundausrichtung<br />

der Agenda 2010 wenden. Zudem<br />

zeigen jüngste Erhebungen 3 , dass die<br />

Schwerpunktthemen der Partei in den<br />

vergangenen Wahlkämpfen, insbesondere<br />

in NRW, von den Menschen begrüßt<br />

wurden. Nein, die Kritik am Neoliberalismus<br />

ist in der Bevölkerung weiterhin<br />

vorhanden. Sozialer Zusammenhalt,<br />

gerechte Verteilung der Kosten<br />

der Finanzkrise, sichere und gute Arbeit<br />

und Frieden sind nach wie vor Themen,<br />

die sich auf breite Zustimmung in<br />

der Bevölkerung berufen können. <strong>Die</strong><br />

Themensetzung ist sicherlich nicht das<br />

vorrangige Problem der Partei. Woran<br />

liegt es dann?<br />

»Ihr könnt ja auch nichts<br />

ändern!«<br />

In Bezug auf das globale Thema soziale<br />

Gerechtigkeit müssen wir offenkundig<br />

von einer anderen Problematik<br />

ausgehen. Nach der Euphorie der Gründungsjahre<br />

(mit steigenden Mitgliederzahlen<br />

und vielen Wahlerfolgen) wird<br />

unserer Partei in der Bevölkerung immer<br />

seltener zugetraut, die realen Arbeits-<br />

und Lebensbedingungen signifi -<br />

kant verbessern zu können. <strong>Die</strong> Aussage<br />

»Ihr könnt ja auch nichts ändern!«<br />

war zuletzt in den Wahlkämpfen allerorten<br />

zu hören. Vor allem haben wir bei<br />

DISPUT August 2012 32

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