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KremserEberhard_1910_1934

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und fragte sie, ob der Herr Kremser etwa ihr Bräutigam sei? „Sie hätte hier nicht zu suchen, denn derHerr Kremser sei bereits ihrer Tochter Ria versprochen und seine Eltern wären bereits damiteinverstanden. Das wäre während ihrer Ferien hier in Freiburg so abgemacht worden!“Bertel war wie geschlagen –sehr verständlich; ich aber auch! Bertel wollte sich gleich wieder zurRückfahrt nach Frankfurt fertig machen, ohne sich von mir zu verabschieden. Es war nur HansLindner zu verdanken, daß sie blieb. Ich hatte es sehr schwer ihr klar zu machen, daß ich mit Riaüberhaupt nichts hatte. Warum sollte ich auch? Durfte ich nicht mit einem Mädel ein paar freundlicheWorte und Scherze machen, ohne gleich an Heirat zu denken? Bertel glaubte mir dann auch, und ichwar glücklich, daß das alte Vertrauen wieder hergestellt war. Die schöne Freiburger Zeit war nach 8Tagen leider wieder abgelaufen. Sie mußte nach Hause zurück, weil sie durch ihre Einkünfte von derSchneiderei ihre Eltern mitunterstützen mußte. Vater Plank war seit Jahren arbeitslos. Bertel war einfleißiges und pflichtbewußtes Mädchen. Berrtel verdiente damals 19 Reichsmark die Woche.(Hinweis: Meine Mutter sagte, daß sie Freiburg in demselben Status verlassen hat, wie sie ihnbetreten hatte! Sie hatte eine Schneiderlehre bei Abraham & Zechermann absolviert, einer jüdischenFirma, über die sie sich nie beschwert hat. Ihre Schwester Else hat sie dann überredet der besserenEinkünfte wegen sich selbständig zu machen. Das machte sie, hatte dann aber noch mehr Arbeit beiunsichereren Einkünften. Tante Else hat gelernt und gearbeitet bei einem jüdischenWäschehandelshaus, Gebrüder Seemann, die ca. 1938 nach Südamerika gingen. Bei der Auflösungdes Wäschegeschäfts hat meine Tante viel übernommen. Dabei fällt mir noch folgendes ein: ImZweiten Weltkrieg schickte sie ein ca. 10 kg schweres Wäschepaket mit Damasttischdecken usw.nach Walxheim, um es vor der alliierten Bombardierung zu sichern. Nach 1945 kam die Wäschezurück nach Frankfurt-Hausen „An den Postwiesen 27“. Nach ihrem Tod 1999 habe ich es ungeöffnetgefunden und wieder nach Zöbingen gebracht, wo ich es bisher noch nicht aufgemacht habe. Wirsind also tatsächlich sehr wenig bedürftig. Das meisten Güter belasten uns eigentlich. Trotzdemkönnen wir der Versuchung so schwer widerstehen, Güter zu besitzen!)Die letzten Monate brachen für mich in Freiburg an. Nach Neujahr <strong>1934</strong> hatte ich mich für einFachstudium, Fachrichtung Gartengestaltung in Weihenstephan, angemeldet. Hans Lindner, der mitmir sehr verbunden war, wollte allein nicht zurückbleiben. Er meldete sich gleichfalls an. Nacheinigen Wochen kam die Bestätigung zur Aufnahme. Schweren Herzens kündigten Hans und ich beider Verwaltung. Man war erstaunt, daß wir beide eine sichere Lebensstellung aufgaben. Es halfjedoch nichts; wir wollten beruflich weiterkommen.Ende Februar <strong>1934</strong> machten wir uns auf und fuhren gemeinsam nach Freising, 30 km nördlich vonMünchen. Dort angekommen verfielen wir beide gleich in eine Art tiefer Depression. Was die„landschaftlichen Reize“ dieser Gegend anbelangt, war es eigentlich eine Sünde diese mit der inFreiburg zu vergleichen. Weihenstephan, ein ehemaliger Klosterkomplex, stand auf einem etwa 100m hohen Hügel, der einsam aus der Ebene herausragte. Das versöhnte uns etwas, weil man von dorteine herrliche Aussicht auf das Freisinger Moos und bei klarem Wetter die gesamte Alpenkette vorsich hatte.Nach der Ankunft gingen wir erst zum Zimmernachweis des Studentenbundes „Balduria!“ Die Leuteschickten uns in die Wippenhauserstraße 87 zum Postsekretär Josef Maier, der dort einen Neubauerrichtet hatte.Im Kniestock (?) des Hauses waren 2 Mansardenzimmer frei. Für zusammen 50 RM nahmen wirbeide Zimmer, eins als Schlaf-, eins als Arbeits- und Wohnraum. Wir richteten uns gemütlich ein.Zum Frühstück gab es lediglich Kaffee, den wir in ihrer großen Wohnküche einnahmen. Für dieVerpflegung sorgten wir selbst. Zum Mittagessen haben wir uns in der Studentenkneipe imAbonnement für 50 Pfennig je Mahlzeit angemeldet. Für das Geld konnten wir keine fürstlicheMahlzeit verlangen, aber sie war gut und reichlich. Zunächst hatte ich ja noch etwas Eigenkapital, dasmich für einige Zeit „über Wasser“ hielt. Davon schaffte ich mir auch die notwendigen Lebensmittelan, was nicht billig war und ins Geld lief. Vor allem das Zeichenmaterial und die Lehrbücher warenteuer. Meine Eltern waren gütigerweise bereit mit monatlich eine Überweisung von 90 RM zugewährleisten. Oftmals war ich am Ende des Monats so abgebrannt, daß ich schon Tage vor demErsten auf den Briefträger mit Sehnsucht wartete. Mutter war leider nicht von der „Geberseite“geprägt. Es gab nicht mehr; mit 90 RM mußte ich auf alle Fälle auskommen. Das habe ich auch inder ganzen Freisinger Zeit mir vor Augen gehalten. Schulden wurden nicht gemacht. Selbst HansLindner hätte ich um Geld nciht angehen können. Lieber aß ich am Ende des Monats trockenes Brot.28

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