Programmheft - kammermusik festival hohenstaufen
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»Denn ich habe Vertrauen – zu mir«Zemlinskys KlaviertrioAtonalität war seine Sache nicht: »Für Mahlers Werke habe ichdie unbeschränkteste, grenzenloseste Verehrung... – Vor denletzten Werken Schönbergs stehe ich nicht immer mit gleicherLiebe, aber immer mit grenzenlosem Respekt. Ich weiß aber ausErfahrung, daß ich auch zu jenen Werken, die mir heute nochstumm sind, morgen schon ein liebevolles Verhältnis bekommenkann. Ich warte auch getrost; denn ich habe Vertrauen – zu mir.«Als der Wiener Tonkünstlerverein 1896 einen Kompositionswettbewerbfür ein kammermusikalisches Werk mit einem Blasinstrumentausschrieb, dessen Preisprämien Brahms zurVerfügung gestellt hatte, und Zemlinsky mit seinem Trio op. 3(eingereicht unter dem Pseudonym »Beethoven«!) den 3. Preisgewann, stand derlei Zerrissenheit längst noch nicht zur Debatte.So hatte auch sein Schüler Schönberg ein 16-taktiges Fragmenteines Klarinettentrios, offenbar nach der Ausschreibungdes Preises, begonnen, dessen Ähnlichkeit mit Zemlinskys op. 3auffallend ist. Damals waren sie sich alle einig: Brahms ist derGrößte! Zemlinsky war und Schönberg wurde damals Mitglieddes Tonkünstlervereins, dessen Ehrenpräsident Brahms war.Freilich boten sich hier auch Möglichkeiten, als Komponist bzw.Pianist hervorzutreten. »Ich […] kannte die meisten WerkeBrahms’ gründlich und war wie besessen von dieser Musik. Aneignungund Beherrschung dieser wundervollen, eigenartigenTechnik galt mir damals als ein Ziel […] Ich erinnere mich, wie esauch bei meinen Kollegen als besonders rühmenswert galt, so‚Brahmsisch’ als nur möglich zu komponieren.« Der greiseBrahms goutierte den Eifer seiner Adepten und schrieb vier Monatevor seinem Tod an seinen Verleger Simrock: »Das Quartettvon Rabl und das Trio von Zemlinsky gehören Dir. Bei beidenkann ich eben auch den Menschen und das Talent empfehlen.«Danach hörte der Verein auf, »allmonatlich einmal am GrabeBrahms’ zu weinen«. Zemlinskys Kommentar: »Mit dem Bestreben,sich selbst zu finden, war auch eine energische Reaktionvon Brahms weg gegeben. Es gab Zeiten, wo die Verehrung undBewunderung für Brahms ins förmliche Gegenteil umschlug.«22kammermusikfestivalhohenstaufen
Alexander Zemlinsky, Heliogravüre,Berlin 1897»Als ich [Zemlinsky] kennenlernte, warich ausschließlich Brahmsianer.Er aber liebte Brahms und Wagnergleichermaßen, wodurch ich bald daraufebenfalls ein glühender Anhänger beiderwurde.«(Arnold Schönberg)Das Trio verleugnet seine Herkunft nicht, denn solcheshätte sein Verfasser auch nicht nötig gehabt. Der Brahms-Gestus des jungen Zemlinsky sollte vielmehr als ein durchausbequemer, aber schwerer Mantel verstanden werden,dessen Abstreifen im Klarinettentrio komponiert wird, als traditionellesKostüm, das zugleich den unweigerlichen Aufbruchumhüllt. Zemlinskys eigener Stil mit seiner Vorliebe fürreiche Chromatik ist bereits deutlich ausgeprägt, Anweisungenwie Mit Schwung und Wärme zeigen den Willen zu starkerinterpretatorischer Impulsgebung, alle melodischenEinfälle erwachsen dem Ur-(oder Lebens-)Motiv aus den dreiNoten d-e-f, mit dem das Werk beginnt. Und spätestens imFinale wirft Zemlinsky den Mantel ab und begibt sich aufsTheaterpodium als »einer der bezauberndsten Märchenerzählerder Musikgeschichte« (Claus-Christian Schuster).kammermusikfestivalhohenstaufen23
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»Denn ich habe Vertrauen – zu mir«Zemlinskys KlaviertrioAtonalität war seine Sache nicht: »Für Mahlers Werke habe ichdie unbeschränkteste, grenzenloseste Verehrung... – Vor denletzten Werken Schönbergs stehe ich nicht immer mit gleicherLiebe, aber immer mit grenzenlosem Respekt. Ich weiß aber ausErfahrung, daß ich auch zu jenen Werken, die mir heute nochstumm sind, morgen schon ein liebevolles Verhältnis bekommenkann. Ich warte auch getrost; denn ich habe Vertrauen – zu mir.«Als der Wiener Tonkünstlerverein 1896 einen Kompositionswettbewerbfür ein <strong>kammermusik</strong>alisches Werk mit einem Blasinstrumentausschrieb, dessen Preisprämien Brahms zurVerfügung gestellt hatte, und Zemlinsky mit seinem Trio op. 3(eingereicht unter dem Pseudonym »Beethoven«!) den 3. Preisgewann, stand derlei Zerrissenheit längst noch nicht zur Debatte.So hatte auch sein Schüler Schönberg ein 16-taktiges Fragmenteines Klarinettentrios, offenbar nach der Ausschreibungdes Preises, begonnen, dessen Ähnlichkeit mit Zemlinskys op. 3auffallend ist. Damals waren sie sich alle einig: Brahms ist derGrößte! Zemlinsky war und Schönberg wurde damals Mitglieddes Tonkünstlervereins, dessen Ehrenpräsident Brahms war.Freilich boten sich hier auch Möglichkeiten, als Komponist bzw.Pianist hervorzutreten. »Ich […] kannte die meisten WerkeBrahms’ gründlich und war wie besessen von dieser Musik. Aneignungund Beherrschung dieser wundervollen, eigenartigenTechnik galt mir damals als ein Ziel […] Ich erinnere mich, wie esauch bei meinen Kollegen als besonders rühmenswert galt, so‚Brahmsisch’ als nur möglich zu komponieren.« Der greiseBrahms goutierte den Eifer seiner Adepten und schrieb vier Monatevor seinem Tod an seinen Verleger Simrock: »Das Quartettvon Rabl und das Trio von Zemlinsky gehören Dir. Bei beidenkann ich eben auch den Menschen und das Talent empfehlen.«Danach hörte der Verein auf, »allmonatlich einmal am GrabeBrahms’ zu weinen«. Zemlinskys Kommentar: »Mit dem Bestreben,sich selbst zu finden, war auch eine energische Reaktionvon Brahms weg gegeben. Es gab Zeiten, wo die Verehrung undBewunderung für Brahms ins förmliche Gegenteil umschlug.«22<strong>kammermusik</strong><strong>festival</strong><strong>hohenstaufen</strong>