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Gliederung - Psychologie – Aktuell

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Psychologische Diagnostik:Weichenstellung für den Reha-VerlaufUwe TewesMedizinische Hochschule HannoverAbteilung für Medizinische <strong>Psychologie</strong><strong>Gliederung</strong>1. Das Ziel rehabilitativer Maßnahmen2. Wissenschaftliche Grundlagen3. Bedeutung der Persönlichkeitsdiagnostikfür die Untersuchung derindividuellen Bedingungen der Entstehungund des Verlauf chronischerErkrankungen4. Angstdiagnostik in der Rehabilitationbei koronaren Herzerkrankungen


Das Ziel der Rehabilitation istnicht nur eine Gesundung,sondern auch deren Erhaltdurch Veränderung desVerhaltens (Lorenz, 1992).


Ritter von Buß (1843) schufdie historischen Wurzeln derRehabilitation mit seinerForderung nach der„Wiedereinsetzung des Armen inden Stand seiner Würde.“§ 10 des Sozialgesetzbuchs I derBundesrepublik Deutschland:Wer körperlich, geistig oder seelisch behindert istund wem eine solche Behinderung droht, hat einRecht auf Hilfe, die notwendig ist, um1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zubessern, ihre Verschlimmerung zu verhütenoder Folgen zu mindern,2. Ihm einen seinen Neigungen und Fähigkeitenentsprechenden Platz in der Gemeinschaft,insbesondere im Arbeitsleben zu sichern.


Besonderheiten der Fragestellung imGegensatz zu anderen Anwendungsbereichender psychologischen Diagnostik:‣ Entscheidung über erforderlicheInterventionsmaßnahmen‣ Therapieverlaufskontrollen‣ Objektivierung des Therapieerfolgs(Pfluger-Jakob und Plaum, 1988)Wottawa und Hossiep (1997):Die Fragestellungen sind nicht nur methodischbegründbar, sondern werden auch vomgesellschaftlichen Umfeld mitbestimmt.


Suhrweier (1987):Primäres Ziel der Rehabilitation ist die„Herausbildung der marxistisch-leninistischenWeltanschauung.“Drei Bereiche der Diagnostik in derRehabilitation nach Knapp (1977):‣Berufbezogene Diagnostik‣Funktionsbezogene Diagnostik‣Persönlichkeitsdiagnostik


6050403020100AffektiveStörungenAngststörungenSuchterkrankungenSomatoformeStörungenIrgendeine Störungmehr als einepsychische StörungPsychische Störungen bei N = 800 kardiovaskulärenPatienten in Prozent (Härter und Bengel, 2002)


Ängste und Depressionen als Risikofaktoren beikardiovaskulären Erkrankungen‣ 20-25% aller Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungenleiden gleichzeitig auch an Depressionen (Angelink et al.,2004)‣ Ängstlich-depressive Symptome stellen einenunabhängigen Risikofaktor für pathophysiologischeProzesse einer Herz-Kreislauf-Erkrankung dar (Härter &Bengel, 2002)‣ Bei vergleichbarer körperlicher Verfassung sind Personenmit erhöhten Ängsten und Depressionen stärkerinfarktgefährdet als psychisch stabile Personen (Hermannet al., 2000)‣ Nach einem Herzinfarkt ist das Sterberisiko für ängstlichdepressivePatienten deutlich höher als für nichtdepressive(Hermann et al., 2000)Ängste und Depressionen als Risikofaktoren beikardiovaskulären Erkrankungen (Forts.)‣ Bei einer prospektiven Studie über 10 Jahre an über 5000Personen erwiesen sich emotionale Labilität undÄngstlichkeit als relevante Indikatoren für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Amelang et al., 2004).‣ Personen mit einer sog. Typ-D-Persönlichkeit mit denMerkmalen der Angst, Depressivität, Labilität,Schüchternheit und Unterdrückung des Gefühlsausdrucksweisen einen ungünstigen Krankheitsverlauf beiKoronarstenose auf (Grande, 2004)‣ Psychisch beeinträchtigte Patienten weisen eine geringereBereitschaft zur Beteiligung an rehabilitativenMaßnahmen auf (Hayward, 1997; Gala et al., 1997)


Hyothesen zur Pathophysiologie der Interaktionenzwischen depressiven und körperlichen Erkrankungen(nach Angelink et al., 2004)Genetische Assoziation: Polymorphismen der das ACE-System und G-Proteine kodierenden Gene; Polymorphismender Serotonin-Transporter-GeneDepression als chronische Stresserkrankung: Erhöhung vonCRF, ACTH und Cortisol (u.a. Hyperlipidämie,Insulinresistenz, arterieller Hypertonus), sympatho-adrenaleÜberaktivität mir Anstieg der Noradrenalinkonzentration imPlasmaStörung der Homöostase: Störung der Blutgerinnung; erhöhteThrombozytenaggregabilitätHyothesen zur Pathophysiologie der Interaktionenzwischen depressiven und körperlichen Erkrankungen(nach Angelink et al., 2004)Störungen des Fettstoffwechsels: Verringerung des HDL-Cholesterin, Erniedrigung von Omega-3-FettsäurenStörung der Funktionen des autonomen Nervensystems:gesteigerte sympathische und/oder reduzierte kardio-vagaleModulation mit der Folge einer erhöhten Herzfrequenz undreduzierten HerzratenvariabilitätVerhaltensfaktoren: ungesunde Ernährung, Rauchen,Bewegungsmangel, unzureichende Compliance bei Therapieund Rehabilitationsmaßnahmen


Projekt „Ängste und Angstverarbeitungbei kardiovaskulären Erkrankungen“an N = 1034 Patienten(Tewes & Grön)beteiligte Kliniken‣ Lauterbacher Mühle Klinik‣ Klinik Königsfeld‣ Curschmann-Klinik‣ Schüchtermann-Klinik‣ Friederikenstift Hannover‣ Vincentkrankenhaus HannoverGeschlechtmännlichweiblich


20,0%15,0%Prozent10,0%5,0%0,0%unter 50Jahre50-54Jahre55-59Jahre60-64Jahrealter265-69Jahre70-74Jahre75 undälterOrdnungsschema der FragebogenskalenÄngste aus der Zeit vor der Erkrankung‣ Beziehungsängste‣ LeistungsängsteReaktionen auf die Erkrankung‣ Krankheitsbezogene Ängste‣ Emotionale Reaktionen auf die ErkrankungBewältigungsstrategien‣ Überanpassung‣ Überkontrolle‣ Allgemeine Bewältigungsbemühungen


Ängste nach schweren kardiovaskulkärenErkrankungen88% vor neu auftretenden gesundheitlichen Problemen79% nicht mehr gesund zu werden73% vor Leistungseinbußen73% vor Ungewissheit67% hilflos zu sein60% abhängig zu werden57% zu sterben56% die eigenen Gefühle zu zeigen54% Schwäche zu zeigen54% vor Verlust der Sexualität54% ohnmächtig zu sein51% nicht mehr als vollwertig angesehen zu werden42% bei anderen Mitleid zu erzeugenSymptome von Stress und Belastungen nachschweren kardiovaskulären Erkrankungen89% Ungeduld77% Ärger der nicht ausgedrückt werden kann75% Gefühl, durch Verpflichtungen eingeengt zu sein72% Wut67% Gefühl von Getriebenheit66% Gefühl, ausgebrannt zu sein62% Trauer61% Niedergeschlagenheit bzw. Depression55% Müdigkeit53% Hilflosigkeit50% Abhängigkeit39% Panikgefühl38% Verzweiflung


Überangepasstheit92% Ich denke an andere, denen es schlechter geht91% Ich ordne mich den Gegebenheiten unter90% Ich passe mich den Wünschen anderer an89% Ich stelle meine eigenen Wünsche zurück87% Ich suche nach Ablenkung86% Ich schlucke den Ärger herunter82% Ich opfere mich für andere auf79% Ich gehe den Schwierigkeiten aus dem Weg61% Ich ziehe mich von anderen Menschen zurück58% Ich werte meine Leistungen ab42% Ich lasse mich von anderen manipulierenZwanghaftigkeit und Überkontrolle82% Ich versuche, perfekt zu sein76% Ich strebe nach Anerkennung74% Ich setze mich unter Zeitdruck54% Ich kontrolliere andere23% Ich setze mich unter Leistungsdruck


.Der Einfluss der Ängste vor derErkrankungÄngste nachErkrankung0,630,62emotionaleReaktionennachErkrankungzwanghafteKontrolle0,710,520,410,650,480,39Ängste und Bewältigungsstrategien.ÜberangepasstheitzwanghafteKontrolleBeziehungsängste(vorher)ÜberangepasstheitLeistungsängsteBeziehungsängsteLeistungsängste(vorher)Ängste nachErkrankungemotionaleReaktionennachErkrankung0,520,480,480,550,410,390,360,46


Ängste und Belastungssymptome,auf die die Patienten mitvermehrter Anpassung reagieren0,47 Ärger, der nicht ausgedrückt werden kann0,45 Mutlosigkeit0,44 Angst vor erneut auftretenden gesundheitlichen Problemen0,44 Gefühl, durch Verpflichtungen eingeengt zu sein0,43 Angst vor Ungewissheit0,43 Gefühl, ausgebrannt zu sein0,43 Verzweiflung0,43 Niedergeschlagenheit, bzw. Depression0,40 HilflosigkeitÄngste und Belastungssymptome,auf die die Patienten mitvermehrter Zwanghaftigkeit undKontrolle reagieren0,49 Gefühl von Getriebenheit0,44 Gefühl, durch Verpflichtungen eingeengt zu sein


.Löst die Erkrankung Aggressionen gegen andere aus, so gehtdas einher mit Gefühlen Wut, Ungeduld und Getriebensein(= Ausagieren von Aggressionen).Richtet sich die Aggression gegen sich selbst, so geht daszusätzlich einher mit Gefühlen von Bedrohung, Panik,eingeengt sein durch Verpflichtungsgefühle und ausgebranntsein (= Gefühlen von Hilflosigkeit und Überforderung)Alter und Ängste5,60.Mittelwert Ängste nach Erkrankung5,405,205,004,804,604,40unter 50Jahre50-54 Jahre 55-59 Jahre 60-64 Jahre 65-69 Jahre 70-74 Jahre 75 und älteralter2


Alter und emotionale Reaktionen5,75.Mittelwert emotionale Reaktionen5,505,255,004,754,50unter 50Jahre50-54 Jahre 55-59 Jahre 60-64 Jahre 65-69 Jahre 70-74 Jahre 75 und älteralter2Anpassung bei Vorerfahrungen mit derErkrankung.5,355,35,255,25,155,15,0554,954,9ÜberangepasstheitohneVorerfahrungmitVorerfahrung


Elternbindungen.5,45,35,25,154,94,84,74,6BeziehungsangstAnpassungein Elternteilbeide ElternPartnerschaft.5,45,35,25,154,94,84,74,64,5BeziehungsangstAnpassungallein lebendmit Partnerlebend


Partnerschaft.5,45,35,25,15allein lebendmit Partnerlebend4,94,8ÄngsteBelastungenDie Bedeutung der Beziehungsängstebei Männern und Frauen1. Allgemein gilt: je stärker die Beziehungsängstevor der Erkrankung ausgeprägt sind, ums soängstlicher reagieren die Patienten auf dieErkrankung.2. Dieser Zusammenhang ist allerdings beiFrauen wesentlich enger (r 2 = .48) als beiMännern (r 2 = .37)3. Bei gleicher emotionaler Belastung versuchenFrauen eher als Männer, ihre Probleme durchÜberkontrolle zu bewältigen.


„typisch“ männliche und „typisch“weibliche ReaktionsmusterDiskriminationskoeff.Beziehungsängste .03Leistungsängste -.35Ängste nach Erkrankung .25emotionale Reaktionen .93Anpassung .26Überkontrolle -.42Bei Patienten mit geringer emotionalerReaktion auf die Erkrankung und gleichzeitighoher Kontrolle handelt es sich vor allem umMänner.Die Rolle der Angst‣Angst stört die Homöostase, den Fettstoffwechsel und dieFunktion des autonomen Nervensystems‣Angst beeinflusst das Gesundheitsverhalten (Nikotin undAlkohol sind die gebräuchlichsten Angst lösenden Drogen)‣Angst erhöht die Reagibilität während und nach derAkutphase und beeinträchtigt die Behandlungserfolge‣Angst vermindert die Compliance und fördert dasVermeidungsverhalten‣Angst fördert ungünstige Abwehr- und Bewältigungsstrategienwie Überkontrolle und Überanpassung, die imSinne eine Circulus vitiosus den weiteren Krankheitsverlaufeher verschlimmern


Ein prognostisch günstiges PersönlichkeitsprofilBetrachtet man Angst als einen Faktor, der die Entstehungund den Verlauf einer kardiovaskulären Erkrankungungünstig beeinflusst, so hätte folgender Patient diegünstigere Prognose:‣Er ist mit beiden Eltern aufgewachsen.‣Er lebt in einer Partnerschaftsbeziehung.‣Er hat sich möglichst wenig dem Druck von LeistungsundBeziehungsstress ausgesetzt.‣Er akzeptiert gesundheitliche Krisen und flüchtet nicht inzwanghafte Selbstkontrolle und überangepasstesVerhalten.‣Von geringem Vorteil könnte es auch sein, wenn er etwasälter und männlichen Geschlechts wäre.Biobehaviorales Modell zum Krankheitsverlaufin Anlehnung an Anderson et. al (1994)KrankheitComplianceStressneuroendokrineEinflüsseKrankheitsverlaufneuroimmunologischeEinflüsseLebensqualitätGesundheitsverhalten


Stufen der InterventionWissen„Rauchen ist schädlich“Einstellung„Ich will damit aufhören“Handlungskompentenz„Ich weiß, wie ich es anstellen muss“Quelle: Gesundheitstraining in der Medizinischen Rehabilitation <strong>–</strong> IndikationsbezogeneCurricula der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Berlin (2003)Fazit• Die Rehabilitation dient der Gesundung,und deren Erhalt durch Veränderung desVerhaltens• Bei chronischen Erkrankungen sind dieEntstehung und der Verlauf wesentlichvon psychischen Besonderheitenmitbestimmt


Fazit• Zeitlich begrenzte medizinisch-rehabilitativeMaßnamen führen kurzfristig zu einerVerbesserung der Risikoparameter, die jedochschon nach wenigen Monaten wieder auf dasAusgangsniveau zurückfallen• Psychologische Interventionen beziehen sichauf das Wissen, die Einstellung und dieHandlungskompetenzFazit• Ängste und Depressionen stellen eigenständigeRisikofaktoren für den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System und das Immunsystem dar• Die damit assoziierten Verdrängungen undVermeidungsstrategien verschlechtern dieCompliance und mindern den Erfolg derrehabilitativen Maßnahmen


FazitPersönlichkeitsdiagnostischeUntersuchungenkönnen wertvolle Erkenntnisse vermitteln über• die Lebensqualität des Patienten• psychische Belastungsfaktoren, die denGesundungsprozess beeinträchtigen• Innere Widerstände des Patienten, die ihm dieaktive Mitarbeit bei den rehabilitativenMaßnahmen erschweren

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