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KremserEberhard_1910_1934

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Bunzlau in Niederschlesien ein. Dieser Schule war ein Waisenhaus, das früher eine Kadettenanstaltwar, angeschlossen. Dort wurde ich untergebracht. Meine Eltern kannten die Schule schon vonBreslau her. Bunzlau liegt am kleinen Nebenfluß der Oder, Bober geheißen. Es ist ein kleinesProvinzstädtchen von etwa 20000 Einwohnern, bekannt durch Bunzlauer Tonwaren. Ich war alsorund 350 km von zu Hause fort.Der Schulbesuch in Bunzlau war aus polnischer Sicht illegal. Die in Ostoberschlesien lebendenDeutschen durften aufgrund eines Ausweises sich nur in der oberschlesischen Provinz bewegen. DieDeutschen jedoch kümmerten sich um diesen Passus um einen Dreck. Für mich sollte jedoch dieseBestimmung einmal zum Verhängnis werden. Doch davon später.Im Waisenhaus wurde ein spartanisch einfaches Leben geführt. Das Haus war so eingeteilt, daß dieSchüler verschiedener Altersgruppen in sogenannte Familien aufgestellt wurden. Es waren jeweils 50Schüler, die von einem Lehrer der Anstalt beaufsichtigt wurden. Ich gehörte zur Familie „Richthofen“.Die Schule selbst war von der Anstalt getrennt.Das Leben und das Tagewerk war militärisch ausgerichtet. Punkt 6 Uhr läutete die Glocke zumAufstehen. Im gemeinsamen Waschraum mußten wir uns unter Aufsicht mit entblößtem Oberkörperwaschen. Um 7 Uhr läutete die Glocke abermals zum Antreten. Gemeinsam wurden wir in denSpeisesaal geführt, wo an langen Tischen jeder seinen Platz hatte. Es gab für jeden einen TellerMehlsuppe, 2 Stück Brote mit einem Stück Margarine. Damit mußten wir bis zum Mittagessenauskommen. Um 8:00 Uhr begann der Unterricht. Obwohl ich nicht zu den Besten, aber auch nichtzu den Schlechtesten gehörte, war ich gerne in der Schule. Nachmittags machten wir im großenGemeinschaftsraum unter Aufsicht von Abiturienten unsere Schulaufgaben. Ab und zu kam auchunser Lehrer, ein Studienrat, aus seinem, neben dem Raum befindlichen Zimmer, (Wilder hieß er) undsah nach dem Rechten. Er war meiner Meinung nach ein gerechter Mann.Ab 5 Uhr konnten wir in den Hof und durften dort uns austoben. Oder aber konnten wir oben bleibenund unseren Neigungen nachgehen. Wenn das Heimweh über mich kam, habe ich Briefe an meineEltern geschrieben.Abends um 7 Uhr mußten wir wieder zum Abendbrot antreten. Das Abendbrot bestand wieder auseinem Teller Mehlsuppe und 2 Brote mit einem Stück Margarine. Damals war ja eine schelchte Zeit;es gab an Lebensmittln nicht viel.Nach dem Essen durften wir noch einige Zeit draußen bleiben. Um 9 Uhr aber mußten wir, nachdemwir uns im Waschraum wieder unter Aufsicht gereinigt hatten, ins Bett. In einem großen Schlafsaalbefanden sich ein Unmenge Betten, wo wir die Nacht verbrachten. Ein Lehrer schlief wöchentlichabwechselnd ebenfalls im Schlafsaal, so daß kein Unsinn getrieben werden konnte. Hier im Bett habeich oft an daheim gedacht. Voll Wehmut habe ich da Tränen vergossen.Sonntags machten wir uns auf zum gemeinsamen Kirchgang. Das war schon gang und gäbe. Obsommers oder winters, egal, in „Dreierkolonne“ marschierten wir in die Stadt.Neben dem Schulgeld hatten die Eltern auch eine bestimmte Summe Taschengeld zu überweisen.Das Taschengeld erhielt der „Familien-Vater“ Wilder, der den Kontostand in einem Oktavheft eintrug.Wenn wir etwas brauchten, mußten wir ihn um Geld bitten. Manchmal kaufte ich mir in einer nahegelegenen Bäckerei ein Stück Mohnkuchen. Das wußte Wilder schon; er hatte nichts dagegen.Fortsetzung der Erinnerungen auf seine Seite 38:Ein Vorfall erscheint mir wert hier festgehalten zu werden. Jeden Monat machten die Klassen derSchule einen Ausflug um die Natur und die nähere Umgebung kennenzulernen. So machten wireinmal im schönen Monat Mai einen Radausflug zur Gröditzburg, die etwa 20 km von Bunzlau entferntauf einem etwa 100 m hohen Bergkegel mitten in einer Ebene stand. Natürlich war ich „Radfahrer“,obwohl ich auf dem Rade nicht ganz sicher war. Ich wollte unbedingt an diesem Ausfluge mitteilnehmen. Anfangs ging ja alles gut, bis wir auf der abschüssigen Chaussee an einer Kurve voreiner Ortschaft ankamen, und ich vor lauter Schreck die Rücktrittsbremse vergaß zu betätigen, dennvor mir tauchte plötzlich ein Fuhrwerksgespann auf. Ich raste also darauf zu und kam mit dem Radezwischen Deichsel und Halfter der Pferde und flog dabei in hohem Bogen auf den Rücken eines derPferde. Mir und dem Gespann war gottlob nichts passiert, aber für mich war der „Film“ gelaufenundder Ausflug zu Ende. Ich bekam das Fahrrad abgenommen und mußte per Bahn nach Bunzlau11

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