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KremserEberhard_1910_1934

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Eine Riesenfreude was es für Emig immer, wenn er uns nach 7 Uhr abends nach dem Abendessenherausjagen konnte um die Freilandkulturen zu bewässern. Das ging bis zum Dunkelwerden und dieAlte stand am Fenster und sah uns zu.Die Lehrlinge hatten täglich ein Tagebuch zu führen. Sämtliche metereologischen Daten sowie alleam Tage verrichteten Arbeiten mußte in das Tagebuch eingetragen werden. Manchmal waren wir somüde, daß wir kaum zum Eintragen fähig waren. Emig wollte „die Brillenschlange, den Kujon“ oderdie „verfluchte Wildsau“ „Kirre“ kriegen. Seine Frau half dabei feste mit. Sie wußte und fühlte wie ichüber sie dachte und hörte auch von anderen „guten Kollegen“ wie Wert (???) sie mir war. Ich ließ miraber nichts zu Schulden kommen, so daß man mir auf andere Weise „Liebenswürdigkeiten“ zuteilwerden ließ.Inzwischen bekam mein Vater eine Stellung in Völksen, Kreis Springe (bei Hannover), auf einemkleinen Gut bei einer Gräfin angeboten. Da er vorerst zur Probe angestellt wurde, reiste er alleindorthin. Mutter wollte verständlicherweise mit Erika nicht allein in Kandrzin bleiben. Sie kam zumeiner großen Freude zu mir nach Liegnitz. Sie suchte sich ein schönes, geräumiges Zimmer in derGoldbergerstraße bei einem verwitweten Rektor, der bereits pensioniert war. Sie hatte sich dort auchdie Küchenbenutzung ausbedungen. Wie ein Zufall, gegenüber wohnte Mutters einstige FreundinHelene Pawliczek, deren Mann im 1. Weltkrieg gefallen war. Sie hatte einen Sohn und eine Tochter,namens Charlotte. Eine zweite Freundin wohnte ebenfalls dort im gleichen Stockwerk.Die Töchter der beiden Tanten waren wahrhaftig keine „Schönheitsköniginnen“. Charlotte, Lottegerufen, hatte ein Gebiß, wenn die lachte meinte man ein Gaul lacht dich an, die andere Hanne hatte„Knollaugen“, hervorgerufen durch die Basedowsche Kropfkrankheit. Mit den beiden Mädchen, die inmeinem Alter waren, konnte ich keine „Staat“ machen.Im Mai 1928 wurde in Liegnitz die erste Reichsgartenschau – die Gugali – eröffnet. Das war fürMutter und Erika ein schönes Ereignis. Sie bezog eine Dauerkarte, mit der sie so oft sie konnte sich inder Ausstellung ihre Sorgen vom Leibe halten konnte. Vater verdiente nicht sehr viel. Der doppelteHaushalt verschlang auch eine Menge Geld. Mutter war also darauf angewiesen, selbst Geldhinzuzuverdienen. Sie warb damals Abonnements für die „Vobach Frauenzeitschrift“ und da das nichtsehr viel einbrachte, vertrieb sie für eine Breslauer Firma Seife, Waschpulver und Parfümeriewaren.Mutter lief oft tagelang treppauf, treppab, manchmal mit, manchmal auch ohne Erfolg. Es war für sieein bitteres Brot von Haus zu Haus Aufträge zu betteln. Später hatte sie schon etwas„Stammkundschaft“. Manchmal saß sie deprimiert am Abendtisch, wenn es mal gar nicht geklappthatte.Meine Aufgabe war, die bestellte Waren der „Kundschaft“ auszuhändigen und zu kassieren. Ich habedas nicht gern gemacht, aber was macht man da nicht alles?Während Mutters Anwesenheit in Liegnitz durfte ich ab und zu, wenn mal nicht zu wässern war, früherFeierabend machen. Nach dem Abendessen machte ich mich auf um Mutter zu besuchen. An lauenSommerabenden saßen wir auf dem Balkon, den ich mit Balkonpflanzen schön geschmückt hatte, undtauschten voller Wehmut Erinnerungen von Ems aus. Jeden 2. Sonntag hatte ich frei. Den verbrachteich samt und sonders bei der Mutter.Da der Rektor ein Fahrrad hatte, aber es wegen seines Alters nicht mehr benutzen konnte, verkaufteer es uns für ganze 5 Reichsmark. Seitdem hatte ich es sehr einfach rasch zur Mutter zu kommen.Mit diesem Rad habe ich später während meiner Freizeit die Liegnitzer Umgebung abgefahren. Ichwar per Fahrrad sogar mal in Bunzlau und habe mein ehemaliges Waisenhaus wieder in Augenscheingenommen. Bekannte indessen habe ich dort nicht mehr angetroffen.In der Gugali hatte unsere Firma Titus Hermann ebenfalls einen Wohngarten und einen Informationsstandzur Schau gestellt. Ab und an hat man mich abgestellt den Wohngarten zu säubern und vonUnkraut zu befreien. Das war für mich immer eine Abwechslung. Zur Gugali hatte ich durch denFirmenausweis immer freien Eintritt.Eines Tages bat mich Mutter inbrünstig, ich möge doch die beiden Pawliczek-Mädchen mit in dieAusstellung nehmen. Es gehöre sich, daß ich anstandshalber mit ihnen ausgehen müsse. Es paßtemir zwar nicht, aber an einem Sonnabendabend nahm ich die beiden „Grazien“ mit in denVergnügungspark der Ausstellung. Wir hatten zwar alle nur paar „Piepen“ aber wir amüsierten unsköstlich.16

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