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Foto: privat<br />
Der erste Schritt ist Neugier<br />
Aus der Rede von Birke Bull auf dem Landesparteitag in Sachsen-Anhalt<br />
am 21. Juli 2012<br />
DIE LINKE ist<br />
wieder da. Nicht<br />
mit Pauken und<br />
Trompeten, dafür<br />
aber mit klaren<br />
politischen<br />
Forderungen,<br />
Vorschlägen und<br />
vor allem mit<br />
strategischer Arbeit.<br />
Was Katja<br />
Kipping, Bernd Riexinger und Matthias<br />
Höhn zusammen mit anderen seit Göttingen<br />
machen, ist genau das Richtige<br />
für die Partei in der jetzigen Situation.<br />
Sie nutzen das Interesse am Neuen,<br />
um DIE LINKE wieder mit politischen<br />
Forderungen ins Gespräch zu bringen.<br />
Es steht das Angebot an alle GenossInnen,<br />
an alle, die an dieser Partei interessiert<br />
sind: Mitarbeit und Mitsprache<br />
sind erwünscht. Sowohl nach außen,<br />
aber vor allem auch nach innen.<br />
Ich wünsche den Genossinnen und<br />
Genossen in Berlin, gerade heute im<br />
Moment des offi ziellen Abschieds von<br />
Matthias (als Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt<br />
– d. Red.), alles Gute, Kraft<br />
und Stehvermögen für die richtigen<br />
Entscheidungen und das nötige Maß<br />
an Glück, was man auch braucht, um<br />
Wahlen zu gewinnen. Sowohl im Januar<br />
die Landtagswahl in Niedersachsen<br />
als auch die Bundestagswahl im Herbst<br />
2013. Macht eure Sache gut! Wir zählen<br />
auf euch!<br />
Liebe Genossinnen, liebe Genossen,<br />
DIE LINKE war nie weg. Dennoch:<br />
Göttingen war für uns alle eine Zäsur<br />
und hat viele GenossInnen in ernsthafte<br />
Sorge versetzt.<br />
<strong>Die</strong> Auseinandersetzung um unser<br />
Spitzenpersonal war mit unseren Unterschieden<br />
in grundlegenden politischen<br />
Fragen in strategischen Fragen<br />
konfrontativ verknotet.<br />
<strong>Die</strong> Motive, vor fünf Jahren eine<br />
neue gemeinsame linke Partei zu gründen<br />
und sich dort zu engagieren, waren<br />
unterschiedlich. Auf der einen Seite:<br />
GenossInnen, die viele Jahre in den<br />
neuen sozialen Bewegungen die Erfahrung<br />
gemacht haben, dass außerparlamentarischer<br />
Protest und Widerstand<br />
durchaus sehr effektive Mittel sind, die<br />
politische Klasse in Bewegung zu versetzen,<br />
um auf diese Weise die Interessen<br />
derer zur Sprache zu bringen, die<br />
LANDESVERBAND<br />
drohen zu den VerliererInnen der Gesellschaft<br />
zu werden oder es gar schon<br />
sind. Das wollten sie fortsetzen.<br />
In ihrer neuen Partei treffen sie auf<br />
GenossInnen, die seit vielen Jahren<br />
in der Kommunalpolitik, in der Landespolitik<br />
unterwegs sind, dort versuchen,<br />
konkrete Konzepte umzusetzen,<br />
sich mit Verwaltungsregeln und -recht<br />
auseinandersetzen und dabei immer<br />
wieder an die Grenzen des fehlenden<br />
Geldes in den öffentlichen Kassen geraten.<br />
<strong>Die</strong> aber dennoch kleine Schritte<br />
in Gang gebracht haben, die Städte<br />
und Gemeinden – unser Land – wohnlicher,<br />
sozialer und ein Stück gerechter<br />
zu machen.<br />
Jede und jeder Außenstehende würde<br />
sagen: Was für eine Fundgrube linker<br />
Ideen und Strategien! Was für interessante<br />
Reibungspunkte! Was wird DIE<br />
LINKE zustande bringen, wenn sich diese<br />
vielfältigen Positionen aufeinander<br />
einlassen würden und wenn sie trotzdem<br />
in ihrer Unterschiedlichkeit Bestand<br />
hätten? <strong>Die</strong> Gefahr, dass aus uns<br />
eine ideologische Einheitsbrigade würde,<br />
ist eher eine zu vernachlässigende<br />
Größe.<br />
Aber: Wir sind uns im Klaren, dass<br />
wir mit unserem Potenzial nicht immer<br />
sorgsam und politisch gewinnbringend<br />
umgegangen sind. Das muss sich ändern,<br />
das wird sich ändern.<br />
Dabei haben wir mit solchem Crossover<br />
bereits sehr lebendige Erfahrungen<br />
gerade hier in Sachsen-Anhalt gemacht.<br />
Wer erinnert sich nicht an die<br />
kalten Wintertage im Jahr 2005. Viele<br />
GenossInnen standen auf den Straßen,<br />
mit Glühwein in der einen Hand<br />
und mit einer Unterschriftenliste in der<br />
anderen – gegen die damals beabsichtigte<br />
Verschlechterung des Kinderförderungsgesetzes<br />
–, geradezu stabsmäßig<br />
geplant durch das Bündnis für<br />
ein kinder- und jugendfreundliches<br />
Sachsen-Anhalt. Wie groß war damals<br />
die Enttäuschung nach dem Volksentscheid<br />
– ein im Übrigen in Sachsen-<br />
Anhalt bisher einmaliger Vorgang –,<br />
als nicht genügend Wähler/innen von<br />
ihrem Recht Gebrauch gemacht hatten,<br />
diese Verschlechterungen zu verhindern.<br />
Trotzdem: Langfristig war dieses<br />
zähe Engagement im bitterkalten<br />
Winter erfolgreich.<br />
Heute hat DIE LINKE wiederum ein<br />
eigenes Kinderförderungsgesetz vorgelegt<br />
– angelehnt an die Forderungen<br />
des Bündnisses. Wieder sind wir dort<br />
aktiv, wieder setzten wir uns mit Argumenten<br />
und unterschiedlichen Perspektiven<br />
auseinander. Wir bleiben bei<br />
dem, was wir im Wahlkampf versprochen<br />
haben: Frühkindliche Bildung ist<br />
ein Recht aller Kinder, und zwar unabhängig<br />
davon, ob ihre Eltern arbeitslos<br />
sind oder nicht. Bildung von Anfang an<br />
braucht eine angemessene Verbesserung<br />
der pädagogischen Rahmenbedingungen<br />
– und auch das ist im Übrigen<br />
das Ergebnis außerparlamentarischen<br />
Drucks der letzten Monate.<br />
Das ist nur mit uns zu machen, denn<br />
auch auf Bündnis 90/<strong>Die</strong> Grünen ist<br />
hier mittlerweile kein Verlass mehr,<br />
auch sie sind von ihrer einstigen Forderung<br />
auf einen Ganztagsanspruch für<br />
alle Kinder abgerückt.<br />
An unserem Gesetzentwurf wird niemand<br />
vorbei kommen – nicht die SPD,<br />
die mittlerweile zur Einsicht in die Notwendigkeit<br />
gelangt ist, nicht die CDU,<br />
die im Grunde immer noch meint, das<br />
könne zur Not auch die Mutti machen.<br />
Für uns als LINKE bleibt die Chancengerechtigkeit<br />
eine der zentralen<br />
Fragen in dieser Gesellschaft. Gute Bildung<br />
ist eine Schlüsselressource dafür,<br />
dass Menschen ihre Potenziale für<br />
das eigene Leben nutzen können. Aber<br />
auch dafür, dass sie sich einbringen in<br />
die Gesellschaft, ihre Mechanismen<br />
durchschauen, kritisieren und vor allem:<br />
sie verändern.<br />
Auch deshalb gehört die Bildungs-<br />
und Sozialpolitik zu unseren Kernkompetenzen.<br />
Wir haben unsere Vorstellungen<br />
für eine Schulreform eingebracht.<br />
Etikettenpolitik unter dem Label Gemeinschaftsschule<br />
ist nicht unser Ding.<br />
Nein: Uns geht es um die Stärkung<br />
der Sekundarschule, um die Angleichung<br />
der Bildungsgänge – und zwar<br />
an die Standards des Gymnasiums –,<br />
um dann tatsächlich Ernst zu machen<br />
mit der Allgemeinbildenden Gemeinschaftsschule<br />
– und zwar für alle Schülerinnen<br />
und Schüler.<br />
Allein den Begriff »Gemeinschaftsschule«<br />
ins Gesetz zu schreiben, aber<br />
auf alle verbindlichen Schritte und<br />
Standards zu verzichten, das ist heiße<br />
Luft. <strong>Die</strong> SPD sitzt in der selbst gewählten<br />
Falle: Beide Koalitionspartner zie-<br />
DISPUT August 2012 26