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KremserEberhard_1910_1934

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Das Jahr 1919 brachte uns Kummer und Leid. Das oberschlesische Volk wurde von einigen Verräternaufgehetzt sich an Polen anzulehnen. Der Slogan hieß: „Stimmt für Polen, das ist das Land in demMilch und Honig fließt.“ Einer der Haupträdelsführer war Woiczeck Korfanty, ein ehemaliger Minister(gemeint ist vermutlich „Abgeordneter“) des Reichstags (1903 – 1918). Er organisierte dieInsurgentenaufstände. Der erste Aufstand war im August 1919. Zur Abwehr derInsurgentenaufstände wurde ein deutsches Freiwilligen-Corps gebildet, an dem auch Vater teilnahm.Während der Aufstände wurden die Frauen und Kinder deutscher Familien zusammengezogen undnach Kattowitz zur Hauptverwaltung der Fürstlich Plessischen Grubenverwaltung verbracht. Dort sindwir in großen Sälen, die extra zu diesem Zweck hergerichtet waren, untergebracht worden. Wir warendreimal dort. Meist dauerte es immer 3 – 4 Wochen, ehe wir wieder zurück in unsere Wohnungenkonnten (1919, 1920 und 1921).In dieser Zeit als Vater in seinem Büro war, sah er von seinem Fenster aus eine Kolonne von Männernauf die Gärtnerei zukommen. Allen voran Kischka mit den rotweisen Fahnen. Mikulla, seinMitarbeiter, riet meinem Vater dringend sich schleunigst in Sicherheit zu bringen. Mikulla tat dies auchfür seine Person. Vater jedoch, sich wohl keiner Schuld bewußt gewesen, verharrte auf seinem Platz.Die Horde drang ins Büro und Kischka rief haßerfüllt: „Hier habt ihr das ‚deutsche Schwein’“! Sieschleppten Vater in den naheliegenden Wald und hieben (ihn) dort mit Knüppeln auf ihn ein bis erbewußtlos war. Wir ahnten von diesem Vorgang nichts. Als er aber abends nicht nach Hause kam,wurde uns bewußt, daß hier etwas passiert sein mußte. Wir machten uns auf um nach ihm zuforschen. Von Mikulla hörten wir, daß die Insurgenten in der Gärtnerei waren. Aber näheres konnteer uns nicht sagen. Erst später, am übernächsten Morgen, bekamen wir vom Emser Lazarett dieNachricht, daß Vater dort eingeliefert war. Nach seiner Genesung haben wir ihn wieder freudigempfangen. Leider blieb infolge der Mißhandlung ein Dauerschaden, nämlich die Zertrümmerung desTrommelfells im rechten Ohr (zurück).Man begann nun auch die Kinder der deutschen Familien zu traktieren. Die verhetzten Jungen derPolacken trachteten, wo sie nur konnten, uns Schaden zuzufügen. Deswegen schlossen wirDeutsche uns nun ganz fest zusammen. In unserer Gemeinschaft wagten sie nicht uns anzugreifen.Aber wehe, wenn wir mal alleine waren, dann gab es „Zunder“.So gingen beide Insurgentenaufstände 1919 und 1920 für uns glimpflich zuende. Der Völkerbundhatte danach beschlossen, Oberschlesien zu besetzen und für Ordnung zu sorgen. Es kamen 18000Franzosen, 3000 Italiener und 600 Engländer nach Kattowitz, das als Hauptquartier ausersehen war.Leider hat der französische General Le Ronde, unter dessen Oberbefehl die Besatzung stand,einseitig gehandelt. Wenn was war, waren immer die Deutschen schuld. Korfanty ging bei le Rondeständig ein und aus. Wir konnten uns nun ausmalen, wie wohl der vom Völkerbund angeordneteVolksentscheid aussehen wird (Plebiszit).Die Abstimmung fand am Palmsonntag 1921 statt. Bei der Auszählung der Stimmen wurdefestgestellt, daß der polnische Teil der oberschlesischen Bevölkerung eine große Niederlage erlittenhatte. Es stimmten nämlich 60% der Bevölkerung für den Verbleib Oberschlesiens beim DeutschenReich, 40% indessen nur für Polen. Durch die Wahl war es sonnenklar, daß ganz Oberschlesien beimDeutschen Reich verbleiben mußte.Die Gegner Deutschlands waren vom Ausgang der Wahl betroffen. Sie sannen nach, wie man dieWahl zugunsten Polens auslegen könnte. Le Ronde kam auf den Gedanken dem Völkerbund dieAbtrennung Oberschlesiens – eben nur die 40% - vorzuschlagen. Das war also Ostoberschlesien, derwertvollste Teil des Industriegebietes. So kam es dann auch. Die Grenze wurde also Ratibor –Gleiwitz – Beuthen und Tarnowitz gezogen.Nach dem Versailler Vetrag durften die Deutschen, die nicht für Polen optierten, bis Ende 1926 imabgetrennten Teil O/S bleiben und bis dahin auch ihren Arbeitsplatz behalten. Vater optierte nicht fürPolen, aber unser Freund Mikulla wendete nun seinen Kittel und war seitdem ein guter Polegeworden.Der Fürst von Pleß mußte sein „Imperium“ zugunsten seines Sohnes, der Pole werden mußte,abtreten. Die veränderte politische Landschaft veränderte auch unser Dasein.Das öffentliche Leben wurde also schnellstens polonisiert. So war es auch mit den Schulen. Kinderreichsdeutscher Eltern durften die Schulen nicht mehr besuchen. So mußte ich auch dieOberrealschule in Kattowitz verlassen. Meine Eltern schulten mich also in einer Oberrealschule in10

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