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Zentralvermarktung - Pro & Contra - Fussball-Oekonomie.de

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<strong>Zentralvermarktung</strong>: <strong>Pro</strong> & <strong>Contra</strong><br />

Von: Jörn Quitzau, 01. März 2008<br />

Karl-Heinz Rummenigges Besuch beim Bun<strong>de</strong>skartellamt wirft die alte Frage wie<strong>de</strong>r auf:<br />

Nutzt o<strong>de</strong>r scha<strong>de</strong>t die <strong>Zentralvermarktung</strong> <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga? Rummenigge selbst erscheint<br />

in <strong>de</strong>r Frage wankelmütig, hat er doch seine Meinung in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren<br />

mehrfach geän<strong>de</strong>rt. Mal war für ihn die <strong>Zentralvermarktung</strong> „Sozialismus und totale Gleichmacherei“,<br />

mal ein selbstverständlicher Akt von Solidarität. 1 Nun scheint das Pen<strong>de</strong>l wie<strong>de</strong>r<br />

Richtung wettbewerbsfeindlichem Sozialismus auszuschlagen. Je<strong>de</strong>nfalls argumentiert Karl-<br />

Heinz Rummenigge aktuell offenbar eher wie<strong>de</strong>r für die Einzelvermarktung, weil diese <strong>de</strong>n<br />

großen Vereinen mehr Geld bringt und diese damit für <strong>de</strong>n internationalen Wettbewerb besser<br />

gerüstet wären.<br />

Angesichts <strong>de</strong>r öffentlichen Diskussion, die Karl-Heinz Rummenigge mit seinem Besuch<br />

beim Kartellamt ausgelöst hat, ist es also mal wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Zeit, die Argumente gegenüberzustellen.<br />

2<br />

<strong>Zentralvermarktung</strong>: <strong>Pro</strong><br />

1. Gleichmäßige Erlösverteilung: Die Fernsehrechte wer<strong>de</strong>n aktuell zentral von <strong>de</strong>r<br />

DFL und nicht einzeln durch die jeweiligen Bun<strong>de</strong>sligisten vermarktet. Die daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />

Erlöse wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r DFL relativ gleichmäßig auf die Bun<strong>de</strong>sligisten<br />

verteilt (ein kleinerer Teil <strong>de</strong>r Gesamterlöse wird an die Zweitligisten ausgeschüttet).<br />

Bis vor einigen Jahren erhielten alle Bun<strong>de</strong>sligisten i<strong>de</strong>ntische Beträge aus <strong>de</strong>r Fernsehvermarktung.<br />

Der FC Bayern München erhielt also keinen Pfennig bzw. keinen<br />

Cent mehr als Vereine wie <strong>de</strong>r VFL Wolfsburg. Inzwischen wur<strong>de</strong> eine „Leistungskomponente“<br />

eingeführt, die am sportlichen Erfolg – gemessen am Tabellenstand eines<br />

je<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sliga-Spieltags – ansetzt. Trotz<strong>de</strong>m könnten Spitzenvereine wie<br />

Bayern München o<strong>de</strong>r Schalke 04 wesentlich höhere Einnahmen erzielen, wenn sie ihre<br />

Fernsehrechte in eigener Regie vermarkten könnten. Schätzungen zufolge könnte<br />

<strong>de</strong>r FC Bayern seine Einnahmen aus <strong>de</strong>r Fernsehvermarktung vervierfachen (aktuell<br />

1 Dass <strong>de</strong>m FC Bayern München die Zustimmung zur <strong>Zentralvermarktung</strong> seinerzeit durch eine zunächst gehei-<br />

me „Son<strong>de</strong>rzahlung“ <strong>de</strong>r Kirch-Gruppe versüßt wur<strong>de</strong>, sei an dieser Stelle nur am Ran<strong>de</strong> erwähnt.<br />

2 Eine ausführliche Analyse <strong>de</strong>r <strong>Zentralvermarktung</strong> fin<strong>de</strong>t sich unter:<br />

http://www.fussball-oekonomie.<strong>de</strong>/Texte/Aufsaetze/ZV-Kruse-Quitzau.pdf


und EUR 25 Mio. pro Saison). Dagegen wür<strong>de</strong>n kleinere Vereine wie Energie Cottbus<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Karlsruher SC weniger Geld einnehmen. Die relativ gleichmäßige Verteilung<br />

<strong>de</strong>r Fernsehgel<strong>de</strong>r soll die sportliche Chancengleichheit und damit <strong>de</strong>n Spannungsgrad<br />

<strong>de</strong>r Liga erhöhen. Die Befürworter einer <strong>Zentralvermarktung</strong> argumentieren,<br />

dass durch die höhere Spannung und die damit verbun<strong>de</strong>nen besseren Vermarktungsmöglichkeiten<br />

indirekt auch die großen Vereine profitieren. 3<br />

2. Bessere Marketingmöglichkeiten: Das eben skizzierte Argument <strong>de</strong>r relativ gleichmäßigen<br />

Erlösverteilung ist das klassische Argument für die <strong>Zentralvermarktung</strong>. In<br />

<strong>de</strong>n vergangenen Jahren wur<strong>de</strong> jedoch auch vermehrt auf die besseren Vermarktungsmöglichkeiten<br />

im Rahmen einer <strong>Zentralvermarktung</strong> hingewiesen. Während durch die<br />

<strong>Zentralvermarktung</strong> das <strong>Pro</strong>dukt im Fernsehen „aus einem Guss“ präsentiert wer<strong>de</strong>n<br />

kann, wird befürchtet, dass unter <strong>de</strong>m Regime <strong>de</strong>r Einzelvermarktung zu viele Vereine<br />

ihre eigenen Süppchen kochen und das Fernsehangebot zu unübersichtlich wür<strong>de</strong>. So<br />

könnte es bei <strong>de</strong>r Einzelvermarktung beispielsweise passieren, dass am Samstag um<br />

15:30 Uhr ein Bun<strong>de</strong>sligaspiel live in <strong>de</strong>r ARD, eines im ZDF, eines bei RTL, eines<br />

beim WDR und zwei bei Premiere ausgestrahlt wer<strong>de</strong>n. Eine Woche später könnten<br />

die Sen<strong>de</strong>r SAT1, NDR, Premiere und DSF heißen. Die DFL hätte keinen Einfluss<br />

darauf, mit welchen Sen<strong>de</strong>rn die einzelnen Vereine die Ausstrahlung ihrer Heimspiele<br />

vereinbaren. Das Gesamtprodukt Bun<strong>de</strong>sliga könnte darunter lei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Zentralvermarktung</strong>: <strong>Contra</strong><br />

1. Einzelvermarktung ist die „natürliche“ Vermarktungsform: In einer Marktwirtschaft<br />

stehen Unternehmen grundsätzlich miteinan<strong>de</strong>r im Wettbewerb. Beim<br />

professionellen Fußball sind dies die Vereine, die organisatorisch und finanziell<br />

das Hauptrisiko <strong>de</strong>s Spielbetriebs tragen. Der Verband – also die DFL – ist aus<br />

ökonomischer Perspektive lediglich als Service-Institution für die Vereine zu verstehen.<br />

Hinter <strong>de</strong>m marktwirtschaftlichen Konkurrenzprinzip steht die Erkenntnis,<br />

dass Wettbewerb für die Konsumenten zum bestmöglichen Ergebnis hinsichtlich<br />

<strong>Pro</strong>duktqualität und -preisen führt. Soll das Wettbewerbsprinzip ausgeschaltet<br />

wer<strong>de</strong>n, muss <strong>de</strong>r Nachweis erbracht wer<strong>de</strong>n, dass dadurch bessere Ergebnisse für<br />

alle Beteiligten erreicht wer<strong>de</strong>n. Wür<strong>de</strong> die Bun<strong>de</strong>sliga bei einer Einzelvermarktung<br />

tatsächlich finanziell und sportlich auseinan<strong>de</strong>rdriften und dadurch am En<strong>de</strong><br />

auch für <strong>de</strong>n Fan uninteressant wer<strong>de</strong>n, könnte dies also ein Argument für die<br />

<strong>Zentralvermarktung</strong> sein.<br />

2. Erlösumverteilung erfor<strong>de</strong>rt kein Vermarktungsmonopol: Eine gleichmäßigere<br />

Verteilung <strong>de</strong>r Fernsehgel<strong>de</strong>r ließe sich auch im Rahmen <strong>de</strong>r Einzelvermarktung<br />

erreichen. Die DFL könnte zum Beispiel zur Auflage machen, dass nur Vereine<br />

3 Dieser Argumentation liegt das sportökonomische Konzept <strong>de</strong>s „Lewis-Schmeling-Paradoxons“ zugrun<strong>de</strong>. Für<br />

eine kritische Bewertung vgl.:<br />

http://www.fussball-oekonomie.<strong>de</strong>/Texte/Komentare/Mutter%20aller%207D.pdf


am Spielbetrieb teilnehmen dürfen, die einen bestimmten <strong>Pro</strong>zentsatz ihrer Fernseherlöse<br />

in einen Solidarfonds einzahlen, aus <strong>de</strong>m dann die Umverteilung zu<br />

Gunsten <strong>de</strong>r kleineren Vereine vorgenommen wer<strong>de</strong>n kann. Die Notwendigkeit eines<br />

Finanzausgleichs ist also keine hinreichen<strong>de</strong> Begründung für das Vermarktungsmonopol<br />

<strong>de</strong>r DFL.<br />

3. Der Kun<strong>de</strong> ist König: Unter Konkurrenzbedingungen bestimmt <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> das<br />

Angebot. Bei <strong>de</strong>r Einzelvermarktung hätte <strong>de</strong>r Fan weitaus mehr Einfluss auf das<br />

TV-Angebot. Bei <strong>de</strong>r <strong>Zentralvermarktung</strong> entschei<strong>de</strong>t die DFL, was <strong>de</strong>r Fan zu sehen<br />

bekommt. Die Preise für die TV-Rechte (pro Sen<strong>de</strong>minute) wür<strong>de</strong>n sinken und<br />

die künstliche Verknappung von Live-Spielen wür<strong>de</strong> been<strong>de</strong>t (wegen <strong>de</strong>r erweiterten<br />

TV-Präsenz wür<strong>de</strong>n die Gesamterlöse damit wahrscheinlich sogar steigen).<br />

Warum müssen Live-Spiele ausschließlich im Pay-TV stattfin<strong>de</strong>n? Warum wer<strong>de</strong>n<br />

beim DFB-Pokal nur ganz wenige Spiele live übertragen, obwohl das Faninteresse<br />

viel größer ist? Warum wer<strong>de</strong>n die Fans aller an<strong>de</strong>ren Vereine gezwungen, regelmäßig<br />

die DFB-Pokalspiele <strong>de</strong>s FC Bayern anzusehen? Die Einzelvermarktung<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n TV-Markt gewaltig umkrempeln – zum Wohle <strong>de</strong>r Fans. O<strong>de</strong>r um es<br />

ganz <strong>de</strong>utlich zu sagen: Die Einzelvermarktung ist schlecht für die Funktionäre,<br />

aber gut für die Fans.<br />

Soweit in aller Kürze zu <strong>de</strong>n Hauptargumenten für und gegen die <strong>Zentralvermarktung</strong>. Abschließend<br />

sei die Frage aufgeworfen, ob die Erlösverteilung in <strong>de</strong>r heutigen Zeit nicht ohnehin<br />

überbewertet wird. Bayern München konkurriert heute in <strong>de</strong>n europäischen Wettbewerben<br />

mit Vereinen, <strong>de</strong>ren Mäzene ihr finanzielles Engagement problemlos vervielfachen könnten.<br />

Wenn <strong>de</strong>r FC Bayern 30 o<strong>de</strong>r 40 Millionen Euro mehr aus <strong>de</strong>r TV-Vermarktung erzielen<br />

wür<strong>de</strong> und auf <strong>de</strong>m Transfermarkt etwa mit <strong>de</strong>m FC Chelsea um einen o<strong>de</strong>r mehrere Spieler<br />

konkurrieren wollte, dann wür<strong>de</strong>n die 30 o<strong>de</strong>r 40 Mio. Euro wohl auch kaum weiter helfen.<br />

Wenn Chelsea <strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Spieler wirklich wollte, wäre <strong>de</strong>r Club auch in <strong>de</strong>r Lage, die finanziellen<br />

Mittel zu beschaffen.<br />

Wer wirklich etwas für die sportliche Ausgeglichenheit tun möchte, <strong>de</strong>r muss an einer ganz<br />

an<strong>de</strong>ren Stelle ansetzen, nämlich am Transfermarkt. Die Konzentration <strong>de</strong>r besten Fußballer<br />

bei einigen wenigen Vereinen ließe sich wohl nur durch die Wie<strong>de</strong>reinführung von Auslän<strong>de</strong>rkontingenten<br />

vermei<strong>de</strong>n. Genau wie die <strong>Zentralvermarktung</strong> wür<strong>de</strong> ein Auslän<strong>de</strong>rkontingent<br />

zwar gegen <strong>de</strong>n freien Wettbewerb – hier auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt – verstoßen, doch wäre<br />

sie im Sinne <strong>de</strong>r sportlichen Ausgeglichenheit wohl weitaus zielführen<strong>de</strong>r. Unter (Sport-)<br />

Ökonomen dürfte dies eine absolute Min<strong>de</strong>rheitenposition sein, allerdings ist dieses Thema<br />

im Gegensatz zur <strong>Zentralvermarktung</strong> noch nicht ausgiebig und kontrovers diskutiert wor<strong>de</strong>n.<br />

Ich schließe <strong>de</strong>shalb mit <strong>de</strong>r Ankündigung, <strong>de</strong>mnächst einen Beitrag zur Vorteilhaftigkeit von<br />

Auslän<strong>de</strong>rkontingenten auf www.fussball-oekonomie.<strong>de</strong> zu veröffentlichen.

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