Katholiken in Lienen seit der Reformation

denheit unter den Lienener Eingesessenen über die Einführung der Lehre Luthers geherrscht
habe, weil man nun sonntags nicht nur morgens zur gewohnten Messe, sondern auch noch
nachmittags zur Vesper habe gehen müssen, in der der Pfarrer „frei weg“ von der Kanzel ge-
predigt habe. 41 Was ist von dieser Überlieferung zu halten? Recht protestantisch mutet sie
nicht an. Zudem passt sie genau in das oben gezeichnete Bild der sich im Entstehungsprozess
befindenden und noch nicht ausdifferenzierten Konfessionen.
Ein wichtiges Kriterium für die Vergemeinschaftung von unterschiedlichen Gruppen ist das
Konnubium, also die eheliche Verbindung zwischen Mitgliedern derselben (Max Weber). Im
Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass keine Eheschließungen zwischen zwei Gruppen An-
zeichen für eine Abgrenzung sein dürften. Somit hätten durch eine erfolgreiche Konfessiona-
lisierung Heiratsverbindungen zwischen den Konfessionen abbrechen müssen. Dies ist bis
1621 und darüber hinaus für Lienen nicht der Fall, wie im Weiteren zu zeigen sein wird. Eine
wichtige genealogische und prosopographische Quelle vor Beginn der Kirchenbücher stellen
die lückenhaft überlieferten Brüchten- und Gefällregister der Grafschaft Tecklenburg aus der
Zeit zwischen 1575 und 1621 dar 42 , in denen die Heiratsabgaben der Tecklenburger Eigenbe-
hörigen nebst Nennung der Eheleute verzeichnet wurden. Es zeigt sich, dass eheliche Verbin-
dungen in die heute überwiegend katholischen Nachbargemeinden Lienens nicht abreißen. So
heiratete 1575 eine Anna Roermanns zu Brummley aus Riesenbeck (Bistum Münster) auf den
Hof Holtgreve (heute Tierarztpraxis Schmiemann) in Lienen. 43 Im gleichen Jahr kam auch
Anna Tanebecke aus Westbevern (Oberstift Münster) auf den Hof Heitgreß in Kattenvenne. 44
Ebenfalls 1575 heiratete Jacob Becher aus Glane auf den Hof Schniederjohann (heute Johan-
naber, Iburger Str. 59) in Dorfbauer. 45 1576 heißt es: „Lynen, de Rese [Riese] zu Glandorff
bringt seine Dochter zu Westhove [Schulte-Westhoff, heute „Jägerhof“] gift zur Invor [Auf-
fahrt] i gl. [1 Gulden]“ 46 und 1599 wird erwähnt: „Everdt Stockhoves Sonne [Sohn] zu Glan-
dorpff faret auff Frantzen Beneken Kotten vnnd nympt die Dochter zur Ehe, gibt zur Invor
[Auffahrt] ix gl. [9 Gulden]. 47 Im selben Jahr heiratete auch eine Gerdrut Mechelows zu
Glandorff auf den Hof Christoffer [Christoffer Brunings Kotten] in Meckelwege. 48 1607 kam
41 Wilkens, Lienen (wie Anm. 3), S. 282.
42 Für Lienen sind diese Register ediert in: Spannhoff, Quellen (wie Anm. 2), S. 220-346.
43 Ebd., S. 236.
44 Ebd.
45 Ebd., S. 239.
46 Ebd., S. 240.
47 Ebd., S. 281.
48 Ebd.
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