Katholiken in Lienen seit der Reformation

Katholiken in Lienen seit der Reformation Katholiken in Lienen seit der Reformation

23.11.2012 Aufrufe

Einleitung Abb. 1: Die katholische Kirche in Lienen 1965 Mit der Eingliederung des seit dem 6. nachchristlichen Jahrhundert im Raum des heutigen Westfalens ansässigen Stammes der Sachsen in das Frankenreich durch Karl den Großen am Ende des 8. Jahrhunderts kam auch das Christentum um das Jahr 800 in unsere Gegend. 1 Die Kirche zu Lienen als Element dieses Christianisierungsprozesses gilt in der Forschung als „Urpfarre“ aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die auf den Ländereien eines Hofes der Reichsabtei Herford, dem erstmals 1437 in den Quellen genannten „Ebdinkhof to Lyne“ 2 , gegründet worden ist. 3 Der „Ebdinkhof“, d.i. der „Hof der Äbtissin“, lag wenige hundert Me- ter südlich des sogenannten Deetwegs (von as. thiod(a), ahd. diot „Volk“), dem alten Heer- und Handelsweg von Lingen nach Bielefeld. 1147 wurden der Herforder Reichsabtei ihre älte- ren Besitzungen und Privilegien in Ibbenbüren, Lengerich, Lienen, Bünde und Rödinghausen 1 Finke, Walter, Frühmittelalterliche Siedlungen im Münsterland, in: Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Geschichte im Herzen Europas, hrsg. v. Hansgerd Hellenkemper u.a., Mainz 1990, S. 25-47; Grünewald, Christoph, Die Siedlungsgeschichte des Münsterlandes vom 7. bis 10. Jahrhundert aus archäologischer Sicht, in: 805. Liudger wird Bischof. Spuren eines Heiligen zwischen York, Rom und Münster, hrsg. v. Gabriele Isenberg, Mainz 2005, S. 31-42; Spannhoff, Christof, Überlegungen zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte am Beispiel Ladbergens, in: Unser Kreis 2008. Jahrbuch für den Kreis Steinfurt, S. 223-226. 2 Freiherrlich von Kettelersches Archiv (Harkotten I), Urkunden, Nr. 121. Regest der Urkunde in: Spannhoff, Christof (Bearb.), Quellen und Beiträge zur Orts-, Familien- und Hofesgeschichte Lienens, Bd. 1, Norderstedt 2007, S. 597. 3 Vgl.: Prinz, Joseph, Das Territorium des Bistums Osnabrück, Göttingen 1934, S. 72-77; Hömberg, Albert K[arl]., Studien zur Entstehung der mittelalterlichen Kirchenorganisation in Westfalen, in: Westfälische Forschungen 6 (1943/1952), S. 46-108; Hunsche, Friedrich Ernst, Entstehung und Entwicklung des Kirchspiels Lienen und seiner Pfarrer, in: Ders., Lienen am Teutoburger Wald. 1000 Jahre Gemarkung Lienen, hrsg. v. d. Gemeinde Lienen, Lienen 1965, S. 111-129, hier S. 116; Klueting, Harm, Geschichte Westfalens. Das Land zwischen Rhein und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhundert, Paderborn 1998, S. 23-36, hier S. 33; Wilkens, Wilhelm, Lienen. Das Dorf und seine Bauerschaften von der Sachsenzeit bis zur Gegenwart, Norderstedt 2004, S. 18-25. 2

von König Konrad III. (1093-1152) bestätigt. 4 Wahrscheinlich gingen diese Rechte in die Zeit König Ludwigs (II.) des Deutschen († 876) zurück, der im Jahre 851 der Reichsabtei Herford Güter im Gau „Sutherbergi“, zu dem auch Lienen zu zählen ist, schenkte. 5 Aufgrund dieser Anhaltspunkte wird die Gründung der Kirche Lienens in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts angesetzt. 6 Der Ort „Lina“ wird 1088 erstmals in einem Verzeichnis derjenigen Güter genannt, die Bi- schof Benno II. von Osnabrück († 1088) für das Kloster Iburg erworben hatte. 7 Der älteste noch bestehende Teil der heute ev. Kirche – der romanische Turm – stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, was auch durch die archäologischen Untersuchungen im Innern von Turm und Kirche im Sommer 1995 bestätigt wurde. 8 Die Kirche dürfte vor der Reforma- tion Johannes dem Täufer geweiht gewesen sein. 9 Erst 1241 ist urkundlich von einem „Kirch- spiel“ (parochia) 10 Lienen die Rede, das damals die Bauerschaften Aldrup, Höste, Holperdorp, Holzhausen, Meckelwege und Westerbeck sowie die Anfang des 17. Jahrhunderts an das Kirchspiel Glane abgepfarrte Bauerschaft Ostenfelde umfasste. 11 Die später eigenständige Dorfbauerschaft und die Bauerschaft Kattenvenne bildeten sich erst um 1550 aus Teilen der Bauerschaften Aldrup und Ostenfelde bzw. Meckelwege. 12 Das Patronatsrecht besaß die Her- 4 Wilmans, Roger (Bearb.), Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen 777-1313, 2 Bde., Münster 1867 u. 1881, Bd. 2: Die Kaiser-Urkunden der Provinz Westfalen aus den Jahren 901-1254, bearb. v. Friedrich Philippi, Münster 1881, Nr. 233. 5 Philippi, Friedrich u. a. (Bearb.), Osnabrücker Urkundenbuch, 7 Bde., Osnabrück 1892-1996 (im Folgenden: OUB), Bd. I, Nr. 35. Vgl. auch: Hunsche, Lienen (wie Anm. 3), S. 32. 6 Die älteren Ergebnisse der Forschung zur Pfarrorganisation Westfalens werden kritisch betrachtet von: Kohl, Wilhelm, Bemerkungen zur Entstehung der Pfarrorganisation im alten Sachsen, vornehmlich im Bistum Münster, in: Mötsch, Johannes (Hrsg.), Ein Eifler für Rheinland-Pfalz. Festschrift für Franz-Josef Heyen zum 75. Geburtstag, Bd. 2, Mainz 2003, S. 915-931. 7 OUB I, Nr. 201. 8 Warnke, Ursula, Die Ergebnisse der Ausgrabungen in der evangelischen Kirche Lienen – Sommer 1995, hrsg. v. d. ev. Kirchengemeinde Lienen, Lengerich 1995. 9 Prinz, Territorium (wie Anm. 3), S. 77, schloss aufgrund des Filialverhältnisses zwischen Glane und Lienen (Glane ist eine Tochterkirche von Lienen, s. OUB III, Nr. 65 [1253]) darauf, dass, da Glane eine Jacobus-Kirche war und ist, auch für Lienen ein solches Patrozinium angenommen werden müsse. Wilkens hingegen hat es aufgrund von Flurnamen und dem Datum des Kirchweihfestes wahrscheinlich gemacht, dass die Lienener Kirche Johannes dem Täufer geweiht war. S. Wilkens, Lienen (wie Anm. 3), S. 25-28. 10 Das Kirchspiel ist ein Bezirk, in dem ein Pfarrer predigen und die kirchlichen Amtspflichten ausüben darf. Mhd. kir(ch)spil, kirchspel, mndd. ker(k)spel, kar(k)spel u.a., mndl. kerspel. Das Wort verbreitete sich im 13. Jh. vom rheinischen Nordwesten aus, wo auch ndl. (dial.) dingspel „Dingbezirk“ gilt. Vermutlich zu -spel (wie in Bei-spiel), doch ist der Bedeutungszusammenhang nicht ausreichend klar („Bezirk, in dem das Wort, der Beschluss, die Predigt, gilt“?). Vgl.: Kluge, Friedrich, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. v. Elmar Seebold, 24. Aufl., Berlin 2002, S. 490. 11 OUB, Bd. II, Nr. 408: „curtis Dalhof in parrochia Lienen.“ 12 Hunsche, Lienen (wie Anm. 3), S. 39, 190 u. 257. 3

E<strong>in</strong>leitung<br />

Abb. 1: Die katholische Kirche <strong>in</strong> <strong>Lienen</strong> 1965<br />

Mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung des <strong>seit</strong> dem 6. nachchristlichen Jahrhun<strong>der</strong>t im Raum des heutigen<br />

Westfalens ansässigen Stammes <strong>der</strong> Sachsen <strong>in</strong> das Frankenreich durch Karl den Großen am<br />

Ende des 8. Jahrhun<strong>der</strong>ts kam auch das Christentum um das Jahr 800 <strong>in</strong> unsere Gegend. 1<br />

Die Kirche zu <strong>Lienen</strong> als Element dieses Christianisierungsprozesses gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung als<br />

„Urpfarre“ aus <strong>der</strong> ersten Hälfte des 9. Jahrhun<strong>der</strong>ts, die auf den Län<strong>der</strong>eien e<strong>in</strong>es Hofes <strong>der</strong><br />

Reichsabtei Herford, dem erstmals 1437 <strong>in</strong> den Quellen genannten „Ebd<strong>in</strong>khof to Lyne“ 2 ,<br />

gegründet worden ist. 3 Der „Ebd<strong>in</strong>khof“, d.i. <strong>der</strong> „Hof <strong>der</strong> Äbtiss<strong>in</strong>“, lag wenige hun<strong>der</strong>t Me-<br />

ter südlich des sogenannten Deetwegs (von as. thiod(a), ahd. diot „Volk“), dem alten Heer-<br />

und Handelsweg von L<strong>in</strong>gen nach Bielefeld. 1147 wurden <strong>der</strong> Herfor<strong>der</strong> Reichsabtei ihre älte-<br />

ren Besitzungen und Privilegien <strong>in</strong> Ibbenbüren, Lengerich, <strong>Lienen</strong>, Bünde und Röd<strong>in</strong>ghausen<br />

1<br />

F<strong>in</strong>ke, Walter, Frühmittelalterliche Siedlungen im Münsterland, <strong>in</strong>: Archäologie <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen. Geschichte<br />

im Herzen Europas, hrsg. v. Hansgerd Hellenkemper u.a., Ma<strong>in</strong>z 1990, S. 25-47; Grünewald, Christoph,<br />

Die Siedlungsgeschichte des Münsterlandes vom 7. bis 10. Jahrhun<strong>der</strong>t aus archäologischer Sicht, <strong>in</strong>: 805. Liudger<br />

wird Bischof. Spuren e<strong>in</strong>es Heiligen zwischen York, Rom und Münster, hrsg. v. Gabriele Isenberg, Ma<strong>in</strong>z<br />

2005, S. 31-42; Spannhoff, Christof, Überlegungen zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte am Beispiel<br />

Ladbergens, <strong>in</strong>: Unser Kreis 2008. Jahrbuch für den Kreis Ste<strong>in</strong>furt, S. 223-226.<br />

2<br />

Freiherrlich von Kettelersches Archiv (Harkotten I), Urkunden, Nr. 121. Regest <strong>der</strong> Urkunde <strong>in</strong>: Spannhoff,<br />

Christof (Bearb.), Quellen und Beiträge zur Orts-, Familien- und Hofesgeschichte <strong>Lienen</strong>s, Bd. 1, Nor<strong>der</strong>stedt<br />

2007, S. 597.<br />

3<br />

Vgl.: Pr<strong>in</strong>z, Joseph, Das Territorium des Bistums Osnabrück, Gött<strong>in</strong>gen 1934, S. 72-77; Hömberg, Albert<br />

K[arl]., Studien zur Entstehung <strong>der</strong> mittelalterlichen Kirchenorganisation <strong>in</strong> Westfalen, <strong>in</strong>: Westfälische Forschungen<br />

6 (1943/1952), S. 46-108; Hunsche, Friedrich Ernst, Entstehung und Entwicklung des Kirchspiels<br />

<strong>Lienen</strong> und se<strong>in</strong>er Pfarrer, <strong>in</strong>: Ders., <strong>Lienen</strong> am Teutoburger Wald. 1000 Jahre Gemarkung <strong>Lienen</strong>, hrsg. v. d.<br />

Geme<strong>in</strong>de <strong>Lienen</strong>, <strong>Lienen</strong> 1965, S. 111-129, hier S. 116; Kluet<strong>in</strong>g, Harm, Geschichte Westfalens. Das Land<br />

zwischen Rhe<strong>in</strong> und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, Pa<strong>der</strong>born 1998, S. 23-36, hier S. 33; Wilkens,<br />

Wilhelm, <strong>Lienen</strong>. Das Dorf und se<strong>in</strong>e Bauerschaften von <strong>der</strong> Sachsenzeit bis zur Gegenwart, Nor<strong>der</strong>stedt 2004,<br />

S. 18-25.<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!