Katholiken in Lienen seit der Reformation

Katholiken in Lienen seit der Reformation Katholiken in Lienen seit der Reformation

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Grafschaft, aufgehoben hatte. 66 Aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und für das Jahr 1669 sind umfangreiche Einnahmeregister überliefert 67 , die belegen, dass nicht wenige Lienener Bauern auch nach der Reformation weiterhin Abgaben an das Kloster Iburg zahlten. Erst 1717 berich- tete das Kloster Iburg, vertreten durch den Rechtsanwalt Friedrich von Bentheim, der Preußi- schen Regierung, dass die Zehntpflichtigen des Kirchspiels Lienen, insbesondere der Bauer- schaft Meckelwege, mit der Entrichtung des blutigen Zehnten säumig wären bzw. diesen ganz verweigerten. Der preußische Regierungsrat von Hartleben in Tecklenburg ordnete daraufhin an, dass der Vogt zu Lienen die Zehntpflichtigen dazu auffordern sollte, den Blut- und Korn- zehnten zu entrichten, wie sie es immer getan hätten. Da dieses anscheinend nicht erfolgte, forderte das Kloster Iburg unter dem 23. November 1717, einen Unteroffizier mit der Vollstreckung des Zehnten zu betrauen. 1719 wurde eine Auflistung der Zehntpflichtigen angefertigt. Der Ausgang des Prozesses geht aus der Akte – das letzte Schriftstück datiert vom 29. Januar 1720 – nicht hervor. 68 Der Prozess zeigt aber, dass die evangelischen Lienener Bauern Anfang des 18. Jahrhunderts nicht mehr bereit waren, den Zehnten an das Kloster zu entrichten, wie sie es knapp 200 Jahre lang seit der Reformation getan hatten. Das 18. Jahrhundert Auch im 18. Jahrhundert haben noch enge Verbindungen zwischen katholischen und protes- tantischen Familien bestanden. Vom Hof Schowe in Kattenvenne ist überliefert, dass der Ko- lon Johann Henrich Schowe eine katholische Frau namens Anna Catharina Langhorst heirate- te. Während er nach Lienen zum Gottesdienst ritt, fuhr sie nach Glandorf zur Heiligen Messe. Ihre Namen sind auf dem Inschriftbalken eines 1773 errichteten Speichers erhalten. 69 Friedrich Ernst Hunsche hat bereits 1965 die für Lienen seit 1711 überlieferten Kirchenbü- cher 70 auch auf Beziehungen der Lienener Einwohner zu ihren katholischen Nachbarn unter- 66 Ebd., S. 80. 67 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Grafschaft Tecklenburg, Akten, Nr. 43: Registrierung der Zehntpflichtigen des Klosters Iburg in den Kirchspielen Lengerich und Lienen, abgedruckt in: Spannhoff, Quellen (wie Anm. 2), S. 53-67; Einnahmeregister des Klosters Iburg von 1669, abgedruckt in: Donnerberg (wie Anm. 62), S. 170-181, hier S. 173 u. 177f.. 68 Spannhoff, Quellen (wie Anm. 2), S. 68-71. 69 Wilkens, Lienen (wie Anm. 3), S. 333. 70 Die Tauf-, Heirats- und Sterbebücher beginnen 1711. Von 1730 bis 1733 findet sich in den Taufregistern eine Lücke. Die Originale befinden sich im Besitz der Ev. Kirchengemeinde Lienen. Die Benutzung auf Mikrofich kann durch das Kreiskirchenamt Tecklenburg in Lengerich oder durch das Landeskirchenamt in Bielefeld nach vorheriger Anmeldung erfolgen. Die übrigen Archivalien der Ev. Kirchengemeinde Lienen befinden sich sämtlich im Landeskirchenamt in Bielefeld. 16

sucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass vor 1750 noch „manche Eintragungen […] auf enge verwandtschaftliche Beziehungen zu katholischen Familien in den Nachbargemeinden Hagen, bei Osnabrück, Glane und Glandorf“ hindeuten. „So war z.B. ein Sohn von Drückers Stätte in Holzhausen Kolon Schirling in Glandorf. Er wurde, als er gestorben war, allerdings nicht in Glandorf, sondern in seiner Geburtsgemeinde Lienen am 3. April 1713 beerdigt. 1724 werden die Glandorfer Namen Kracht und Venke bei einer Taufe in Lienen genannt. 1745 kommt Peesche aus Glandorf bei einer Taufe Hersmann in Lienen vor.“ 71 1758 siedelte sich der Katholik Mathias Licher aus dem Hochstift Osnabrück als Neubauer auf 10 Scheffelsaat (ca. 1,2 ha) Landes in der Bauerschaft Holperdorp an. 72 Weitere genealogische und prosopographische Untersuchungen könnten dieses Bild erweitern und ergänzen. Vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg In seiner Beschreibung der einzelnen Gemeinden schreibt Werner Thissen über Lienen, dass im bisher kirchlich zu Osnabrück gehörenden und 1821 dem Bistum Münster zugeordneten Lienen Ende der 1930er Jahre nur neun katholische Familien gelebt haben sollen (sieben in Holperdorp und zwei in Kattenvenne). 73 Auch Wilhelm Wilkens hat in seiner 2004 erschiene- nen Lienener Ortschronik die Behauptung aufgestellt, dass es Katholiken bis zum Zweiten Weltkrieg nur am Rande der Gemeinde, so in Holperdorp oder auch in Meckelwege, gegeben habe und die Konfessionsgrenzen noch relativ scharf gewesen seien. 74 Diese Aussage lässt sich durch die Durchsicht des Ortsfamilienbuches für Ostbevern und weiterer Quellen für das 19. Jahrhundert spezifizieren, so dass sich ein sehr viel differenzierteres Bild der vermeintlich starren Konfessionsgrenzen ergibt. 75 Aus den Kirchenbüchern von Ostbevern In Ostbevern lebten im 19. Jahrhundert folgende Personen, bei denen als Geburtsort Lienen angegeben wurde: 71 Hunsche, Lienen (wie Anm. 3), S. 146. 72 Ebd., S. 276. Wilkens, Lienen (wie Anm. 3), S. 387. 73 Das Bistum Münster (wie Anm. 14), S. 320. 74 Wilkens, Lienen (wie Anm. 3), S. 45. 75 Die Daten des digitalen Ortsfamilienbuches für Ostbevern ist im Internet unter folgender Adresse einsehbar: http://www.ortsfamilienbuecher.de/ostbevern/, 26.02.2009. 17

Grafschaft, aufgehoben hatte. 66 Aus <strong>der</strong> Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts und für das Jahr 1669 s<strong>in</strong>d<br />

umfangreiche E<strong>in</strong>nahmeregister überliefert 67 , die belegen, dass nicht wenige <strong>Lienen</strong>er Bauern<br />

auch nach <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong> weiterh<strong>in</strong> Abgaben an das Kloster Iburg zahlten. Erst 1717 berich-<br />

tete das Kloster Iburg, vertreten durch den Rechtsanwalt Friedrich von Bentheim, <strong>der</strong> Preußi-<br />

schen Regierung, dass die Zehntpflichtigen des Kirchspiels <strong>Lienen</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Bauer-<br />

schaft Meckelwege, mit <strong>der</strong> Entrichtung des blutigen Zehnten säumig wären bzw. diesen ganz<br />

verweigerten. Der preußische Regierungsrat von Hartleben <strong>in</strong> Tecklenburg ordnete daraufh<strong>in</strong><br />

an, dass <strong>der</strong> Vogt zu <strong>Lienen</strong> die Zehntpflichtigen dazu auffor<strong>der</strong>n sollte, den Blut- und Korn-<br />

zehnten zu entrichten, wie sie es immer getan hätten. Da dieses ansche<strong>in</strong>end nicht erfolgte,<br />

for<strong>der</strong>te das Kloster Iburg unter dem 23. November 1717, e<strong>in</strong>en Unteroffizier mit <strong>der</strong><br />

Vollstreckung des Zehnten zu betrauen. 1719 wurde e<strong>in</strong>e Auflistung <strong>der</strong> Zehntpflichtigen<br />

angefertigt. Der Ausgang des Prozesses geht aus <strong>der</strong> Akte – das letzte Schriftstück datiert vom<br />

29. Januar 1720 – nicht hervor. 68 Der Prozess zeigt aber, dass die evangelischen <strong>Lienen</strong>er<br />

Bauern Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht mehr bereit waren, den Zehnten an das Kloster zu<br />

entrichten, wie sie es knapp 200 Jahre lang <strong>seit</strong> <strong>der</strong> <strong>Reformation</strong> getan hatten.<br />

Das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Auch im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t haben noch enge Verb<strong>in</strong>dungen zwischen katholischen und protes-<br />

tantischen Familien bestanden. Vom Hof Schowe <strong>in</strong> Kattenvenne ist überliefert, dass <strong>der</strong> Ko-<br />

lon Johann Henrich Schowe e<strong>in</strong>e katholische Frau namens Anna Cathar<strong>in</strong>a Langhorst heirate-<br />

te. Während er nach <strong>Lienen</strong> zum Gottesdienst ritt, fuhr sie nach Glandorf zur Heiligen Messe.<br />

Ihre Namen s<strong>in</strong>d auf dem Inschriftbalken e<strong>in</strong>es 1773 errichteten Speichers erhalten. 69<br />

Friedrich Ernst Hunsche hat bereits 1965 die für <strong>Lienen</strong> <strong>seit</strong> 1711 überlieferten Kirchenbü-<br />

cher 70 auch auf Beziehungen <strong>der</strong> <strong>Lienen</strong>er E<strong>in</strong>wohner zu ihren katholischen Nachbarn unter-<br />

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Landesarchiv Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Abteilung Westfalen, Grafschaft Tecklenburg, Akten, Nr. 43: Registrierung<br />

<strong>der</strong> Zehntpflichtigen des Klosters Iburg <strong>in</strong> den Kirchspielen Lengerich und <strong>Lienen</strong>, abgedruckt <strong>in</strong>: Spannhoff,<br />

Quellen (wie Anm. 2), S. 53-67; E<strong>in</strong>nahmeregister des Klosters Iburg von 1669, abgedruckt <strong>in</strong>: Donnerberg<br />

(wie Anm. 62), S. 170-181, hier S. 173 u. 177f..<br />

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Spannhoff, Quellen (wie Anm. 2), S. 68-71.<br />

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Wilkens, <strong>Lienen</strong> (wie Anm. 3), S. 333.<br />

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Die Tauf-, Heirats- und Sterbebücher beg<strong>in</strong>nen 1711. Von 1730 bis 1733 f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Taufregistern e<strong>in</strong>e<br />

Lücke. Die Orig<strong>in</strong>ale bef<strong>in</strong>den sich im Besitz <strong>der</strong> Ev. Kirchengeme<strong>in</strong>de <strong>Lienen</strong>. Die Benutzung auf Mikrofich<br />

kann durch das Kreiskirchenamt Tecklenburg <strong>in</strong> Lengerich o<strong>der</strong> durch das Landeskirchenamt <strong>in</strong> Bielefeld nach<br />

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