Vorgang wiederholt werden. Um die Zeit einzuhalten, stellte ich den Wecker, der mich um 3 Uhrwecken sollte . Ich überhörte den Weckruf und wachte erst 1 ½ Stunden später auf.Ich glaube, ich hätte bald einen Herzschlag bekommen. Ich rannte in den Heizraum und sah, daß inallen drei Kesseln nur noch Rotglut war. Im hintersten Gewächshaus sank die Temperatur auf 5 Gradplus ab. Ich schuftete und schuftete; es dauerte mindestens 1 ½ Stunden bis die Kessel wieder aufHochtouren liefen. Wenn der Emig es gemerkt hätte, hätte er mich sicher zerrissen. Als die Arbeitszeitum 7 Uhr begann, waren die Temperaturen in den Gewächshäusern wieder normal. Ich hatte ausdiesem Vorgang die Lehre gezogen. Ich legte mich künftig nicht mehr auf die „faule Haut“, sondernwachte die ganze Nacht.Meine Lehrzeit ging langsam zu Ende. Mit „Freund Emig“ stand ich immer noch auf Kriegsfuß. Erprophezeite mir immer wieder, daß aus mir nie etwas gescheites werden wird. Er muß innerlich eineMordswut auf mich gehabt haben, weil ich seiner Ansicht nach eine immer aufsässige Haltung ihmgegenüber gezeigt habe.Am 17. September wurde die Gehilfenprüfung vor der Landwirtschaftskammer NiederschlesienBreslau angesetzt. Wir waren insgesamt 18 Lehrlinge, die geprüft wurden. Emigs „Kujon“ Eberhardbrachte das beste Prüfungszeugnis heim. Mit der Höchstzahl von 17 erreichbaren Punkten bekam ichdie Note eins. Emig machte ein dummes Gesicht. Ich sagte ihm: „Der Eberhard wird nie etwasgescheites.!“ Ich bat ihn, er möge mir das Lehrzeugnis zum 30.09.1929 aushändigen, da ich nichtbereit bin, nur eine einzige Stunde länger bei ihm die Gastfreundschaft seiner Familie zu genießen!(Hinweis: Im Oktober 1929 war der Schwarze Freitag an der NYSE (New York Stock Exchange). Esist interessant, daß die fürcherlichen Wirtschaftskrisen, wie auch die Hyperinflation 1923, mein Vatergar nicht für erwähnenswert hält.)In der Zwischenzeit hatte mein Vater aufgrund einer Stellenanzeige in der Fachzeitschrift „MöllersDeutsche Gärtnerzeitung“ eine Stellung unter 41 Bewerbern als Obergärtner auf Schloß Friedrichshofangeboten bekommen. Bei der Vorstellung bei der Verwaltung und bei der Landgräfin von Hessenwurde man sich „handelseinig“, so daß Vater am 01.05.1929 die Stelle zunächst bei einer Probezeitvon 6 Monaten antreten konnte.Im nächsten folgenden zwei Bilder:Das erste Bild signiert „Margarete, Landgräfin von Hessen, 1940“. Darunter: jüngste SchwesterKaiser Wilhelm II., * 1876 - + 1954, (Geschenk an meinen Vater)Das zweite Bild: Landgräfliche Familie, Landgraf von Hessen mit seiner Frau,Margarete mit drei Zwilllingspaaren(Max, Moritz), (Philipp, Wolfgang), (Christoph, Richard)Da mein Vater zumeist bei Fürstlichkeiten angestellt war, wurde er bei der Besetzung der Stellebevorzugt. Vater nahm auch in den folgenden Jahren bei der Landgräfin von Hessen – die jüngsteSchwester des letzten deutschen Kaisers – eine Sonderstellung ein.Mutter und Erika siedelten gleichfalls nach Kronberg um. Sie wurden für die Probezeit in zweiZimmern, die möbliert waren, im Wirtschaftstrakt des Schlosses beherbergt.Schon im August 1929 ist meinen Eltern eine Wohnung im Marstallgebäude angetragen worden. Erwurde aufgefordert seine Möbel kommen zu lassen und sich nun hier häuslich einzurichten. Damitwurde er fest eingestellt.Gegen Ende meiner Lehrzeit bat ich Vater sich doch dafür zu verwenden, für mich vorübergehend inder Schloßgärtnerei in Schönberg eine Gehilfenstelle zu verschaffen, weil ich unter keinen Umständenlänger in Liegnitz bleiben wollte. Die Eltern schilderten in ihren Briefen, wie herrlich doch Kronberggelegen sei und wie schön es sich im Schloßpark wohnen ließe. Ich war ganz verrückt in demGedanken, nach Kronberg überzuwechseln. Ich traute aber der ganzen Sache nicht recht, denn eswaren zu jener Zeit sehr schlechte Zeiten in Deutschland. Deutschland hatte im Jahre 19298.000.000 Arbeitslose, und die politische Lage war hoffnungslos. (Hinweis: Ich glaube das war ersteinige Jahre später.)18
Die Landgräfin und ihr Adlatus Oberstleutnant Lange waren also bereit, seinen Sohn in derSchloßgärtnerei Schönberg als Gehilfen zu beschäftigen. Ich sollte dort frei Wohnung und Kost, freieWäsche und ein „fürstliches Gehalt“ von 25 Reichsmark monatlich bekommen. Als mir das Vatermitteilte, sprang ich vor Freude bis zur Zimmerdecke.Emig war platt, er glaubte der Eberhard wird noch ganz zahm werden und ihm aus der Hand fressen.Am 29. September 1929 in der Frühe nahm ich meine Koffer und ging stolz an Emig vorbei ohne ihmund seiner so gütigen Ehefrau Adieu zu sagen. Auf diesen Augenblick habe ich gewartet und schonlange vor der Zeit mir meinen Abgang so vorgestellt. Ich habe von ihm nie mehr etwas gehört und ervon mir ebensowenig. Als der D-Zug mich in Richtung Westen entführte, nahm ich Abschied vonSchlesien ohne damals zu wissen, daß ich Jahre später nochmals als Soldat nach Schlesien kommensollte. Doch davon später.Abends, -es war schon dunkel, kam ich im Frankfurter Hauptbahnhof an. Es war nicht schwer, dasGleis, auf dem der Kronberger Zug stand, zu finden. Man schrieb mir, Kronberg sei Endstation. Eskonnte also jetzt nichts mehr schief gehen. In Kronberg erwartete mich die ganze Familie, samtmeiner Schwester Erika. Ein Fuhrgespann, Rollwagen von Herrn Abelshausen gelenkt, nahm meineKoffer auf.Wir machten uns aber zu Fuß auf, um den Weg über den Stadtpark zum Marstall in etwa ½ Stunde zudurchmessen. Es war sehr dunkel, von der Umgebung sah ich nichts. Aber es war in mir ein Gefühl,daß ich nun in eine neue Welt eingetreten war.Der nächste Tag kam. Es war ein wunderschöner Tag; die Sonne schien auf die herbstliche Naturund vergoldete mit ihren Strahlen die Landschaft und mein Herz. Zum ersten Mal erkannte ich dieschöne Mittelgebirgslandschaft, die, wie mir schien, dem Glatzer Bergland nicht unähnlich war.Nach dem ersten Frühstück kam der erste Kronberger Bürger, der mir begegnete. Es war derTapezierer und Sattlermeister Anto Weck, der kurz zuvor noch die Wohnung renoviert hatte. Icherzähle das hier deswegen, weil mich später seine älteste Tochter Hanna noch viel beschäftigen wird.Nach einem ausgedehnten Rundgang durch den Park hatte Vater mich der Landgräfin und demOberstleutnant Lange vorgestellt. Ich glaube, ich habe bei beiden einen günstigen Eindruckhinterlassen. Mein Herz jubelte vor Glück. Später gingen wir nach Schönberg in die Schloßgärtnerei,wo mein künftiges Betätigungsfeld war. Beim Betriebsleiter Karl Fleschner meldete ich mich an. Mirwurde das neue Arbeitsgebiet vorgestellt und dem Mann, der mein unmittelbarer Vorgesetzter seinwird. Es war der Obergehilfe Kohl.Im Gegensatz zu Liegnitz hatte ich hier den „Himmel auf Erden“. Ich arbeitete hier bewußt mit demGefühl, daß ich es im Leben nicht hätte besser haben können. Für die Unterkunft war bestensgesorgt. Ich hatte einen Zimmergenossen, Hans Budack, einem Sachsen, mit dem ich michausgezeichnet vertrug. Das Essen war einwandfrei. Fräulein Klara Stahlberg sorgte köstlich für uns.Die Portionen waren mehr als ausreichend. Wir waren bei Tisch 8 Mann. Die schmutzige Wäschewurde wöchentlich eingesammelt und in die Wäscherei, die sich in der Meierei befand, gewaschenund gebügelt. Da ich von Liegnitz aus nicht verwöhnt war, sah ich alle die Annehmlichkeiten als einGeschenk des Himmels an.Nach dem Abendbrot ging ich meistens zu meinen Eltern hinauf und verbrachte dort die gemütlichenAbende. Entweder spielte ich mit Vater Schach, oder wir hörten Radio. Vater hatte sich ein neuesGerät gekauft und war recht stolz darauf.Von meinem „Gehalt“ habe ich Mutter 20 Mark abgeben müssen, da sie mir einen neuen Anzug beiunserem Herrenschneider Knecht in Schönberg schneidern lassen wollte. Die restlichen 5 Marklangten gerade noch für Tabak und Zigarettenpapier. Für andere Dinge reichte das Geld nicht –vielleicht noch für paar Schoppen Apfelwein, der damals 15 Pfennig kostete.Ich war kaum ein Vierteljahr in der Schloßgärtnerei beschäftigt als Anfang Dezember 1929 eineWunde im Leben unserer Familie eintreten sollte. Vater hatte sich während seiner Tätigkeit einenRosen- oder Weißdornstachel in den rechten Daumen gestoßen. Zunächst fand er nichtssonderliches dabei. Aber nach einigen Tagen verschlimmerte sich die Wunde. Unsere Hausarzt, Dr.Kramer, dokterte an dem Daumen solange herum, bis Vater es vor Schmerzen nicht mehr aushalten19