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KremserEberhard_1910_1934

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Lehr- und Wanderjahre1927 - 1939BerufsjahreAn einem kalten Maientag des 15.05.1927 machte ich mich mit zwei Koffern auf um mein beruflichesLeben in Liegnitz zu beginnen.Liegnitz liegt an der Katzbach und hatte zu jener Zeit 80000 Einwohner. Liegnitz war als Garten- undGurkenstadt in ganz Schlesien bekannt.In Liegnitz angekommen, meldete ich mich zuerst im Hauptgeschäft bei meinem neuen Chef Kamleran und stellte mich als den neuen „Gärtnerstift“ vor. Man empfing mich dort sehr freundlich. Manbrachte mich von dort in die Anzuchtgärtnerei, in der Breslauerstr. 109, wo ich mich beim dortigenBetriebsleiter Georg Emig, Obergärtner, zu melden hatte. Hier bezog ich meine neue Behausung, einan sich geräumiges Zimmer, in dem schon ein Stift, namens Georg, wohnte. Das geräumige Haus,neben den Gewächshäusern, beherbergte im 1. Stock die Familie Emig, im Parterre waren weitereZimmer, in der noch 4 Gehilfen untergebracht waren. Anschließend waren riesige Lagerhallen fürMaschinen und Samenreinigungsgeräte. Wir Stifte, insgesamt 4, waren samt und sonders in„Vollpension“ beim Emig. Als Entgelt bekamen die Stifte im 1. Jahr 2 ganze deutsche Reichsmark.(Hinweis: Für welchen Zeitraum? Vielleicht monatlich?) Mit diesem Lohn konnten wir keine großen„Sprünge“ machen. In diesem Betrieb wurden alle Blumensamen und Gemüsesamen erzeugt. Eskamen aber auch zahlreiche Neuzüchtungen heraus, die Jahr für Jahr prämiert wurden.Ich war eigentlich sehr stolz in einem so bekannten und erfolgreichen Betrieb lernen zu dürfen.Meine Lehrzeit begann eigentlich mit einer Panne. Ich war kaum 8 Tage da, da hatte ich mich mitdem 1. Gehilfen (Böhm) in den „Haaren“.Ich mußte nämlich aus Frühbeetkästen Hortensien in Blumentöpfe herausnehmen und die Töpfe, dievoller Grünspan waren, mit einem Lappen säubern. An diesem Tag war es kalt, und es regnete mitSchnee vermischt ununterbrochen. (Hinweis. Kommt mir komisch vor, daß am 23. Mai Schnee fiel!)Ich stand am Wasserbassin und wusch also die Töpfe. Ab und zu steckte ich meine klammen Händein die Hosentaschen um sie wieder etwas aufzuwärmen. Meine Kollegen in den Gewächshäusernbeneidete ich, da ich sie sah, wie sie drinnen hantierten.Böhm sah also, wie ich meine Hände „wärmte“. Er forderte mich auf, und zwar in einem herrischenTon, der mich reizte, ich solle die Hände aus der Tasche nehmen und arbeiten. Ich sei doch nichtzum Vergnügen hier! Ein Wort gab das andere – jedenfalls kam ich derartig „in Fahrt“, daß ich ihmsagte, er solle sich um seinen Kram kümmern. Daraufhin warf er mir einen nassen Lappen insGesicht. Ich nahme denselben Lappen und schleuderte ihn genau auf seine Nase. Nun war das Faßvoll. Zwar feixte der ganze Betrieb darüber, daß Böhm vom Stift eins in die „Fresse“ bekam, aber fürmich war ein für allemal „der Ofen aus“.Emig verwarnte mich mit der Maßgabe, künftige derartige Vorfälle der Betriebsleitung im Hauptgeschäftzu melden. Seitdem hatte ich es beim Emig verspielt, und er bereitete mir die Hölle. Mir warklar, daß ich nun den Mund halten mußte und daß „Lehrjahre keine Herrenjahre“ seien. Ich verhieltmich auch danach, auch wenn mir das sehr schwer fiel.Mit der Fresserei beim Emig waren wir nicht zufrieden. An allen Ecken und Enden wurde gespart;aber da wir kein Geld hatten um zuzusetzen trieb uns schon der Hunger zum „Futternapf“. Außerdemwar Frau Emig eine recht bequeme und unsaubere Frau. Das konnten wir schon an der Blech-Kaffeekanne sehen, die wahrscheinlich überhaupt nicht sauber gemacht wurde. Wenn wir Kaffeeausschenken wollten (das war ja gar kein Kaffee, sondern „Mopselbrühe“ nannten wir das Gesöff)mußten wir erst mit einem Stock die Schnauze frei machen.Wir haßten diese Frau. Sie stand stundenlang am Fenster und beobachtete uns, anstatt daß sie ihreZeit der Wohnung geopfert hätte. Emig erfuhr täglich haargenau was unten im Betrieb gespielt wurde.15

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