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ABG Auftrag - Emil Wüst & Söhne

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Weida vor 75 Jahren im Jahr 1936<br />

– Fortsetzung –<br />

III. Wie verbrachten unsere Vorfahren ihre freie Zeit?<br />

Das gesellschaftliche Leben spielte sich vor 75 Jahren in Weida in einer anderen Art<br />

und Weise ab, als dieses heute der Fall ist. Da die öffentlichen Medien noch nicht so<br />

präsent waren wie in unseren Tagen, wurde der Geselligkeit eine größere Bedeutung<br />

beigemessen. Wer Arbeit hatte und sein Geld verdiente, konnte sich sein Bierchen<br />

noch in der Kneipe leisten. Den Gerstensaft in einem Laden zu kaufen und in den eigenen<br />

vier Wänden zu trinken, war keine gängige Lebensart.<br />

Selbst wer zuhause trinken wollte, schickte<br />

die Kinder mit einem Krug in die Wirtschaft,<br />

um das Bier zu holen. Hohe Preise im Gastwirtsgewerbe<br />

waren noch kein Thema. In<br />

Weida existierten im Jahr 1936 ca. 50 verschiedene<br />

Gast- und Schankwirtschaften.<br />

Wenn auch viele Wirte der kleinen Wirtshäuser<br />

ihren Lebensunterhalt noch durch andere<br />

Einnahmen ergänzen mussten, so kann man<br />

doch auf die Trinkfreudigkeit der alten Wei-<br />

daer einige Rückschlüsse ziehen. Diese Art<br />

der Freizeitgestaltung spielte sich noch in<br />

„unpolitischen privaten“ Bereichen ab.<br />

Aus der Geschichte der Stadt Weida Eine Beitragsserie von Hans-Dietrich Knoll<br />

Das „Schrebergartenheim wurde 1936<br />

von Paul Dreikorn bewirtschaftet.<br />

Anders hatte sich die Entwicklung im Vereinsleben gestaltet. Nach dem Motto: „Sind<br />

mehr als fünf Deutsche zusammen, gründen sie mindestens drei Vereine“, war die<br />

Vereinstätigkeit aufgrund jahrzehntelanger Tradition noch sehr rege. Nach Angaben<br />

im Adressbuch von 1937 waren in unserer Stadt über 60 Vereine aktiv. Aber auch<br />

auf diesem Gebiet war der Einfluss der Nationalsozialisten in allen Bereichen zu spüren.<br />

Das 1933 erlassene „Gleichschaltungsgesetz“ hatte im Lauf der Jahre auch das Weidaer<br />

Vereinsleben vollkommen umgestaltet. Viele Vereine haben sich in den Folgejahren<br />

selbst aufgelöst. Andere wurden in die neu geschaffenen Formationen oder<br />

Verbände eingegliedert.<br />

Zum Beispiel war auf sportlichem Gebiet in Weida der Zusammenschluss im „Deutschen<br />

Reichsbund für Leibesübungen“ (DRL) vollzogen. Die großen Weidaer Sportvereine<br />

haben ihren Namen behalten, waren aber dem DRL untergeordnet. Unter<br />

dem Titel „Turn- und Sport - Nachrichten“ erschien ab Dezember 1936 eine Beilage<br />

in der Weidaer Zeitung. Sie enthielt Mitteilungen der Ortsgruppe Weida des „Deutschen<br />

Reichsbundes für Leibesübungen“. Sportvereine, deren Ziele sich mit denen<br />

der NSDAP vereinbaren ließen, hat man unter diesem<br />

Dachverband zusammengefasst. Andere Vereine<br />

mit sozialdemokratischer, kommunistischer oder<br />

kirchlicher Ausrichtung hatten sich selbst aufgelöst<br />

oder wurden verboten.<br />

Kraft durch Freude<br />

Nur wenigen Arbeitern war es möglich, in den vergangenen<br />

Jahrzehnten ihren Urlaub außerhalb von<br />

Weida zu verbringen.<br />

Einen Fortschritt in der Feriengestaltung für die<br />

Volksgenossen brachte die 1933 ins Leben gerufene<br />

Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF).<br />

Unter bestimmten Voraussetzungen war es nun einer<br />

großen Zahl „kleiner Leute“ möglich, für „billiges<br />

Geld“ ins Rheinland oder an die See zu fahren.<br />

Kulturelle Veranstaltungen aller Art hat man durchgeführt.<br />

NSV. „Kraft durch Freude“. Nachdem das reichhaltige Reise- und Wanderprogramm<br />

der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) bekannt ist, beginnen wir<br />

mit der Entgegennahme der Anmeldungen. Dieselben müssen unbedingt schriftlich<br />

gemacht werden, und zwar unter Benutzung der amtlichen Anmeldescheine,<br />

die in der Geschäftsstelle der DAF (Deutsche Ar- beitsfront) erhältlich sind. Um<br />

unnötige Rückfragen zu vermei-den, ist es erforderlich, daß die Anmeldebogen<br />

genaustens ausgefüllt werden. Teilnahmeberechtigt an unseren Urlaubsfahrten<br />

sind nur die Volksgenossen, die der Deutschen Arbeitsfront angehören oder Mitglieder<br />

solcher Organisationen sind, die der DAF korporativ angeschlossen sind.<br />

E. Ortswart<br />

Die Angebote wurden von den Arbeitern gern genutzt. Meine Mutter hat von der<br />

schönen Schiffsrundfahrt auf dem Rhein noch viele Jahre gern erzählt.<br />

Ein weiteres Projekt von KdF war der Bau des „Volkswagens“. Ein eigenes Auto<br />

konnten sich in der Vergangenheit nur die „besser Betuchten“<br />

leisten. Jetzt wurde auf Initiative Hiltlers mit<br />

dem Bau eines PKW für den Arbeiter begonnen. Der<br />

KdF-Wagen sollte für 990,00 Reichsmark (heute ca.<br />

3760 €) in den Verkauf kommen. Auch auf Briefmarken<br />

hat man das Automobil popularisiert.<br />

Der Durchschnittsverdienst eines guten Arbeiters konnte<br />

mit 150 RM angesetzt werden. Um die Ansparung der<br />

Summe für das Auto zu erleichtern, führte man Sparmarken<br />

ein. Die Interessenten erwarben jede Woche<br />

Sparmarken, bis die Kaufsumme von 990 Reichsmark<br />

erreicht war. Sicher haben sich auch viele Weidaer auf<br />

einen VW gefreut. Wie viele einen bekommen haben, ist<br />

nicht bekannt. Fest steht, dass das Werk in Fallersleben<br />

in den Folgejahren auf Kriegsproduktion umgestellt<br />

wurde und Kübelwagen hergestellt wurden.<br />

Feste aller Art waren beliebte Veranstaltungen<br />

Betriebsfeiern<br />

Kameradschaftsfeiern waren zu allen Zeiten bei den Arbeitern sehr beliebt. In der<br />

NS-Zeit wurden sie gern genutzt, um die vom NS-Staat hergestellte Einheit zwischen<br />

Betriebsführer und Arbeiterschaft zu dokumentieren und in der Presse in diesem<br />

Sinne popularisiert.<br />

- 10 -<br />

Die Betriebsführer und Gefolgschaft der Firma Franz Prasse vereinten sich am gestrigen<br />

Sonntag wie alljährlich zu einem Sommerfest. Um 2 Uhr zog die Betriebsgemeinschaft<br />

geschlossen mit den Kindern und voran die Betriebskapelle in den<br />

schönen Garten des Schützenhauses. Hier vergnügte man sich bei Konzertmusik der<br />

Betriebskapelle emsig am Schießstand und im Kegeln, wo viele schöne Preise gewonnen<br />

wurden. Fröhlichkeit herrschte unter den Kleinen am Kasperletheater und<br />

auf der Rutschbahn. Es war eine Lust, mit<br />

anzusehen, wie sie sich am Stechvogelschießen,<br />

im Wettlauf und Springen und auf<br />

dem Karussell vergnüglich machten. „<strong>Emil</strong><br />

mit dem grünen Schwenker“ am Drehrad<br />

hatte alle Hände voll zu tun. Auch hatte die<br />

Betriebsführung mit Rostbratwürsten und<br />

Bier für das leibliche Wohl gesorgt. Ein<br />

Umzug der Kinder über den Schützenplatz<br />

mit den drei ersten Preisträgern, die mit<br />

einem Eichenkranz geschmückt waren, und<br />

die Preisverteilung bildeten den Abschluss<br />

des Festes. Betriebsführer und Gefolgschaft<br />

der Firma Prasse können wieder auf ein gelungenes<br />

Fest zurückblicken.<br />

Der Garten des Schützenhauses, ein beliebter<br />

Festplatz.<br />

Kinderfest des Allgemeinen Turnvereins<br />

Das Kinderfest des Allgemeinen Turnvereins hatte auch wieder wie alljährlich Mitglieder<br />

und Freunde der Turnsache mit ihren Kleinen in großer Zahl auf dem Turnplatz<br />

vereint, wo der neue Vereinsführer Otto F. mit seinen Getreuen allerhand nette<br />

Überraschungen für klein und groß vorbereitet hatte. Alles, was zu einem kleinen<br />

Volksfest gehört, war bereitgestellt: Schießstand, Glücksrad, Reitschule (von Meister<br />

Munkelt in gediegener Ausführung selbst<br />

gefertigt), Rutschbahn, Wurf- und Krabbelbude,<br />

Verkaufsstände etc. Die Kapelle Berger<br />

musizierte fleißig, und so verging bei<br />

Lachen und Scherzen gar rasch die Zeit.<br />

Unter der Menge sah man verschiedentlich<br />

unsere Turner und Turnerinnen geschmückt<br />

mit den Siegerkränzen, die sie sich am Vormittag<br />

beim Wettkampf in Triptis geholt hatten.<br />

Den Abschluss des Kinderfestes bildete der<br />

Turnhalle des Allgemeinen Turnvereins. übliche Lampionumzug.<br />

Schützenfest<br />

Nach der Machtergreifung 1933 wurden die<br />

beliebten Schützenfeste von dem Schützenverein<br />

in den ersten Jahren weiter fortgesetzt.<br />

Auch hier waren Veränderungen wahrzunehmen.<br />

Die üblichen Schaustellungen wie „Damen<br />

mit Schlangenhals und Straußenfeder“ oder<br />

die „sechs Zentner schwere Jungfrau“ gehörten der Vergangenheit an. In der Presse<br />

wurde propagiert, das Fest steht unter dem Wort: „Schafft Arbeit und Brot“! Es wurde<br />

so verstanden, dass viele Volksgenossen in der Festwoche auf dem Schützenplatz<br />

Beschäftigung gefunden haben. Die Schausteller deckten ihren Bedarf für das Gewerbe<br />

in unserer Stadt. Selbst die auswärtigen Eisverkäufer kauften ihre Zutaten in<br />

Weida. Weidaer Geschäftsfrauen liefen mit großen Körben die Reihen der Wohnwagen<br />

entlang und belieferten die Schausteller mit Lebensmitteln aus ihren Geschäften.<br />

Die Weidaer und ihre Gäste ließen sich aber die Volksfeststimmung nicht vermiesen.<br />

Billige Rostbratwürste wurden an allen Ecken und Enden angeboten. Der „Rammelstall“,<br />

das „Coloseum“ und die Schützenhaussäle waren ständig überfüllt. In<br />

Schieß- und Losbuden wurden keine Papierblumen, sondern schmackhafte Pralinen<br />

angeboten. Selbstverständlich in unserer Stadt gekaufte. Das Los kostete 10 Pfg. und<br />

es konnte 1 Pfund gute Pralinen gewonnen werden. Reitschulen und eine Achterbahn<br />

sorgten für Stimmung.<br />

Fußball<br />

Neben den Sportarten, die unsere<br />

Turnvereine betrieben haben, hatte<br />

der Fußballverein FC Thüringen<br />

Weida viele Anhänger.<br />

Als ein herausragendes Ereignis im<br />

Jahr 1936 war der Aufstieg in die<br />

„Gauliga Mitte“, eine der höchsten<br />

Fußballligen Deutschland zu verzeichnen.<br />

Abschlusstabelle der Gauliga Mitte 1936/37<br />

Die Weidaer Mannschaft im Jahr 1938. – wird fortgesetzt –

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