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KremserEberhard_1910_1934

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zurück. Mein Klassenlehrer meinte: „Du bist theoretisch tot, du hast mal ein Riesenglück gehabt.“Bestraft bin ich gottlob nicht worden; man wertete das als ein unglückliches Geschick. Seitdem durfteich in Bunzlau nie mehr auf ein Fahrrad steigen.Das Heimweh verließ mich in der ganzen Bunzlauer Zeit nicht. Das Weihnachtsfest und dieWeihnachtsferien des jahres 1923 standen vor der Tür. Schon Wochen vorher schrieb ich meinenEltern, wie ich mich auf die Ferien und auf das Wiedersehen mit ihnen freue. (Hier ein kurzerKommentar des Transkriptors: Die fürchterliche Inflation war im Oktober 1923 zu Ende gegangen.Mein Vater erwähnt das mit keinem Wort. Wie konnte man damals einkaufen usw.?) Ich bat sieinständig mich nicht zu vergessen und das Fahrgeld zu überweisen. Im Geiste malte ich mir schonaus, wie Mutter dabei war die Weihnachtsbäckerei vorzubereiten. Den Pfefferkuchenteig hatte sieschon Ende November gemacht, damit er vor Weihnachten durchgezogen und die Plätzchen mürbewaren. Den ganzen Advent roch es zu Hause nach Weihnachten. Die letzten Nächte vor der Abfahrtnach Hause konnte ich schon nicht mehr gescheit schlafen.Ich packte also rechtzeitig meinen Koffer. Und als der Reisetag kam, verabschiedete ich michfreudestrahlend von meinem „Familienlehrer“ und marschierte rechtzeitig zum Bahnhof um ja nichtden D-Zug nach Kattowitz zu verpassen. Die Fahrkarten hatte ich bereits einen Tag vorher besorgt.Nach 5 Stunden Fahrt kam ich an der Grenzstation in Gleiwitz an. Auf dem Bahnsteig befand sicheine lange über den Bahnsteig überspannende Baracke. Da mußten alle diejenigen durch, die nachKattowitz weiter wollten.Der deutsche Zöllner wollte nichts von mir, er ließ mich ohne Kontrolle durch. Der polnische dagegendurchwühlte meinen Koffer und fand eine niederschlesische Bunzlauer Tageszeitung, in der meineSchuhe eingewickelt waren. Das war das Signal für den Polacken, daß ich nicht aus Deutsch-Oberschlesien kam, sondern verbotenerweise mich in Niederschlesien aufgehalten hatte. Ich wurdeeingehend verhört und da sie auch mein Zeugnis fanden, konnte ich meinen verbotenenAufenthaltsort nicht mehr leugnen. Man ließ mich nicht durch und der Zug fuhr ohne mich nachKattowitz weiter.Wie mir zumute war, ist hier eigentlich nicht zu beschreiben. Ich muß wie ein „Schloßhund“ geheulthaben. Jedenfalls bemerkte das ein deutscher Zollbeamter, der mich tröstete und mir gottlobweiterhalf. Ich sagte ihm die Telefonnummer vom Vaters Büro. Er rief dort an und ließ ausrichten,daß ich in Gleiwitz festsäße und im Wartesaal III. Klasse auf ihn wartete. Gegen abend kam meinVater auch; es waren von Kattowitz nach Gleiwitz nur wenige Kilometer. Er bedankte sich beimeinem Helfer mit einem Glas Bier und einem Korn. Da wir in Gleiwitz nicht mehr über die Grenzekonnten, fuhren wir mit der Straßenbahn von Beuthen nach Kattowitz. Dort konnte ich ungehindertüber die Grenze. Freudestrahlend kam ich nach Emanuelssegen, das seit der polonisierung „Murcki“hieß und nahm Mutter und Erika in die Arme.Ich habe in der Heimat wieder schöne Tage verlebt und alles was hinter mir lag, war vergessen.Wegen des Vorfalles an der Grenze konnte ich leider nicht mehr in die Schule nach Bunzlauzurückkehren. Nach Darlegung der Situation meldete Vater mich dort ab. Vater wußte, daß im KreisLeobschütz in Oberschlesien im Kreisstädtchen Katscher ebenfalls eine Oberrealschule mit einemdazugehörigen Schülerheim für auswärtige, vornehmlich Schüler aus dem abgetretenen Gebiet,aufnahm. Nach den Weihnachtsferien fuhren Vater und ich zusammen hin. Ich wurde dort auchgleich im Januar 1924 aufgenommen, und zwar in die Untertertia (U III). (Hinweis: In meinemSchuljahrgang gab es ab der 5 Klasse die folgenden Klassen: Sexta, Quinta, Quarta, Untertertia,Obertertia, Untersekunda, Obersekunda, Unterprima, Oberprima.) In Katscher fühlte ich michpudelwohl. Wie seither war ich kein Musterschüler, meine Leistungen bewegten sich so etwa in „derMitte“. Nur mit meinem Religionslehrer war ich ständig im Streit. Er verlangte zuviel von uns. Er warnoch ein junger Vikar, und er wollte wohl durch seine Strenge und seine Leistungsanforderungen„oben“ angesehen sein. Ich selbst war der Ansicht, daß religiöse Sprüche und Kapitel für das spätereLeben nicht so wichtig seien. 4 oder 5 Schüler hatten bei ihm auch Konfirmandenunterricht. Es fielihm bald auf, daß der Kremser nicht ganz bei der Sache war und oft das zu lernende nicht aufsagenkonnte. Wahrscheinlich ist, daß wir beide gleich von Anfang an eine Antipathie gegenseitig hatten.Ich mochte einfach diesen Kerl nicht. Er prophezeite mir, wenn ich bei der Vorstellung derKonfirmanden in der Kirche, wo die Eltern zugegen waren, meine Sache nicht flüssig aufsagen könne,müßte ich vor dem Altar knieen.12

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