KremserEberhard_1910_1934

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10.07.2015 Aufrufe

Mutter hatte nun allerhand zu tun. Auch ich bekam mein tägliches Pensum zugeteilt. Als erstesmußte ich jeden Morgen 1 l Milch auf der Grube holen, die etwa 2 km von uns entfernt war. Viehfüttern und im Garten mithelfen war meine Aufgabe. Außer der oben erwähnten „Selbstversorgung“kam von Großmutter hier und da ein Korb, der mit einem Sackleinen zugenäht war. Das war für michimmer ein Festtag. Manchmal schickte sie uns Rauchwaren (Fleisch und Wurst), manchmal auchObst. Ein großes Fest war es auch, wenn bei uns das Schwein geschlachtet wurde. Mutter teilte dasFleisch so ein, daß der Vorrat ein ganzes Jahr vorhalten mußte. Zum „Schlachtfest“ kam regelmäßigOnkel Max aus Kattowitz um sich etwas abzuholen.Hier fällt mir eine Begebenheit ein.Mutter hatte nach dem Schweinschlachten alles schön im Keller verstaut. Eines Tages, als Mutterwieder nach dem Pökelfleisch sehen hatte, wurde sie gewahr, daß die meisten zum Räuchernvorgesehenen Fleischteile fehlten. Außerdem fehlten auch auf einer Stange aufgereihte Würste. DerVerdacht richtete sich sofort auf unser Dienstmädchen, Lena Kischka, die damals 18 Jahre alt war.Sie wurde von unserem Dorfpolizisten verhört und gab nach langem Zögern den Diebstahl zu. Siewar dazu offensichtlich von ihren Eltern angestiftet worden. Was mit dem Mädchen später passiert ist,weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls weiß ich heute noch soviel, daß Kischka ein Polenfreund warund daß er damals schon Vater gegenüber Rache geschworen hatte, was dann später auch zutraf.Die Arbeit für meinen Vater wurde immer umfangreicher. Neben den Verwaltungsarbeiten undtechnischen Anforderungen hatte er ja noch die gärtnerischen Anlagen in den Arbeiter- undBeamtenkolonien der Gruben Boarschächte (?), Fürstengrube, Piastschächte, Bradegrube,Prinzengrube, Heinrichsglückgrube und Trautscholdsegengrube neben der Emanuelssegengrube zuüberwachen und zu betreuen. Um ihn deshalb zu entlasten, hatte der Fürst von Pleß noch einenObergärtner (Vater wurde zum Gartenverwalter ernannt) eingestellt. Mikulla, so hieß der Mann, solltedie Anzucht von Gehölzen und Blumen übernehmen.Robert Mikulla war ein sympathischer Mann, auch ein Oberschlesier, der auch schon einen Teil der„Welt“ gesehen hatte. Er verkehrte oft bei uns zu Hause, da er Junggeselle war und sonst keineBekannte hatte, hatte er sich mit uns angefreundet.Von ihm bekam ich die ersten Anleitungen in Bezug auf Botanik und Pflanzenumgang. Ihm habe iches wohl auch zum Teil zu verdanken, daß in mir die Liebe zur Natur erwachte, die mich ein ganzesLeben nicht mehr losließ. In den Gewächshäusern durfte ich daher meine Studien betreiben. ImFrühjahr 1918 heiratetet er die Tochter unseres Schneiders Neumann. Nach der Heirat waren seinehäuslichen Besuche bei uns seltener geworden. Jahre später sollte sich die gegenseitige Sympathieins Gegenteil umkehren. Doch dazu später.Eines Tages, - ich erinnere mich noch als ob es gestern gewesen wäre -, es war der 4. Februar 1918morgens 7 Uhr in der Frühe, als der „Storch“ die Familie Kremser aufsuchte und ihr die Erika – EmilieDorothea – brachte. Ich mußte damals in die Mansarde – wo das Dienstmädchen schlief – umziehen,damit ich den Vorgang des Storchbesuchs nicht mitbekomme. Am Nachmittag durfte ich mir dasSchwesterchen betrachten. Es hatte ganz schwarze Haare und blaue Augen und man sagte damals,daß es ein schönes Kind sei. Ich fand das eigentlich nicht so.Ostern 1919 kam ich, wie schon gesagt, in die Oberrealschule zu Kattowitz. Es war für mich ein ganzneuer Lebensabschnitt. Ganz stolz war ich, als mir Mutter eine Schülermütze, grün mit silbernerKordel, kaufte. Mutter hatte ja mit ihrem Sohn so allerhand vor. In Weimar hatte sie oft studentischeVeranstaltungen und festliche Umzüge von Burschenschaften, die im festlichen Gewand und Wichsdaher marschierten in Erinnerung. Diese Erinnerungen hatten sich in ihrem Geiste so eingeprägt, daßsie sich einbildete, ihr Sohn müßte später einmal ebenso als Korpsstudent vor ihr stehen.Ich war damals knapp 9 Jahre alt. Da die Emser Schüler mit der Bahn nach Kattowitz fahren mußten(der Zug kam von Bielitz-Pleß) mußte ich täglich um 6 Uhr aufstehen, weil der Weg zum Bahnhof 20Minuten beanspruchte und der Zug um 7.20 Uhr abfuhr. Manchmal mußte ich mich sputen den Zugzu erreichen. Der nächste kam erst nach 8 Uhr in Kattowitz an. Das war für die Schule zu spät. Ichwar nicht allein, der zur Schule nach Kattowitz fuhr. Viele Freunde traf ich unterwegs, oder sie holtenmich zu Hause ab. Auf dem Bahnhof und im Zuge wurde allerhand Unsinn getrieben – wie das beiBuben halt so ist. Wir freuten uns riesig, wenn der Zug Verspätung hatte, und wir vielleicht die ersteStunde schwänzen konnten. Das kam hin und wieder mal vor. Vor allem in den Wintermonaten.6

Wir hatten 20 Minuten nach Kattowitz zu fahren. Meine Jugendfreunde waren Herbert und AlexanderMöser, ihr Vater war bei der Forstverwaltung des Fürsten von Pleß, Heinz Zazarek, der Vater hatte dieEmser Fleischerei, und Paul Pollok, dessen Vater Lok-Führer bei der Grubenverwaltung war. Wir 5Jungen waren immer zusammen und unzertrennlich. Alle 5 fuhren nach Kattowitz zur Schule, Herbertund Paul waren in meiner Klasse. Nach der Schule spielten wir bis in die Abendstunden im Wald oderauf den Feldern und Wiesen.Meine Eltern waren zu uns sehr streng. Ich mußte pünktlich um ½ 7 Uhr abends zu Hause sein zumAbendbrot. Wehe, wenn ich zu spät kam. Mit Bangen machte ich mich dann auf den Heimweg, ander Entreetür angelangt, drückte ich zaghaft auf die Klingel. Meistens gab es dann Hiebe undobendrein noch „Stubenarrest“, was für mich das schlimmste war. Wenn nämlich dann am nächstenNachmittag meine Freunde vor unserem Fenster auftauchten und sich mit Pfiffen bemerkbar machten:Mutter war dann unerbittlich. Mein Bitten und Betteln half nichts; ich mußte im Zimmer bleiben. Dashat damals meiner „Kinderseele“ sehr geschadet. Mutter machte sich zu allem Überfluß drauf unddran, mir im Rechnen und Diktat „Nachhilfeunterricht“ zu geben. Das tat weh; ein Glücksgefühl war’swenn ich dann nach Stunden davor befreit wurde. Dieser „Nachhilfeunterricht“ hat mir mehrgeschadet als genutzt.Überhaupt wurde ich zu Hause streng erzogen. Widerpart gab es nicht. Trotzdem habe ich an zuHause sehr gehangen; denn meine Mutter verstand es uns allen eine gewisse Nestwärme zu geben.Bei uns zu Hause wurde sehr gespart. Egal ob die Zeiten gut oder schlecht waren. Im Überflußhatten wir nie etwas. Ich entsinne mich, daß es bei uns am Sonntag Fleisch gab. Am Dienstag undDonnerstag gab es meistens Aufgewärmtes vom Sonntag. Montags und Samstags hatten wirmeistens Eintopf. Mittwochs Eierspeisen oder sonstige Mehlspeisen. Den Speisefahrplan kannten wirschon auswendig. Abends gab es Brot zugeteilt. Wenn es Wurst gab, war es ein Feiertag. DerSonnabendabend war was außergewöhnliches. Da hatte Mutter ein Pfund Krakauer eingekauft undabends warm auf den Tisch gestellt. Schon Tage vorher freute ich mich auf den Sonnabend.Im übrigen sind wir, Erika und ich, von den Eltern keinesfalls verwöhnt worden. An Geburtstagen oderWeihnachten gab es für uns Kinder lediglich Kleinigkeiten, die nicht „ins Geld liefen!“ Ich erinneremich, es waren Gesellschaftsspiele oder Sachen zum Ausschneiden, bunte Papierstreifen zumFlechten und Süßigkeiten. Wie gerne hätte ich als Bub’ mal eine Dampfmaschine oder eineEisenbahn (damals gab es nur solche mit Uhrwerk) als Geschenk bekommen. Wie oft stand ich inKattowitz vor dem Schaufenster der Kinderspielläden und träumte davon, daß sich der Traum erfüllte.Meine liebe Schwester Erika wurde immer größer. Meine Aufgabe war es nun Kindermädchen zuspielen. Nachmittags habe ich sie immer mit einem Kinderwagen mit großen Rädern ausfahrenmüssen. Natürlich war ich davon nicht gerade begeistert. Einmal habe ich mit dem Kinderwagenwider einmal „Puffbahn“ gespielt. Als es im „Volldampf“ in eine Kurve ging, kam der Wagen aus demGleichgewicht und meine nichts ahnende Schwester flog in hohem Bogen aus dem Wagen und lagauf der Straße. Das Malheur habe ich trotz größter Anstrengungen vor meinen Eltern nicht verbergenkönnen. Für diese Untat hat es auch etwas abgesetzt. Seitdem war ich vorsichtiger. Trotzdempassierte wenig später wieder ein Malheur mit meiner Schwester. Als ich wieder einmal für meineSchwertfische im großen Einmachglas Wasserflöhe brauchte, ging ich mit Erika zum naheliegendemTeich. Die meisten Wasserflöhe gab es am Wehr, eine Schleuse, die das Wasser zumtiefergelegenen 2. Weier abhielt. Hier fummelte ich mit dem Netz herum und schüttete das „Fanggut“in ein Glas. Während dieser Tätigkeit beugte sich Erika über die Brüstung und plumpste prompt instiefe Wasser. Vor Schreck und Todesverachtung sprang ich nach, erwischte sie und hielt sie am Kleidfest und mich am Schleusengestänge. Ein zufällig vorübergehender Arbeiter zog uns heraus. Wasfür ein Glück. Erika wäre um ein Haar umgekommen. An dieser Stelle möchte ich es mir versagen zuschildern, was danach zu Hause „los“ war.Emanuelssegen war damals für die Kattowitzer Bevölkerung wegen der sehr schönen landschaftlichenLage ein gern besuchter Ausflugsort. Da seinerzeit Autos noch eine Seltenheit waren, kamen dieAusflügler entweder mit der Bahn oder zu Fuß durch den Wald. Unmittelbar hiner dem Dorf begannder Mischwald. Von dort ging es langsam bergan bis man nach einer Wanderung von ca. ½ Stundeauf die sogenannte Erdmannshöhe kam. Von dort hatte man bei schönem Wetter eine wunderschöneAussicht auf die Beskiden und dahinter auf die Karpathen. Im Sommer kamen auch viele Ausflüglerum Pilze zu sammeln oder Blaubeeren und Preiselbeeren zu pflücken.7

Mutter hatte nun allerhand zu tun. Auch ich bekam mein tägliches Pensum zugeteilt. Als erstesmußte ich jeden Morgen 1 l Milch auf der Grube holen, die etwa 2 km von uns entfernt war. Viehfüttern und im Garten mithelfen war meine Aufgabe. Außer der oben erwähnten „Selbstversorgung“kam von Großmutter hier und da ein Korb, der mit einem Sackleinen zugenäht war. Das war für michimmer ein Festtag. Manchmal schickte sie uns Rauchwaren (Fleisch und Wurst), manchmal auchObst. Ein großes Fest war es auch, wenn bei uns das Schwein geschlachtet wurde. Mutter teilte dasFleisch so ein, daß der Vorrat ein ganzes Jahr vorhalten mußte. Zum „Schlachtfest“ kam regelmäßigOnkel Max aus Kattowitz um sich etwas abzuholen.Hier fällt mir eine Begebenheit ein.Mutter hatte nach dem Schweinschlachten alles schön im Keller verstaut. Eines Tages, als Mutterwieder nach dem Pökelfleisch sehen hatte, wurde sie gewahr, daß die meisten zum Räuchernvorgesehenen Fleischteile fehlten. Außerdem fehlten auch auf einer Stange aufgereihte Würste. DerVerdacht richtete sich sofort auf unser Dienstmädchen, Lena Kischka, die damals 18 Jahre alt war.Sie wurde von unserem Dorfpolizisten verhört und gab nach langem Zögern den Diebstahl zu. Siewar dazu offensichtlich von ihren Eltern angestiftet worden. Was mit dem Mädchen später passiert ist,weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls weiß ich heute noch soviel, daß Kischka ein Polenfreund warund daß er damals schon Vater gegenüber Rache geschworen hatte, was dann später auch zutraf.Die Arbeit für meinen Vater wurde immer umfangreicher. Neben den Verwaltungsarbeiten undtechnischen Anforderungen hatte er ja noch die gärtnerischen Anlagen in den Arbeiter- undBeamtenkolonien der Gruben Boarschächte (?), Fürstengrube, Piastschächte, Bradegrube,Prinzengrube, Heinrichsglückgrube und Trautscholdsegengrube neben der Emanuelssegengrube zuüberwachen und zu betreuen. Um ihn deshalb zu entlasten, hatte der Fürst von Pleß noch einenObergärtner (Vater wurde zum Gartenverwalter ernannt) eingestellt. Mikulla, so hieß der Mann, solltedie Anzucht von Gehölzen und Blumen übernehmen.Robert Mikulla war ein sympathischer Mann, auch ein Oberschlesier, der auch schon einen Teil der„Welt“ gesehen hatte. Er verkehrte oft bei uns zu Hause, da er Junggeselle war und sonst keineBekannte hatte, hatte er sich mit uns angefreundet.Von ihm bekam ich die ersten Anleitungen in Bezug auf Botanik und Pflanzenumgang. Ihm habe iches wohl auch zum Teil zu verdanken, daß in mir die Liebe zur Natur erwachte, die mich ein ganzesLeben nicht mehr losließ. In den Gewächshäusern durfte ich daher meine Studien betreiben. ImFrühjahr 1918 heiratetet er die Tochter unseres Schneiders Neumann. Nach der Heirat waren seinehäuslichen Besuche bei uns seltener geworden. Jahre später sollte sich die gegenseitige Sympathieins Gegenteil umkehren. Doch dazu später.Eines Tages, - ich erinnere mich noch als ob es gestern gewesen wäre -, es war der 4. Februar 1918morgens 7 Uhr in der Frühe, als der „Storch“ die Familie Kremser aufsuchte und ihr die Erika – EmilieDorothea – brachte. Ich mußte damals in die Mansarde – wo das Dienstmädchen schlief – umziehen,damit ich den Vorgang des Storchbesuchs nicht mitbekomme. Am Nachmittag durfte ich mir dasSchwesterchen betrachten. Es hatte ganz schwarze Haare und blaue Augen und man sagte damals,daß es ein schönes Kind sei. Ich fand das eigentlich nicht so.Ostern 1919 kam ich, wie schon gesagt, in die Oberrealschule zu Kattowitz. Es war für mich ein ganzneuer Lebensabschnitt. Ganz stolz war ich, als mir Mutter eine Schülermütze, grün mit silbernerKordel, kaufte. Mutter hatte ja mit ihrem Sohn so allerhand vor. In Weimar hatte sie oft studentischeVeranstaltungen und festliche Umzüge von Burschenschaften, die im festlichen Gewand und Wichsdaher marschierten in Erinnerung. Diese Erinnerungen hatten sich in ihrem Geiste so eingeprägt, daßsie sich einbildete, ihr Sohn müßte später einmal ebenso als Korpsstudent vor ihr stehen.Ich war damals knapp 9 Jahre alt. Da die Emser Schüler mit der Bahn nach Kattowitz fahren mußten(der Zug kam von Bielitz-Pleß) mußte ich täglich um 6 Uhr aufstehen, weil der Weg zum Bahnhof 20Minuten beanspruchte und der Zug um 7.20 Uhr abfuhr. Manchmal mußte ich mich sputen den Zugzu erreichen. Der nächste kam erst nach 8 Uhr in Kattowitz an. Das war für die Schule zu spät. Ichwar nicht allein, der zur Schule nach Kattowitz fuhr. Viele Freunde traf ich unterwegs, oder sie holtenmich zu Hause ab. Auf dem Bahnhof und im Zuge wurde allerhand Unsinn getrieben – wie das beiBuben halt so ist. Wir freuten uns riesig, wenn der Zug Verspätung hatte, und wir vielleicht die ersteStunde schwänzen konnten. Das kam hin und wieder mal vor. Vor allem in den Wintermonaten.6

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