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Benchmark - D+R-Verlag

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Heinz und Roland Velich<br />

76<br />

Sauternes denkt, und dass es eine besondere Ehre ist, einen<br />

Climens, Rieussec oder Yquem zu trinken, dieses Verständnis<br />

fehlt völlig. Es hängt natürlich auch mit unseren kulinarisch-önologischen<br />

Konsumgewohnheiten zusammen, und<br />

da will ich uns Winzer gar nicht ausnehmen, wir sollten da<br />

ruhig anfangen, vor der eigenen Türe zu kehren. Wir essen<br />

also Vorspeise, Suppe, Fisch, Hauptgang und so weiter, man<br />

trinkt Wein dazu – und wenn es eigentlich aus sein sollte, ist<br />

der Punkt gekommen, wo man gern noch eine Flasche Wein<br />

trinkt. Auf die Idee, zum Dessert eine Flasche Süßwein zu bestellen<br />

und dann aufzustehen und zu sagen: Wunderbar, das<br />

war’s, maxmimal noch Kaffee – das tut keiner. Da bleibt man<br />

eher in der Runde sitzen und trinkt noch eine Flasche oder<br />

zwei – zum Wohle unserer Wirten, aber zu Lasten unserer<br />

Edelsüßen. Dieses Selbstverständnis des Essens und Trinkens,<br />

wie’s die romanischen Länder kennen, das haben wir in dieser<br />

Form nicht. Wenn ich an das Selbstbedienungsrestaurant<br />

am Pariser Flughafen denke, wo sich ein alter Herr zu seiner<br />

Gänseleber, seiner Hauptspeise und dem Dessert völlig natürlich<br />

eine Flasche Wein nimmt – das gäb’s bei uns nicht.<br />

Historisch gesehen: Hatte der Edelsüßwein früher einen höheren<br />

Stellenwert?<br />

Freilich. Die Weine waren teuer und geschätzt. Wir merken’s<br />

ja selbst,wenn die Leute zu uns kommen. Jeder sagt: „Süßwein?<br />

Nein, danke!“ Aber jeder probiert ihn und kauft ihn auch; eben<br />

weil die Leute ein gänzlich anderes Vorstellungsbild von<br />

Süßwein haben. Nicht zuletzt,weil Süßwein bei uns leider auch<br />

als Massenprodukt gesehen wird. Da gefällt mir René Gabriel,<br />

der die heftige Empfehlung abgibt, immer eine kleine Flasche<br />

Süßwein im Eiskasten zu haben – und sie dann zum Dessert,<br />

zur Kaffeejause oder einfach zur blauen Stunde herauszunehmen.<br />

Übrigens ist Süßwein konzentriert genug, Kaffee<br />

auszuhalten.<br />

Mit ein Hindernis ist auch die Bezeichnung „Süßwein“. Zu<br />

„süß“ fällt einem höchstens „klebrig“ ein. Aber es ist schwierig,<br />

da ein neues Wort zu finden oder zu erfinden. Uns würde natürlich<br />

„Ausbruch“ vorschweben, aber da wollen wir den Winzern<br />

vom anderen Seeufer nicht in die Quere kommen. Die<br />

machen das mit „Ausbruch“ und „Essenz“ sehr gut, was außerdem<br />

ja auf den ungarischen Konnex hindeutet, der ja jahrhundertealt<br />

ist. Wir haben’s dem Robert Wenzel vorgeschlagen,<br />

der geantwortet hat: „Wissen Sie, das hätten wir so gern<br />

für uns allein“ – was auch verständlich ist. Also müssen wir<br />

vorderhand mit Beerenauslese und Trockenbeerenauslese<br />

leben. Vielleicht kann man’s zu einer gewissen „Marke“ entwickeln,<br />

ähnlich wie’s beim „Tiglat“ irgendwie auch gelungen<br />

ist. Und vielleicht können wir auch von der bisherigen Nomenklatur<br />

der Süßepyramide weg-<br />

kommen, wer weiß, so was wie<br />

die Goldkapsel in Deutschland.<br />

Unsere Beerenauslese, die’s<br />

inzwischen auch in einer nicht<br />

ganz unbeträchtlichen Menge<br />

gibt, müssen wir als solche<br />

bezeichnen, obwohl sie in Summe in der Rückrechnung eine<br />

TBA wäre; und zwar deshalb, weil ein paar Chargen mit 28,<br />

29 °KMW dabei sind und 30 °KMW das Minimum für die TBA<br />

sind. Es sind auch Chargen mit 35 und 36 ° dabei, wobei der<br />

Durchschnitt immer bei 30 bis 32 °KMW liegt, zumindest<br />

streben wir das an. Vinifikatorisches Ziel ist eine trinkfreundliche<br />

Balance zwischen Alkohol (12,5 bis 13 %) und<br />

Zuckerrest (100 bis 140 g/l), und dazugehört auch der Ausbau<br />

im Holz, eineinhalb bis zwei Jahre. Ein wenig schwebt uns<br />

die Eleganz der Süßweine von der Loire,aus der Chenintraube,<br />

und deren eminente Trinkfähigkeit vor. Das ist das Ziel – und<br />

nicht die größte Konzentration und die üppigste Opulenz um<br />

jeden Preis. Trinkcharme und ein Preis,der für die Gastronomie<br />

den glasweisen Ausschank kalkulierbar macht, sind die Parameter,<br />

um die’s uns geht, denn wenn man zu zweit Essen geht,<br />

bestellt man sich keine Flasche.<br />

Tatsache ist, dass uns die Welt um die Qualität und Quantität<br />

unserer Süßweine beneidet, dass wir aber beträchtliche Mühe<br />

haben, diese Weine zu vermarkten. Nicht nur die Erzeugung,<br />

sondern auch die Vermarktung ist kosten- und zeitintensiv,<br />

die Konkurrenz schläft auch nicht,und es ist anstrengend,weil<br />

er in seiner Gesamtheit im Inland nicht absetzbar ist.<br />

Worauf wir noch Wert legen: Weder wird ein Weingarten auf<br />

höheren Ertrag für Süßwein angeschnitten, noch bringen wir<br />

Kali- oder Stickstoffdünger aus (das erhöht die Botrytisanfälligkeit),<br />

noch arbeiten wir mit Sprinkleranlagen, um in<br />

trockenen Herbsten die Entwicklung<br />

zu beschleunigen. Und wir<br />

haben auch nicht den Druck, unbedingt<br />

jedes Jahr Süßwein zu<br />

machen. Wir wollen einfach nichts<br />

erzwingen. Wenn das Jahr, wie<br />

2000, sehr trocken ist, lassen wir<br />

lieber die Trockenbeerenauslese<br />

aus, damit die Qualität der Beerenauslese<br />

gleichmäßig hoch bleiben<br />

kann.<br />

„Auf die Idee, zum Dessert eine Flasche<br />

Süßwein zu bestellen und dann aufzustehen<br />

und zu sagen ,danke das war’s‘<br />

kommt bei uns niemand.“

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