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KremserEberhard_1910_1934

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Am anderen Morgen wurde ich von meinen Kollegen und von den Gehilfen gehänselt. Sie hattenmich nämlich am Vorabend mit den beiden Mädchen beobachtet. „Was hast Du für Weiberaufgegabelt?“ „Die eine hat ja ein Wechselgebiß, die andere Knallaugen!“ „Wenn Du nichts anderesauftreiben kannst, bleibst Du am besten zu Hause!“ Ich schämte mich so, daß ich mit den beiden niemehr zur Gugali ging.Ab und zu besuchte mich Mutter mit Erika in der Gärtnerei in der Breslauerstraße, um mich nachFeierabend abzuholen. Einmal kam sie gerade in dem Augenblick, als mich Emig am Kragen hatteund mich aus dem Büro hinauswarf. Wahrscheinlich war es nur wegen einer Lappalie. Dem Emigwar das ja sehr peinlich. Er entschuldigte sich damit, daß Eberhard ihn wieder geärgert hatte. Esentwickelte sich bei ihm mit den Jahren zu einer Art „Haßliebe“ mir gegenüber.Vater hatte inzwischen in Völksen von seiner Arbeitgeberin ein kleines Häuschen (möbliert) zur Mieteangeboten bekommen. Mutter zog also zu meinem Leidwesen mit Erika im Oktober 1928 zu ihm. Ichwar also wieder allein. Da Vater die dortige Stellung als Sprungbrett betrachtete, blieben unsereMöbel weiterhin in Kandrzin eingestellt.Ende Oktober 1928 bekam ich eines Tages ganz plötzlich furchtbare Leibschmerzen. Der Arztdiagnostizierte eine Blinddarmentzündung, die eine sofortige Einweisung in das LiegnitzerPiastenkrankenhaus notwendig machte. Vor der Operation hatte ich eine Heidenangst. Ich rauchtedaher eine Zigarette nach der anderen im Klo. Als ich am nächsten Morgen auf dem Operationstischlag, hatten die Ärzte ihre liebe Not mich zu narkotisieren. Die Operation gelang gut. Als ich aus derNarkose aufwachte, befand ich mich in einem großen Krankensaal, wo etwa 30 frisch operierte lagen.Alte und junge, Arbeiter und Angestellte. Alles durcheinander. Mir ging es von Tag zu Tag besser.Da die meisten Kranken im Saal keine Schwerkranken waren, wurde dort allerhand Unsinn getrieben.Uns betreuten katholische Schwestern. Ich erinnere mich daran, wie ein fast gesunder in demAugenblick, in dem eine Krankenschwester zur Abendvisite in den Saal kam, auf dem in der Mittestehenden Tisch im Nachthemd einen Handstand machte. Das Nachthemd rutschte ihm bis zumHals. Die Krankenschwester verließ fluchtartig den Saal.(Hinweis: Blinddarmentzündung war früher nicht ganz ungefährlich. Der Reichspräsident Ebert istnach meiner Erinnerung an einer verschleppten Appendizitis gestorben, vielleicht auch Scheidemann.Ich glaube, daß auch Herbert eine Blinddarmoperation hatte.)Nach 14 Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich war darüber so traurig, daß mir dieTränen kamen. Hatte ich es dort so gut gehabt. Nun mußte ich wieder in die rauhe Wirklichkeit zumeiner „geliebten“ Familie Emig. Ich blieb noch einige Zeit in ambulanter Behandlung. Währenddieser Zeit durfte ich nur leichteste Arbeit verrichten. Man beschäftigte mich mit der Reinigung vonBlumensämereien. Abends schlich ich mich um das Krankenhaus und sah zu den Fenstern desKrankensaales hinauf. Mit Wehmut dachte ich mir: „dort oben hattest du es so gut, dort warst du sogeborgen“.Der Arzt schrieb mich 14 Tage krank, da er sah, daß mir auch die leichteste Arbeit nicht bekam. Daich aber nicht in der Gärtnerei bleiben wollte, fuhr ich zu meinen Eltern nach Völksen. Daß ich sie soschnell wiedersehen würde, hätte ich ja nicht geglaubt. Dort verlebte ich zwei schöne unbeschwerteWochen. In Hannover kaufte mir Mutter den ersten Sonntagsanzug beim Brenningmeyer. DerAbschied war wieder schwer.Der Winter kam. Es war ein furchtbar kalter Winter. Das Thermometer sank wochenlang auf minus30 Grad. Für uns kam eine schwere Zeit, nämlich die große Gewächshausanlage mußte immer aufmindestens 18 Grad plus gehalten werden. Am Tag war das ja eine Leichtigkeit, zumal dieSonneneinstrahlung mithalf. Umso schärfer und schneidender war nachts der Frost.Jeder von uns, der in der Gärtnerei untergebracht war, wurde zum Heizdienst eingeteilt. Jeder eineWoche lang. Im Heizraum standen drei große Höertsch(?)-Kessel (Hösch?), die mit Koks beladenwurden. Es waren 10 große Gewächshäuser mit Wärme zu beschicken. Am schwersten waren dieGewächshäuser, die am weitesten vom Kessel entfernt waren.In der Woche, in der ich Heizdienst hatte, passierte mir folgendes: Um 7 Uhr abends ging ich in denHeizraum entschlackte die Kessel und füllte sie bis oben hin mit Koks. Alle drei Stunden mußte dieser17

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