franziskusbote 1/07_ok - Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn
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Zeitschrift der stiftung<br />
st. franziskus heiligenbronn<br />
Ausgabe 1, März 2009<br />
Taubblindenbetreuung für Erwachsene<br />
Verständigung mit der<br />
Hand braucht viel Zeit<br />
<strong>Heiligenbronn</strong> ist ein Ort, an dem nicht<br />
nur hör- und sehgeschädigte Menschen<br />
leben und betreut werden, sondern auch<br />
solche, die von beiden Sinnesbehinderungen<br />
betroffen sind: taubblinde bzw. hörsehbehinderte<br />
Menschen verschiedenen<br />
Alters. Seit 2006 ist am Förderzentrum<br />
Sehen der stiftung st. franziskus heiligenbronn<br />
eine Schule für taubblinde Kinder<br />
und Jugendliche eingerichtet als einziges<br />
franziskus-bote<br />
Angebot dieser Art in Baden-Württemberg.<br />
Auch die Beratung und Frühförderung wird<br />
landesweit vom Förderzentrum geleistet<br />
(siehe auch Artikel Seite 11).<br />
Doch taubblinde und hörsehbehinderte<br />
Menschen befinden sich in der Einrichtung<br />
<strong>Heiligenbronn</strong> auch im Erwachsenenbereich.<br />
Schon die Franziskanerinnen hatten die<br />
Einrichtung immer auch für Menschen<br />
Zivildienstleistender Andreas Dold lormt dem taubblinden Korbmacher Joachim Burger zur<br />
Verständigung in die Hand Foto: Bormann<br />
Musikschauspiel mit<br />
hörgeschädigten Schülern<br />
Bereits zum dritten Mal gestalteten die<br />
Schule für Hörgeschädigte in <strong>Heiligenbronn</strong><br />
und das Albert-Einstein-Gymnasium<br />
Böblingen gemeinsam ein Musikschauspiel,<br />
diesmal „Peter und der Wolf“. S. 9<br />
Erstes Elterntreffen im Land zu<br />
Kindern mit CHARGE-Syndrom<br />
Das CHARGE-Syndrom ist eine spezielle<br />
Erscheinungsform von Hör-Seh-Behinderungen.<br />
Erstmals kamen betroffene Familien<br />
aus Baden-Württemberg in <strong>Heiligenbronn</strong><br />
zusammen. S. 11<br />
Förderverein des Altenzentrums<br />
Dr.-Karl-Hohner-Heim sehr aktiv<br />
Seit drei Jahren gibt es den Förderverein<br />
des Altenzentrums Dr.-Karl-Hohner-Heim in<br />
Trossingen und er hat in dieser Zeit schon<br />
viel bewegt. S. 16<br />
Interview zur Finanzierung<br />
der Altenzentren<br />
Ileana Dieter, Abteilungsleiterin Betriebswirtschaft<br />
in der Altenhilfe der <strong><strong>St</strong>iftung</strong>,<br />
gibt Auskunft über die Finanzierung der<br />
Altenzentren durch die Pflegesätze. S. 21<br />
Einer Schwester der Sozialstation<br />
über die Schulter geschaut<br />
Der „franziskus-bote“ begleitete eine<br />
Schwester der Kirchlichen Sozialstation<br />
Schramberg bei einer ihrer Touren zu<br />
ambulant versorgten Patienten. S. 23
Inhaltsverzeichnis<br />
Titelgeschichte: Betreuung taubblinder Erwachsener in <strong>Heiligenbronn</strong> S. 1<br />
<strong><strong>St</strong>iftung</strong> allgemein<br />
Wirtschaftsplan 2009 und die Finanzmarktkrise S. 4<br />
STIFTUNGS-KALENDER S. 5<br />
Behindertenhilfe in <strong>Heiligenbronn</strong><br />
Erste Zwischenbilanz zu der Spendenaktion „Wir machen Schule“ S. 6<br />
Wintersporttag des Förderzentrums Sehen S. 8<br />
Förderverein sucht Langlauftrainer für Blindenschüler S. 8<br />
Musikaufführung des Förderzentrums Hören und Sprechen mit dem<br />
Albert-Einstein-Gymnasium Böblingen S. 9<br />
Elterntreffen am Förderzentrum Sehen zu Kindern mit CHARGE-Syndrom S. 11<br />
Behindertenhilfe in Rottweil<br />
Tai Chi-Kurs mit hörgeschädigten Bewohnern aus <strong>St</strong>. Antonius Rottweil S. 13<br />
Blindenschule Baindt<br />
Märchennachmittag dient zur Finanzierung einer Skifreizeit S. 14<br />
Verabschiedung von Heimleiter Erik Thouet S. 15<br />
Altenhilfe<br />
Förderverein Dr.-Karl-Hohner-Heim seit drei Jahren aktiv S. 16<br />
Schul-AG „Jung trifft alt“ im Dr.-Karl-Hohner-Heim Trossingen S. 18<br />
Das neue Bürgerheim in Tuttlingen vor der Fertigstellung S. 20<br />
Interview mit Ileana Dieter zu den Pflegesätzen der Altenzentren S. 21<br />
Über die Schulter geschaut: Schwester der Kirchlichen Sozialstation Schramberg<br />
unterwegs bei Pflegebedürftigen S. 23<br />
Kinder- und Familienzentrum Villingen-Schwenningen<br />
Bistro-Betrieb im David-Fuchs-Haus S. 25<br />
Sardinien-Freizeit der Schule für Erziehungshilfe S. 26<br />
Bulgarisch-Deutsches Sozialwerk<br />
Gottesdienst und Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Bulgarisch-Deutschen<br />
Sozialwerkes in Liebenau S. 28<br />
POST AN DEN FRANZISKUS-BOTE S. 30<br />
DAS IST JA DAS VORLETZTE! S. 31<br />
Impressum S. 31<br />
Rückseite: Aus der <strong>St</strong>rohkirche des Jubiläumsjahrs wurde ein Hasenstall S. 32<br />
2<br />
Beim <strong>St</strong>adtbummel in Wolfach wird der taubblinde<br />
Walter Bittner von Mitarbeiterin Selina Haas<br />
begleitet und informiert. Foto: Hock<br />
mit Hör-Sehbehinderung offen gehalten,<br />
zumal vielfach die eine Behinderung erst<br />
im Laufe der Zeit zur anderen hinzukommt<br />
wie beim sogenannten Usher-Syndrom,<br />
bei dem Menschen mit Hörschädigungen<br />
im Erwachsenenalter langsam erblinden<br />
können. Das jeweilige behindertenspezifische<br />
Fachwissen konnte gegenseitig<br />
ergänzt werden.<br />
Heimat für alle Menschen mit<br />
Sinnesbehinderungen<br />
Die stiftung st. franziskus heiligenbronn, die<br />
sich dann generell mehrfachbehinderten<br />
Menschen geöffnet hat, führte die Betreuung<br />
taubblinder Menschen fort und bot<br />
ihnen genauso Heimat wie anderen sinnesbehinderten<br />
Menschen. In den Werkstätten<br />
wird den taubblinden und hörsehbehinderten<br />
Beschäftigten seit zehn Jahren in einer<br />
eigenen Gruppe im Rahmen der arbeitsbegleitenden<br />
Maßnahmen ein Erfahrungsangebot<br />
über die Arbeit hinaus gemacht.<br />
Heute sind es insgesamt 20 Menschen<br />
mit Hör-Sehbehinderung oder völliger Taubblindheit,<br />
die in den Gruppen für sinnesbehinderte<br />
oder mehrfachbehinderte Erwachsene<br />
in <strong>Heiligenbronn</strong> und Rottweil<br />
<strong>St</strong>. Antonius betreut und gefördert werden.<br />
Dies alles geschieht ohne besondere finanzielle<br />
Entschädigung für den deutlich höheren<br />
Betreuungs- und Begleitaufwand. Bei<br />
einem taubblinden Menschen versagen in<br />
der Kommunikation weitgehend die Hilfsmittel,<br />
wie sie sonst in der Verständigung<br />
mit blinden, sehbehinderten oder hörgeschädigten<br />
Menschen eingesetzt werden:<br />
Blindenschrift, Bildschirmvergrößerung,<br />
franziskus-bote 1/09
Lautsprache oder Gebärdensprache. Auch<br />
was Mobilität und Orientierung angeht,<br />
sind taubblinde Menschen außerhalb<br />
ihrer gewohnten Umgebung auf ständige<br />
Begleitung angewiesen.<br />
Wie auch im Schulbereich früher sind Erwachsene<br />
mit Hör-Sehbehinderung und<br />
Taubblindheit heute noch für eine spezielle<br />
Förderung auf Facheinrichtungen außerhalb<br />
von Baden-Württemberg angewiesen, vor<br />
allem in Würzburg und Hannover.<br />
Bedarf für Spezialeinrichtung<br />
Die stiftung st. franziskus heiligenbronn,<br />
die beide Behinderungsgruppen betreut<br />
und auch Mitarbeiterinnen mit hör- wie<br />
sehgeschädigtenspezifischen Kenntnissen<br />
und Erfahrungen hat, will sich auch für den<br />
Erwachsenenbereich als Spezialeinrichtung<br />
für taubblinde Menschen in Baden-Württemberg<br />
profilieren und bekommt dabei<br />
Unterstützung von dem jüngst verabschiedeten<br />
Behindertenhilfeplan des Landkreises<br />
Rottweil, in dem es heißt:<br />
Allerdings zeichnet sich ein überregionaler<br />
Bedarf für eine überregional tätige Spezialeinrichtung<br />
für ‚Taubblindheit‘ ab. Hier ist<br />
nach dem überregionalen Bedarfsnachweis<br />
mit dem Landkreis eine Leistungsvereinbarung<br />
zu schließen. Sie bietet dem vorhandenen<br />
regionalen Träger stiftung st. franziskus<br />
heiligenbronn Entwicklungsoptionen.<br />
Die Behindertenhilfe Erwachsene in <strong>Heiligenbronn</strong><br />
arbeitet derzeit an einer Konzeption<br />
für ein solches landesweites Taubblindenzentrum.<br />
Fachbereichsleiter Frank King hat<br />
in einer Erhebung dafür zusammengetragen,<br />
mit welchen Mitteln und Kommunikationsformen<br />
die zwanzig bereits betreuten<br />
taubblinden und hör-sehbehinderten Erwachsenen<br />
unterstützt werden und wo die<br />
Grenzen und Schwierigkeiten liegen. Gemeinsam<br />
mit der Leitung Behindertenhilfe<br />
und den erfahrenen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern in Wohngruppen, im Förderund<br />
Betreuungsbereich, in den Werkstätten<br />
und in der Seniorenbegleitung wurden<br />
Ideen und Möglichkeiten für eine verbesserte<br />
Grundlage der Taubblindenarbeit in<br />
<strong>Heiligenbronn</strong> zusammengetragen.<br />
Kommunikation stößt an Grenzen<br />
Die doppelte Sinnesbehinderung wirkt sich<br />
bei jedem Menschen wieder anders aus,<br />
so dass auch die in der Betreuung eingesetzten<br />
Seh- und Hörhilfen eine breite<br />
Palette darstellen und individuell kombiniert<br />
franziskus-bote 1/09<br />
Die Taubblindengruppe der <strong><strong>St</strong>iftung</strong>s-Werkstätten in <strong>Heiligenbronn</strong> unternimmt regelmäßig Besichtigungen.<br />
Hier allerdings wurde für die Weihnachtskrippe gebastelt, die dann im Schramberger Rathaus<br />
zu sehen war – in der Mitte Mitarbeiterin Antje Dieterle und Manfred Trapp. Foto: Höhn<br />
werden müssen: vom Langstock und der<br />
Blindenuhr bis zur Lichtklingel oder dem<br />
Telefon mit Lautsprecher. Als wichtige<br />
Kommunikationsform kommt bei vielen das<br />
„Lormen“ zum Einsatz – ein Handalphabet,<br />
aber genauso die Lautsprache, Gebärden<br />
oder taktiles (berührendes) Gebärden, Aufschreiben<br />
usw. Das alles erfordert allerdings<br />
auch intensives Training. Erklärungen und<br />
Hinweise brauchen entsprechend viel Zeit.<br />
Doch stößt die Kommunikation hier mitunter<br />
auch einfach an ihre Grenzen, z.B. wenn<br />
noch ein anderer kultureller Hintergrund hinzukommt<br />
oder die Artikulationsmöglichkeiten<br />
des Betroffenen sehr eingeschränkt sind.<br />
Das Lorm-Alphabet zur Verständigung mittels<br />
der Buchstaben, die in die Handfläche getippt<br />
werden – benannt nach Hierynomus Lorm.<br />
3<br />
Für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen,<br />
denen ja oft nur sehr schwer verständlich<br />
zu machen ist, was um sie herum<br />
vorgeht, bringt ein Wechsel der Bezugspersonen<br />
stets wieder große Unruhe. Feste<br />
Betreuer, mit denen eine konstante Beziehung<br />
über Jahre hinweg aufgebaut werden<br />
kann, geben ihnen die nötige Sicherheit.<br />
Veränderungen, berichten die Mitarbeiter,<br />
werden von den taubblinden Bewohnern<br />
am wenigsten verkraftet. Aus diesem Zusammenhang<br />
erklären sich auch manche<br />
Aggressionen. „Für die taubblinden Bewohner<br />
im Förder- und Betreuungsbereich“,<br />
schildert eine Mitarbeiterin, „ist Aggression<br />
auch eine Form der Kommunikation.“<br />
Das muss von Mitarbeitenden auch erst so<br />
verstanden und ausgehalten werden.<br />
Ideen für bessere Förderung<br />
Psychologische Betreuung und psychiatrische<br />
Hilfe, Therapieangebote und Erfahrungsräume<br />
wie ein „Time-out-Raum“ können<br />
da wertvolle Hilfen sein. Für die eigene<br />
Orientierung der Betroffenen im Raum und<br />
im Freien sind auch verschiedene Bodenbeläge<br />
mit unterschiedlichen taktilen Qualitäten,<br />
andere Orientierungssysteme am<br />
Boden oder Handläufe hilfreich. Ein höherer<br />
Personalschlüssel und spezielle Förderung<br />
der Mitarbeiter sowie regelmäßiger Austausch<br />
untereinander wären wichtige Voraussetzungen,<br />
den taubblinden Menschen<br />
besser gerecht werden zu können, denn<br />
für die <strong><strong>St</strong>iftung</strong> steht außer Frage, dass auch<br />
für sie der Anspruch auf eine individuelle<br />
Förderung, Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben und die Perspektive ihres eigenen<br />
Lebensglücks gelten soll. Ewald Graf