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Jugend und Arbeit: ein Überblick über relevante Aspekte ... - AFI-IPL

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<strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>: <strong>ein</strong> Überblick über <strong>relevante</strong> <strong>Aspekte</strong>vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong>AusbildungssystemsErgebnisberichtThomas BenedikterGiuliana CannataBozen, 2013AuftraggeberDurchführendes Institut<strong>Arbeit</strong>sförderungsinstitutIstituto Promozione LavoratoriNeubruchweg 5 B / Via del Ronco 5 B VIII-39100 Bozen/BolzanoDominikanerplatz 35I-39100 BOZENtel. +39-0471-970115fax. +39-0471-978245Info@apollis.it


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 3Zitat: Benedikter, Thomas, Giuliana Cannata (2013): <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong><strong>Arbeit</strong>: <strong>ein</strong> Überblick über <strong>relevante</strong> <strong>Aspekte</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong>des Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> Ausbildungssystems. IllustrierterErgebnisbericht zu <strong>ein</strong>er empirischen Untersuchung im Auftragdes <strong>AFI</strong>/<strong>IPL</strong> (<strong>Arbeit</strong>sförderungsinstitutes). Bozen: apollis.Interne Projektnummer: 610Projektleitung: Helmuth PörnbacherBozen, April 2013.


4Inhaltsverzeichnis1 Ausgangslage ................................................................ 82 Ziele <strong>und</strong> Fragestellungen .......................................... 103 Methodische Vorgangsweise ..................................... 124 Erkenntnisse der Übergangsforschung ..................... 154.1 Der Übergang im Wandel....................................................154.2 <strong>Jugend</strong> zwischen eigenen Erwartungen <strong>und</strong>Anforderungen des <strong>Arbeit</strong>smarktes...................................215 Eckdaten zu <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> Schule ...................... 235.1 Beschäftigungsquote <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit.........................235.2 Atypische <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse <strong>und</strong> junge<strong>Arbeit</strong>nehmer/innen.............................................................275.3 Maturanten auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt....................296 Rahmenbedingungen in Südtirol ............................... 316.1 Ein differenziertes Bildungssystem.....................................316.2 Komplexität <strong>und</strong> Durchlässigkeit des Bildungssystems...346.3 Was hat sich in Südtirol bewährt? .....................................367 Übergangsphase Ausbildung-Beruf: südtirolspezifischeVertiefungen ............................................................... 387.1 Berufswahl <strong>und</strong> Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innen . ................................................................................................387.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Übergang insErwerbsleben.......................................................................407.3 Braucht Südtirol mehr Akademiker?...................................427.4 Risikogruppen.......................................................................447.4.1 <strong>Jugend</strong>liche aus bildungsfernen Schichten.............457.4.2 Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsabbrecher............................457.4.3 Ausländische <strong>Jugend</strong>liche als Risikogruppe?..........46


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 58 <strong>Arbeit</strong>smarktpolitische Maßnahmen für <strong>Jugend</strong>liche inden Nachbarregionen ................................................ 498.1 B<strong>und</strong>esland Tirol...................................................................498.1.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarkt.......................................498.1.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigung.................................................518.2 Autonome Provinz Trient (Trentino)...................................558.2.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarkt ......................................558.2.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigung.................................................578.3 Region Venetien (Veneto)....................................................638.3.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarkt.......................................638.3.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigung.................................................649 Gespräche mit Experten <strong>und</strong> Akteuren ..................... 699.1 Fragen an alle Akteure..........................................................699.1.1 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol: <strong>ein</strong>eEinschätzung...............................................................699.1.2 Die Wahl der Ausbildungswege................................729.1.3 Werte <strong>und</strong> Haltungen ................................................739.1.4 Stärken des Südtiroler Bildungssystems..................759.1.5 Schwächen des Südtiroler Bildungssystems...........789.1.6 Brücken zwischen Schule <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>swelt..............819.1.7 Kompetenzen für den <strong>Arbeit</strong>smarkt..........................839.1.8 Ein Blick auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt der Zukunft..............859.2 Gruppenspezifische Fragen.................................................889.2.1 Berufsausbildung <strong>und</strong> Oberschule............................889.2.2 Probleme der <strong>Jugend</strong>lichen im Bildungssystem.....939.2.3 <strong>Jugend</strong>liche vor der Berufswahl................................979.2.4 Die Berufsberatung...................................................1029.2.5 <strong>Arbeit</strong>ssuche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung.....................1039.2.6 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktes......................1079.2.7 Reformen des <strong>Arbeit</strong>srechts....................................1159.2.8 Problemgruppen.......................................................11810 Fazit .......................................................................... 12211 Literatur ................................................................... 129


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 7TabellenverzeichnisTabelle 1: Beschäftigung der Südtiroler Wohnbevölkerung 2011nach Alter <strong>und</strong> Geschlecht (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung)................................................................... 23Tabelle 2: <strong>Arbeit</strong>slosenquote in Südtirol nach Alter, Geschlecht<strong>und</strong> Jahr (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung) ....... 25Tabelle 3: <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht<strong>und</strong> Jahr (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung);fehlende Jahre sowie fehlende Regionen sieheAnhang 12.3) .................................................................. 26Tabelle 4: <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Europa 2011 nach Ländern(Quelle: Eurostat <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung) ................... 27Tabelle 5: Entwicklung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Österreich<strong>und</strong> Tirol 2000-2009. Quelle: EQUI-OHS, Evaluierung arbeitsmarktpolitischerMaßnahmen <strong>und</strong> Förderungen inTirol, Wien 2011. ........................................................... 49Tabelle 6: Bestand <strong>Arbeit</strong>sloser im B<strong>und</strong>esland Tirol bis 25 Jahre,nach Ausbildung (Jahresdurchschnitt 2012, ohne Dezember).Quelle: <strong>Arbeit</strong>smarkt 2012, auf:www.ams.at/arbeitsmarktdaten (Zugriff:11.12.2012) . 50Tabelle 7: <strong>Arbeit</strong>smarktpolitische <strong>Jugend</strong>beschäftigungsmaßnahmenin Tirol 2010. Quelle: EQUI-IHS, Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen <strong>und</strong> Förderungen,Sept. 2010. ..................................................................... 52Tabelle 8: Indikatoren für den <strong>Arbeit</strong>smarkt, nach Altersgruppenfür das Trentino <strong>und</strong> vergleichend – 2011 (Prov. autonomadi Trento - Agenzia del Lavoro, XXVII Rapportosull'occupazione in provincia di Trento - 2012, 58) .... 55Tabelle 9: Die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit in der Region Veneto 2008- 2011(Regione Veneto - Veneto Lavoro 2012a) .................... 63Tabelle 10: Verfügbare <strong>ein</strong>getragene <strong>Arbeit</strong>slose bis 29 Jahre inder Region Veneto 2008- 2011 (absolute Zahlen) (RegioneVeneto - Veneto Lavoro 2012a, 157) ...................... 63


8 Ausgangslage1 AusgangslageDer zentrale Treiber für internationale Forschung zum Thema <strong>Jugend</strong><strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt ist <strong>ein</strong>e hohe <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit. Ausgehendvom Stellenwert von Erwerbsarbeit für die betroffenen <strong>Jugend</strong>lichen<strong>und</strong> Ihre Familien aus ökonomischer Sicht, aber auchwegen der Funktion für die Identitätsbildung <strong>und</strong> Sozialisation der<strong>Jugend</strong>lichen, schließlich auch wegen der zentralen Funktion derErwerbsarbeit für die gesellschaftliche Integration befassen sich<strong>ein</strong>e ganze Reihe von Untersuchungen mit der Frage, wer aus dem<strong>Arbeit</strong>smarkt herausfällt oder den Zugang gar nicht schafft, welcheFolgen die Nichtteilhabe am <strong>Arbeit</strong>smarkt hat, was wohl die Gründedafür sind <strong>und</strong> welche (vor allem arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen)angemessen sind, um das Problem abzumildern oder garzu lösen.Aus Südtiroler Sicht drängen sich Untersuchungen mit diesem Fokusnicht auf, weil die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit derzeit – zumindestim Vergleich mit anderen Regionen – niedrig ist. Derzeit wird <strong>ein</strong>e<strong>Arbeit</strong>slosenrate von fast 10% bei den 15-29jährigen verzeichnetsowie <strong>ein</strong> höherer Anteil an prekär Beschäftigten unter den jungen<strong>Arbeit</strong>nehmern. In dem im Sommer 2012 erstellten Promemoriader Abteilung <strong>Arbeit</strong> an die Landesregierung bezüglich der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitwerden 290 Personen als „kritische Fälle“ bezeichnet,deren Benachteiligung der mangelnden Zweisprachigkeit,dem niedrigen Bildungsabschluss <strong>und</strong> der Orientierungslosigkeitentspringe. Andererseits wird am Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt immerwieder <strong>ein</strong> Mangel an spezialisierten Fachkräften beklagt, <strong>und</strong>zwar in mehreren Berufsfeldern <strong>und</strong> für unterschiedliche Qualifikationsniveaus.Eine Sichtweise, die den Stellenwert des Themas ausschließlichan der <strong>Arbeit</strong>slosenrate festmacht, greift aber aus mehreren Gründenzu kurz. Dazu sollen vier Überlegungen angeführt werden, diesich um die Phase des Berufs<strong>ein</strong>trittes drehen, also der Transitionsphasezwischen Ausbildung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt, <strong>und</strong> die <strong>ein</strong>eAnalyse der Thematik <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> unter den besonderenSüdtiroler Vorzeichen geboten ersch<strong>ein</strong>en lassen.(1) Zum ersten hat sich die Phase des Berufs<strong>ein</strong>trittes in den letztenJahren <strong>und</strong> Jahrzehnten stark verändert <strong>und</strong> ist noch im Wandelbegriffen. Man könnte die Änderungen unter dem Begriff derDifferenzierung <strong>und</strong> Fragmentierung zusammenfassen. LängereAusbildungszeiten <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e Pluralisierung der Ausbildungsmöglichkeitenführen dazu, dass der Berufs<strong>ein</strong>tritt nicht als kollektivesEreignis <strong>ein</strong>er Kohorte <strong>ein</strong>tritt, vielmehr erfolgt er äußerst heterogenbezüglich Alter <strong>und</strong> Form. Außerdem kann sich die Phase in-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 9dividuell auch in die Länge ziehen, wenn z.B. <strong>ein</strong> erster Versuchdes Einstiegs aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert hat,dann in <strong>ein</strong>e Zusatzausbildung mündet, vielleicht unterbrochenoder durch Praktika ergänzt wird. Durch die langen Ausbildungszeitenrücken auch Familienphase <strong>und</strong> Eintrittsphase in den <strong>Arbeit</strong>smarktin zeitliche Nähe <strong>und</strong> können sich eventuell auch nochüberlagern.(2) Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die Relevanz der Beobachtung der Berufsfindungsphase<strong>und</strong> der Phase des Berufs<strong>ein</strong>stiegs sind Veränderungenam <strong>Arbeit</strong>smarkt selbst, die man gerne unter demSchlagwort der Flexibilisierung zusammenfasst. Die Aufnahme in<strong>ein</strong> unbefristetes <strong>und</strong> vollzeitliches „Normalarbeitsverhältnis“ istzwar nach wie vor das am weitesten verbreitete Modell in Südtirol,ist aber nicht für alle <strong>Jugend</strong>lichen gleichermaßen erreichbar; diezunehmende Diskussion um sogenannte prekäre Beschäftigungsverhältnisseweist darauf hin.(3) Ein dritter Gr<strong>und</strong> für <strong>ein</strong>e lohnenswerte Betrachtung der Phasedes Berufs<strong>ein</strong>trittes legt den Fokus auf die Frage, inwieweit die Erwartungender <strong>ein</strong>tretenden <strong>Jugend</strong>lichen erfüllt werden. Die Wirksamkeitder Ausbildung <strong>und</strong> Berufsfindungsphase sowie die Art<strong>und</strong> Weise des Berufs<strong>ein</strong>stiegs wird also nicht an der Frage gemessen,ob jemand <strong>ein</strong>e <strong>Arbeit</strong> findet, sondern ob er/sie die <strong>Arbeit</strong>findet, die er/sie sich vorstellt <strong>und</strong> die als befriedigend erachtetwird. Dieser Fokus stellt weniger den ökonomischen Aspekt von<strong>Arbeit</strong> in der Vordergr<strong>und</strong>, sondern vielmehr den zunehmendenStellenwert von <strong>Arbeit</strong> als Vehikel der sozialen Positionierung <strong>und</strong>gesellschaftlichen Integration. Es geht also nicht nur darum, <strong>ein</strong>e<strong>Arbeit</strong> zu finden, die <strong>Jugend</strong>lichen stellen immer höhere Ansprüchean ihre Beschäftigung: sie wollen die richtige <strong>Arbeit</strong> finden.(4) Ein weiterer Fokus betrachtet die Phase des Berufs<strong>ein</strong>trittes ausder Sicht des <strong>Arbeit</strong>smarktes. So wie aus Sicht der <strong>Jugend</strong>lichennicht ausschließlich das Auftreten von <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit alsMaßstab für Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Berufs<strong>ein</strong>stieg gelten kann,so reicht es aus Sicht der <strong>Arbeit</strong>geber nicht aus, offene Stellen zubesetzten; vielmehr wird das Humankapital der Mitarbeiter/innenimmer mehr zum zentralen Schlüssel für den Erfolg des Unternehmens.Aus der Sicht des <strong>Arbeit</strong>smarktes wird also immer zentraler,inwieweit die <strong>Jugend</strong>lichen die Herausforderungen des sichändernden <strong>Arbeit</strong>smarktes erfüllen.


10 Ziele <strong>und</strong> Fragestellungen2 Ziele <strong>und</strong> FragestellungenZiel des hier beschriebenen Projektes ist es, das Thema „<strong>Jugend</strong><strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt“ in s<strong>ein</strong>er Vielschichtigkeit vor dem Hintergr<strong>und</strong>der spezifischen Situation des Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> desSüdtiroler Ausbildungssystems darzustellen. Dabei sollen <strong>relevante</strong>Themen benannt, die gesellschaftlichen Akteure angesprochenwerden, die r<strong>und</strong> um diese Themen <strong>ein</strong>e Rolle spielen, <strong>und</strong>schließlich sollen Wissen <strong>und</strong> Fakten zu diesen Themen gesichtetwerden. Ein Überblick über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<strong>und</strong> Instrumente in den Nachbarregionen sollen das Bild ergänzen.Damit hat der hier beschriebene Ansatz den Charakter <strong>ein</strong>erVorstudie, die die Vielfalt der Themen <strong>und</strong> Problemlagen darstellt,bereits vorhandenes Wissen sichert <strong>und</strong> Empfehlungen für Vertiefungenausspricht.Der Fokus der Untersuchung liegt auf der breiten Beleuchtung derÜbergangsphase von der Schule in die <strong>Arbeit</strong>swelt. Damit sollenaktuelle Entwicklungen im Übergang vom AusbildungssystemSüdtirols zum Beruf bzw. in <strong>Arbeit</strong>smarkt beschrieben werden.Welche Art von Wandel, vor allem als Modernisierung begriffen,ist in dieser Phase in unserem Land im Gang? Welche Problemlagenlassen sich heute beim Übergang von der Schule in den Beruferfassen? Was behindert oder erschwert die Berufsfindung der <strong>Jugend</strong>lichen?Welche Gruppen von Benachteiligten bilden sich heraus,was hingegen fördert den erfolgreichen Übergang von derSchule in den Beruf? Schließlich soll darauf <strong>ein</strong>gegangen werden,welche Rahmenbedingungen erhalten oder geschaffen werdenmüssen, um den Jungen <strong>und</strong> Mädchen auch in der Zukunft aussichtsreicheOptionen für die Berufswahl <strong>und</strong> den Berufs<strong>ein</strong>stiegzu bieten. Zudem sollen – auch anhand des Vergleichs mit denMaßnahmen gegen die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in den NachbarregionenTrentino, Venetien <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esland Tirol – Anregungen fürdie bessere Gestaltung dieses Übergangs durch zielgerechte Maßnahmender <strong>Arbeit</strong>smarkt-, Bildungs- <strong>und</strong> Sozialpolitik gebotenwerden.Der Anspruch <strong>ein</strong>er möglichst breiten Beleuchtung des Themassoll in erster Linie dadurch <strong>ein</strong>gelöst werden, dass die Thematikaus der Sicht von verschiedenen Akteuren her aufgerollt wird.Zielgruppe des empirischen Hauptteils der Untersuchung sinddeshalb Vertreter aus 7 gesellschaftlichen Akteuren: (1) der Schule,Berufsschule <strong>und</strong> Bildungsplanung, dann (2) <strong>Arbeit</strong>svermittler,Berufs- <strong>und</strong> Bildungsberater, (3) <strong>Jugend</strong>arbeiter <strong>und</strong> Selbstvertretungvon <strong>Jugend</strong>lichen, (4) Unternehmerverbandsvertreter, (5)Forschung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtung, (6) Vertreter der Gewerkschaften<strong>und</strong> Sozialverbände sowie (7) Vertreter/innen der


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 11Berufsberatung (siehe auch Kapitel Methode). Eine empirische Erhebungunter <strong>Jugend</strong>lichen selbst <strong>und</strong> unter Unternehmern warnicht vorgesehen. 1Der vorliegende Forschungsbericht ist wie folgt aufgebaut: zunächstwerden in Abschnitt 3 die methodische Vorgangsweis kurzerläutert, dann im Abschnitt 4 theoretische Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Vorüberlegungenzur Bedeutung der Übergangsphase vom Bildungssystemins Erwerbsleben dargelegt. In diesem Rahmen werden –nach den allgem<strong>ein</strong>en <strong>Aspekte</strong>n – wesentliche institutionelle <strong>und</strong>soziale Rahmenbedingungen für die Beschäftigung <strong>Jugend</strong>lichersowie die zu erörternden Problembereiche der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitin Südtirol thematisiert. Darauf bauen <strong>ein</strong>ige Forschungshypothesenauf, die im empirischen Teil Thema der Expertengesprächesind.Daran anknüpfend bringt Abschnitt 5 die die wesentlichen Strukturindikatorenzur <strong>Jugend</strong>beschäftigung <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitim Land. Im Abschnitt 6 werden arbeitsmarktpolitische Maßnahmenfür <strong>Jugend</strong>liche in den Nachbarregionen Trentino, Tirol <strong>und</strong>Venetien vorgestellt, um im Abschnitt 7 zum empirischen Teil derGespräche mit Südtiroler Experten <strong>und</strong> Akteuren in der Übergangsphasevon der Bildung in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu kommen. ImFazit werden die wesentlichen Erkenntnisse in geraffter Form wiedergegeben.1Eine solche Untersuchung wurde übrigens von <strong>ein</strong>igen der Gesprächspartner angeregt.


12 Methodische Vorgangsweise3 Methodische VorgangsweiseMethodisch fußt die <strong>Arbeit</strong> auf vier Modulen:der Darstellung zentraler Kennzahlen zum Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt,<strong>ein</strong>er kurzen Einführung in die Thematik, die ausgewählte internationaleLiteratur würdigt, den Südtiroler Rahmen beschreibt<strong>und</strong> wichtige Erkenntnisse aus der <strong>ein</strong>schlägigen Forschungmit Südtirol-Bezug festhältder Beschreibung ausgewählter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmenin den Nachbarregionen Tirol, Trentino <strong>und</strong> Venetosowieder Durchführung von 35 Leitfadengesprächen, die den zentralenTeil der Untersuchung bilden werden.Modul 1 <strong>und</strong> 2 sind das Ergebnis <strong>ein</strong>er Sichtung von Sek<strong>und</strong>ärliteratur,vervollständigt durch ausgewählte Analysen der Daten der<strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung <strong>und</strong> der periodischen Analysen von Einzelaspektendes <strong>Arbeit</strong>smarktes durch die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelledes Landes.Die Darstellung der spezifischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmenfür <strong>Jugend</strong>liche in den Nachbarregionen (Modul 3) beruht auf<strong>ein</strong>em Expertengespräch <strong>und</strong> der Analyse der <strong>ein</strong>schlägigen Dokumente<strong>und</strong> Literatur:B<strong>und</strong>esland Tirol (<strong>Arbeit</strong>smarktservice)Autonome Provinz Trient (Dr. Corrado Rattin, Agenzia del Lavorodel Trentino):Region Venetien (Veneto Lavoro).Die Darstellung konzentriert sich sich auf die Auflistung solcherMaßnahmen, ohne <strong>ein</strong>e Bewertung ihrer Wirksamkeit vornehmenzu können.Die Leitfadengespräche mit Akteuren <strong>und</strong> Experten (Modul 4) beleuchten,ausgehend von den in Modul 1 aufgeworfenen Themen,die verschiedenen <strong>Aspekte</strong> des Übergangs der <strong>Jugend</strong>lichen vonder Schule in den Beruf <strong>und</strong> ihre Integration in den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt.Die Schwerpunkte dieser Befragung liegen dabei aufden arbeitsrechtlichen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> institutionellen Rahmenbedingungen,den Entwicklungen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong>im Bildungssystem, auf den Kompetenzen <strong>und</strong> Motivationen derjungen <strong>Arbeit</strong>nehmerInnen, auf den Erwartungen von Unternehmen<strong>und</strong> Betroffenen, <strong>und</strong> schließlich auf dem sozialen Umfeld der<strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> ihrem Lebenswelt. Außerdem werdenForscher/innen, die diese Themen mit Bezug auf die Südtiroler


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 13Verhältnisse bereits bearbeitet haben, zu ihren Erkenntnissen befragt.Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Themenkataloges wurden 7 Bereichemit jeweils mehreren Akteuren benannt, aus deren Reihendann die Zielpersonen für die Interviews gewählt wurden. Die konkreteAuswahl der Zielperson erfolgte prinzipiell durch die Leitungder verschiedenen Organisationen, denen im Vorfeld der Leitfadenzugesandt wurde <strong>und</strong> die gebeten wurden, <strong>ein</strong>e/n aus ihrer Sichtgeeigneten Gesprächspartner/in zu benennen.Folgende Gruppen wurden festgelegt:1. Schule, Berufsschule <strong>und</strong> Bildungsplanung:Oberschullehrer technologische OberschuleOberschullehrer mit Aufgabe der Koordination der BerufsberatungBerufsschuldirektorin (dt.)Berufsschullehrer (ital.)Direktor <strong>ein</strong>er ladinischen OberschuleLeiter der Abt. Berufsschulwesens in ital. SpracheSchulinspektorin2. <strong>Arbeit</strong>svermittler, Berufs- <strong>und</strong> Bildungsberater:Direktor des <strong>Arbeit</strong>smarktservices des Landes<strong>Arbeit</strong>svermittlerin Stadtgebiet (Bozen)<strong>Arbeit</strong>svermittlerin ländlicher Raum (Neumarkt)Private <strong>Arbeit</strong>sagentur (Leiharbeit, Bozen)Private <strong>Arbeit</strong>sagentur (qualifizierte Berufe, Bozen)3. <strong>Jugend</strong>arbeiter <strong>und</strong> Selbstvertretung von <strong>Jugend</strong>lichenGeschäftsführer des <strong>Jugend</strong>rings SJRLeiter <strong>ein</strong>es Bozner <strong>Jugend</strong>zentrumsSüdtiroler HochschülerInnenschaft/ASUSAmtsdirektor des Amts für <strong>Jugend</strong>arbeit der Aut. Provinz4. Unternehmer <strong>und</strong> VerbandsvertreterUnternehmerverband UVSLegaCoop - B<strong>und</strong> der GenossenschaftenLVH-APAHGVHdS-Unione5. Forschung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungForscher der Fakultät für Bildungswissenschaften, Doktorandmit Schwerpunkt <strong>Jugend</strong>


14 Methodische VorgangsweiseWIFO-IREBildungsplaner der Abt. Berufsbildung in deutscher <strong>und</strong> lad.SpracheASTAT (Direktorin)Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle6. Gruppe: Vertreter der Gewerkschaften <strong>und</strong> SozialverbändeASGBAGB/CGILSGB/CISLUIL/SGKKVW7. Gruppe: BerufsberatungBerufsberaterin (ital. Sprachgruppe)Berufsberaterin (Spezialfach Oberschüler)Direktorin des Amtes für Berufsberatung der Autonomen ProvinzPsychologin des Berufsberatungsdienstes (dt. Sprachgruppe)Mit diesen 35 Akteuren <strong>und</strong> Experten wurde die Gespräche amSitz der jeweiligen Institution geführt; die durchschnittliche Dauerlag bei 70 Minuten. Das Interview war jeweils zweigeteilt. Ein erster,allgem<strong>ein</strong>er Fragenteil berührte <strong>Aspekte</strong>, die von allen Befragtenkommentiert werden sollten: die Situation der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit,die Erwartungen der <strong>Jugend</strong>lichen, die Hauptstärken <strong>und</strong>kritischen Bereiche des Bildungssystems, die Möglichkeit <strong>ein</strong>erbesseren Abstimmung von Ausbildung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt, die vonden <strong>Arbeit</strong>gebern erwarteten Gr<strong>und</strong>kompetenzen der <strong>Jugend</strong>lichen.Der zweite Fragenteil war breiter gefächert <strong>und</strong> differenziertnach dem jeweiligen <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Fachgebiet der Experten <strong>und</strong>Akteuren. Die Entscheidung für diesen Ansatz, also <strong>ein</strong>en allgem<strong>ein</strong>gehaltenen Teil im Leitfaden allen Befragten vorzulegen <strong>und</strong><strong>ein</strong>en spezifischen Leitfadenteil je nach Akteur zu konzipieren,schlägt sich auch in der Berichtlegung nieder, die sich in diesezwei Schritte gliedert.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 154 Erkenntnisse der ÜbergangsforschungIn diesem Abschnitt sollen ausgewählte Erkenntnisse der Übergangsforschung– also der wissenschaftlichen Beschäftigung mitder Transitionsphase zwischen Ausbildung <strong>und</strong> Beruf – vorgestelltwerden. Im darauf folgenden Abschnitt 5 sollen die SüdtirolerRahmenbedingungen kurz aufgezeigt werden, vor denen sich dieserÜbergang abspielt. In Abschnitt 6 sollen schließlich <strong>ein</strong>ige südtirolspezifischeErkenntnisse festgehalten werden, die r<strong>und</strong> umThemen des Übergangs von Interesse sind. Alle drei Bereiche –ausgewählte internationale Forschungsergebnisse, regionale Rahmenbedingungensowie spezifische Erkenntnisse – dienten in ersterLinie dazu, die zentralen Themen für die Expertengespräche zudefinieren.4.1 Der Übergang im WandelDie Berufsfindung der jungen Menschen hat sich in den westlichenGesellschaften durch die Modernisierung der Wirtschaft kompliziert.Die Berufswelt ist unübersichtlicher geworden. Dem entsprechendist auch das Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungsangebot heute breitergefächert. Die Phase der Berufsfindung ist – abgesehen vonakademischen Berufen, bei welchen sie immer schon länger währte– nicht mehr nur auf das Alter von 15 bis 20 Jahren begrenzt,sondern reicht weit darüber hinaus. Viele Berufe werden nichtmehr klar über Bildungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstufen erreicht, sondernüber alternierende Phasen von Spezialisierung, Praktika <strong>und</strong>prekärer Beschäftigung. Bei den <strong>Jugend</strong>lichen selbst führt dies zuprovisorischen Bildungs- <strong>und</strong> Berufsentscheidungen, zu Warteschleifenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt, Gr<strong>und</strong>ausbildungsgängen <strong>und</strong>mehrfachem Wechsel von Ausbildungswegen, was die Phase desÜbergangs von der Berufsbildung ins Erwerbssystem verlängert(Zukunftszentrum Tirol, 2011).Diese Übergangszeit ist im Vergleich mit der Elterngeneration zeitlichgestreckter <strong>und</strong> durch höhere Risiken geprägt: „Heranwachsendemüssen erhebliche Eigenleistungen bei der Gestaltung ihresLebenslaufs erbringen. Wenngleich die Handlungsoptionen zugenommenhaben, so sind doch die gesellschaftlichen Vorgaben<strong>und</strong> institutionellen Rahmenbedingungen für <strong>ein</strong>e subjektiv sinnvolle<strong>und</strong> eigenständige, materiell gesicherte Lebensführung rechtvage. Angebote für den Aufbau von psychosozialen Kompetenzen,wie Selbstvertrauen <strong>und</strong> Resilienz, sind mangelhaft <strong>und</strong> teilweisewidersprüchlich – wie sollen auch <strong>Jugend</strong>liche in Bildung <strong>und</strong>Ausbildung sowie auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt in der Lage s<strong>ein</strong>, Verantwortungfür ihren Lebensweg zu übernehmen, wenn sie in Über-


16 Der Übergang im Wandelgangssituationen mit ungewissem Ausgang entscheiden <strong>und</strong> handelnmüssen.“ (H<strong>ein</strong>z 2011, 16)Somit ist die Berufsfindung <strong>und</strong> der Berufs<strong>ein</strong>stieg als Phase desÜbergangs heute <strong>ein</strong>e lebenszeitlich verlängerte Phase der persönlichenVerortung in <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> Gesellschaft geworden, <strong>ein</strong>ePhase, die zeitlich über die Pflichtschule weit hinaus reicht; <strong>ein</strong>efür viele <strong>Jugend</strong>liche längere <strong>und</strong> bedeutend komplexere Phaseals noch in ihrer Elterngeneration (Thomas Rothe/Stefanie Tinter2007, 5), die langfristige Folgen für ihre Integration in die <strong>Arbeit</strong>sweltmit sich bringt. Der erste <strong>Arbeit</strong>splatz ist der Einstieg in dieberufliche Laufbahn <strong>und</strong> be<strong>ein</strong>flusst den späteren Werdegang:„Forschungen in Schweden haben gezeigt, dass jene jungen Leutespäter eher arbeitslos werden, die gleich nach Schulabschluss k<strong>ein</strong>e<strong>Arbeit</strong> gef<strong>und</strong>en haben“ (EUROFOUND 2012, 15).<strong>Jugend</strong>liche haben im Anschluss an die Pflichtschule oft <strong>ein</strong>e Reihevon Übergängen zu bewältigen, bis sie schließlich <strong>ein</strong>e Anstellungim erlernten Beruf finden. Diese Übergänge lassen sich auchals Statuswechsel interpretieren <strong>und</strong> verlaufen bei vielen <strong>Jugend</strong>lichennicht so problemlos, wie das vielleicht früher der Fall war.Sie sind wesentlich für die soziale Integration <strong>und</strong> Entwicklung <strong>ein</strong>erIdentität, können aber nicht abgetrennt werden von anderenEntwicklungsschritten, die <strong>Jugend</strong>liche in diesem Alter durchlaufen(Preiß 1996, 11). Die Phase des Übergangs in die selbstständigeLebensführung als Erwachsener sind heute nicht nur länger,„sondern auch variabler, disparater <strong>und</strong> diskontinuierlicher als infrüheren Generationen. Übergänge verlängern sich, z. B. durch berufsvorbereitendeMaßnahmen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit. Risiken dersozialen Exklusion nehmen für diejenigen zu, denen es nicht gelingt,Ausbildungsoptionen zu ergreifen <strong>und</strong> schulische sowie betrieblicheSelektionsprozesse zu meistern.“ (H<strong>ein</strong>z, 2011, 16)Die Berufsfindung ist auch deshalb <strong>ein</strong>e Schlüsselphase im Leben<strong>ein</strong>es jungen Erwachsenen, weil sie – neben dem sozialen Statusder Eltern – die Qualität der künftigen <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Lebensbedingungenstark be<strong>ein</strong>flusst. Ein erfolgreicher Einstieg ins Beschäftigungssystemeröffnet in diesem Licht die besten Perspektiven aufbefriedigende <strong>Arbeit</strong>, soziale Anerkennung, materiellen Wohlstand,gesellschaftliche Teilhabe <strong>und</strong> persönliches Selbstwertgefühl.Der Übergangsprozess ist <strong>ein</strong>e Phase des „Sich-zurecht-finden-müssens“,aber auch <strong>ein</strong>e große Individualisierungschance:„Um den vielfältigen Übergangsanforderungen aktiv begegnen zukönnen, müssen <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> junge Erwachsene ihre herkunftsgeprägtenLebensvorstellungen, Qualifikationen <strong>und</strong> Kompetenzenan die jeweiligen Angebote in Bildung <strong>und</strong> Beschäftigunganpassen <strong>und</strong> soziale <strong>und</strong> personale Ressourcen als biografi-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 17sches Kapital bilden <strong>und</strong> nutzen. Je schwächer die Verbindungenzwischen Bildungsabschlüssen <strong>und</strong> Erwerbschancen werden, destomehr wächst die Verantwortung für den Einzelnen, dieseselbst herzustellen. Da die Lebensperspektive des „Immer-so weiter“,also der Kontinuität zwischen Schulabschluss, Ausbildung<strong>und</strong> Berufs<strong>ein</strong>tritt, immer brüchiger geworden ist, nicht zuletzt wegender Deregulierungsprozesse am <strong>Arbeit</strong>smarkt, reichen die individuellenRessourcen oft nicht aus, <strong>und</strong> es müssen Familie <strong>und</strong>Sozialpolitik aushelfen“. (H<strong>ein</strong>z, 2011, 17)Wenn die Eckpfähle für den Einstieg ins Erwerbsleben währenddieses Übergangs gesetzt werden, das „biografische Kapital“ anBildung, Kompetenzen <strong>und</strong> personalen Ressourcen aufgebautwird, ist nach wie vor deutlich, dass die Lebenschancen durch diesoziale Herkunft mitbedingt werden. Der Übergang ins Erwachsenenalterkann länger dauern <strong>und</strong> verschieden genutzt werden, jenach dem aus welcher sozialen Schicht man stammt, oder, wieW.R. H<strong>ein</strong>z es formuliert: „<strong>Jugend</strong> muss man sich materiell, emotional<strong>und</strong> sozial leisten können; ihre Dauer <strong>und</strong> Lebensqualitäthängen von den ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> personalen Ressourcenab, über die Heranwachsende verfügen können, wenn sie ihreLebensvorstellungen mit den Anforderungen von Bildungssystem,<strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> staatlichen Agenturen koordinieren müssen. Allerdings:Ein Mangel an Geld <strong>und</strong> Kontakten schließt nicht aus,dass sich <strong>Jugend</strong>liche schulische <strong>und</strong> berufliche Ziele setzen(„Wunschberufe“); <strong>ein</strong>e karge Ressourcenausstattung begrenzt diegreifbaren Wahlmöglichkeiten jedoch erheblich.“ (H<strong>ein</strong>z, 2011, 16).Kurz: die Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufsverläufe <strong>und</strong> die daraus resultierendenZukunftsperspektiven hängen eng mit bestehenden sozialenUngleichheiten <strong>und</strong> gebotenen oder fehlenden Förderungsmaßnahmenzusammen.Welche Strategien wenden <strong>Jugend</strong>liche in der Bewältigung dieserPhase an? Welchen Problemen müssen sie sich stellen <strong>und</strong> welcheLösungen oder Verbesserungen im System bieten sich an?Dieser Prozess von der Berufsfindung über die Berufsbildung biszur ersten Berufstätigkeit ist Gegenstand der „Übergangsforschung“(Preiß 1996, 12), die auch zu erfassen versucht, wie sichdie Übergangsphase verändert.Auf der individuellen Verhaltensebene kann man dabei <strong>ein</strong>e Vielfaltvon Mustern feststellen, die auch durch die geforderte Flexibilitätam <strong>Arbeit</strong>smarkt hervorgerufen werden. Es lässt sich aberauch viel Orientierungslosigkeit am Ende der Pflichtschule beobachten,weil während der Pflichtschulzeit immer noch zu wenigAus<strong>ein</strong>andersetzung mit der <strong>Arbeit</strong>swelt stattfindet. Eine quasiverpflichtende Normalbiografie mit nahtlos an die Pflichtschule


18 Der Übergang im Wandelaufbauende Berufsausbildung mit anschließender Beschäftigungim erlernten Beruf sch<strong>ein</strong>t der Vergangenheit anzugehören. InDeutschland trifft dies nur mehr für die Hälfte der <strong>Jugend</strong>lichen zu(Rütz, 2003, 10; IAB 2012). Dies führt bei <strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> jungenErwachsenen zu immer mehr Unsicherheiten <strong>und</strong> Ängsten vor <strong>Arbeit</strong>slosigkeit,wiederum abhängig von der sozialen Herkunft: „DieBesorgnis ist erheblich höher <strong>und</strong> berechtigt, je geringer die Ausstattungmit Bildungs- <strong>und</strong> Netzwerkressourcen ist. (...) Die Shell-<strong>Jugend</strong>studien lassen <strong>ein</strong>e längerfristige Tendenz erkennbar werden:Angesichts wachsender sozialer Unterschiede in den Lebenschancenschätzen <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> junge Erwachsene derzeitihre Zukunft immer mehr als unsicher <strong>ein</strong>, sehen es aber als ihreeigene Aufgabe an, die Übergänge zu gestalten. Sie sind skeptischeRealisten, die für sich das Bestmögliche herausholen wollen.Vor allem die fehlenden oder ungewissen Anschlüsse zwischenBildung <strong>und</strong> Beschäftigung machen ihnen Sorgen, weil dadurch<strong>ein</strong>e erfolgreiche Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe gefährdetist.“ (H<strong>ein</strong>z, 2011, 18)Auf die unsicheren Perspektiven für ihren Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarktreagieren <strong>Jugend</strong>liche mit <strong>ein</strong>er verstärkten Leistungsorientierung,wobei intensiver als früher „vieles auf Verwertbarkeit imLebenslauf abgeklopft, gedacht wird in Termini der eigenen Marktgängigkeit“(Hurrelmann/Albert 2006, 28–29). „Die Lebensverlaufsforschungzeigt aber auch den Strukturwandel von Bildungs- <strong>und</strong>Erwerbspassagen auf“, ergänzt W.R. H<strong>ein</strong>z, „Mehrfachausbildungenhaben zugenommen, die der Höherqualifizierung, aber auchder Vermeidung von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit dienen: In der 1971er-Kohortehatten bis zum Alter von 27 Jahren schon 30 % <strong>ein</strong>e Zweitausbildungbegonnen, unter den 1964 Geborenen waren dies bis zumAlter von 33 Jahren 40 %. Der Einstieg in das Erwerbsleben istdurch stärkere Konkurrenz geprägt, befristete Verträge <strong>und</strong> ausbildungsfremdeJobs nehmen zu. Die 1971 geborenen Männer hattenbis zum Alter von 27 Jahren bereits fünf verschiedene Jobs. NachAbschluss der Erstausbildung arbeiteten Mitte der 1990er-Jahrenur noch gut zwei Fünftel der Westdeutschen <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Drittel derOstdeutschen in ihrem Erstberuf.“ (H<strong>ein</strong>z, 2011, 19)Die Integration ins Erwerbssystem erfolgt heute zeitlich verzögert<strong>und</strong> gelingt nicht immer. Als Reaktion verzeichnet man häufigerenAusbildungsabbruch <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>splatzwechsel in der Anfangsphase.Gemäß Erkenntnissen der Übergangsforschung hängt der weitereVerlauf der Erwerbsbiografie aber eng mit Art <strong>und</strong> Weise desBerufs<strong>ein</strong>stiegs zusammen. Man kann somit derzeit von Veränderungenauf beiden Ufern des Übergangssystems sprechen, nämlicham System der Berufsausbildung <strong>und</strong> an der Regelung des <strong>Arbeit</strong>smarktes<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<strong>ein</strong>tritts der <strong>Jugend</strong>lichen, die


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 19manchmal mit „zeitlicher Zerfaserung“ umschrieben wird. „AmEnde des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts müssen wir –trotz abnehmender Kohortengröße <strong>und</strong> steigendem Qualifikationsniveauder Schulabgänger – damit rechnen, dass die zeitliche Zerfaserungdes Übergangs ins Erwachsenenleben durch die mangelhaftePassung von Erstausbildung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sangeboten sowiedurch die um sich greifende Flexibilisierung von <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beschäftigungzunehmen wird.“ (H<strong>ein</strong>z, 2011, 20)Walter R. H<strong>ein</strong>z (H<strong>ein</strong>z 2011, 25-27) fasst s<strong>ein</strong>e Erkenntnisse zu denVeränderungen im Übergangssystem wie folgt zusammen:„Ungleiche Lebenslagen bestimmen die Ressourcenausstattungder <strong>Jugend</strong>lichen für die Gestaltung ihres Weges in dieErwerbsgesellschaft. Soziale Herkunft <strong>und</strong> die Ankunftsorte inder Sozialstruktur sind immer noch eng verknüpft, auch wenndies wegen des Trends zur Individualisierung weniger im Bewussts<strong>ein</strong>der Akteure präsent ist.Mit den gestiegenen Qualifikationsanforderungen, flexiblenBeschäftigungsverhältnissen <strong>und</strong> der Sozialpolitik des Förderns<strong>und</strong> Forderns sind neue Hürden für die Verwirklichungvon Lebensentwürfen entstanden. Wenn im Verlauf des Übergangsvon der Schule in den <strong>Arbeit</strong>smarkt k<strong>ein</strong>e neuen Ressourcenakkumuliert werden können, dann werden sich die sozialenUnterschiede beim Berufsstart im Verlauf der Biografieverfestigen. Zumal <strong>Jugend</strong>liche, die in hilfebedürftigen Haushaltenaufgewachsen sind, mehr leisten müssen, um Lebenschancenin Bildung <strong>und</strong> Ausbildung ergreifen zu können<strong>und</strong> um die Erfahrungen sozialer Exklusion zu überwinden.Die verlängerten Übergangsverläufe <strong>und</strong> die Flexibilisierungvon <strong>Arbeit</strong> haben Umbrüche in der Organisation der Lebenszeiterzeugt, die zur Ausbreitung <strong>ein</strong>es subjektiven Unsicherheitsgefühlsführen – gerade deswegen, weil <strong>ein</strong>e Vielfalt vonOptionen mit ungewissem Ausgang an die Stelle von Karrierefahrplänengetreten ist.Die Diskrepanz zwischen der allgem<strong>ein</strong>en Krisenwahrnehmung<strong>und</strong> dem Vertrauen darauf, dass <strong>ein</strong>em persönlich der Übergangin <strong>ein</strong> Beschäftigungsverhältnis <strong>und</strong> subjektiv akzeptableLebensführung gelingen wird, gilt es zu erklären. Für die Entwicklungdieser Lebensperspektive spielt die Art der sozialenEinbindung <strong>ein</strong>e bislang zu wenig erforschte Rolle. Wenn Hürdenüberw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> neue Wege gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> individuell zurückgelegtwerden müssen, dann sind die personalen Ressourcen(Identitätskapital) als F<strong>und</strong>ament für <strong>ein</strong>e aktive Gestaltungder Biografie entscheidend.


20 Der Übergang im WandelDie von der Lebensverlaufsforschung beobachtete „Stabilitätim Wandel“ der Übergangsmuster in Deutschland ist Folge derstrukturellen Rigidität von Bildungs-, Ausbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsinstitutionen.Aus dieser institutionalisierten Lebenslaufpolitikfolgen paradoxe Effekte: Die nach Bildungsniveaudifferenzierenden Qualifizierungspfade <strong>und</strong> die Sozialpolitikstabilisieren die Übergänge, tragen aber gleichzeitig zurKonservierung sozialer Strukturen bei, da sie soziale Ungleichheitenabbilden. Entscheidend sch<strong>ein</strong>t mir, dass <strong>Jugend</strong>lichedarauf vertrauen können, dass es sich für sie auszahlt, in Bildung<strong>und</strong> Ausbildung zu investieren. Da es aber an anschlussfähigenWegen zwischen Bildung <strong>und</strong> Beschäftigung mangelt,ist das Vertrauen in die Institutionen <strong>und</strong> Betriebe geschw<strong>und</strong>en.Es gibt trotz <strong>ein</strong>es verbesserten Angebots auf dem Lehrstellenmarkt<strong>ein</strong>e chronische Diskrepanz zwischen den durchausrealistischen Berufspräferenzen der <strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> denSelektionskriterien der Betriebe.Auch wenn sich die Bildungsstandards erhöht haben <strong>und</strong> der<strong>Arbeit</strong>smarkt flexibel geworden ist, so haben sich die Entwicklungsaufgabender jungen Generation <strong>und</strong> ihre persönlichenErwartungen nicht prinzipiell gewandelt. Was sich geänderthat, sind die Zeitpunkte <strong>und</strong> die Dauer der „Abarbeitung“ vonEntwicklungsaufgaben. Es mag dahingestellt s<strong>ein</strong>, ob es im Interesseder Identitätsstabilisierung oder Ausdruck realitätsnaherSicherheitsüberlegungen ist, wenn die Mehrheit der <strong>Jugend</strong>lichen<strong>und</strong> jungen Erwachsenen davon ausgeht, dass siesich als skeptische Realisten den Anforderungen im Ausbildungs-<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt mit verstärkten Bemühungen anpassenmüssen – nicht selten unter Zurückstellung oder gar Verabschiedungvon beruflichen Präferenzen. Dabei müssen siesich vielfach mit Umwegen <strong>und</strong> Wartezeiten auf Nebenstreckenarrangieren, wodurch sie in <strong>ein</strong>en kurzfristigen Entscheidungshorizont<strong>ein</strong>geb<strong>und</strong>en werden.Ob die Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise <strong>und</strong> deren Folgen für denAusbildungs- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt wieder zu schärferen sozioökonomischenGrenzziehungen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>em geschärften Bewussts<strong>ein</strong>von strukturbedingten Ungerechtigkeiten führenwerden, ist offen. Sicher ist aber, dass die Chancen auf denEinstieg in <strong>ein</strong>e dauerhafte Erwerbstätigkeit nach Berufsvorbereitung,Berufsausbildung <strong>und</strong> Studium noch weiter sinkenwerden.“


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 214.2 <strong>Jugend</strong> zwischen eigenen Erwartungen <strong>und</strong>Anforderungen des <strong>Arbeit</strong>smarktesFür die <strong>Jugend</strong>lichen lautet die zentrale Handlungsanforderung inder Phase des Übergangs von der Ausbildung in die <strong>Arbeit</strong>swelt:<strong>ein</strong>en Beruf erlernen, mit beruflich qualifizierter Erwerbsarbeitmateriell eigenständig werden <strong>und</strong> sich vom Elternhaus abzulösen.Bei der Berufs<strong>ein</strong>mündung geht es aber, zumindest für <strong>ein</strong>en –größerer werdenden – Teil der <strong>Jugend</strong>lichen nicht nur um fachliche<strong>und</strong> berufliche Qualifizierung, vielmehr sind Neu-Orientierung<strong>und</strong> Umorientierung wiederholt nötig. Auch sind <strong>Jugend</strong>liche währenddes Verlaufs der Ausbildung immer wieder gefordert, ihre Berufswahlentscheidungoder die Wahl des Betriebs zu überprüfen(Raab,1996, 38).Den Übergang von der Pflichtschule zum Erwerbssystem bewältigenmit Ausnahme von Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsabbrechern alle<strong>Jugend</strong>lichen nach schulischen <strong>und</strong> beruflichen Qualifizierungsprozessen.Das Bildungssystem verleiht marktgängige, also anerkannteZertifikate (Abschlussdiplome), doch letztlich gibt es k<strong>ein</strong>e<strong>Arbeit</strong>sgarantie, denn über die Verwertbarkeit der erworbenen formalenQualifikation entscheidet der Markt.Vor allem bei den Berufsschülern ist die Phase der Berufsfindungauf das Alter zwischen 15 <strong>und</strong> 18 Jahren vorgelagert. Schon in diesemAlter wird also von <strong>Jugend</strong>lichen erwartet, dass sie sich für<strong>ein</strong>e bestimmte Ausbildung in <strong>ein</strong>em konkret angestrebten Berufentscheiden. Für manche kommt diese Entscheidung in der Phaseder Pubertät zu früh. Sind <strong>Jugend</strong>liche überhaupt in der Lage, <strong>ein</strong>erealistische Einschätzung der Chancen <strong>und</strong> Risiken des <strong>ein</strong>zuschlagendenBerufswegs vorzunehmen? Oder sehen sie sich in späterenJahren gerade deshalb zu mehrfachem Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufswechselgezwungen, weil die Entscheidung zu früh, unterDruck <strong>und</strong> zu wenig reflektiert erfolgt? Dies gilt umso mehr, als inindividualisierten <strong>und</strong> konsumorientierten Gesellschaften die Erfüllungvon Wünschen <strong>und</strong> die Umsetzung eigener Interessen identitätsstiftendeWerte darstellen (Stauber/Walther 1995, 8).Ein letzthin häufig diagnostizierter Bef<strong>und</strong> ist die Individualisierungder Übergänge von der Schule zur <strong>Arbeit</strong>, die <strong>ein</strong>en veränderteninstitutionellen Rahmen erfordern (Zukunftszentrum Tirol, 2011, 8).Die europäische <strong>Jugend</strong>forschung habe sich deshalb mehr aufsubjektorientierte Übergänge konzentriert <strong>und</strong> die zentrale Rollevon Motivation <strong>und</strong> Partizipation betont. Die Tiroler Studie zumÜbergang von der Pflichtschule in den <strong>Arbeit</strong>smarkt formuliert folgendeEmpfehlungen an sogenannte „Übergangsprofessionelle“


22 <strong>Jugend</strong> zwischen eigenen Erwartungen <strong>und</strong> Anforderungen des <strong>Arbeit</strong>smarktes(Lehrpersonen, <strong>Jugend</strong>arbeiter, Berufs- <strong>und</strong> Ausbildungsberater,<strong>Arbeit</strong>svermittler, betriebliche Ausbildner usw.) (ZukunftszentrumTirol, 2011, 9):Der kurative Charakter von Übergangspolitik sollte angegangenwerden. Von zentraler Bedeutung ist hierbei <strong>ein</strong>e Umgestaltungder Bildungslandschaft weg von der Selektion hin zumehr Chancengleichheit.Der Fokus von Übergangsarbeit sollte verbreitert werden. <strong>Arbeit</strong>smarktintegrationist nicht mit sozialer Integration gleichzusetzen,sondern als <strong>ein</strong> zentraler Bestandteil derselben zu verstehen.Insofern sollte der Blick stärker auf die Lebensphase<strong>Jugend</strong> gerichtet werden.Die Teilung von Aufgaben sollte weniger unter zeitlichen <strong>und</strong>hierarchischen Gesichtspunkten erfolgen, sondern integrativvorgenommen werden. Die stärkere Kooperation zwischen arbeitsmarktnahenInstitutionen <strong>und</strong> niederschwelligen Institutionender <strong>Jugend</strong>arbeit ersch<strong>ein</strong>t sinnvoll.Die Tendenz zur Individualisierung von Lebensläufen sollte berücksichtigtwerden. Dies erfordert, dass <strong>Jugend</strong>liche verstärktan der Maßnahmenauswahl partizipieren.Partizipation <strong>und</strong> Motivation bedingen Unterstützungsstrukturen,welche das auch ermöglichen. Dies wird dann betont,wenn beide Handlungsperspektiven als eigenständige Zielsetzungenin den Institutionen verankert werden.Der intrinsischen Motivation junger Frauen <strong>und</strong> Männer muss<strong>ein</strong> zentraler Stellenwert zukommen. Die biografischen Erfolgskriteriender <strong>Jugend</strong>lichen bilden <strong>ein</strong>e Handlungsorientierungfür die Übergangsprofessionellen.Der unter Experten/innen wahrgenommene Mangel an Zeit fürindividuelle Betreuung sollte angesprochen werden. Parallelzur gesteigerten Einzelbetreuungszeit sollte die Zahl der zu betreuenden<strong>Jugend</strong>lichen verringert werden.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 235 Eckdaten zu <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> Schule5.1 Beschäftigungsquote <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit 2Von den r<strong>und</strong> 55.600 in Südtirol Ansässigen im Alter zwischen 15<strong>und</strong> 24 Jahren sind im Jahr 2011 etwa 21.300 beschäftigt, daruntergut 4.000 als Lehrlinge (ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung; AM-Bericht2012, 201). R<strong>und</strong> 2.200 <strong>Jugend</strong>liche sind arbeitslos, suchen also<strong>ein</strong>e Beschäftigung. In der <strong>Arbeit</strong>smarktstatistik werden dieseGruppen zusammengenommen als <strong>Arbeit</strong>skräfte bezeichnet.R<strong>und</strong> 32.100 werden in der amtlichen Berichterstattung hingegenals „Inaktive“ geführt. Die meisten davon sind jedoch k<strong>ein</strong>eswegsuntätig, sondern befinden sich noch in Ausbildung. Die r<strong>und</strong>20.000 Oberschüler/innen <strong>und</strong> 12.000 Studierenden an Hochschulendürften den wesentlichen Anteil in dieser Gruppe ausmachen(AM-Bericht 2012, 17).Dennoch schätzt die Südtiroler Beobachtungsstelle für den <strong>Arbeit</strong>smarkt,dass in der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren etwa5.000 <strong>Jugend</strong>liche zu den sogenannten „Neets“ (Not in Education,Employment or Training) gezählt werden können, d.h. sie sind ank<strong>ein</strong>er Bildungsstätte <strong>ein</strong>geschrieben, haben k<strong>ein</strong>e Erwerbsarbeit<strong>und</strong> suchen auch k<strong>ein</strong>e. Zu dieser Gruppe gehören z.B. junge Mütter<strong>und</strong> Hausfrauen (AM-News Nr.12/2011, 1).Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil der Inaktiven erheblich<strong>und</strong> die Zahl der <strong>Arbeit</strong>skräfte steigt. Erst kurz vor dem Rentenalterdrehen sich die Verhältnisse wieder um.Anzahl Personen15-24 25-34 35-44 45-54 55-64 65+ InsgesamtJahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 15+ JahreBeschäftigte 12.200 28.500 39.800 36.700 14.500 4.000 135.500Männer<strong>Arbeit</strong>slose 1.500 500 1.000 600 400 0 4.200<strong>Arbeit</strong>skräfte 13.700 29.000 40.800 37.300 14.900 4.000 139.700Inaktive 14.600 2.700 900 1.400 11.500 34.200 65.400Beschäftigte 9.100 23.400 31.700 28.400 10.700 1.600 104.900Frauen<strong>Arbeit</strong>slose 600 1.700 800 800 200 0 4.100<strong>Arbeit</strong>skräfte 9.700 25.100 32.500 29.200 10.900 1.600 109.000Inaktive 17.400 6.400 8.300 7.800 16.700 48.600 105.100Beschäftigte 21.300 51.900 71.500 65.000 25.100 5.600 240.400Insgesamt<strong>Arbeit</strong>slose 2.200 2.100 1.800 1.400 700 0 8.300<strong>Arbeit</strong>skräfte 23.500 54.000 73.300 66.400 25.800 5.600 248.700Inaktive 32.100 9.000 9.200 9.200 28.200 82.800 170.500Bevölkerung 15+ Jahre 55.600 63.000 82.500 75.600 54.000 88.400 419.200Tabelle 1: Beschäftigung der Südtiroler Wohnbevölkerung 2011nach Alter <strong>und</strong> Geschlecht (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung)2Bearbeitet von Ulrich Becker


24 Beschäftigungsquote <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit2Im Verlauf der Jahre zwischen 15 <strong>und</strong> 29 Jahren findet der Großteilder <strong>Jugend</strong>lichen aus dem Bildungssystem zur Berufstätigkeit(„verwandeln sich Schüler in Erwerbstätige“). Während bei den 15-19-Jährigen die Ausbildung überwiegt, ist es bei den 25-29-Jährigendie Berufstätigkeit: „Dieser quasi obligatorische Übergangläuft nicht immer ganz schmerzlos ab: mangelnde professionelleReife, die hohen Ansprüche ans Berufsleben, Erfahrung, die ersterworben werden muss, führen dazu, dass <strong>ein</strong> Teil der jungen Leutebeim Berufs<strong>ein</strong>stieg mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat“ (AM-News Nr.12/2011, 2).Der Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt ist daher mit höherer <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<strong>und</strong> unsicheren <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen verb<strong>und</strong>en. Die Suchenach <strong>ein</strong>em geeigneten <strong>Arbeit</strong>splatz führt zu häufigerem Wechsel,Berufs<strong>ein</strong>steiger sind in höherem Ausmaß auf befristete <strong>Arbeit</strong>sverträgeangewiesen als ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer. In den Jahren 2006-2010 betrug die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit bei den unter-20-Jährigen 8%, beiden 20-24-Jährigen 6%, bei den 25-29-Jährigen 3-4%, während ab30 Jahren die <strong>Arbeit</strong>slosenrate nur mehr bei r<strong>und</strong> 2% lag (AM-News Nr.12/2011, 2).Mitte der 1980er Jahre lag die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit noch deutlichhöher, nämlich zwischen 6,5 <strong>und</strong> 19%, was die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleauf den Umstand zurückführt, dass genau injenen Jahren die „Generation Babyboom“ auf den <strong>Arbeit</strong>smarktdrängte. Gleich darauf wurde in Italien die Pflichtausbildungszeitverlängert, wodurch der <strong>Arbeit</strong>s<strong>ein</strong>tritt h<strong>und</strong>erttausender <strong>Jugend</strong>licherverzögert <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>smarkt etwas entlastet wurde (vgl.AM-News Nr.12/2011, 5). In den Jahren 1990 bis 2010 hat sich dasDurchschnittsalter beim Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt deutlich erhöht.Die Erwerbsquote der 15-19-Jährigen lag 1985-1990 noch bei45-50%, 2005-2010 kam sie nur mehr auf 20-25%.Seitdem ist die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol <strong>ein</strong> relativ konstantesPhänomen. Die jüngsten Zahlen der wirtschaftlichen Krisenjahredeuten zwar <strong>ein</strong>en Anstieg auf über 9% an, aber die zugr<strong>und</strong>eliegendeStichprobenerhebung (ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung)weist für Südtirol zu wenig Fälle auf, um statistisch gesicherteAussagen zu treffen. Deswegen wertet die Beobachtungsstellefür den <strong>Arbeit</strong>smarkt auch meist mehrere Jahre gem<strong>ein</strong>samaus (AM-News Nr.12/2011, 2).


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 25Anteile in %15-24 25-34 35-44 45-54 55-64 InsgesamtJahre Jahre Jahre Jahre Jahre 15+ Jahre2004 4,7 2,5 1,7 0,9 1,6 2,02005 6,8 2,2 2,0 0,8 0,9 2,22006 5,6 2,3 1,4 0,8 1,2 1,9Männer2007 5,3 1,6 1,9 1,8 0,8 2,02008 4,2 2,8 1,2 0,9 2,6 1,92009 8,1 1,7 1,7 2,0 2,8 2,52010 5,4 2,2 2,1 1,3 3,7 2,32011 11,2 1,8 2,5 1,7 3,3 3,02004 6,3 5,3 2,5 2,1 1,9 3,52005 8,1 5,0 2,6 2,1 0,6 3,52006 9,7 3,6 2,5 3,4 0,9 3,6Frauen2007 5,4 3,2 3,7 3,3 0,7 3,32008 8,3 3,1 2,3 2,1 2,1 3,02009 10,1 5,0 2,6 1,3 1,0 3,42010 7,9 3,8 2,8 2,3 2,1 3,22011 6,9 6,5 2,6 2,7 2,0 3,82004 5,4 3,7 2,0 1,4 1,7 2,72005 7,3 3,5 2,3 1,3 0,8 2,82006 7,2 2,9 1,9 1,9 1,1 2,6Insgesamt2007 5,3 2,3 2,7 2,4 0,8 2,62008 6,0 3,0 1,7 1,5 2,4 2,42009 8,9 3,2 2,1 1,7 2,0 2,92010 6,4 2,9 2,4 1,7 3,0 2,72011 9,4 4,0 2,5 2,1 2,7 3,3Tabelle 2:<strong>Arbeit</strong>slosenquote in Südtirol nach Alter, Geschlecht<strong>und</strong> Jahr (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung)Signifikante Unterschiede ergeben sich hingegen im Vergleich mitanderen italienischen Regionen <strong>und</strong> europäischen Ländern. In Italienlag die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit im Jahre 2011 bei 29,1%, im Mai2012 sogar bei über <strong>ein</strong>em Drittel (600.000 Personen = 36,2% derErwerbstätigen im Alter von 15-24 Jahre; vgl. www.istat.it/it/lavoro<strong>und</strong> Rapporto annuale ISTAT 2012, cap. 2.3.3). Im Trentino wurdenim Schnitt 2006-2010 7%, in Venetien 13% <strong>und</strong> in der Lombardeisowie in der Region Friaul-Julisch Venetien 15% verzeichnet.In Süditalien sind hingegen Werte über 30% die Regel <strong>und</strong> Werteüber 40% k<strong>ein</strong>e Ausnahme. Südtirol hat also im italienischen Vergleichdie weitaus niedrigste <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitsquote. Diesliegt übrigens nicht daran, dass im Süden mehr <strong>Jugend</strong>liche aufdie <strong>Arbeit</strong>smärkte drängen (z.B. aus Mangel an Ausbildungsalternativen),denn auch die Quote der Inaktiven ist dort deutlich höher.


26 Beschäftigungsquote <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit2<strong>Arbeit</strong>slosenquote, nach Alter, Geschlecht, Jahr <strong>und</strong> RegionAnteile in % 2005 2007 2009 201115-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+M 21,5 6,2 18,2 4,9 23,3 6,8 27,1 7,6Italien F 27,4 10,1 23,3 7,9 28,7 9,3 32,0 9,6Insg. 24,0 7,7 20,3 6,1 25,4 7,8 29,1 8,4NordwestenPiemontAostatalLigurienLombardeiNordostenSüdtirolProvinzTrientVenetienFriaul-J.VEmilia-R.MitteSüden<strong>und</strong>InselnM 11,9 3,2 12,9 3,0 18,6 5,0 20,1 5,6F 17,9 6,0 15,2 4,9 22,1 6,9 25,3 7,2Insg. 14,6 4,4 13,9 3,8 20,1 5,8 22,2 6,3M 14,0 3,3 12,4 3,5 20,8 6,1 23,9 6,9F 20,7 6,4 16,8 5,2 29,2 7,8 26,6 8,6Insg. 16,9 4,7 14,3 4,2 24,1 6,8 25,1 7,6M 9,1 2,5 9,7 2,4 14,6 3,5 20,2 5,1F 10,9 4,3 15,1 4,3 21,3 5,6 25,7 5,4Insg. 9,9 3,2 11,8 3,2 17,5 4,4 22,4 5,3M 15,4 3,2 24,4 4,2 18,4 4,6 26,1 5,8F 26,0 9,1 16,1 5,7 19,2 7,1 20,4 7,0Insg. 20,0 5,8 20,7 4,8 18,8 5,7 23,8 6,3M 10,6 3,1 11,8 2,6 17,7 4,6 17,7 5,1F 16,0 5,4 14,4 4,6 19,7 6,4 25,3 6,7Insg. 13,0 4,1 12,9 3,4 18,5 5,4 20,7 5,8M 9,2 2,8 7,2 2,1 13,2 3,8 18,3 4,2F 14,0 5,6 13,0 4,5 19,1 5,8 21,5 6,1Insg. 11,3 4,0 9,6 3,1 15,7 4,7 19,7 5,0M 6,8 2,2 5,3 2,0 8,1 2,5 11,2 3,0F 8,1 3,5 5,4 3,3 10,1 3,4 6,9 3,8Insg. 7,3 2,8 5,3 2,6 8,9 2,9 9,4 3,3M 8,9 2,4 7,0 1,8 9,2 2,7 14,7 4,0F 12,3 5,2 11,5 4,4 15,1 4,6 14,3 5,1Insg. 10,3 3,6 8,9 2,9 11,5 3,5 14,5 4,5M 10,6 2,9 5,4 2,0 11,7 3,6 19,0 4,0F 15,0 6,2 12,5 5,2 17,9 6,4 21,1 6,4Insg. 12,6 4,2 8,4 3,3 14,4 4,8 19,9 5,0M 9,5 3,2 11,3 2,4 13,7 4,5 15,6 4,1F 11,9 5,3 20,0 4,7 27,4 6,4 27,9 6,5Insg. 10,5 4,1 14,5 3,4 18,9 5,3 20,9 5,2M 7,8 2,7 8,8 2,1 16,5 4,2 20,1 4,5F 14,2 5,3 13,7 3,9 20,8 5,5 23,9 6,2Insg. 10,7 3,8 10,8 2,9 18,3 4,8 21,9 5,3M 18,4 4,9 15,3 3,9 21,8 5,7 26,6 6,7F 24,8 8,3 21,4 7,2 28,9 9,2 32,2 8,9Insg. 21,1 6,4 17,9 5,3 24,8 7,2 28,9 7,6M 34,8 11,4 28,9 8,9 33,1 10,9 37,7 12,1F 44,6 19,6 38,3 14,9 40,9 15,3 44,6 16,2Insg. 38,6 14,3 32,3 11,0 36,0 12,5 40,4 13,6Tabelle 3:<strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht<strong>und</strong> Jahr (Quelle: ISTAT <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung);fehlende Jahre sowie fehlende Regionen sieheAnhang 12.3)Auf europäischer Ebene ist die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit (15-24 Jahre)durchschnittlich doppelt so hoch wie die Gesamtarbeitslosigkeit.2011 lag sie im Schnitt der EU-27-Länder bei 21,3%. Italienliegt diesbezüglich vor krisengeschüttelten Ländern, wie z.B. Spanien,Griechenland <strong>und</strong> Portugal auf <strong>ein</strong>em schlechten 19. Platz.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 27Südtirol schneidet im europäischen Vergleich hingegen gut ab. Inder Gesamtrangliste der 271 statistischen Regionen der EU (NUTS2) befindet sich Südtirol beim Durchschnitt der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit2006-2010 <strong>ein</strong>ige Plätze hinter Nordtirol an 14. Stelle. (AM-News Nr.12/2011, 2).Männer Frauen InsgesamtAnteile in %15-24 Insg. 15-24 Insg. 15-24 Insg.Europäische Union (27 Länder) 21,8 9,5 20,7 9,7 21,3 9,6Spanien 48,2 21,2 44,4 22,2 46,4 21,7Griechenland 38,5 15,0 51,5 21,4 44,4 17,7Kroatien 35,6 13,8 36,8 13,2 36,1 13,5Slowakei 33,0 13,5 33,6 13,6 33,2 13,5Litauen 34,3 17,7 29,3 12,9 32,2 15,3Lettland 31,3 18,6 30,6 13,8 31,0 16,2Portugal 28,7 12,7 31,7 13,2 30,1 12,9Irland 35,0 17,8 22,7 10,8 29,1 14,7Italien 27,1 7,6 32,0 9,6 29,1 8,4Bulgarien 27,6 12,3 25,2 10,0 26,6 11,2Ungarn 27,2 11,0 24,6 10,9 26,1 10,9Polen 23,6 9,0 28,9 10,5 25,8 9,7Rumänien 23,7 7,9 23,8 6,8 23,7 7,4Schweden 23,8 7,6 22,0 7,5 22,9 7,5Zypern 23,3 8,1 21,5 7,7 22,4 7,9Estland 23,7 13,1 20,7 11,8 22,3 12,5Frankreich 21,1 8,8 23,1 9,7 22,0 9,2Ver<strong>ein</strong>igtes Königreich 23,5 8,7 18,4 7,3 21,1 8,0Belgien 18,7 7,1 18,7 7,2 18,7 7,2Tschechische Republik 18,1 5,8 17,9 7,9 18,0 6,7Luxemburg 13,3 3,8 20,8 6,3 16,8 4,9Slowenien 15,0 8,2 16,8 8,2 15,7 8,2Dänemark 15,7 7,7 12,7 7,5 14,2 7,6Malta 13,7 6,1 13,8 7,1 13,7 6,5Deutschland 9,3 6,2 7,8 5,6 8,6 5,9Österreich 7,9 4,0 8,8 4,3 8,3 4,2Niederlande 7,5 4,5 7,8 4,4 7,6 4,4Mazedonien 55,5 31,8 54,8 30,8 55,3 31,4Finnland 21,8 8,4 18,4 7,1 20,1 7,8Türkei 15,5 8,3 19,0 10,1 16,7 8,8Island 18,2 7,8 10,7 6,2 14,4 7,0Norwegen 9,6 3,4 7,7 3,0 8,7 3,2Schweiz 7,6 3,7 7,8 4,5 7,7 4,1Tabelle 4:<strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Europa 2011 nach Ländern(Quelle: Eurostat <strong>Arbeit</strong>skräfteerhebung)5.2 Atypische <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse <strong>und</strong> junge <strong>Arbeit</strong>nehmer/innenDer Einstieg ins Erwerbssystem erfolgt für Maturanten <strong>und</strong> Akademikernicht automatisch, denn nach erfolgter Berufsfindung <strong>und</strong>absolviertem Ausbildungsabschluss stellt sich die Aufgabe, die erworbeneberufliche Qualifikation auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt zu verwer-


28 Atypische <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse <strong>und</strong> junge <strong>Arbeit</strong>nehmer/innenten. Im Unterschied zu früher, als Südtirol <strong>ein</strong>en starken Aufholbedarfan qualifizierten <strong>Arbeit</strong>nehmern aufwies, ist der sofortige, unbefristete<strong>Arbeit</strong>svertrag heute nicht mehr die Norm. Der Einstiegin den <strong>Arbeit</strong>smarkt verläuft für <strong>ein</strong>e wachsende Zahl qualifizierterSüdtiroler/innen über befristete <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse, Phasen derSucharbeitslosigkeit <strong>und</strong> Praktika. Die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstellehat sich mit den damit oft verb<strong>und</strong>enen, sogenannten atypischen<strong>Arbeit</strong>svertragsformen aus<strong>ein</strong>andergesetzt, wie Projektverträge,freie Mitarbeit, <strong>Arbeit</strong> auf Abruf <strong>und</strong> die Sommerpraktika(<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 2/2012). Prekäre Beschäftigung <strong>und</strong>Sch<strong>ein</strong>selbstständigkeit war außerdem Thema <strong>ein</strong>er Untersuchungdes <strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> im Auftrag der Abteilung <strong>Arbeit</strong> (<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> 2008). Gerad<strong>ein</strong> diesem Bereich ist aufgr<strong>und</strong> der kürzlich erfolgten Änderungenim italienischen <strong>Arbeit</strong>srecht Vieles im Fluss, dessen Auswirkungensich auf Südtirol noch nicht absehen lassen.Ein gewisser Teil der 15-24-Jährigen arbeiten – abgesehen vonLehrverträgen – in atypischen <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen. Von den 24-Jährigen, die seit mindestens 10 Jahren in Südtirol ansässig sind,standen zwischen 2008 <strong>und</strong> 2011 durchschnittlich 68% in <strong>ein</strong>emunbefristeten <strong>und</strong> 32% in <strong>ein</strong>em befristeten <strong>Arbeit</strong>svertrag. DerAnteil derer, die mit Leiharbeit, Projektarbeit oder <strong>Arbeit</strong> auf Abrufbeschäftigt waren, lag bei 3%. 3In Südtirol sind die CoCoCo- <strong>und</strong> Projektarbeitsverträge in <strong>ein</strong>erbreiten Untersuchung 2008 geschätzt worden (<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> 2008, imAuftrag der Abt. <strong>Arbeit</strong>), wonach sich die Zahl der in Südtirol ansässigenErwerbstätigen, die erklärterweise mit CoCoCo oder anderenProjektarbeitsverträgen beschäftigt sind, auf 2.000-5.000 beläuft(1-3% aller Erwerbstätigen). 4 Dabei wurde berechnet, dass beir<strong>und</strong> der Hälfte dieser formal Selbstständigen von „Sch<strong>ein</strong>selbstständigkeit“gesprochen werden kann. Die Treffgenauigkeit solcherSchätzungen hängt sehr stark von der Definition von Sch<strong>ein</strong>selbstständigkeitab, wobei <strong>ein</strong>e gewisse Grauzone feststellbar ist(<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 9/2009). 2011 erreichte die Projektarbeit inSüdtirol <strong>ein</strong>en durchschnittlichen Bestand von mehr als 5.000 Beschäftigten,wovon r<strong>und</strong> <strong>ein</strong> Drittel bei <strong>ein</strong>em weiteren <strong>Arbeit</strong>geberunter Vertrag steht (<strong>Arbeit</strong>smarktbericht Südtirol 2012, 238). InBezug auf das Alter kann dabei <strong>ein</strong>e Häufung von arbeitnehmer-34Beobachtungsstelle für den <strong>Arbeit</strong>smarkt, <strong>Arbeit</strong>smarkt-News, Nr.1/2012, S.1: Zwischen prekärerBeschäftigung <strong>und</strong> <strong>ein</strong>em saisonalen <strong>Arbeit</strong>svertrag im Gastgewerbe ist in der Südtiroler Realitätgut zu unterscheiden. Allerdings nimmt der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisseauch in dieser Branche seit 2008 zu.Neuaufnahmen von Projektarbeitsverträgen in Südtirol: 5.357 (2008), 5.199 (2009), 5.223(2010), 5.348 (2011); vgl. Veneto Lavoro, Un lento dimagrimento, Rapporto 2012, Venezia 2012,S. 106


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 29ähnlicher Beschäftigung im mittleren Alter (30-49 Jahre) festgestelltwerden. 2011 waren nur 20% (r<strong>und</strong> 1.000 Personen) dieserPersonen unter 30 Jahre alt. Der Projektarbeiter ist mit durchschnittlich44 Jahren sogar um <strong>ein</strong>iges älter als der durchschnittliche<strong>Arbeit</strong>nehmer (39 Jahre). Nicht alle Sch<strong>ein</strong>selbstständigenempfinden ihre Situation als prekär, sondern erleben <strong>ein</strong>e Unsicherheitam <strong>Arbeit</strong>splatz, die mit den saisonal befristeten <strong>Arbeit</strong>sverhältnissenvergleichbar ist.Andererseits ist auch festzustellen: wenn 24-Jährige bereits seitmindestens 9 Jahren im Beruf stehen, also mit 15 <strong>ein</strong>e Lehre begonnenhaben, sind sie zu 90% unbefristet unter Vertrag. 79% aller24-Jährigen, die mindestens 4 Jahre gearbeitet haben, sind fixangestellt. „Während unter erfahrenen jungen <strong>Arbeit</strong>nehmern (25-29 Jahre) die besonders kritisierten Vertragsformen (Leiharbeit,Projektarbeit, <strong>Arbeit</strong> auf Abruf) praktisch gar nicht vorkommen,sind unter den <strong>Arbeit</strong>nehmern mit weniger als zwei Jahren Berufserfahrung15% auf solche Weise beschäftigt“ (<strong>Arbeit</strong>smarkt-NewsNr.1/2012, 2). Da die Frauen sowohl im öffentlichen Dienst alsauch im Gastgewerbe überrepräsentiert sind <strong>und</strong> zudem imDurchschnitt später in den Beruf <strong>ein</strong>steigen, sind sie auch bei denbefristeten Beschäftigungsverhältnissen stärker vertreten als dieMänner derselben Altersgruppe.Nicht nur die erworbene Berufserfahrung <strong>und</strong> der Tätigkeitssektorwirken sich auf die Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit <strong>ein</strong>es befristeten <strong>Arbeit</strong>svertragsaus, sondern allgem<strong>ein</strong> die Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufswahlnach dem Mittelschulabschluss. Wer länger studiert, muss in Südtirolweniger lang auf <strong>ein</strong>en unbefristeten <strong>Arbeit</strong>splatz warten. Allerdingssind 24-Jährige Maturanten <strong>und</strong> Hochschulabsolventenhäufiger prekär beschäftigt, weil sie erst sehr wenige Jahre Berufserfahrunggesammelt haben (<strong>Arbeit</strong>smarkt-News, Nr.1/2012, 3). InSüdtirol sch<strong>ein</strong>t sich im Unterschied zu Rest-Italien k<strong>ein</strong> verfestigterSockel prekär Beschäftigter herausgebildet zu haben, denn„nach 3 Jahren auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt sind nur 1-2% der jungen<strong>Arbeit</strong>nehmer in den <strong>Arbeit</strong>slosenlisten <strong>ein</strong>getragen, weitere 1-2%sind als Leiharbeiter, Projektarbeiter oder auf Abruf beschäftigt“(<strong>Arbeit</strong>smarkt-News, Nr.1/2012, 3). Die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstellezieht daraus den Schluss, dass „die neuen extremen Formendes Prekariats die jüngste Generation von <strong>Arbeit</strong>nehmern der Altersklasse15-24 Jahre nur am Rande <strong>und</strong> meist vorübergehendbetreffen“ (<strong>Arbeit</strong>smarkt-News, Nr.1/2012, 4).5.3 Maturanten auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktEin Oberschulabschluss ist heute zum Standard geworden, dendie große Mehrheit der Jahrgänge erreicht (vgl. AM-News Nr.


30 Maturanten auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt5/2011 „Maturanten“). Danach schreiben sich 60% der Maturantenan <strong>ein</strong>er Hochschule <strong>ein</strong>. Manche von ihnen versuchen, währendihres Hochschulbesuchs Studium <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> zu verbinden. Nuretwa <strong>ein</strong> Viertel der Maturanten wählt den sofortigen Berufs<strong>ein</strong>stieg.„In den darauf folgenden Monaten nimmt dieser Prozentsatzlangsam zu <strong>und</strong> stabilisiert sich 4-5 Jahre nach der Matura beietwa 40%“ (AM-News, Nr.5/2011). Ein beträchtlicher Anteil derMaturanten ist in den Sommermonaten erwerbstätig, um sich <strong>ein</strong>Zubrot zu verdienen oder Berufserfahrung zu sammeln (3.400 imJahr 2011, vgl. <strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 2/2012 „Sommerpraktika“).Die Beschäftigungsquote der Maturanten liegt im Sommer bis zu10% über dem Durchschnitt der restlichen Monate.Welche Unterschiede bestehen in der Übertrittsquote von derOberschule an die Hochschule nach Schultyp <strong>und</strong> Unterrichtssprache?Gut 90% der Absolventen <strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>bildenden Oberschule(Gymnasium/Lyzeum) entscheiden sich zunächst für <strong>ein</strong>Hochschulstudium. Nur 60% der Absolventen der restlichen Oberschulenstudieren weiter, <strong>und</strong> zwei<strong>ein</strong>halb Jahre danach steht dieHälfte von ihnen in <strong>ein</strong>em <strong>Arbeit</strong>sverhältnis (AM-News Nr.5/2011,3-4). In dieser Hinsicht wird auch <strong>ein</strong> Unterschied zwischen denSprachgruppen verzeichnet: „So stehen insbesondere in denLandgem<strong>ein</strong>den vier<strong>ein</strong>halb Jahre nach der Matura die Absolventendeutschsprachiger Schulen zu <strong>ein</strong>em wesentlich höheren Prozentsatzin <strong>ein</strong>em Beschäftigungsverhältnis als die Absolventenitalienischsprachiger Schulen desselben Typs. Sie tendieren alsodeutlich früher dazu,in den <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>ein</strong>zusteigen“ (AM-NewsNr.5/2011, 4). In den städtischen Gem<strong>ein</strong>den bedeutet der Besuch<strong>ein</strong>es Gymnasiums für <strong>Jugend</strong>liche, gleich welcher Sprachgruppe,bis zum Alter von 20-25 Jahren zu fast 80% <strong>ein</strong> Studium, die Absolventen/innender anderen Oberschulen wählen nur zu r<strong>und</strong>50% <strong>ein</strong> solches.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 316 Rahmenbedingungen in Südtirol6.1 Ein differenziertes BildungssystemDas öffentliche Bildungssystem der Oberstufe <strong>ein</strong>schließlich derBerufsschule bildet das „Navigationssystem“ für den Übergangder <strong>Jugend</strong>lichen von der Pflichtschule in die Realität der Betriebe<strong>und</strong> des <strong>Arbeit</strong>smarktes. Im Unterschied zum dreigliedrigen Schulsystemim deutschen Sprachraum durchlaufen die Schüler/innenin Italien in der mittleren Phase <strong>ein</strong>e gem<strong>ein</strong>same <strong>und</strong> <strong>ein</strong>heitlicheMittelschule. Erst im Alter von 14 Jahren verzweigen sich dieWege. Südtirol bietet den Heranwachsenden dann mit <strong>ein</strong>em differenzierten,maturaführenden Oberschulangebot <strong>und</strong> mit schulischwie berufspraktisch ausgelegten Varianten der Berufsbildung <strong>ein</strong>ebesondere Vielfalt an schulischen <strong>und</strong> beruflichen Bildungsgängenan, die <strong>ein</strong>e f<strong>und</strong>ierte schulische <strong>und</strong> berufliche Qualifizierung gewährleisten(Abt. Dt. <strong>und</strong> lad. Berufsbildung 2011).Für fast <strong>ein</strong> Drittel der Jahrgangskohorten ist das berufliche Bildungswesen– aufbauend auf der betrieblichen dualen Ausbildung<strong>und</strong> den Vollzeitkursen – der Weg in den Beruf. Für die anderenzwei Drittel der Jahrgänge bildet die Matura die Schwelle zum Einstiegin Spezialisierung oder direkt in den Beruf. Die Voraussetzungfür das Funktionieren des dualen Systems ist das soziale Verantwortungsbewussts<strong>ein</strong>der Unternehmen in Zusammenarbeitmit den Landesberufsschulen sowie die Leitidee <strong>ein</strong>es Berufskonzepts.Das bedeutet, dass Ausbildungsleistungen nicht nur als betriebswirtschaftlicherKostenfaktor gesehen werden dürfen, sondernals Beitrag zum Gesamtsystem der Verwertung von <strong>Arbeit</strong>skraft.Das Berufsbildungswesen in Südtirol beruht auf zwei Schienen:zum <strong>ein</strong>en auf dem dualen System mit dem Schwerpunkt auf derpraktisch-betrieblichen Ausbildung, zum andern auf der vollzeitschulischenAusbildung (Berufsfachschulen <strong>und</strong> Vollzeitkurse), dieder Theorie mehr Platz <strong>ein</strong>räumt. Die Berufsschulen des Landesführen neben dem schulischen Teil der dualen Ausbildung <strong>ein</strong>eVielzahl von Vollzeitlehrgängen mit <strong>ein</strong>er Dauer zwischen <strong>ein</strong> <strong>und</strong>drei Jahren, häufig als „Fachschulen“ bezeichnet. Diese schließenzumeist an die Mittelschule an, in selteneren Fällen (z.B. Hotelfachschule,LFS für Sozialberufe) setzen sie auch den Besuch der erstenzwei Jahre <strong>ein</strong>er weiterführenden Schule („Biennium“) bzw.<strong>ein</strong>e abgeschlossene Berufsausbildung voraus. 55Eine gute wenn auch nicht ganz aktuelle Übersicht findet sich in: „Berufsbildung in Südtirol –Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung für Berufe mit Zukunft“ (1997), Abteilungen der Deutschen <strong>und</strong> LadinischenBerufsbildung <strong>und</strong> der Italienischen Berufsbildung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol


32 Ein differenziertes BildungssystemBei den Vollzeitlehrgängen der Berufsschulen ist zwischen <strong>ein</strong>jährigenGr<strong>und</strong>lehrgängen, berufsbildenden Biennien <strong>und</strong> den zumeistdreijährigen Fachschulen zu unterscheiden. 6 Nur die Fachschulenführen zu <strong>ein</strong>er vollwertigen beruflichen Qualifikation (Facharbeiterbriefbzw. Gesellenprüfung nach Betriebspraxis). Ein- oder zweijährigeKurse im Anschluss an die Mittelschule können aber für<strong>ein</strong>e duale Ausbildung oder Fachschule anerkannt werden, wenndiese denselben Berufsbereich betrifft. Eine vergleichbare beruflicheQualifikation lässt sich daneben im dualen System der Lehre(mehrjährige Berufspraxis im Betrieb, ergänzt durch Ausbildung anden Berufsschulen im Umfang von <strong>ein</strong>em Tag pro Woche oderneun Wochen als Blockunterricht über in der Regel drei Jahre) erwerben.Südtiroler <strong>Jugend</strong>lichen stehen zudem auch Lehrgängeder beruflichen Ausbildung <strong>und</strong> der Hochschulausbildung außerhalbdes Landes offen, für die <strong>ein</strong>e finanzielle Unterstützung vorgesehenist.Das in Südtirol <strong>und</strong> im gesamten deutschen Sprachraum bewährteBerufsschulsystem mit der dualen Lehrlingsausbildung hat für di<strong>ein</strong> Italien zur Zeit betriebene Reform der beruflichen Lehre Modellgestanden. Diese Reform sieht drei Arten der Lehre vor: 7Die klassische Lehre (Berufsgr<strong>und</strong>ausbildung)Spezialisierungslehrgänge (berufsspezialisierende Lehre)Die „Höhere Lehre“.(Hg.), Bozen.67Diese Terminologie bezieht sich auf den Untersuchungszeitraum 2000-2002; mit dem Schuljahr2002/03 wurde <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>heitliche Berufsgr<strong>und</strong>stufe (9. Schuljahr) <strong>ein</strong>geführt, auf welche die Fachschulebzw. das zweite Jahr des Bienniums aufbauen (vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol(Hg.): Mehrjahresplan für die Berufsbildung 2002-2006, Bozen, o.J., S. 28).Geregelt im Staatsgesetz Nr. 144/1999 zur Reform der Berufsausbildung; vgl. auch: Amt fürLehrlingswesen <strong>und</strong> Meisterausbildung (2004), Die Zukunft der Lehre, auf: http://www.provinz.bz.it/handwerk/3502/zukunft_d.htm.Die berufsspezialisierende Lehre ist für Südtirol mitdem L.G. Nr. 138 vom 28.6.2012 <strong>ein</strong>geführt worden.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 33Abbildung 1:Darstellung der Ausbildungswege der Berufsbildungin Südtirol. Quelle: Autonome Provinz Bozen,Abt. dt. <strong>und</strong> lad. Berufsbildung, Die Berufsbildungin Zahlen, Nr.7/2011Davon ausgehend wird in Südtirol zur Zeit nicht nur das bisherigeBerufsschulsystem <strong>ein</strong>schließlich der Vollzeitkurse im Wesentlichenunter Anpassung an staatsgesetzliche Neuerungen beibehalten,sondern im Zusammenwirken mit Universität <strong>und</strong> Unternehmenum die höheren Qualifizierungsangebote erweitert. Im Sommer2012 hat der Landtag mit dem Lehrlingsgesetz Nr. 138 vom28.6.2012 die Voraussetzungen für die Neuregelung der Lehrzeitenin den verschiedenen praktischen Berufen <strong>und</strong> der Standards fürdie Ausbildungsbetriebe geschaffen. Die neue Lehrlingsordnungsieht somit drei Typen von Lehre vor:1. die Lehre zum Erwerb <strong>ein</strong>er beruflichen Qualifikation <strong>und</strong> <strong>ein</strong>esBerufsbildungsdiploms2. die berufsspezialisierende Lehre3. die Lehre zur Höheren Berufsbildung <strong>und</strong> ForschungKünftig wird, laut zuständiger Landesrätin 8 , die Lehre in <strong>ein</strong>em Beruf<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>heitliche Dauer von 3 oder 4 Jahren haben, egal ob der<strong>Jugend</strong>liche <strong>ein</strong>en Vertrag in <strong>ein</strong>em Handwerks- oder <strong>ein</strong>em Industrieunternehmenabgeschlossen hat. Zudem ist nun auch im viertenLehrjahr Berufsschulunterricht vorgesehen: so können dieLehrlinge gleich nach Ende der Schulzeit die Lehrabschlussprüfungablegen <strong>und</strong> müssen nicht <strong>ein</strong> oder zwei Jahre warten, wiedas bisher in vielen Berufen der Fall war.8Vgl. Mitteilung des Landespresseamtes vom 10.Juli 2012 „Neues Lehrlingsgesetz: Landesregierunglegt jetzt Lehrzeiten fest“


34 Ein differenziertes BildungssystemDiese Modernisierung des Berufsbildungssystems darf nicht darüberhinweg täuschen, dass <strong>ein</strong>e längere schulische <strong>und</strong> akademischeAusbildung für Südtirols <strong>Jugend</strong>liche in den letzten Jahrenattraktiver geworden ist, während die berufspraktischen Ausbildungswegean Zuspruch verlieren (Abt. Dt. <strong>und</strong> lad. Berufsbildung2012; siehe dazu Abschnitt 7).6.2 Komplexität <strong>und</strong> Durchlässigkeit des BildungssystemsDas breit gefächerte Angebot an weiterführenden Schulen <strong>und</strong> beruflichenAusbildungen in Südtirol stellt <strong>ein</strong>e Besonderheit dar, diemit dem Zusammentreffen von historisch verschiedenen Bildungssystemenim italienischen <strong>und</strong> deutschen Kulturraum zu tun hat,vor allem aber durch die legislativen <strong>und</strong> verwaltungsmäßigen Befugnisseder Autonomen Provinz Bozen ermöglicht wurde. In ersterLinie ist diese Situation sicher von Vorteil für <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong>deren Eltern, die sich für <strong>ein</strong>en Ausbildungsweg entscheiden sollen.Ein breiteres Angebot geht aber auch <strong>ein</strong>her mit der Notwendigkeit,dieses Angebot darzustellen <strong>und</strong> so <strong>ein</strong>e gezielte <strong>und</strong> reflektierteWahl zu ermöglichen: die Orientierung kann sich für jungeMenschen <strong>und</strong> ihren Familien schwierig gestalten.Als weiteres Thema aufgr<strong>und</strong> des mannigfaltigen Bildungsangebotesergibt sich jenes der Durchlässigkeit zwischen verschiedenenBildungsgängen. Die Entscheidung für <strong>ein</strong>e weiterführende Schulestellt immer <strong>ein</strong>e Weichenstellung dar, dennoch muss es auchmöglich s<strong>ein</strong>, den Schultyp zu wechseln, ohne dass dies <strong>ein</strong>e Entwertungbereits erworbener Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten bis hinzur Wiederholung von Schuljahren nach sich zieht, so wie dies dieentsprechenden rechtlichen Bestimmungen vorsehen. 9Die Frage der Durchlässigkeit betrifft sowohl Übergänge zwischenVollzeitlehrgängen der Berufsschulen <strong>und</strong> Oberschulen staatlicherArt als auch zwischen Fachschulen <strong>und</strong> dualer Ausbildung innerhalbdes Berufsschulsystems, <strong>und</strong> nicht zuletzt zwischen unterschiedlichenSchultypen staatlicher Art. Gute Durchlässigkeit giltallgem<strong>ein</strong> als Möglichkeit, vor allem die berufsbildenden Lehrgängeattraktiver zu machen, da sie sonst unter Umständen als „Sackgasse“empf<strong>und</strong>en werden (Atz/Schnock, 2008, 22). Doch auch allgem<strong>ein</strong>bildendeSchulen leiden darunter, dass sie k<strong>ein</strong>e günstigenUmstiegsmöglichkeiten bieten, wenn die Betroffenen diese Schu-9Das Staatsgesetz Nr. 144 vom 17. Mai 1999, mit dem die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr<strong>ein</strong>geführt wurde (siehe unten), schreibt u.a. vor, dass der Wechsel zwischen den ver -schiedenen Typen von weiterführenden Schulen jederzeit möglich s<strong>ein</strong> muss, <strong>und</strong> verlangt diesbezüglichdie Anrechnung von Kenntnissen <strong>und</strong> Kompetenzen, die innerhalb <strong>ein</strong>es dieser Bildungswegeerworben wurden, für die anderen Bildungswege in Form von „Bildungsguthaben“.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 35len nicht abschließen wollen oder können oder aber nach erfolgreichemAbschluss <strong>ein</strong>e berufspraktische Ausbildung anschließenmöchten. Das Problem der Durchlässigkeit stellt sich somit verschiedendar, je nachdem zwischen welchen Ausbildungstypen<strong>und</strong> auf welcher Stufe es betrachtet wird. Allgem<strong>ein</strong> gilt: je weiterdie Bildungskarriere fortgeschritten ist <strong>und</strong> je spezifischer die Anforderungender angestrebten bzw. der bereits absolvierten Ausbildung,desto schwieriger <strong>ein</strong> Umsteigen. In den letzten Jahrenwurden in Südtirol zum <strong>ein</strong>en die Übergänge zwischen vergleichbarenBildungsgängen (z.B. Biennien an staatlichen Oberschulen<strong>und</strong> an Landesberufsschulen) durch Abstimmung der Lehrpläne<strong>und</strong> prozedurale Regelungen erleichtert. Zum anderen wurde versucht,das Problem durch Doppelqualifizierungen zu entschärfen(z.B. Gesellenprüfung neben Facharbeiterbrief als Abschluss vonVollzeitlehrgängen an der Berufsschule). Dennoch bleiben Schwierigkeitenbei der Mehrzahl der Übertrittsituationen, insbesonderedann, wenn in der bisherigen Ausbildung k<strong>ein</strong> ordentlicher Abschlusserreicht wurde.Welche Auswirkungen hatte die Verlängerung der Schulpflicht vor14 Jahren? Während die Reform der Schulstufen auf nationalerEbene noch immer nicht endgültig beschlossen wurde, ist die Anhebungder Schulpflicht von bisher acht auf neun Jahre im Schuljahr1999/2000 erstmals zum Tragen gekommen. Auch die im gleichenZuge verabschiedete Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahrwurde seither schrittweise umgesetzt <strong>und</strong> ist nun voll inKraft. 10 Diese Neuerungen haben zur Folge, dass alle Schüler/innenohne Schulverspätung für mindestens <strong>ein</strong> Jahr <strong>ein</strong>e weiterführendeSchule besuchen müssen. In Südtirol besteht die Möglichkeit,dieses Jahr nicht nur an Oberschulen staatlicher Art, sondern auchan Vollzeitlehrgängen der Landesberufsschulen oder der land-, forst-<strong>und</strong> hauswirtschaftlichen Schulen zu absolvieren.Damit stellen sich die Probleme der Schulwahl <strong>und</strong> der Durchlässigkeitin verschärfter Form, denn die Schulpflicht kann <strong>Jugend</strong>lichedazu verleiten, <strong>ein</strong>en bestimmten Schultyp sozusagen probeweisezu besuchen, wenn <strong>ein</strong>e Entscheidung über den weiterenBildungsweg nach Abschluss der Mittelschule schwer fällt. Besondersin jenen Fällen, wo nach dem Besuch der ersten Klasse <strong>ein</strong>er10Aufgr<strong>und</strong> von Artikel 68 des Staatsgesetzes Nr. 144 vom 17. Mai 1999 sind <strong>Jugend</strong>liche in ganzItalien nach der allgem<strong>ein</strong>en Schulpflicht, die im Alter von 15 Jahren mit dem ersten Jahr derhöheren Schule (bzw. in Südtirol <strong>ein</strong>es Vollzeitlehrgangs an der Berufsschule) endet, verpflichtetbis zum Alter von 18 Jahren <strong>ein</strong>e vorgeschriebene Mindestausbildung zu durchlaufen. Hierfürstehen ihnen drei Möglichkeiten zur Auswahl: Fortsetzung der höheren Schule bis zum Erwerb<strong>ein</strong>es Schulabschlusses, Einschreibung in die regionale Berufsbildung zum Erwerb <strong>ein</strong>er beruflichenQualifikation, Beginn <strong>ein</strong>er Lehre mit mindestens 240 Unterrichtsst<strong>und</strong>en pro Jahr.


36 Komplexität <strong>und</strong> Durchlässigkeit des Bildungssystemsstaatlichen Oberschule in <strong>ein</strong>e berufspraktische Ausbildung gewechseltwird, besteht die Gefahr, dass dieses Jahr „verloren“,weil nicht anrechenbar ist. Wer sich dagegen für Gr<strong>und</strong>lehrgangoder berufsbildendes Biennium entschieden hat, kann zwar nachBeendigung der Schulpflicht gr<strong>und</strong>sätzlich in <strong>ein</strong>e staatliche Oberschulewechseln, doch dürfte der Übertritt in der Praxis wegen desunterschiedlichen Fächerkanons <strong>und</strong> der verschiedenen Anforderungenoft nicht leicht fallen. Der angestrebte Schulwechsel kannso leicht zum Abbruch der schulischen Karriere oder zumindestzur Wiederholung des Schuljahres führen.Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des vielfältigen Bildungsangebotes stellendie Themen „berufliche Orientierung“ <strong>und</strong> „Durchlässigkeit“ alsowichtige <strong>Aspekte</strong> dar, die im empirischen Teil der <strong>Arbeit</strong> zu behandelnsind.6.3 Was hat sich in Südtirol bewährt?Wenn Südtirol europaweit bisher <strong>ein</strong>e der geringsten <strong>Jugend</strong>arbeitslosenratenvorweisen konnte, ist dies sicher zum <strong>ein</strong>en auf„Gunstlagen“ <strong>und</strong> strukturelle Faktoren in der wirtschaftlichen <strong>und</strong>sozialen Entwicklung zurückzuführen, zum anderen auf institutionelleRegelungen, die sich bewährt haben. Diese gilt es zu erkennen,um sie positiv weiter zu entwickeln <strong>und</strong> neuen Anforderungenanzupassen.Die relativ geringe <strong>Arbeit</strong>slosigkeit unter <strong>Jugend</strong>lichen kann alsHauptindiz für <strong>ein</strong> gut funktionierendes Berufsbildungssystem gelten,das den wichtigsten Nachfragekomponenten auf dem Südtiroler<strong>Arbeit</strong>smarkt entspricht. Eine Berufsausbildung im dualen oderim Vollzeitkurssystem wählen in Südtirol <strong>ein</strong> geringerer Teil derAltersjahrgänge als etwa im deutschsprachigen Ausland, doch istdies auch auf <strong>ein</strong>en geringeren Berufsschüleranteil bei der italienischenSprachgruppe zurückzuführen. In der dualen Lehrlingsausbildunggibt es <strong>ein</strong>e enge Abstimmung zwischen den betrieblichenAnforderungen <strong>und</strong> dem Lehrstellenangebot (=Nachfrage nachLehrlingen) <strong>und</strong> dem Angebot an jugendlichen Interessierten <strong>und</strong>dem Berufsschulsystem. Die Abteilungen für Berufsbildung desLandes versuchen über Bedarfserhebungen <strong>und</strong> längerfristige Planungdie Berufsschule marktgerecht zu steuern <strong>und</strong> arbeiten zudiesem Zweck mit Unternehmen <strong>und</strong> Unternehmerverbänden, vorallem im Handwerk zusammen. Bewährt hat sich in dieser Hinsichtauch die Rahmengesetzgebung des Landes, die Lehrgänge, Prüfungsordnungen<strong>und</strong> Abschlüsse, Dauer <strong>und</strong> Art der Lehrgängeregelt. Unter dem Aspekt der Ausbildungsqualität <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>smarktperspektivenhat sich das Berufsschulwesen in Südtirol,kombiniert mit <strong>ein</strong>er gut ausgebauten beruflichen Weiterbildung,


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 37insgesamt gut bewährt (Abt. deutsche <strong>und</strong> ladinische Berufsbildung2012).Der Rückgang der Zahl der Lehrlinge um <strong>ein</strong> Viertel im vergangenenJahrzehnt kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden:die demographische Entwicklung (geringere Jahrgangsstärkeder Alterskohorten), die wirtschaftlich unbefriedigende Behandlungder Lehrlinge, der Ausbau von höher qualifizierenden Bildungsangebotennach der Matura (z.B. die Claudiana für medizinische<strong>und</strong> pflegerische Berufe) sowie die gestiegene Übertrittsquotevon der Ober- zur Hochschule.In Südtirol wird auch unter Oberschulabgängern <strong>ein</strong>e im italienischenVergleich geringe <strong>Arbeit</strong>slosigkeit verzeichnet (<strong>Arbeit</strong>smarkt-NewsNr. 5/2011). Bei der Übertrittsquote zur Hochschulegab es bisher <strong>ein</strong>en deutlichen Unterschied zwischen den italienischsprachigen<strong>und</strong> den deutsch- <strong>und</strong> ladinischsprachigen Maturanten.Dies hat auch mit der räumlichen Verteilung der Oberschulenin Südtirol, aber auch mit <strong>Aspekte</strong>n der „Lebenswelt der <strong>Jugend</strong>lichen“zu tun (Abt. <strong>Arbeit</strong>, <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtung 2011,154). Obwohl in Südtirol die Schülerheime, der öffentliche Schülertransport<strong>und</strong> das Studienbeihilfesystem gut ausgebaut sind,stellt sich die Frage des Oberschulbesuchs für italienische <strong>Jugend</strong>lich<strong>ein</strong> Bozen anders als für die Familien in <strong>ein</strong>em Seitental. Diebisher verfolgte Strategie <strong>ein</strong>es dezentralen Schulangebots mit <strong>ein</strong>emGr<strong>und</strong>angebot an Oberschultypen in allen Schwerpunktortensch<strong>ein</strong>t sich diesbezüglich bewährt zu haben. Dennoch ist es imZuge der Oberschulreform 2010-11 nach breiter Diskussion zu <strong>ein</strong>erneuen Schwerpunktsetzung in räumlicher <strong>und</strong> fachlicher Hinsichtgekommen.Bei den Hochschulabsolventen gab es bisher in Südtirol <strong>ein</strong>ekaum nennenswerte Zahl von <strong>Arbeit</strong>slosen (ASTAT 2009b). Bis indie 1990er Jahre wiesen die Unternehmen <strong>und</strong> die öffentlicheHand in diesem Segment <strong>ein</strong>en Nachholbedarf auf. Das relativenge Spektrum an <strong>Arbeit</strong>splätzen für Hochqualifizierte im Landführte zudem dazu, dass <strong>ein</strong> beträchtlicher Anteil der jungen Akademikervom Studienort nicht mehr zwecks <strong>Arbeit</strong>saufnahme nachSüdtirol zurückkehrte (ASTAT 2009b). Verstärkte Anstrengungen<strong>und</strong> Investitionen im Bereich Forschung <strong>und</strong> Entwicklung mit demAufbau <strong>ein</strong>er Reihe öffentlich finanzierter Institutionen sowie dieSättigung des Bedarfs an Akademikern anderswo haben zumRückgang des „brain drains“ geführt. Im empirischen Teil dieserStudie ist im Gespräch mit Akteuren <strong>und</strong> Expertinnen auf Stärken<strong>und</strong> Schwächen des Südtiroler Bildungssystems <strong>ein</strong>gegangenworden.


38 Übergangsphase Ausbildung-Beruf: südtirolspezifische Vertiefungen7 Übergangsphase Ausbildung-Beruf:südtirolspezifische VertiefungenNachdem in den vorhergehenden Abschnitten <strong>ein</strong>ige allgem<strong>ein</strong>eErkenntnisse der Übergangsforschung benannt <strong>und</strong> der SüdtirolerAusbildungsrahmen skizziert wurde, sollen <strong>ein</strong>ige <strong>Aspekte</strong> desÜbergangssystems herausgegriffen <strong>und</strong> vertieft werden.7.1 Berufswahl <strong>und</strong> Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innenMit dem Abschluss der Pflichtschule – in der Regel im Altern von15 Jahren – beginnt für fast <strong>ein</strong> Drittel <strong>ein</strong>es Jahrgangs in Südtiroldie Vorentscheidung für <strong>ein</strong>en Beruf oder zumindest <strong>ein</strong>en Berufsbereich.Die Zahl der Lehrlinge <strong>und</strong> Lehrverträge hat im Zeitraum2000-2010 allerdings um <strong>ein</strong> Viertel abgenommen. 11 Etwas mehrals zwei Drittel <strong>ein</strong>es Jahrgangs 12 setzen den Schulbesuch in derOberschule fort, wobei sie zwischen eher allgem<strong>ein</strong>bildendenSchultypen <strong>und</strong> praxisorientierten Schultypen entscheiden können.Die konkrete Berufswahl wird damit auf <strong>ein</strong>en Zeitpunkt nachder Matura verschoben. Damit wird die spätere Berufswahl <strong>ein</strong>erseits<strong>ein</strong>geengt, anderseits aber noch <strong>ein</strong>mal nach hinten verschoben,vor allem im Fall <strong>ein</strong>es Hochschulstudiums.Der Einstieg ins Berufsleben hängt wesentlich von der für den Einzelnenstimmigen Entscheidung für <strong>ein</strong>en Ausbildungsweg ab. ImRahmen der dualen Berufsausbildung mit s<strong>ein</strong>en meist klar definiertenBerufsbildern ist damit schon in der Pubertät <strong>ein</strong>e relativfrühe Festlegung auf <strong>ein</strong>en Beruf erforderlich.Die Entscheidung für den Besuch <strong>ein</strong>er Berufsfachschule führtmeistens zu <strong>ein</strong>em erfolgreichen Einstieg in die Berufswelt. R<strong>und</strong>drei von vier jugendlichen Abgängern <strong>ein</strong>er Berufsfachschule sindin <strong>ein</strong>em Beruf tätig, welcher ihrer beruflichen Ausbildung entspricht(<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr.4/2012, 6). Dabei gibt es allerdingsdeutliche Unterschiede zwischen den <strong>ein</strong>zelnen Berufsfachschulen.Zudem muss unterschieden werden zwischen Berufen, die nurmit <strong>ein</strong>er fachlichen Spezialisierung <strong>und</strong> <strong>ein</strong>em entsprechenden1112Vgl. <strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 8/2012. Ende 2009 wurden in Südtirol durchschnittlich 4 600 Beschäftigtemit <strong>ein</strong>em Lehrvertrag gezählt. Im Vergleich zu 1999 hat die Zahl der Lehrlinge damitum 19% abgenommen, das entspricht <strong>ein</strong>er durchschnittlichen jährlichen Abnahme von 2%. Aufdie quantitative Entwicklung bei Lehrlingen <strong>und</strong> jungen Erwerbstätigen wird im Abschnitt 2 näher<strong>ein</strong>gegangen.2009/10 besuchten 8.900 <strong>Jugend</strong>liche <strong>ein</strong>e Berufsschule (3.571 die duale Berufsschule <strong>und</strong>5.339 Vollzeitkurse) <strong>und</strong> 19.829 <strong>ein</strong>e Oberschule. 11.800 Südtiroler waren in <strong>ein</strong>e Hochschule<strong>ein</strong>geschrieben. Vgl. ASTAT, Bildung in Zahlen 2009/10, Bozen 2011


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 39Abschluss bzw. Berufsbefähigungsdiplom ausgeübt werden können<strong>und</strong> jenen Berufen, die von Abgängern verschiedenster Berufsfachschulenausgeübt werden können.Welche sind die wichtigsten Faktoren für <strong>ein</strong>e reflektierte Berufswahl?In mehr als 50% der Fälle erfolge die erste Berufswahl aufgr<strong>und</strong><strong>ein</strong>es zu geringen Informationsstands <strong>und</strong> unter starkemEinfluss der Eltern <strong>und</strong> peergroup (Beggiato, 2004, 167). Im Vordergr<strong>und</strong>steht dabei oft das schnelle Erreichen <strong>ein</strong>es Berufsabschlussesgekoppelt mit der Möglichkeit des Geldverdienens. Vorallem der Sektor Handel <strong>und</strong> Büro würde oft gewählt, wenn k<strong>ein</strong>eklaren Berufswünsche vorliegen. Relevant sind zudem auch Schulmüdigkeit,Schulunlust <strong>und</strong> negative Schulerfahrungen. So sammeltsich z.B. in den Lehrberufen des Handels <strong>ein</strong>e Personengruppe,deren erste Berufswahlentscheidung als eher problematischanzusehen ist.Die Berufsberatung sch<strong>ein</strong>t in dieser Phase der Entscheidung für<strong>ein</strong>en Lehrberuf <strong>ein</strong>e eher geringe Rolle zu spielen: nur <strong>ein</strong> Drittelder Lehrlinge <strong>und</strong> Lehrmädchen haben sie überhaupt in Anspruchgenommen, doch die meisten messen ihr k<strong>ein</strong>e Bedeutung zu:„Von jenen, die <strong>ein</strong>e Berufsberatung in Anspruch genommen haben,sind insgesamt 62% der M<strong>ein</strong>ung, diese sei "nicht nützlich"bzw. "eher nicht nützlich" gewesen. Diese Bewertung wird ohne signifikanteUnterschiede in allen Lehrberufssektoren gegeben“(Abt. Deutsche <strong>und</strong> ladinische Berufsbildung, BELIS, 40).Ein wichtiger Indikator für <strong>ein</strong>e gut getroffene Berufswahl ist dieZufriedenheit am <strong>Arbeit</strong>splatz, die sich in der Verweildauer imLehrbetrieb nach Abschluss der Lehre widerspiegelt. Diese beträgtin Südtirol durchschnittlich 2,5 Jahre (Beggiato, 2004, 176). 4-5Jahre nach Abschluss der Lehre sind 40% der Südtiroler Absolventen/innen<strong>ein</strong>er dualen Ausbildung nicht mehr im Ausbildungsberuftätig (Beggiato, 2004, 175). Der Berufswechsel ist als <strong>ein</strong> sehrmarkantes Ereignis in der Übergangsphase zu werten, doch istauch in Deutschland <strong>und</strong> Österreich die Zahl der Berufswechslerhoch – mit deutlichen Unterschieden zwischen den Lehrberufssektoren.Nach 5 Jahren – so Beggiato – stellt sich die Situation folgendermaßendar:<strong>ein</strong> Viertel ist im Ausbildungsberuf <strong>und</strong> Ausbildungsbetriebverblieben<strong>ein</strong> Viertel ist im Ausbildungsberuf, aber nicht mehr im Ausbildungsbetrieb<strong>ein</strong> Fünftel arbeitet nicht mehr im erlernten Beruf1/10 besucht <strong>ein</strong>e neue Ausbildung.


40 Berufswahl <strong>und</strong> Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innenIn Südtirol sind die Beweggründe des Berufswechsels von Lehrabsolventen2008 breit untersucht worden (Deutsche <strong>und</strong> ladinischeBerufsbildung, BELIS). Schon vor zehn Jahren hat zudem apollisdie problematischen Bildungsverläufe an allen Schultypen Südtirolsanalysiert (apollis 2002). Eine Problemgruppe bilden jedenfallsnoch heute <strong>Jugend</strong>liche, die das Berufsleben ohne abgeschlosseneAusbildung in gering qualifizierten <strong>Arbeit</strong>spositionen beginnen(r<strong>und</strong> 5% <strong>ein</strong>es Jahrgangs). Dabei kann ausgeschlossen werden,dass <strong>Jugend</strong>liche als Lebensentwurf von vornher<strong>ein</strong> auf <strong>ein</strong>e Berufsausbildungverzichten. Die Ausbildungsabsicht besteht immer,gleich aus welchen sozialen Verhältnissen man stammt. Berufsverweildauer<strong>und</strong> Berufswechsel, aber auch Ausbildungsabbruch <strong>und</strong>Schulverweigerung sind damit Themen, die im empirischen Teilder vorliegenden <strong>Arbeit</strong> (Expertengespräche) aufgegriffen wurden,zumal sie den Humus für spätere Problemgruppen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarktdarstellen <strong>und</strong> Ansätze gefordert sind, frühzeitig <strong>Arbeit</strong>slosigkeitvorzubeugen.7.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede beimÜbergang ins ErwerbslebenIn der Übergangsphase von der Kindheit ins Erwachsenenalter<strong>und</strong> damit ins Erwerbsleben tritt nach wie vor <strong>ein</strong>e deutliche Ungleichheitzwischen den geschlechtern zu Tage: „Obwohl jungeFrauen höhere Bildungsniveaus <strong>und</strong> oft bessere Qualifikationen<strong>und</strong> damit berufliche Startchancen vor allem im Dienstleistungsbereichhaben, werden sie durch <strong>ein</strong>en hohen Anteil an Teilzeiterwerbstätigkeit,niedriges Einkommen <strong>und</strong> geringere Partizipationan Höherqualifizierung strukturell benachteiligt. Auch wenn die Lebensperspektivender Geschlechter in Bezug auf Bildung <strong>und</strong> Berufsich angenähert haben, so müssen junge Frauen durch bessereQualifikation <strong>und</strong> besondere Leistungsbereitschaft ihre im Vergleichzu den männlichen Altersgenossen ungünstigeren Chancenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt ausgleichen“ (vgl. Münchmeier, Richard:Kindheit <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> im Wandel. In: <strong>Arbeit</strong>sgem<strong>ein</strong>schaft <strong>Jugend</strong>hilfe(Hrsg.): Übergänge – Kinder- <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>hilfe in Deutschland.Berlin 2009, S. 57–72, 2009; zitiert von H<strong>ein</strong>z, 2011, 20).Zentrale Eckdaten r<strong>und</strong> um Ausbildung <strong>und</strong> Berufswahl unterscheidensich auch in Südtirol nach Geschlecht, wobei diesbezüglichin den letzten Jahren auch starke Veränderungen zu verzeichnensind. In schulischer Hinsicht haben die Mädchen die Buben inSüdtirol überholt <strong>und</strong> erreichen überdurchschnittlich oft <strong>ein</strong>en Abschlussan <strong>ein</strong>er Ober- <strong>und</strong> Hochschule. Mädchen wählen in geringeremAusmaß <strong>ein</strong>e berufliche Fachausbildung <strong>und</strong> beschränken


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 41sich dabei auf <strong>ein</strong>en relativ engeren Ausschnitt der Ausbildungswege.13Mädchen schließen die Oberschule <strong>und</strong> Hochschule in höhererZahl ab als Männer. Der Anteil der Oberschulabsolventinnen amjeweiligen Gesamtjahrgang beträgt bei den Mädchen 70,9%(2006), bei Buben 48,2% (ASTAT 2007, 128-129). Im Schuljahr2009/10 bestanden 1.962 Mädchen <strong>und</strong> 1.400 Buben die Maturaprüfung.Allerdings konzentrieren sich die Mädchen stark auf dieOberschulen mit sprachlichem, pädagogischem <strong>und</strong> sozialemSchwerpunkt (ASTAT 2012, 66).Ausgehend von dieser Verteilung auf Oberschulen bzw. Berufsschulenkann es nicht w<strong>und</strong>ern, dass Frauen sowohl bei den <strong>ein</strong>geschriebenenStudierenden wie bei den Absolventen an denHochschulen überwiegen. Die Übertrittsquote an die Universitätlag 2009 bei den Frauen mit 66,8% deutlich höher als bei den Männern(58,1%). Ein Drittel der Frauenjahrgänge (34,3%) belegt <strong>ein</strong>Hochschulstudium, nur <strong>ein</strong> Viertel des gleichen Jahrgangs derMänner (25,5%). 37,3% der Frauen, die am 31.12.2009 25 Jahre altwaren, hatten <strong>ein</strong> Uni-Studium absolviert, während dies nur für23% der Männer gilt (ASTAT 2012, 66). Frauen bestehen zudemauch in höherem Ausmaß die Zweisprachigkeitsprüfungen(ASTAT 2008, 32). In den Berufsschulen hingegen stellen die Bubenseit vielen Jahren mehr als doppelt so viele Schüler als dieMädchen (ASTAT 2006, 133-135).Immer wieder wird von Verbänden <strong>und</strong> Handelskammer der Technikermangelmit der <strong>ein</strong>seitigen Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufswahl derMädchen in Zusammenhang gebracht. Im Zuge des wachsendenTechnologie<strong>ein</strong>satzes wären gr<strong>und</strong>legende Technikkenntnisse sowi<strong>ein</strong>formatische Kompetenz in allen Ausbildungsrichtungen <strong>ein</strong>zubauen:„Dazu kommt, dass technische Ausbildungswege fastausschließlich von der männlichen Bevölkerung gewählt werden.Es wäre demnach wichtig, Mädchen dafür zu sensibilisieren, <strong>ein</strong>ekompetenzorientierte Berufswahl zu treffen <strong>und</strong> sich nicht von dengängigen Rollenbildern be<strong>ein</strong>flussen zu lassen“ (WIFO, 2010, 35).Der durchschnittlich höhere formale Bildungsgrad der Frauen führt– im Vergleich zu den Männern – nicht zu <strong>ein</strong>er gleich starken Präsenzam <strong>Arbeit</strong>smarkt. In den zentralen Indikatoren der Beteiligung13In allen Ländern mit dualer Berufsausbildung kann beobachtet werden, dass Lehrmädchen sichauf <strong>ein</strong> relativ enges Spektrum an meist traditionelle Lehrberufe konzentrieren. In Südtirol wählten90% der Lehrabsolventinnen die 10 beliebtesten "Frauenberufe"; zudem waren 70% der Absolventinnen<strong>ein</strong>er dualen Lehrausbildung in Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten tätig(Vgl. Matthias Beggiato, Berufswahl <strong>und</strong> Berufsverlauf Südtiroler LehrabsolventInnen, Fakultätfür Psychologie, Universität Wien 2004).


42 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Übergang ins Erwerbslebenam Erwerbsleben – der Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –liegen Frauen in allen Altersklassen deutlich hinter den Männern.Nur in der Altersklasse 20-29 verringert sich der Abstand in der Erwerbstätigkeitzwischen Männern <strong>und</strong> Frauen auf 9 Prozentpunkte.Frauen sind im öffentlichen Sektor (Anteil an den Gesamtbeschäftigten:68%) <strong>und</strong> im Gastgewerbe (Anteil an den Gesamtbeschäftigten:58%) überdurchschnittlich beschäftigt, im Handel etwagleich auf (48%). Im öffentlichen Sektor, im Gastgewerbe <strong>und</strong> imHaushaltssektor sowie bei den „Anderen Dienstleistungen“ hat esvon 2000 bis 2011 den höchsten Zuwachs an beschäftigten Frauengegeben. 2011 hatten Frauen <strong>ein</strong>e höhere <strong>Arbeit</strong>slosenquote alsMänner zu verzeichnen (3,8% gegenüber 3%), wobei die <strong>Arbeit</strong>slosenquotebei 15-24-Jährigen bei 7,8 <strong>und</strong> bei 25-39-jährigen Frauenbei 3,6% lag.Die verbesserten Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Elternkarenzrechte<strong>und</strong> der Ausbau der Teilzeitbeschäftigung hat es Frauen mitFamilie zwar erleichtert, die Babypausen zu verkürzen <strong>und</strong> relativrasch wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Andererseits kündigenin Südtirol jährlich 600-700 junge Mütter innerhalb des erstenLebensjahrs ihres Kindes das <strong>Arbeit</strong>sverhältnis (Beobachtungsstellefür den <strong>Arbeit</strong>smarkt, <strong>Arbeit</strong>smarktbericht 2012, 160). 37,7% derin Südtirol beschäftigten Frauen sind teilzeitbeschäftigt, aber nur5% der Männer. Nicht zuletzt aus diesem Gr<strong>und</strong> hat die SüdtirolerLandesregierung die Förderung der Beteiligung der Frauen am <strong>Arbeit</strong>smarktdurch die Unterstützung der Ver<strong>ein</strong>barkeit <strong>und</strong> derRückkehr ins Berufsleben nach der Mutterschaft auf ihre arbeitsmarktpolitischeAgenda gesetzt (Autonome Provinz Bozen, Abteilung<strong>Arbeit</strong>, Mehrjahresplan für Beschäftigung 2007-2013, 2008).Die geschlechtsspezifischen <strong>Aspekte</strong> des Übergangs in den <strong>Arbeit</strong>smarktersch<strong>ein</strong>en vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Zahlen <strong>ein</strong> lohnendesThema für weitere empirische Untersuchungen sowie fürdas Gespräch mit den verschiedenen Akteuren/innen im empirischenTeil dieser Untersuchung.7.3 Braucht Südtirol mehr Akademiker?Südtirols Hochschulabsolventenquote an den 30-34-Jährigen liegt2012 mit 18,1% immer noch deutlich hinter jener Österreichs(23,5%), Deutschlands (29,8%) <strong>und</strong> der EU insgesamt (33,6%) imJahr 2012. 14 Obwohl Südtirol in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehntenbeträchtlich aufgeholt hat (Akademikerquote insgesamt1991: 3,2%; 2001: 5,0%, 2011: r<strong>und</strong> 7%), wird die Zahl der akademischQualifizierten immer wieder als zu gering bezeichnet. Aus14vgl. ASTAT, Indikatoren Europa 2020, auf: www.provinz.bz.it/ASTAT, letzter Zugriff 20.1.2013


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 43dem wirtschaftlichen Strukturwandel ergeben sich wachsendeQualifikationsanforderungen an die <strong>Arbeit</strong>skräfte, welchen in Formvon Hochschulstudien sowie parauniversitäre, mehrjährige Studiengängeentsprochen werden kann. Nicht nur bei den Lehramtsberufen<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsberufen hat <strong>ein</strong> Qualifikationsschub stattgef<strong>und</strong>en,auch verschiedene Unternehmensbranchen haben sichin Produktionsverfahren <strong>und</strong> Vermarktungsprozessen weiterentwickelt.Für Tätigkeiten in der Industrie <strong>und</strong> in qualifizierten privatenDienstleistungen ist tendenziell <strong>ein</strong>e höhere Gr<strong>und</strong>ausbildung,tiefere Spezialisierung <strong>und</strong> permanente Weiterbildung erforderlich(WIFO 2010, 7-9).Ein Mangel an Fachkräften im Bereich der mittleren <strong>und</strong> höherentechnischen Berufe wird durch die EXCELSIOR-Erhebungen verzeichnet(Unioncamere 2010): es fehlen Ingenieure, Informatiker,Ärzte, andererseits aber auch Facharbeiter <strong>und</strong> Berufe im mittlerenManagement. Der Qualifikationsschub spielt sich auch innerhalbder Berufe ab: in <strong>ein</strong>igen Berufsbereichen sind die Anforderungenderart gestiegen, dass <strong>ein</strong> Hochschulstudium unverzichtbar gewordenist, wie z.B. in der frühkindlichen Erziehung <strong>und</strong> in derKrankenpflege.Dieser Tendenz zur Höherqualifizierung kann man zum Teil durch<strong>ein</strong>e verstärkte Förderung der Allgem<strong>ein</strong>bildung <strong>und</strong> verbesserteBerufsbildung (Vollzeitkurse mit höherem Theorieanteil) gerechtwerden, zum anderen Teil durch höhere Maturanten- <strong>und</strong> Akademikerquoten.Wenn die Südtiroler Unternehmen das hoch qualifizierte Personalnicht im Land finden, holen sie es aus dem restlichen Italien oderaus dem Ausland. Andererseits stehen den Südtiroler Hochschulabsolventennach Abschluss ihres Studiums <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Karrierechancenim gesamten EU-<strong>Arbeit</strong>smarkt offen. Heute wandernauswärtige Akademiker nach Südtirol zu, <strong>und</strong> je nach Studienfach<strong>und</strong> Präferenzen wandern Südtiroler Akademiker ab, vor allemnach Italien <strong>und</strong> ins deutschsprachige Ausland. Das ASTAT hat in<strong>ein</strong>em Kooperationsprojekt mit dem <strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> 2008 die Zukunftsperspektivenvon Jungakademikern in Südtirol erforscht, um den wesentlichenKausalfaktoren für den beobachtbaren „brain drain“ ausSüdtirol auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen (ASTAT 2009b).Im Unterschied zu Italien gilt aber für die in Südtirol ansässigen Erwerbstätigen,dass Hochschulabsolventen <strong>ein</strong>e geringere <strong>Arbeit</strong>slosigkeitaufweisen, <strong>und</strong> <strong>ein</strong> höherer Bildungsgrad die Suche nach<strong>ein</strong>em <strong>Arbeit</strong>splatz verkürzt (<strong>Arbeit</strong>smarktbericht 2012, 140). Wieverschiedene Studien nachweisen, sind allgem<strong>ein</strong> Hochschulabsolventenhäufiger <strong>und</strong> länger erwerbstätig, erzielen <strong>ein</strong> durchschnittlichhöheres Einkommen als die Absolventen anderer Quali-


44 Braucht Südtirol mehr Akademiker?fikationen, auch wenn die Einkommensdifferenzen zu Nicht-Akademikernschrumpfen (<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> 2006). Zudem wird die jüngere Generationbefähigt, besser in <strong>ein</strong>er komplexeren Welt zu bestehen, an<strong>ein</strong>em weltoffenen Kulturleben teilzuhaben <strong>und</strong> <strong>und</strong> besser ihrepolitischen Rechte wahrzunehmen (Atz/Schnock, 2008, 9). Allerdingskommt es ganz wesentlich darauf an, den Hochschulbesuchso zu steuern, dass der regionale Bedarf berücksichtigt wird. Steigende<strong>Arbeit</strong>slosigkeit unter Italiens Hochschulabsolventen/innenist auch auf <strong>ein</strong>en erheblichen mismatch bei den von Maturantengewählten <strong>und</strong> absolvierten Fachrichtungen <strong>und</strong> den vom <strong>Arbeit</strong>smarktnachgefragten Qualifikationen zurückzuführen. 15 Früher fandengut 70% der Südtiroler Akademiker im öffentlichen Dienst<strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>. Im Kontext stagnierender öffentlicher Finanzen müssendiese Erwartungen wohl zurück geschraubt werden. Es stelltsich auch die Frage, wie viele Akademiker/innen die kl<strong>ein</strong>strukturierteSüdtiroler Unternehmenslandschaft aufnehmen kann. Ausden genannten Gründen schien es von Interesse, die Thematik mitden Akteuren im Zuge des empirischen teils der Untersuchung zuvertiefen.7.4 RisikogruppenDer Übergang von der Ausbildung in den Beruf bringt ganz allgem<strong>ein</strong>eReibungsprobleme: „Mangelnde professionelle Reife, diehohen Ansprüche an das Berufsleben <strong>und</strong> fehlende Erfahrung führendazu, das <strong>ein</strong> Teil der jungen Leute beim Berufs<strong>ein</strong>stieg mitSchwierigkeiten zu kämpfen hat“ (<strong>Arbeit</strong>smarkt-News, Nr.12/2011,2). Die <strong>Arbeit</strong>slosenrate der 15-29-Jährigen liegt – auch deshalb –permanent höher als jene der über 29-Jährigen, wobei vor allem<strong>Jugend</strong>liche unter 25 Jahren strukturell öfter arbeitslos sind, wasaber <strong>ein</strong> gesamteuropäisches Phänomen darstellt: auf europäischerEbene ist die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit (15-24 Jahre) durchschnittlichdoppelt so hoch wie die Gesamtarbeitslosigkeit, in Italiennoch höher (<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 12/2011, 2, siehe auch Abschnitt5.1).Innerhalb der Altersgruppe der 15-29-Jährigen lassen sich <strong>ein</strong>zelneGruppen ausmachen, die als Risikogruppen bezeichnet werdenkönnen. Sie treffen <strong>Jugend</strong>liche, die die Schule <strong>und</strong>/oder Ausbildungabgebrochen haben, <strong>Jugend</strong>liche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<strong>Jugend</strong>liche mit Lernschwierigkeiten, aber auch jene <strong>Jugend</strong>lichen,die <strong>ein</strong>e Berufstätigkeit anstreben, in welchen <strong>ein</strong> relativ ho-15Vgl. AlmaLaurea, 12° rapporto sulla condizione dei laureati, zitiert von Giulio Benedetti, Più disoccupatitra i laureati e gli stipendi sono leggeri, Corriere della Sera, 18.3.2010


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 45hes Angebot <strong>und</strong> somit viele Wettbewerber um knappe <strong>Arbeit</strong>splätzevorliegt. 167.4.1 <strong>Jugend</strong>liche aus bildungsfernen SchichtenAtz <strong>und</strong> Schnock analysieren in ihrer Studie „Soziale Herkunft <strong>und</strong>Bildungsweg“ wesentliche Faktoren, die die Bildungswege <strong>und</strong>Chancengleichheit der <strong>Jugend</strong>lichen in Südtirol mitbestimmen(Atz/Schnock, 2008). Zum <strong>ein</strong>en erwies sich die schulische Leistungals stärkster Einzelfaktor für Bildungswegentscheidungen,zum anderen kommt der Schichtzugehörigkeit großes Gewicht zu(Atz/Schnock, 2008, 101). Der bekannte Zusammenhang vonSchulleistungen <strong>und</strong> sozialer Herkunft lässt sich dabei auch fürSüdtirol nachweisen. Kinder aus höheren Bildungsschichten erbringenbessere Schulleistungen <strong>und</strong> wählen anspruchsvollere Bildungswege,Kinder aus bildungsfernen Schichten mit entsprechendgeringerer Förderung wählen weniger qualifizierte Bildungswege.Bildungsressourcen <strong>und</strong> finanzielle Mittel haben trotz öffentlichem,praktisch kostenlosem Bildungssystem noch <strong>ein</strong>e deutlichenEinfluss auf die Bildungswahl (Atz/Schnock, 2008, 102).Dies all<strong>ein</strong> führt jedoch noch nicht zur „Benachteiligung“ bei derBerufswahl <strong>und</strong> auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt. Auch die meisten über dieBerufsschule erreichbaren Berufe in Handel, Gastgewerbe, Handwerk<strong>und</strong> in den sonstigen Dienstleistungen genießen in Südtirol<strong>ein</strong>e lange Tradition <strong>und</strong> Wertschätzung, zum Teil gute Einkommenschancen<strong>und</strong> ausreichende <strong>Arbeit</strong>splatzsicherheit. „Dies giltauch für <strong>Jugend</strong>liche, die aus <strong>ein</strong>er Oberschule wechseln <strong>und</strong> sichfür <strong>ein</strong>en berufspraktischen Bildungsweg entscheiden <strong>und</strong> hinterhermit ihrem Wechsel zu <strong>ein</strong>er Lehre sehr zufrieden sind“(Atz/Schnock, 2008, 103).7.4.2 Schul- <strong>und</strong> AusbildungsabbrecherDer Abbruch <strong>ein</strong>er schulischen Ausbildung ebenso wie die Wiederholungdes Schuljahres im Gefolge <strong>ein</strong>es Schulwechsels stellenin mehrfacher Hinsicht <strong>ein</strong> unerwünschtes Ereignis dar, das esnach Möglichkeit zu verhindern gilt (APOLLIS 2002, sowieAtz/Schnock, 2008). Zum <strong>ein</strong>en bedeutet es <strong>ein</strong>e gesellschaftlicheFehlinvestition, welche die Ausbildungszeiten unnötig verlängert16Die Dynamik des Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsabbruchs wird für Italien allgem<strong>ein</strong> beleuchtetet vomISFOL, Le dinamiche della dispersione formativa: dall’analisi dei percorsi di rischio alla riattivazionedelle reti di supporto, Collana Isfol Occasional Paper n.5 - nov. 2012, 16-19; sowie speziell fürSüdtirol von Atz, Hermann / Schnock, Brigitte (2002): ASSIST - Problematische Bildungsverläufean Südtirols Mittel- <strong>und</strong> Ober- <strong>und</strong> Berufsschulen. Illustrierter Endbericht an den Auftraggeber,apollis, Bozen.


46 Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsabbrecher<strong>und</strong> die Kosten des Bildungssystems erhöht. Zum anderen bestehtdie Gefahr, dass es von den Betroffenen als Versagen erlebt wird,was nicht nur <strong>ein</strong>e psychische Belastung darstellt, sondern sichauf die weitere berufliche Karriere negativ auswirken kann. Trotzdemhaben Abbrecher/innen von Oberschulen relativ gute Chancen,entweder <strong>ein</strong>e Lehrstelle zu finden oder als Vollzeitschüler/in<strong>ein</strong>e berufspraktische Ausbildung zu beginnen. Gravierender istdie Situation beim Abbruch <strong>ein</strong>er Lehre oder beim vorzeitigenAustritt aus <strong>ein</strong>er Berufsschule, denn nicht selten bedeutet diesdas Ende der beruflichen Ausbildung überhaupt. Die betreffenden<strong>Jugend</strong>lichen fallen dann als ungelernte oder angelernte <strong>Arbeit</strong>skräft<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>e Risikogruppe des modernen <strong>Arbeit</strong>smarktes. Es bestehtdie Gefahr, dass sie nicht nur mangels beruflicher Qualifikation,sondern auch mangels Flexibilität <strong>und</strong> Lernerfahrung tendenziellzu schwer vermittelbaren <strong>Arbeit</strong>suchenden werden, denn r<strong>ein</strong>eHilfskräfte werden am <strong>Arbeit</strong>smarkt kaum benötigt bzw. zu wenigattraktiven <strong>Arbeit</strong>sbedingungen beschäftigt (Atz/Schnock, 2008,12-15).In jedem Fall kann das Herausfallen aus dem beruflichen oderschulischen Ausbildungsweg sowohl für die Betroffenen als auchfür die Allgem<strong>ein</strong>heit schwerwiegende negative Auswirkungen zeitigen<strong>und</strong> sollte, so weit irgend möglich, vermieden werden. Es istdeshalb vordringlich zu verstehen, aus welchen Gründen Ausbildungsabbrücheoder <strong>ein</strong> schneidende Wechsel im Ausbildungswegstattfinden.In Südtirol erreichen ca. 300 <strong>Jugend</strong>liche pro Jahr k<strong>ein</strong>en beruflichenoder schulischen Abschluss, was 5% <strong>ein</strong>es Jahrgangs entspricht(Atz/Schnock, 2008, 69-73). Diese Entscheidung hängt starkmit den schulischen Leistungen zusammen, denn <strong>Jugend</strong>liche, diezwei oder mehr Klassen wiederholen mussten, bleiben zu 50% unqualifiziert,schließen also weder <strong>ein</strong>e Ober- noch <strong>ein</strong>e Berufsschuleab.7.4.3 Ausländische <strong>Jugend</strong>liche alsRisikogruppe?Mit der zunehmenden Zahl an ausländischen <strong>Jugend</strong>lichen, diedas Südtiroler Bildungssystem durchlaufen, könnte sich <strong>ein</strong>eGruppe herausbilden, die – wie in anderen Ländern – besondereProbleme beim Übergang von der Schule in den Beruf zu bewältigenhat. 17 Im vergangenen Jahrzehnt hat die Zahl der ausländi-17Besonders Augenmerk widmet man diesem Aspekt in Österreich, das schon länger die Integrati -on der zweiten Generation von Ausländern (jugendlicher Migrant/innen) in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zubewältigen hat. Vgl. <strong>Arbeit</strong>smarktservice Österreich (Heckl/Dorr/Dörflinger/Enichlmair), <strong>Arbeit</strong>smarktintegrationjugendlicher Problemgruppen, AMS-Report 79, Wien 2011, S.17-30


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 47schen Schüler/innen im Südtiroler Schulsystem stark zugenommen,<strong>ein</strong> Trend, der sich bis 2015 unvermindert fortsetzen wird(ASTAT 2011, 52). Die Zahl der Ausländer im Alter zwischen 3 <strong>und</strong>18 Jahren wird sich von 2010 bis 2015 um über 50% erhöhen. DieserAnstieg wird alle Altersklassen gleichermaßen treffen <strong>und</strong> sichsomit auf sämtliche Schulstufen <strong>ein</strong>schließlich der Berufsschuleauswirken. Ausländerkinder verteilen sich allerdings ungleich aufdas Südtiroler Schulsystem: im Schuljahr 2009/10 waren 18,3%der Schüler italienischer Schulen Ausländer, während der Ausländeranteilbei den Schülern der deutsch/ladinischen Schulen unter5% lag. Bereits heute wird die italienischsprachige Berufsschule zu37% von Ausländern besucht. 18In den Jahren 2006-2010 ist die Zahl der ausländischen <strong>Jugend</strong>lichenan den Südtiroler Berufsschulen in dualer Ausbildung von132 auf 184 angestiegen. Ausländer sind jedoch stärker in denVollzeitkursen der Berufsschulen zu finden. „Dieser Unterschied istwahrsch<strong>ein</strong>lich auf <strong>ein</strong>e Reihe von Motiven zurückzuführen, darunterauch die Notwendigkeit, <strong>ein</strong>en Lehrvertrag mit <strong>ein</strong>em Betriebabschließen zu müssen, was vermutlich für die Ausländer <strong>ein</strong>egrößere Schwierigkeit darstellt. Ein weiterer Gr<strong>und</strong> muss hingegenin dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung gesucht werden,der sie zum Erwerb <strong>ein</strong>es Studientitels anspornt.“ 19In jüngster Zeit streben Südtiroler <strong>Jugend</strong>liche auch aufgr<strong>und</strong> derReform des Oberschulsystems weniger in Lehrberufe. Immermehr Lehrstellen bleiben unbesetzt. 20 Es sollte untersucht werden,wie das Lehrstellenangebot nach Qualifikation, geografischer Verteilung,sprachlichen Erfordernissen beschaffen ist, um zu prüfen,ob in zunehmenden Maße ausländische <strong>Jugend</strong>liche diese Lückenfüllen könnten. In Österreich ist festgestellt worden, dass <strong>Jugend</strong>lichemit Migrationshintergr<strong>und</strong> bei den Lehrlingen unterrepräsentiertsind. Sie besetzen dagegen den Großteil der überbetrieblichenAusbildungsplätze. Es steht zu vermuten, dass <strong>ein</strong>e ähnliche181920Vgl. ASTAT, Bildung in Zahlen 2011/12, S. 74; nur 4,3% der Schüler der deutschsprachigen Berufsschulesind Ausländer.Vgl. STEP/Sinodè, Die Wirksamkeit der Bildungsmaßnahmen für junge Ausländer in der Autono -men Provinz Bozen, Vicenza 2011, S. 35; „Die hohe Zahl von Ausländern auf den höheren Bildungsstufenwird auch durch die Daten über die ESF-finanzierten Kurse bestätigt ( …). In derAut. Provinz Bozen gibt es nicht nur Einwanderer, die sich mit gering qualifizierten <strong>Arbeit</strong>en ohneAusbildungsprofil zufrieden geben. Vielmehr ist das Streben nach beruflicher Qualifizierung <strong>und</strong>die Suche nach Möglichkeiten zur Eingliederung in die <strong>Arbeit</strong>swelt immer mehr verbreitet“(S.42)Vgl. ASTAT (2012), <strong>Arbeit</strong>smarktbericht 2010, Tab. 1.9 „Abhängige Beschäftigungsverhältniss<strong>ein</strong> der Altersgruppe 14-19 Jahre", S.31


48 Ausländische <strong>Jugend</strong>liche als Risikogruppe?Entwicklung auch in Südtirol <strong>ein</strong>treten wird. Diese Thematik wurdeaus den genannten Gründen auch in den Experteninterviews aufgegriffen.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 498 <strong>Arbeit</strong>smarktpolitische Maßnahmen für <strong>Jugend</strong>lich<strong>ein</strong> den NachbarregionenIn diesem Abschnitt geht es um die kurz gefasste Vorstellung von<strong>Jugend</strong>beschäftigungsmaßnahmen in den drei Nachbarregionen(bzw. Provinz <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esland) Tirol, Trient <strong>und</strong> Venetien. In alldiesen Regionen sind beispielgebende Maßnahmen zur Förderungder <strong>Jugend</strong>beschäftigung <strong>und</strong> zur Bekämpfung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeiterfasst worden, die mit beträchtlichem Mittel<strong>ein</strong>satz <strong>und</strong>teilweise bemerkenswertem Erfolg seit Jahren umgesetzt werden.Obwohl sich die Maßnahmen auf Regionen mit teilweise verschiedenenrechtlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beziehen,die nicht immer 1:1 auf Südtirol übertragbar sind, könnensie vor allem bei <strong>ein</strong>er Zunahme der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit auchfür Südtirol in Betracht gezogen werden. Dabei muss die vorliegenden<strong>Arbeit</strong> <strong>ein</strong>e Bewertung der Wirksamkeit schuldig bleiben.8.1 B<strong>und</strong>esland Tirol8.1.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarktDie <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit liegt im B<strong>und</strong>esland Tirol zwar unterdem gesamtösterreichischen Durchschnitt, hat aber im vergangenenJahrzehnt zugenommen. Betroffen sind vor allem gering qualifizierte<strong>Jugend</strong>liche, Menschen mit besonderen Vermittlungshindernissen<strong>und</strong> Ausländer.2000 2001 2002 2003 2004Österreich 5,8 6,1 6,9 7 7,1Österreich15-245,2 5,9 7 7,4 7,2Tirol 4,9 5,1 5,3 5,4 5,6Tirol 15-24 4,4 4,9 5,4 5,5 5,72005 2006 2007 2008 2009Österreich 7,3 6,8 6,2 5,8 7,2Österreich15-247,7 7 6,4 6,2 7,9Tirol 5,8 5,5 5,3 5,2 6,3Tirol 15-24 6 5,5 5,2 5,1 6,5Tabelle 5: Entwicklung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Österreich<strong>und</strong> Tirol 2000-2009. Quelle: EQUI-OHS, Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen <strong>und</strong> Förderungenin Tirol, Wien 2011.


50 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarktIm November 2012 waren 4.315 <strong>Jugend</strong>liche unter 25 Jahren arbeitslosgemeldet (darunter 756 Ausländer/innen). Ihr Anteil an allen<strong>Arbeit</strong>slosen Tirols betrug 17,6%. Im Jahresdurchschnitt 2012betrug die Zahl der Eingetragenen (ohne Dezember) 3.329 Personen.Nach Geschlecht <strong>und</strong> Ausbildung verteilten sich die arbeitslosen<strong>Jugend</strong>lichen wie folgt:Frauen Männer Gesamt2012VeränderungzumVorjahr2012VeränderungzumVorjahr2012VeränderungzumVorjahrAnzahlPflichtschule 514 2 715 11 1.229 12Lehre 637 14 853 -11 1.491 3mittlere Ausbildung 176 1 95 -3 272 -2höhere Ausbildung 173 2 127 10 299 12akademische Ausbildung20 2 6 1 26 2ungeklärt 7 1 5 -2 12 -1k.A. 0 0 0 0 0 0Insgesamt 1.527 21 1.802 5 3.329 26Tabelle 6:Bestand <strong>Arbeit</strong>sloser im B<strong>und</strong>esland Tirol bis 25 Jahre,nach Ausbildung (Jahresdurchschnitt 2012, ohneDezember). Quelle: <strong>Arbeit</strong>smarkt 2012, auf: www.ams.at/arbeitsmarktdaten(Zugriff:11.12.2012)Sowohl bei den Frauen wie bei den Männern wird ersichtlich, dass<strong>ein</strong> geringerer Bildungsgrad die Risiken auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt erhöht.Auch <strong>Jugend</strong>liche mit Lehrabschluss haben erhebliche Probleme,gleich <strong>ein</strong>en ausbildungsadäquaten <strong>Arbeit</strong>splatz zu finden.Ausschlaggebend für bestehende Engpässe <strong>Jugend</strong>licher auf dem<strong>Arbeit</strong>smarkt in Österreich ist die Lage auf dem Lehrstellenmarkt.2011 gab es österreichweit im Jahresdurchschnitt 5.504 Lehrstellensuchendebei 3.650 offenen Lehrstellen. In Tirol überstieg dasgesamte Angebot an Lehrstellen die Nachfrage aber deutlich, allerdingspasst Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nicht zusammen: es gibt<strong>ein</strong>en regionalen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>en Branchen-mismatch, nicht zuletzt wegender großen Bedeutung des Tourismus in <strong>ein</strong>igen Bezirken.Während im Tourismus relativ viele offene Lehrstellen gemeldetwerden, ist der Anteil der Lehrstellensuchenden für diese Branchedeutlich niedriger. Demgegenüber suchen mehr <strong>Jugend</strong>liche <strong>ein</strong>eLehrstelle in Industrie <strong>und</strong> Gewerbe bzw. in Verwaltung <strong>und</strong> Büro,als offene Lehrstellen in diesen Bereichen vorhanden sind. Wie in


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 51Südtirol sind die touristischen Beherbergungsstrukturen nichtgleichmäßig übers Land verteilt, doch bestimmt die regionaleWirtschaftsstruktur die <strong>Arbeit</strong>smärkte <strong>und</strong> damit auch die Lehrstellenmärkte.Daneben be<strong>ein</strong>flussen neue Faktoren den Lehrstellenmarkt negativ:der Imageverlust der Lehrausbildungsplätzendie Diversifizierung des Bildungssystems (mehr Oberschüler)<strong>ein</strong>e abnehmende Ausbildungsbereitschaft der Betriebe.Eine Charakteristik des B<strong>und</strong>eslandes Tirols ist der hohe Anteilmittlerer Berufsqualifikationen mit <strong>ein</strong>er Lehranfängerquote von48,8% der 15jährigen Bevölkerung. Die duale Lehrausbildung ist inTirol somit nach wie vor sehr attraktiv. Es gibt jedoch unterschiedlicheZugänge der Betriebe zur Lehre: Betriebe mit hohem Qualifikationsanspruchzeigen <strong>ein</strong>e entsprechend höheres Engagementbezüglich Ausbildungspflicht, Betriebe, die vor allem die kostengünstigeMitarbeit schätzen, wollen die Ausbildung zum Großteilder Berufsschule überlassen. Angesichts <strong>ein</strong>es sehr heterogenenLehrstellenmarkts stellt sich die Frage, für welche Bereiche <strong>und</strong>Berufe die <strong>Jugend</strong>lichen qualifiziert werden sollen: „Einfachere Berufeerhöhen eher kurzfristige Übertrittschancen, während komplexereBerufe die längerfristige Berufskarriere begünstigen“ (EQUI-IHS, 2010, 176).8.1.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigungIn Tirol hat man auf die beschriebenen Herausforderungen vor allemmit <strong>ein</strong>er verstärkten Lehrlingsförderung reagiert. Die Eckpfeilerder arbeitsmarktpolitischen Strategie für <strong>Jugend</strong>liche, die manseit <strong>ein</strong>igen Jahren verfolgt hat, ist folgende (Österr. Institut fürWirtschaftsforschung 2006):die Lehrstellenförderung (Bezuschussung der Lehrbetriebe);die Erhöhung der Schulungsquote (Teil der <strong>Arbeit</strong>suchenden,die sich in Umschulung oder Weiterbildung befinden; mehrlangfristige Maßnahmen, weniger Einsatz von <strong>Arbeit</strong>slosen ingem<strong>ein</strong>nützigen Projekten);die Ausbildungsverlängerung (<strong>Jugend</strong>liche sollen länger inAusbildung gehalten werden, z.B. durch die Schaffung von bedürftigkeitsabhängigenStipendien).Daneben wurde zunehmend auf die Schaffung von Ausbildungsverbündengesetzt, in welchen sich mehrere Betriebe zusammenschließen, um Lehrlinge auszubilden.


52 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigungEin besonderes Angebot sind die „Produktionsschulen“ für <strong>Jugend</strong>lich<strong>ein</strong> Problemlagen (ohne Erstausbildung, Schulabbrecher),die verschiedene Formen praktischer Ausbildung inWerkstätten bieten. Ziel ist die Vermittlung der <strong>Jugend</strong>lichen inLehrbetriebe oder die Rückkehr an die Schule. Ausländische <strong>Jugend</strong>lichesollen in die Erstausbildung besser integriert werden.Der <strong>Arbeit</strong>smarktservice Tirol setzt allgem<strong>ein</strong> auf <strong>ein</strong>e gezieltereLehrstellenförderung. Im Zeitraum 2004-2010 sind über 50 Maßnahmen<strong>und</strong> finanzielle Förderungen durchgeführt worden, diesich ausschließlich an <strong>Jugend</strong>liche zwischen 15-24 Jahren richten.21 Darüber hinaus gab es 18 Berufsorientierungsangebote für<strong>Jugend</strong>liche. Die folgende Tabelle bietet <strong>ein</strong>en Überblick überMaßnahmen <strong>und</strong> den entsprechenden Finanzaufwand.Maßnahmen Anzahl FörderfälleAusgaben inEuroMittlereKostenMaßnahmen 33 2.956 16.011.396 € 5.417 €BAG (Berufsausb.Gesetz)LehrgängeQualifizierung/BerufsvorbereitungIntegrative Berufsausbildung5 701 5.174.000 € 5.417 €10 867 4.274.275 € 4.930 €5 630 2.758.719 € 4.379 €Trainingsarbeitsplätze 5 139 1.734.923 € 12.481 €Unterstützung <strong>und</strong> Coaching6 552 1.439.479 € 2.608 €Hauptschule Kurse 2 67 630.000 € 94.036 €Betriebliche Förderungen 12 11.164 13.035.297 € 1.168 €(inkl. Schätzung Wirtschaftskammerfür2010 22 )ca. 21.800 25.000.000 €Individuelle Förderungen 6 40.111 3.784.707 € 605 €SUMME 51 54.231 32.831.400 € 605 €(inkl. Schätzung WK fürFörderservice der WKfür Lehrstellen 2010)ca. 65.000 44.800.000 €Tabelle 7: <strong>Arbeit</strong>smarktpolitische <strong>Jugend</strong>beschäftigungsmaßnahmenin Tirol 2010. Quelle: EQUI-IHS,2122Eine umfassende Darstellung der Maßnahmen <strong>und</strong> Förderungen des AMS zugunsten der <strong>Jugend</strong>lichenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt bietet die Studie des Instituts für Höhere Studien Wien, Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen <strong>und</strong> Förderungen für <strong>Jugend</strong>liche in Tirol, Sept. 2010Die Förderservice-Stelle der Wirtschaftskammer Tirol rechnet für das Jahr 2010 mit r<strong>und</strong> 10.600zusätzlichen Förderfällen <strong>und</strong> ausbezahlten Förderungen im Ausmaß von r<strong>und</strong> 18. Mio. Euro.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 53Evaluierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen<strong>und</strong> Förderungen, Sept. 2010.Bezüglich der ausgeschütteten Fördermittel hat man 2010 in Tirol<strong>ein</strong>schließlich der Maßnahmen der Wirtschaftskammer für die betrieblicheLehrstellenförderung für die <strong>Jugend</strong>beschäftigung knapp45 Mio. Euro ausgegeben. Finanziell gesehen liegt der Schwerpunktder Beschäftigungsmaßnahmen für die <strong>Jugend</strong> Tirols beider betrieblichen Lehrstellenförderung, die für 2010 knapp 60% allerAusgaben ausmachten <strong>und</strong> über 20.000 geförderten <strong>Jugend</strong>lichenzugute kamen.Bezüglich des Finanzaufwands lässt sich erkennen, dass die Qualifizierungsmaßnahmenim weitesten Sinne am kostenintensivstensind, während für die Lehrstellenförderung wenig mehr als 1.000Euro pro Lehrstelle ausschüttet wurde. Individualförderungen fürBeratung <strong>und</strong> Coaching fallen finanziell nicht stark ins Gewicht. Inden Jahren 2004-2008 sind insgesamt fast 50 Millionen Euro all<strong>ein</strong>für die Integration von Tiroler <strong>Jugend</strong>lichen in den Lehrstellenmarktoder in den <strong>Arbeit</strong>smarkt aufgewendet worden, fast die Hälftedavon für die Schulungsmaßnahmen des AMS. Pro Teilnehmersind für diese Schulungen 5.500 Euro verausgabt worden, pro gefördertemLehrling wurden im Schnitt 4.500 Euro aufgewendet.Den größten Kostenanteil trägt im B<strong>und</strong>esland Tirol das AMS, gefolgtvon der Wirtschaftskammer.Bezüglich der geförderten <strong>Jugend</strong>lichen liegt innerhalb der beschäftigungspolitischenMaßnahmen <strong>ein</strong> Schwerpunkt bei denüberbetrieblichen Lehren (32%) <strong>und</strong> bei allgem<strong>ein</strong>en Qualifizierungs-<strong>und</strong> Berufsvorbereitungsmaßnahmen (27%). Nur 17% derMaßnahmen b<strong>ein</strong>halten „Integrative Berufsausbildung“, also für<strong>Jugend</strong>liche mit größeren Vermittlungsproblemen. Transitarbeitsplätze<strong>und</strong> Hauptschulkurse sind gemessen an der Zahl derFörderfälle recht kl<strong>ein</strong>e, aber kostenintensive Maßnahmen. Dazukommt noch Unterstützung <strong>und</strong> Coaching für zahlreiche Problemfälle.Wie verteilen sich die Maßnahmen zur <strong>Jugend</strong>beschäftigung nachZielgruppen? Eine erhebliche Anzahl der Maßnahmen zielt auf besondersbenachteiligte Gruppen, <strong>ein</strong>e recht heterogene Gruppe,die <strong>Jugend</strong>liche mit Behinderungen, mit Lernschwierigkeiten <strong>und</strong>verschiedenen sozialen Problemlagen umfasst. Diese Zielgruppewerden vor allem durch IBA-Lehrgänge 23 <strong>und</strong> Lehrstellenförderung23Die Integrative Berufsausbildung (IBA) zielt auf <strong>Jugend</strong>liche ab, die das AMS nicht in <strong>ein</strong> Lehrver -hältnis als Lehrling vermitteln konnte <strong>und</strong> die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischenFörderbedarf hatten, oder über k<strong>ein</strong>en HS-Abschluss verfügen, oder Behinderte im Sinne des Behinderten<strong>ein</strong>stellungsgesetzesbzw. des jeweiligen Landesbehindertengesetzes sind, oder we-


54 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigunggefördert. Dabei kümmert sich das AMS vor allem um <strong>Jugend</strong>lichemit Vermittlungshindernissen, nicht um <strong>Jugend</strong>liche mit Behinderung.Die finanzielle Lehrstellenförderung kommt den Lehrbetriebenzugute. Einige wenige Maßnahmen richten sich an Frauen <strong>und</strong><strong>Jugend</strong>liche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.Der zweite Schwerpunkt liegt bei der Ausbildung der arbeitsuchenden<strong>Jugend</strong>lichen. Die angepeilte Erhöhung der Schulungsquotender arbeitslos gemeldeten <strong>Jugend</strong>lichen ist tatsächlich inhohem Maß gelungen. Sie konnte im B<strong>und</strong>esland Tirol von 2000bis 2009 auf 23% angehoben werden. In Tirol (wie im übrigen Österreich)regelt das AMS die zusätzliche Bereitstellung von Lehrausbildungsplätzenfür Lehrstellensuchende, die k<strong>ein</strong>e geeigneteLehrstelle gef<strong>und</strong>en haben. In s<strong>ein</strong>em Evaluierungsbericht vomSeptember 2009 zieht das Institut für Höhere Studien <strong>ein</strong>e differenzierteBilanz über die Förderungsmaßnahmen (EQUI-IHS, 2010,173-186). Im Zeitraum 2004-2008 haben in Tirol 10.705 <strong>Jugend</strong>lichean <strong>ein</strong>er Maßnahme teilgenommen oder wurden gefördert,davon 4.231 an <strong>ein</strong>er Schulungsmaßnahme des AMS, 6.474 <strong>Jugend</strong>lichedurch betriebliche Förderung oder <strong>ein</strong>e Beihilfe zu denKurskosten. Die quantitativ bedeutendste Förderschiene waren<strong>und</strong> sind die verschiedenen Formen der Lehrstellenförderung.Das Ausmaß der erfolgten <strong>Arbeit</strong>smarktintegration der Teilnehmerdieser Schulungen ist als relativ hoch <strong>ein</strong>zustufen. Ein Jahr nachder Maßnahme waren in Tirol 65% der Teilnehmer/innen in Erwerbstätigkeit,47% in <strong>ein</strong>er Lehre, 16% in <strong>ein</strong>em <strong>Arbeit</strong>sverhältnis,2% sonstige, während sich die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit auf 15% reduzierthatte (EQUI-IHS, 2010, 173).Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Erfahrungenziehen? Tirol weist im innerösterreichischen Vergleich etwas günstigere<strong>Arbeit</strong>smarktbedingungen auf. Die Beschäftigung ist in Tiroletwas stärker angestiegen, die <strong>Arbeit</strong>slosenquote konnte etwasniedriger als im übrigen Österreich gehalten werden. Der konjunkturbedingteAnstieg der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit 2002 <strong>und</strong> 2009 fiel in Tiroldeutlich niedriger aus. Für die <strong>Jugend</strong>lichen, die neu auf den <strong>Arbeit</strong>smarkttreten, gab es insgesamt etwas bessere Rahmenbedingungenals in Gesamt-Österreich.gen persönlicher Vermittlungshindernisse <strong>ein</strong>e Vermittlung in <strong>ein</strong>e Lehrstelle in absehbarer Zeitunwahrsch<strong>ein</strong>lich ist. Diese <strong>Jugend</strong>lichen sollen im Rahmen der IBA <strong>ein</strong>e formale berufliche Qua -lifikation erlangen können, um ihre Chancen auf <strong>ein</strong>e Integration in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu erhöhen.Die Ausbildung, welche entweder in Lehrbetrieben oder in überbetrieblichen Ausbildungs<strong>ein</strong>richtungenabsolviert werden kann, ermöglicht <strong>ein</strong>e Verlängerung der gesetzlichen Lehrzeitdauer um<strong>ein</strong> Jahr (in Ausnahmefällen um zwei Jahre) oder <strong>ein</strong>e Teilqualifizierung (Einschränkung auf bestimmteTeile des gesamten Berufsbildes <strong>ein</strong>es Lehrberufes). Vgl. I H S, Projektbericht Evaluierungvon <strong>Jugend</strong>maßnahmen <strong>und</strong> Förderungen, 31


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 55Diese günstige Entwicklung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit, so die Autorender Studie des IHS, wird durch Besonderheiten der <strong>Jugend</strong>beschäftigung<strong>und</strong> des Bildungssystems in Tirol be<strong>ein</strong>flusst: „Tiroler<strong>Jugend</strong>liche verlassen überdurchschnittlich früh das klassischeSchulsystem <strong>und</strong> treten im Vergleich zu Gesamt-Österreich früherins Erwerbsleben <strong>ein</strong>. 15-19jährige weisen in Tirol <strong>ein</strong>e Schulbeteiligungvon 40% auf, während diese Quote im Burgenland, Wien,Kärnten <strong>und</strong> Salzburg bei r<strong>und</strong> 50% oder darüber liegt. Der Lehrausbildungkommt in Tirol weiterhin <strong>ein</strong>e große Bedeutung zu“(EQUI-IHS, 2010, 176, 24).Insgesamt sch<strong>ein</strong>en die Maßnahmen für jugendliche Zielgruppenin Tirol sehr arbeitsmarktintegrative Wirkungen entfaltet zu haben,insbesondere die überbetriebliche Lehrausbildung <strong>und</strong> die Lehrstellenförderung.Die überbetrieblichen Lehrgänge leisten zweifellos<strong>ein</strong>en wesentlichen Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften,<strong>und</strong> viele <strong>Jugend</strong>liche haben dadurch <strong>ein</strong>e Lehrstelle erhalten(EQUI-IHS, 2010, 23-24).8.2 Autonome Provinz Trient (Trentino)8.2.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarktDie <strong>Arbeit</strong>slosenrate der 15-24-Jährigen liegt im Trentino mit14,5% drei Mal so hoch wie jene der 25-44-Jährigen (Daten 2012).Diese Quote ist erst in den letzten Jahren erreicht worden, währendbis 2008 8-9% <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit eher als friktionale <strong>Arbeit</strong>slosigkeitbetrachtet worden ist. 2011 waren 8.926 Personenzwischen 15 <strong>und</strong> 29 Jahren als arbeitsuchend vermerkt.ProvinzTrient%Nordostitalien%Nordwestitalien%Italien%<strong>Arbeit</strong>slosenrate15-24 14,5 19,7 22,2 29,115-29 10,1 12,7 14,2 20,525-34 6,1 6,6 7,5 11,7Beschäftigtenquote15-24 26,5 26,3 24,5 19,415-29 43,8 43,6 42,8 33,725-34 79,2 78,1 78,5 65,3Tabelle 8: Indikatoren für den <strong>Arbeit</strong>smarkt, nach Altersgruppenfür das Trentino <strong>und</strong> vergleichend –2011 (Prov. autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro,XXVII Rapporto sull'occupazione in provinciadi Trento - 2012, 58)


56 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarktDie Unternehmen warten mit Neu<strong>ein</strong>stellungen ab <strong>und</strong> konzentrierensich darauf, die Stammbelegschaft zu halten, während <strong>Jugend</strong>licheallenfalls mit befristetem <strong>Arbeit</strong>svertrag <strong>ein</strong>gestellt werden. 24In dieser Situation reagierten viele <strong>Jugend</strong>liche mit <strong>ein</strong>er Verlängerungder Ausbildung (Prov. Autonoma di Trento 2012a).Im Trentino ist – im nationalen Vergleich – <strong>ein</strong> geringerer Prozentsatzvon <strong>Jugend</strong>lichen weder in Ausbildung noch in Erwerbstätigkeit,nämlich 13,3% der 15-29-Jährigen (Italien 22,7%) (Prov. autonomadi Trento 2012a, 58-59). Nur 30% dieser <strong>Jugend</strong>lichen suchenoffiziell <strong>Arbeit</strong>. Der Gr<strong>und</strong> für diese Einstiegsprobleme liegtim schwächeren generationsmäßigen Austausch der <strong>Arbeit</strong>nehmeraufgr<strong>und</strong> der Pensionsreform, in der abwartenden Haltungvieler Unternehmen aufgr<strong>und</strong> der andauernden Wirtschaftsflaute,in der sinkenden Attraktivität der Lehre für die Betriebe, die Lehrlingemit kurzfristig angestellten <strong>Arbeit</strong>sverträgen <strong>und</strong> atypischen<strong>Arbeit</strong>sverhältnisse ersetzen. Die Umwandlung von Lehrverträgenin unbefristete <strong>Arbeit</strong>sverträge bleibt aber im Großen <strong>und</strong> Ganzenstabil (Prov. Autonoma di Trento 2012a, 59).Im Trentino schreiben sich – bei <strong>ein</strong>er Jahrgangsstärke von r<strong>und</strong>6.500 Personen – gut 76% der Mittelschulabgänger/innen in <strong>ein</strong>eOberschule, 24% in die Berufsschule <strong>ein</strong> (Daten für das Schuljahr2009/10). Seit 2000/01 kann die Berufsbildung im Unterschied zuSüdtirol <strong>ein</strong>en leicht wachsenden Zuspruch verzeichnen. 63% derBerufsschüler sind Burschen, doch die Zunahme ist vor allem denMädchen zuzuschreiben. Auch im Trentino ist dabei <strong>ein</strong> hoherGrad an geschlechtsspezifischen Präferenzen in der Berufsschulausbildungzu beobachten. Industrie, Handwerk <strong>und</strong> Holz sind ausschließlichmännlich besetzt, Bekleidung <strong>und</strong> personenbezogeneDienstleistungen nahezu ausschließlich weiblich. Diese Häufungergibt sich schon im 1. Jahr bei der Wahl <strong>ein</strong>er der acht Makrosektorender Berufsbildung. Sie hängt nicht mit der realen Verwertbarkeitder Ausbildung zusammen, sondern mit tief sitzenden kulturellenIdentitätskonstruktionen.Auch im Trentino tritt immer deutlicher <strong>ein</strong> gewisser mismatchzwischen den Bildungsabschlüssen <strong>und</strong> den von den Unternehmennachgefragten Qualifikationen auf. Die Unternehmen benötigenvor allem Facharbeiter, auch gering Qualifizierte, während Einheimischezu 80% die Matura anstreben.Ein weiterer Problembereich liegt in der oben bereits angesprochenengeschlechtsspezifischen Berufswahl, die sich sowohl beiden Mittelschulabgängern als bei den Oberschulabsolventen beobachtenlässt. Speziell die Präferenzen der Mädchen stimmen mit24Interview mit Dr. Corrado Rattin, Agenzia del Lavoro, Trient, am 18.12.2012


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 57der Nachfrage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt in geringerem Ausmaß über<strong>ein</strong>.Dieses von tief sitzenden kulturellen Identitätskonstruktionenbedingte Phänomen wirkt sich auf die reale Verwertbarkeit derAusbildung deutlich aus <strong>und</strong> schlägt sich unvermeidlicherweiseauf den <strong>Arbeit</strong>smarktverbleib <strong>und</strong> die Beschäftigungschancen imTrentino nieder. Die Burschen mit <strong>ein</strong>er abgeschlossenen Lehre inIndustrie <strong>und</strong> Handwerk hätten kaum Probleme bei der <strong>Arbeit</strong>ssuche,so der Experte des Osservatorio del Lavoro, in traditionellenFrauenberufen dagegen wird die Suche immer schwieriger.Auch in der Oberschule bestehen klare geschlechtsspezifischePrioritäten: die vorwiegend männlichen Abgänger der technischenOberschulen haben beste <strong>Arbeit</strong>smarktaussichten, die weiblichdominierten Kunst-, Sprachen- <strong>und</strong> pädagogischen Gymnasienhingegen immer mehr Probleme. All<strong>ein</strong> diese Ausbildungswahlentscheidungenan der Schwelle zur Oberstufe/Berufsstufe bedingenschon die doppelt so hohe <strong>Arbeit</strong>slosenrate bei den weiblichen15-29-Jährigen. Zumindest der <strong>Arbeit</strong>smarkt des Trentinokann – laut Corrado Rattin – in diesen Fachrichtungen nicht ausreichend<strong>Arbeit</strong>splätze bieten. Er könne auch bei Weitem nicht mehralle Hochschulabsolventen aufnehmen, da der öffentliche Dienstviel weniger Personal absorbiere.8.2.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigungDie arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Autonomen ProvinzTrient werden hier etwas breiter dargestellt als jene des B<strong>und</strong>eslandsTirol <strong>und</strong> der Region Venetien, weil es über die selben arbeits-,sozial- <strong>und</strong> autonomierechtlichen Bedingungen wie Südtirolverfügt.Während im Zeitraum 2000-2010 im Privatsektor des Trentinonoch Engpässe bei der Personalaufnahme verzeichnet wordensind, steht die <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik seit der Krise 2008 vor neuenHerausforderungen. Aufgr<strong>und</strong> des besorgniserregenden Anstiegsder <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit 2011 <strong>und</strong> im ersten Halbjahr 2012 beschlossdie Trentiner Landesregierung im Sommer 2012 <strong>ein</strong> neuesMaßnahmenpaket gegen die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit, wobei 60%der Mittel der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik für Maßnahmen zugunsten dieserAltersgruppe <strong>ein</strong>gesetzt werden sollen. In diesem Kontext teilensich die neuen Aktionsfelder auf folgende Bereiche auf:Aktive <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik zugunsten <strong>Arbeit</strong>sloser <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>suchenderMaßnahmen zur EinkommensstützungAktivitäten zur Erhaltung des Gesamtsystems des <strong>Arbeit</strong>smarktes.


58 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigung2011 wurden laut <strong>Arbeit</strong>smarktbericht 2012 (Prov. Autonoma diTrento 2012a) 47.781 Einzelinitiativen durchgeführt, wobei sich16.425 Personen an <strong>ein</strong>er Schulungsmaßnahme beteiligten. <strong>Arbeit</strong>slose,die in den Genuss <strong>ein</strong>er solchen Umschulung oder Weiterbildungkommen wollen, müssen im Trentino <strong>ein</strong>en sog. „Paktzur Mitarbeit“ unterzeichnen, mit welchem sie sich zu aktivem Engagementbei der <strong>Arbeit</strong>ssuche bereit erklären. Ausschließlich für<strong>Jugend</strong>liche entwickelte <strong>Arbeit</strong>smarkt-Maßnahmen sind 2011 nochnicht durchgeführt worden. Zu nennen sind allerdings die verschiedenenDienste der <strong>Arbeit</strong>sämter, die auch wesentlich <strong>Jugend</strong>lichenzugute kommen <strong>und</strong> sich folgendermaßen aufgliedern:Vermittlung <strong>und</strong> Beratung: 17.972 persönliche Beratungen,wovon 36,8% für <strong>Jugend</strong>lichen unter 30 Jahren. Für 83,7%kam die Vermittlung auf <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz zustande.Ausbildungsinitiativen mit insgesamt 16.425 Teilnehmer/innenBerufliche Weiterbildung für Beschäftigte in den personenbezogenenDienstleistungenAusbildungsförderung für Lehrlinge: 4.847 Teilnehmer/innenUnterstützung der Beschäftigung von benachteiligten Personenfür drei Gruppen: sozial nützliche Tätigkeiten für <strong>Arbeit</strong>slose,Hilfe zur Unternehmensgründung <strong>und</strong> Aufnahme <strong>ein</strong>erselbstständigen Tätigkeit, Maßnahmen für ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer(über 50-Jährige).Einige Maßnahmen des Maßnahmenplans 2011-2013 (Prov. Autonomadi Trento 2011) für die <strong>Arbeit</strong>spolitik zielen auf alle Teilnehmeram <strong>Arbeit</strong>smarkt ab, <strong>ein</strong>ige speziell auf die Lehrlinge. Dochauch bei den allgem<strong>ein</strong>en Maßnahmen für die Berufsorientierung,Einkommensersatzleistungen <strong>und</strong> Umschulung <strong>und</strong> Weiterbildungsind <strong>Jugend</strong>liche zugelassen. Im „Pacchetto Giovani“, beschlossenim Sommer 2012, sind hingegen <strong>ein</strong>e Reihe von besonderen Maßnahmenspeziell für <strong>Jugend</strong>liche vorgesehen, von welchen <strong>ein</strong>igeerst 2013 konkret anlaufen. Dabei wird unterschieden zwischenden Maßnahmen, die sich 2010/2011 bereits in der Umsetzung befanden<strong>und</strong> Maßnahmen, die ab Sommer 2012 neu in Angriff genommenwurden (Prov. Autonoma di Trento 2012b).a) Schon angewandte Maßnahmen (bis <strong>ein</strong>schl. 2011)In diesem Abschnitt geht es um verschiedene Maßnahmen <strong>ein</strong>erVielzahl von öffentlichen <strong>und</strong> privaten Institutionen, die <strong>ein</strong>erseitsdas Bildungssystem betreffen, andererseits in den <strong>Arbeit</strong>smarkt<strong>ein</strong>greifen.Initiativen zur Information <strong>und</strong> Sensibilisierung werden vor allemim Rahmen geeigneter Projekte in den Oberschulen verwirklicht,um den <strong>Jugend</strong>lichen die <strong>Arbeit</strong>swelt näher zu bringen. Außerdem


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 59gibt es Lehrgänge für <strong>Jugend</strong>liche im Alter von 18 bis 35 Jahrenzum Kennenlernen der Betriebe, die in Zusammenarbeit mit denWirtschaftsverbänden <strong>und</strong> dem Landesassessorat für Industrie<strong>und</strong> Handwerk abgewickelt werden.Maßnahmen zur Berufsberatung umfassen begleitende Angebote,die von der <strong>Arbeit</strong>sagentur, den <strong>Arbeit</strong>sämtern, der Universität Trient<strong>und</strong> der Handelskammer getragen werden.Unter die Bildungsmaßnahmen für Maturanten <strong>und</strong> Akademikerfallen Sprachkurse im Ausland, die vom ESF-Amt vermittelt werden,sowie Vorbereitungskurse zur Unternehmensgründung. Inder Berufsschule wird nach <strong>und</strong> nach das 4. Kursjahr bei verschiedenenKursen <strong>ein</strong>geführt, das mit dem Berufsdiplom„Techniker/in“ abschließt. Außerdem bietet das Bildungsassessoratzweijährige Kurse für die höhere Lehre für Maturanten an.Der sog. „<strong>Jugend</strong>fonds“ (Fondo Giovani) vergibt Studienstipendien<strong>und</strong> Gründerdarlehen, finanziert Sprachkurse, Kurse höhererLehre <strong>und</strong> Forschungsprojekte. Für <strong>Jugend</strong>liche, die weder studierennoch arbeiten, werden vom Schulamt spezielle Programme inZusammenarbeit mit der <strong>Arbeit</strong>sagentur angeboten.Kostenlose Praktika zur Berufsspezialisierung werden sowohl vomFondo Giovani als auch vom ESF-Amt angeboten. Im technischenBereich organisiert das Assessorat Industrie <strong>und</strong> Handwerk Praktikamit Stipendien für Hochschulabsolventen. Verschiedene Instituteorganisieren Sommerpraktika für Oberschüler bei Trentiner Unternehmen.Für die aktive <strong>Arbeit</strong>svermittlung gibt es die Dienste der <strong>Arbeit</strong>sagentur<strong>und</strong> der auf die gesamte Provinz verteilten <strong>Arbeit</strong>sämtermit spezifischen Beratungsangeboten für <strong>Jugend</strong>liche. Die <strong>Arbeit</strong>sagenturschüttet Beiträge zur Umwandlung von befristeten <strong>und</strong> unbefristeten<strong>Arbeit</strong>sverhältnissen aus. Die bilaterale Körperschaftdes Handwerks unterstützt die Übernahme von Lehrlingen in <strong>ein</strong>unbefristetes <strong>Arbeit</strong>sverhältnis. Zwecks Förderung der Unternehmensgründungdurch <strong>Jugend</strong>liche sind die Preise der „TrentinoSviluppo S.p.a.“ für innovative Ideen <strong>und</strong> des Landwirtschaftsassessoratsfür die Gründung neuer Agrarbetriebe <strong>und</strong> die Hofübernahmezu nennen.b) Neue Maßnahmen (ab 2012)Zur Bekämpfung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit hat die Trentiner Landesregierung<strong>ein</strong>e Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die sichin die EU-Strategie 2020 für <strong>ein</strong>e intelligente, nachhaltige <strong>und</strong> inklusiveEntwicklung <strong>ein</strong>fügen <strong>und</strong> vor allem auf Ausbildung, Forschung<strong>und</strong> Investitionen in neuen Beschäftigungsfeldern etwa der


60 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigungKultur, Umwelt <strong>und</strong> der sozialen Dienste abstellen. Diese Maßnahmengliedern sich in sechs Schienen.Schiene 1: Förderung des Einstiegs in den <strong>Arbeit</strong>smarktIn diesem Rahmen soll vor allem die Berufslehre gefördert werden,<strong>und</strong> zwar auf den drei Ebenen Gr<strong>und</strong>lehre, berufsspezialisierendeLehre <strong>und</strong> höhere Lehre.Das Programm „Lehre als Pflicht <strong>und</strong> Recht“ soll 400 jungenSchulabbrechern zu <strong>ein</strong>er Ausbildung verhelfen <strong>und</strong> dadurch dieSchulabbrecherquote um 50% reduzieren. Zu diesem Zweck sollmit den Sozialpartnern <strong>ein</strong> Landesabkommen geschlossen werden.Bei der berufsspezialisierenden Lehre sollen die Verfahren ver<strong>ein</strong>facht,Zuschüsse an die Betriebe gezahlt <strong>und</strong> Kostenbeiträge fürdie außerbetriebliche Ausbildung bereit gestellt werden. 2013 sollenim Rahmen dieses Programms 500 <strong>Jugend</strong>liche in <strong>ein</strong>e solcheForm des Lehrvertrags <strong>ein</strong>steigen können.Bei der Höheren Lehre sollen über die <strong>Arbeit</strong>sagentur Zuschüssean die Betriebe zur Deckung der Ausbildungskosten auch im Rahmenvon Masterlehrgängen ausgeschüttet werden. 2013 sollen 40<strong>Jugend</strong>liche in der Höheren Lehre <strong>und</strong> 30 in Spezialisierungslehrgängen<strong>und</strong> für Masterkurse zum Zug kommen.Schiene 2: Unterstützung der Stabilisierung der <strong>Arbeit</strong>sverhältnisseIn diesem Bereich sollen Zuschüsse zur Umwandlung von befristetenbzw. atypischen <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen in unbefristete <strong>Arbeit</strong>sverträgeoder in <strong>Arbeit</strong>sverträge langer Dauer (24 Monate) ausgeschüttetwerden, wobei junge Eltern bevorzugt werden.Schiene 3: Qualifizierung des Übergangs von der Schule indie <strong>Arbeit</strong>Mithilfe des Fondo Giovani sollen die Praktika auf staatlicher Ebene<strong>und</strong> jene im Ausland erweitert werden (auch mit Gründerdarlehen),mit besonderem Augenmerk auf künstlerische Berufe <strong>und</strong>sportliche Karrieren. Zu diesem Zweck wird <strong>ein</strong> eigenes Internet-Portal für alle Maßnahmen der <strong>Jugend</strong>politik im Trentino <strong>ein</strong>gerichtet.Die Schaffung <strong>ein</strong>er Datenbank der Unternehmen ist vorgesehen,die <strong>Jugend</strong>lichen Praktika <strong>und</strong> Stages für die Ausbildung <strong>und</strong> denEinstieg in die <strong>Arbeit</strong> bieten sollen. Vor allem Praktika für Maturanten<strong>und</strong> Hochschulabsolventen sollen mit spezifischen Projektenqualifiziert werden, ausgehend von Leitlinien, die mit allen Beteiligten(Sozialpartner, öffentliche Hand) ver<strong>ein</strong>bart werden. Ziel derMaßnahme ist die Umsetzung der in der Ausbildung erworbenen


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 61Fähigkeiten <strong>und</strong> die Sammlung von <strong>Arbeit</strong>serfahrungen, um denÜbergang in die <strong>Arbeit</strong> zu erleichtern. 2013 sollen r<strong>und</strong> 200 <strong>Jugend</strong>lich<strong>ein</strong> den Genuss <strong>ein</strong>er Förderung aus diesem Fonds kommen.Schiene 4: Reduzierung des mismatch zwischen Angebot<strong>und</strong> NachfrageMittelfristig soll die Bildungspolitik auf allen Ebenen <strong>und</strong> die Analysedes Qualifikationsbedarfs den mismatch auf dem <strong>Arbeit</strong>smarktverringern. Kurzfristig muss die Information <strong>und</strong> Beratungmithilfe der kapillar auf dem Territorium präsenten öffentlichenDienste verstärkt werden. Konkretes Ziel dieser Maßnahme ist dieVerbesserung der Information der <strong>Jugend</strong>lichen über die Ausbildungs-<strong>und</strong> Spezialisierungsmöglichkeiten, die Stärkung der Berufsberatungdurch die Schaffung der „Città dei Mestieri“ in Trient<strong>und</strong> der „Börse der Berufe“. Beide Initiativen sind physische <strong>und</strong>virtuelle Dienste zur Information, Orientierung zur Karriereplanung,Weiterbildung <strong>und</strong> Ausbildung der <strong>Jugend</strong>lichen.Schiene 5: Förderung junger Frauen2010 lag die <strong>Arbeit</strong>slosenquote bei den weiblichen <strong>Jugend</strong>lichen(15-24 Jahre) bei 20,3%, während nur 11,8% der männlichen <strong>Jugend</strong>lichenarbeitslos waren. Auch die Erwerbsbeteiligung liegtbei den jungen Frauen weit unter jener der Männer. Deutlich mehrFrauen als Männer lassen sich in Krisenzeiten bei der <strong>Arbeit</strong>ssucheentmutigen. Diese Maßnahme soll den Rückstand der jungen Frauenmit Ausbildung, Beratung <strong>und</strong> finanziellen Förderung wettmachen,indem die Einstellung arbeitsloser Frauen bis 35 Jahre durchdie <strong>Arbeit</strong>sagentur gefördert wird. Die Beiträge sollen Unternehmerngewährt werden, um <strong>Arbeit</strong>szeitreduzierungen von weiblichenAngestellten zum Zweck der Pflege von Angehörigen oderKinderbetreuung auszugleichen.Schiene 6: Aufwertung der SelbstständigkeitDiese Schiene umfasst Unternehmertätigkeiten im weitesten Sinn,<strong>ein</strong>schließlich der freiberuflichen Tätigkeit. <strong>Jugend</strong>liche sollen ermutigtwerden, sich abseits von <strong>ein</strong>er abhängigen Beschäftigung<strong>ein</strong>e Existenz aufzubauen, wobei sich folgende Möglichkeiten anbieten:Die <strong>Arbeit</strong>sagentur plant zwei Initiativen für <strong>Arbeit</strong>slose: zum<strong>ein</strong>en die Einkommensunterstützung für <strong>ein</strong>e selbstständigeTätigkeit <strong>und</strong> zum anderen das Gründerdarlehen zur Finanzierung<strong>ein</strong>er Unternehmensgründung.Die Agentur zur Förderung der Wirtschaftstätigkeit (APIAE)schüttet Kapitalbeihilfen <strong>und</strong> Studienstipendien zur Förderung


62 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigungvon Unternehmensideen <strong>und</strong> zur Deckung der Kosten für dietechnische Unterstützung aus.„Trentino Sviluppo“ hat zwei Maßnahmen für die Jungunternehmerim Programm: die „Unternehmeranimation“ mit <strong>ein</strong>erReihe von Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Formen der Begleitungvon neu gegründeten Firmen, sowie der „Inkubator“(pr<strong>ein</strong>cubazione, Unternehmensbrutstätte), wo <strong>ein</strong> JungunternehmerRäumlichkeiten <strong>und</strong> Ausstattung zur Umsetzung s<strong>ein</strong>erIdeen erhalten kann.Die Trentiner Studien zum <strong>Arbeit</strong>smarktverbleibDie <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle des Trentino führt jährlich <strong>ein</strong>Monitoring zum Verbleib der Berufsschulabsolventen (18 Monatenach Abschluss) <strong>und</strong> alle drei Jahre zum Verbleib der Maturantenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt (3,5 Jahre nach der Matura) durch. 25 Zweckder Studie ist die Analyse <strong>und</strong> Bewertung der Fähigkeit des TrentinerBildungssystems, die <strong>Jugend</strong>lichen gemäß der Nachfragenach Qualifikationen des <strong>Arbeit</strong>smarktes der Provinz auszubilden.Dabei wird der Verbleib auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt sowie die Art <strong>und</strong>Qualität ihrer aktuellen Beschäftigung ermittelt.In der Methodik stützt man sich dabei auf <strong>ein</strong>en Fragebogen, derallen Berufsschulabsolventen <strong>und</strong> Maturanten per CATI vorgelegtwird. 2008/09 sind 945 Personen befragt worden, nur wenigekonnten aus technischen Gründen nicht erreicht werden. DieRücklaufquote von 83,2% ist außerordentlich hoch. Die Datenanalyseerfolgt primär nach Qualifikationsbereich (Berufsschulkurse)mit den jeweiligen Untergruppierung. Bei den Burschen wird dieWahl des Lehrgangs stärker durch die <strong>Arbeit</strong>smarktchancen mitbestimmt.Die Mädchen bevorzugen längere Ausbildungswege.Der Verbleib der Berufsschulabsolventen (mit „Qualifica professionale“,was <strong>ein</strong>em Facharbeiterdiplom entspricht) gibt wesentlichenAufschluss über die Passgenauigkeit des Berufsbildungssystemszum Bedarf der Unternehmen auf dem Hintergr<strong>und</strong> wachsenderSchwierigkeiten der <strong>Jugend</strong>lichen beim Eintritt ins Erwerbsleben.Das Berufsschulsystem hat, aufbauend auf diesen Ergebnissen, erfolgreicheAnpassungen vorgenommen <strong>und</strong> neue Lehrgänge <strong>und</strong>Fachrichtungen ins Angebot genommen. Somit bietet diese Studienreihe<strong>ein</strong> wertvolles Instrument zur Analyse der permanentenRückkopplung zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in diesem Bereichdes Trentiner <strong>Arbeit</strong>smarktes.25Provincia Autonoma di Trento (Agenzia del Lavoro), Osservatorio del mercato del lavoro - Esitioccupazionali dei qualificati in provincia di Trento, Anno formativo 2005/06, 2006/07, 2007/08,2008/09, Trient, jew. Jahre


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 63Nicht nur der Ist-Zustand hinsichtlich der Beschäftigung <strong>und</strong> desVerlaufs der <strong>Arbeit</strong>ssuche wird festgestellt, sondern auch <strong>ein</strong>e kritischeEinschätzung des <strong>Jugend</strong>lichen ermittelt, inwiefern die erworbeneAusbildung tatsächlich angewandt werden kann <strong>und</strong> welcheMängel die Ausbildung im Vergleich mit den am <strong>Arbeit</strong>splatzgeforderten Kompetenzen aufweist. Fünf vertiefende <strong>Aspekte</strong> sindvorgesehen: aktuelle Beschäftigung, Art des <strong>Arbeit</strong>sverhältnisses,Einstufung, Merkmale des <strong>Arbeit</strong>splatzes, Einstellung zum <strong>Arbeit</strong>splatzwechsel.8.3 Region Venetien (Veneto)8.3.1 Eckdaten zum <strong>Arbeit</strong>smarktDie Wirtschaftskrise 2008/09 hat sich in Venetien deutlich auf dieBeschäftigten- <strong>und</strong> Erwerbstätigenquote niedergeschlagen <strong>und</strong>den Eintritt der <strong>Jugend</strong>lichen in den <strong>Arbeit</strong>smarkt um durchschnittlich<strong>ein</strong> Jahr verzögert. Im Vergleich zu 2008 ist die Zahl der<strong>Arbeit</strong>slosen 2011 stark angestiegen (+33%), beim Beschäftigungssaldoist seit Jahren <strong>ein</strong> Negativsaldo zwischen Einstellungen<strong>und</strong> Entlassungen zu verzeichnen. Diese Krise hat alle Altersgruppenbetroffen. Wer bereits <strong>ein</strong>e Beschäftigung hat, ist in derRegel bevorteilt, was den Einstieg der <strong>Jugend</strong>lichen in den venetischen<strong>Arbeit</strong>smarkt stark erschwert hat (Regione Veneto - VenetoLavoro 2012, 63). Dieser Trend hat sich auch 2012 fortgesetzt (VenetoLavoro, 2012b).2008 2009 2010 2011<strong>Arbeit</strong>slosenrate insgesamt 3,5 4,8 5,8 5,0davon Männer 2,3 3,6 4,5 4,0davon Frauen 5,2 6,4 7,5 6,315-24-Jährige 10,7 14,4 19,1 19,925-34-Jährige 4,0 5,7 7,2 6,8Zahl der nicht Erwerbstätigen 15-24Jahre (in 1000)282 294 297 305<strong>Arbeit</strong>suchende 15-24 Jahre (in 1000) 18 23 30 30<strong>Arbeit</strong>suchende 25-34 (in 1000) 94 98 98 99Tabelle 9: Die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit in der Region Veneto 2008- 2011(Regione Veneto - Veneto Lavoro 2012a)2008 2009 2010 2011Inländerinnen 11.971 15.791 15.352 15.981Ausländerinnen 3.811 4.864 4.620 4.917Inländer 9.253 14.764 14.222 14.354.Ausländer 4.270 6.884 5.709 5.727Insgesamt <strong>Arbeit</strong>slose bis 29 Jahre 29.305 42.303 39.903 40.979Insgesamt alle <strong>Arbeit</strong>slosen 90.193 130.470 118.353 125.379Tabelle 10: Verfügbare <strong>ein</strong>getragene <strong>Arbeit</strong>slose bis 29 Jahre inder Region Veneto 2008- 2011 (absolute Zahlen) (RegioneVeneto - Veneto Lavoro 2012a, 157)


64 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigung8.3.2 Die Maßnahmen zur Förderung der<strong>Jugend</strong>beschäftigungSeit 2010 hat sich der Schwerpunkt der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik der RegionVenetien von den passiven (<strong>ein</strong>kommensstützenden) Maßnahmenhin zu den aktiven Maßnahmen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt verlagert.26 Unter den wichtigsten, 2012 auf der Gr<strong>und</strong>lage des neues<strong>Arbeit</strong>smarktgesetzes 27 angewandten Maßnahmen finden sichauch <strong>ein</strong>ige neuartige <strong>und</strong> experimentelle Formen zur Förderungder Eingliederung von <strong>Jugend</strong>lichen in den <strong>Arbeit</strong>smarkt. Die Leitliniender regionalen <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik sind folgende:Aktive Maßnahmen zur Umschulung <strong>und</strong> Wiederbeschäftigungvon <strong>Arbeit</strong>nehmern, die Lohnausgleich beziehen;Maßnahmen zur Eingliederung von <strong>Arbeit</strong>suchenden;Integrierte Pläne zugunsten der Unternehmen Venetiens;Maßnahmen für die <strong>Jugend</strong>beschäftigung;„System-Aktionen“ (Titelanerkennung, neue Lehrlingsordnung,technologische Plattform, Monitoring zum Krisenmanagement).Im folgenden wird nur auf die Maßnahmen für die <strong>Jugend</strong>beschäftigung<strong>ein</strong>gegangen. Prioritäres Ziel ist die Ankurbelung der Lehrverträgeals stabile Form der Eingliederung von <strong>Jugend</strong>lichen inden <strong>Arbeit</strong>smarkt, wodurch die Bedingungen zur Anwendung derReform des Lehrlingswesen auf staatlicher Ebene geschaffen werdensollen (Legislativdekret Nr. 167/2011, Einheitstext zum Lehrlingswesen).Der Lehrvertrag als „diritto-dovere di istruzione e formazione“ sollaufgr<strong>und</strong> <strong>ein</strong>es Sonderabkommens zwischen dem <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong>Unterrichtsministerium mit der Region Venetien experimentell angewandtwerden. Ähnlich wird auch die berufsspezialisierende<strong>und</strong> höhere Lehre für Maturanten <strong>und</strong> Hochschulabsolventen (laureabreve) <strong>ein</strong>geführt. In dieser Hinsicht hat die Region 2011 Abkommenmit den Sozialpartner abgeschlossen, wobei der Regiondie Abhaltung des theoretisch-schulischen Teils zufällt. 2012 istdarüber hinaus mit Regionalgesetz die Anwendung der Ausbildungs-<strong>und</strong> Orientierungspraktika erfolgt (Dgr. n. 337 vom6.3.2012). Mit diesem Gesetz werden zum Schutz der <strong>Jugend</strong>li-2627Vier Maßnahmenachsen sind schon ab 2009 in Kraft gesetzt worden mit der Deliberazione dellaGiunta Regionale n. 1566 vom 26-5-2009 "Politiche attive per il contrasto alla crisioccupazionale". Zu erwähnen dabei vor allem Punkt 2.4 über "Interventi volti alla riqualificazionee all'inserimento/r<strong>ein</strong>serimento lavorativo di lavoratori parasubordinati."Regione Veneto, Dgr n. 1675 vom 18.10.2011 "Valorizzazione del capitale umano. Politiche perl'occupazione e l'occupabilità".


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 65chen strenge Grenzen <strong>und</strong> Kontrollen der Träger der Praktika <strong>ein</strong>geführt,womit die Qualität <strong>und</strong> Ernsthaftigkeit der Ausbildung gesichertwerden sollen.Um mehr <strong>Jugend</strong>lichen <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz zu verschaffen, sollenkünftig die Ausbildungspraktika <strong>und</strong> die Lehrverträge integriertwerden. Zu diesem Zweck schließt <strong>ein</strong>e Schule oder <strong>ein</strong> Berufsschulzentrum,<strong>ein</strong> <strong>Arbeit</strong>geber <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Lehrling <strong>ein</strong> „<strong>Arbeit</strong>s<strong>ein</strong>gliederungsprojekt“ab, das auf die schulische Ausbildung genau abgestimmts<strong>ein</strong> muss. Das Eingliederungsprojekt wird in folgendenPhasen abgewickelt:<strong>ein</strong> zweiwöchiges Orientierungspraktikum, das vor Ende desSchuljahrs durchgeführt werden muss;<strong>ein</strong> sechswöchiges Ausbildungs-Stage, das spätestens dreiMonate nach Ende des Schuljahrs begonnen werden muss.der Abschluss <strong>ein</strong>es berufsspezialisierenden Lehrvertrags mit<strong>ein</strong>er Dauer von 1 bis zu 3 Jahren, am Abschluss des Ausbildungs-Stages.Mit diesem „Pakt für die Erstbeschäftigung“ soll <strong>ein</strong> konkreter Wegzur Erhöhung der Qualität des Einstiegs <strong>Jugend</strong>licher in den <strong>Arbeit</strong>smarktgeschaffen werden. Schulen, Berufsschulen <strong>und</strong> Unternehmenformulieren gem<strong>ein</strong>sam konkrete Projekte, während dieRegion dies technisch-finanziell unterstützt.Andere Maßnahmen der Region Venetien im Bereich Bildung,Ausbildung <strong>und</strong> Beschäftigung zielen ebenfalls auf die Förderungdes Einstiegs der <strong>Jugend</strong>lichen in den <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> den Abbauder <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit ab:a) Höhere BildungDiese Maßnahme umfasst <strong>ein</strong>en finanziellen Beitrag der Region fürarbeitslose Hochschulabsolventen zum Besuch der Kurse höhererAusbildung der interregionalen Plattform www.altaformazion<strong>ein</strong>rete.itDiese interregionale Plattform wird von drei Akteuren getragen:den jungen Kursteilnehmern, den Trägern der Kurse (Hochschulen)<strong>und</strong> den Regionen. Ausgehend von diesen Kursen wirdes den Teilnehmern ermöglicht, <strong>ein</strong> individuelles Bildungsprojektzu formulieren <strong>und</strong> abzuwickeln, das interregional abläuft <strong>und</strong> <strong>ein</strong>hohes Maß an Mobilität erfordert. Die Wettbewerbe <strong>und</strong> die Kursmodalitätenwurden von den Regionen gem<strong>ein</strong>schaftlich angeboten.Derzeit (2012) sind 12 Regionen mit <strong>ein</strong>em Finanzvolumen von35,7 Mio. Euro beteiligt. Von 2.584 vorgeschlagenen Kursen sind95% in die Plattform aufgenommen worden. Im Dezember 2011waren von 24.187 genehmigten Vouchers allerdings erst 2.143 aktiviertworden. Diese Plattform enthält Spezialisierungskurse,Hochschulmaster, nicht-universitäre Master, die vom ASFOR ak-


66 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigungkreditiert sind <strong>und</strong> nicht-universitäre Master, die bestimmte Mindestbedingungenerfüllen. Die Voucher können Einzelpersonenoder Unternehmen zuerkannt werden. Die individuellen Voucherkönnen von beschäftigten oder arbeitslosen Hochschulabsolventenoder beschäftigten Maturanten bezogen werden. Die „Betriebsvoucher“können von abhängig Beschäftigten privater Betriebe mitSitz in Venetien bezogen werden, die mindestens über <strong>ein</strong>en Maturaabschlussverfügen. In Venetien sind für diesen Zweck bisher1,5 Mio Euro bereitgestellt worden, die vom ESF mitfinanziert werden.b) Integration von Schule <strong>und</strong> BerufDiese Maßnahmen sollen – im Anschluss an die Neuordnungdurch die Oberschulreform 2010 – die Zusammenarbeit zwischenSchulen, Berufsschulen <strong>und</strong> Unternehmen fördern. Die Berufsausbildungwird als strategischer Faktor für die „Humankapitalbildung“betrachtet. Gr<strong>und</strong>ziel dieser regionalen Maßnahme ist dieUnterstützung von originellen Unternehmerideen von <strong>Jugend</strong>lichen,die in Zusammenarbeit mit bestehenden Unternehmendurchgeführt werden sollen. Die interessierten <strong>Jugend</strong>lichen solltennicht unbedingt auf <strong>ein</strong>e selbstständige Tätigkeit oder Unternehmensgründungabstellen, sondern vor allem strategische Partnerschaftenmit bestehenden Unternehmen <strong>ein</strong>gehen, also ihreIdeen im Rahmen <strong>ein</strong>es bestehenden Unternehmens entwickeln.Dabei wird k<strong>ein</strong> abhängiges <strong>Arbeit</strong>sverhältnis <strong>ein</strong>gegangen.Die ersten Kurse sind im März 2011 aufgenommen <strong>und</strong> Ende 2012abgeschlossen worden, <strong>und</strong> sollten vorrangig Schule <strong>und</strong> Unternehmernäher zusammenbringen. Zwei Arten von Kursen sind hierangeboten worden:didaktische Kurse für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung von „ortstypischen“Produkten (z.B. landwirtschaftlicher oder kunsthandwerklicherArt) <strong>und</strong> Dienstleistungen mit jungen Studenten (43Projekte)Beiträge an Studenten <strong>und</strong> arbeitslose <strong>Jugend</strong>liche für Spezialisierungskurse,die in enger Zusammenarbeit mit Betriebenabgewickelt werden, zur Förderung der Unternehmensgründungim jeweils angestrebten Produktionsbereich (27Projekte).Diese Kurse mit <strong>ein</strong>er Dauer von 32 bis 300 St<strong>und</strong>en wurden inden Bereichen Tourismus <strong>und</strong> Gastgewerbe, Grafik <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie,Energie <strong>und</strong> Umwelt, Mechanik <strong>und</strong> Mechatronik,Handel, Mode <strong>und</strong> Dienstleistungen unterteilt. 1.022 von 1.422durchgeführten Kursen konnten in Partnerschaft mit <strong>ein</strong>em Betriebabgewickelt werden. Diese Zusammenarbeit erlaubte den Kursteilnehmern<strong>ein</strong> durchgehendes Praktikum im Partnerbetrieb <strong>und</strong> bei


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 67jungen <strong>Arbeit</strong>slosen die anschließende Übernahme in den Betrieb.Insgesamt haben sich 3.119 <strong>Jugend</strong>liche beteiligt, fast die doppelteZahl als ursprünglich vorgesehen.c) Chancen für <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sloseZwei weitere, mit 10 Mio. Euro dotierte Initiativen hat die RegionVenetien für die Eingliederung arbeitsloser <strong>Jugend</strong>licher gestartet:<strong>ein</strong>e für <strong>Jugend</strong>liche ohne Berufserfahrung, mit Matura oderHochschulabschluss, die <strong>ein</strong>er berufspraktischen Spezialisierungbedürfen;<strong>ein</strong>e für Erwachsene, die infolge von Betriebskrisen entlassenworden sind <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> mangelnder Schul- <strong>und</strong> Berufsausbildunggroße Schwierigkeiten zur Wiederbeschäftigung haben.Von den 98 finanzierten Projekten betrafen 30 den Sektor Energie,30 den Sektor Tourismus <strong>und</strong> Gastgewerbe, 10 die höhere Informatik.1.249 Personen sind mit diesen Initiativen gefördert worden.d) Das Placement-ProjektDieses von der Region Venetien getragene <strong>und</strong> vom „OsservatorioRicerca Veneto Lavoro“ entwickelte Projekt zielt auf die Überprüfungder Wirksamkeit der Berufsausbildung innerhalb der Regionab. Wer <strong>ein</strong>en Berufsbildungslehrgang <strong>ein</strong>schlägt, strebt auch<strong>ein</strong>en raschen Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt an. Als wirksam kannsomit <strong>ein</strong>e Berufsausbildung betrachtet werden, die diesen raschenÜbergang ins <strong>Arbeit</strong>sleben ermöglicht. Das Projekt Placementwill die Besuchsfrequenz, die Ausbildungsdauer <strong>und</strong> denVerbleib auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt dieser <strong>Jugend</strong>lichen erfassen. Dieangewandte Methode basiert auf der Verkreuzung der Daten derKursteilnehmer <strong>und</strong> des SILV (Sistema informativo lavoro Veneto),in welchen alle Bewegungen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt Venetiens erfasstwerden. Die nicht vom SILV erfassten Personen werden perdirektem Interview in die Untersuchung <strong>ein</strong>bezogen.Im Zeitraum 2007-2010 hat das Projekt Placement 14.000 qualifiziertePersonen erreicht, wovon 11.000 das Berufsschuldiplom (3Jahre nach der Mittelschule) erworben hatten. Diese <strong>Jugend</strong>lichenhatten 152 verschiedene Qualifikationen in 134 Berufsschulzentrenerworben. Sie wurden 12 Monate <strong>und</strong> dann wieder 24 Monatenach Abschluss der jeweiligen Lehrgänge kontaktiert. 12 Monatenach Abschluss waren 67% beschäftigt, während 14% ihre Ausbildungfortsetzten oder im Studium begonnen hatten. Der Gesamteffektdieser „Platzierung“ auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt betrug somit 81-82%, während sich r<strong>und</strong> 20% der <strong>Jugend</strong>lichen als arbeitslos bezeichneten.Dieses Ergebnis ist für Venetien insofern respektabel,


68 Die Maßnahmen zur Förderung der <strong>Jugend</strong>beschäftigungals genau in diesem Zeitraum auch die schwere Rezession 2008/09fällt: auch qualifizierte Fachkräfte mussten in diesen Jahren r<strong>und</strong>10% weniger Einstellungen in Kauf nehmen. Im Allgem<strong>ein</strong>en sindwährend dieser bis heute andauernden Krisenjahre die Warte- <strong>und</strong>Suchzeiten bis zur ersten Anstellung, die Zahl der kurzfristigen <strong>Arbeit</strong>sverhältniss<strong>ein</strong> die Phasen kurzfristiger <strong>Arbeit</strong>slosigkeit gestiegen.Insgesamt erlaubt die Placement-Studie der Region Venetien <strong>ein</strong>ziemlich aussagekräftiges Bild des Verbleibs der <strong>Jugend</strong>lichennach der Berufsausbildung auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt. Ein ernüchterndesErgebnis bringt dabei die Frage nach der Über<strong>ein</strong>stimmungzwischen erlernten Beruf <strong>und</strong> ausgeübter Tätigkeit. Nur 53% derBefragten geben an, <strong>ein</strong>en mit dem Ausbildungsberuf zusammenpassenden<strong>Arbeit</strong>splatz gef<strong>und</strong>en zu haben.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 699 Gespräche mit Experten <strong>und</strong> AkteurenWie im Methodenteil ausgeführt wurde allen Akteuren <strong>ein</strong>e Reihegenereller Fragen vorgelegt: zur Beurteilung der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit,zu den Erwartungen der <strong>Jugend</strong>lichen an den Beruf, zu denStärken <strong>und</strong> kritischen Bereiche des Bildungssystems, zu denMöglichkeit <strong>ein</strong>er besseren Abstimmung von Ausbildung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarktsowie zu den geforderten Gr<strong>und</strong>kompetenzen am <strong>Arbeit</strong>smarkt.Der folgende, erste Unterabschnitt fasst die Argumentationslinienauf dieser generellen Teil zusammen, der zweite Abschnitt (Abschnitt9.2) bringt dagegen die Vertiefungen, die jeweils nach Zielgruppeder Gesprächspartner verschieden gewichtet waren.9.1 Fragen an alle Akteure9.1.1 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol: <strong>ein</strong>eEinschätzungDer in den letzten Jahren verzeichnete Anstieg der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitin Südtirol gibt bei näherer Betrachtung nicht Anlass fürübermäßige Besorgnis. Obwohl die <strong>Jugend</strong>arbeitslosenquote doppeltso stark gewachsen ist als die <strong>Arbeit</strong>slosenrate insgesamt,nämlich auf derzeit r<strong>und</strong> 10%, sch<strong>ein</strong>t die tatsächliche Zahl arbeitsuchender<strong>Jugend</strong>licher nicht überproportional höher zu s<strong>ein</strong> alsjene anderer Altersgruppen:Io credo che sicuramente la disoccupazione giovanile andràaumentando, però andrà aumentando, presumo, come tutte lealtre fasce. Mi spiego: non credo che in Alto Adige i giovanisiano particolarmente penalizzati dalla situazione di crisi.Mitarbeiterin der <strong>Arbeit</strong>svermittlungIn den Analysen <strong>und</strong> Kommentaren der befragten Akteuren/innenist diese Entwicklung den negativen Auswirkungen des internationalenKonjunktur<strong>ein</strong>bruchs zuzuschreiben, die auch auf dem Südtiroler<strong>Arbeit</strong>smarkt spürbar geworden sind.(...) la situazione generale dell´economia del paese che si fa risentireanche qui, anche se in maniera minore perché siamocomunque sempre una realtà meno a rischio e dove le cosesono migliori proprio grazie all´autonomia regionale e dunquedi gestione economica del territorio.Fachmann der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleDiese Entwicklung muss aufmerksam beobachtet werden, obwohlberücksichtigt werden kann, dass sich die <strong>Jugend</strong>arbeitslosenquot<strong>ein</strong> Südtirol weiterhin auf relativ geringem Niveau bewegt, nicht


70 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol: <strong>ein</strong>e Einschätzungnur im Vergleich mit anderen Regionen Italiens, sondern auch mitden benachbarten Regionen im Ausland:Wir wissen, dass wir in Südtirol noch <strong>ein</strong>e sehr gute Situationhaben. Wir haben noch <strong>ein</strong>e relativ geringe <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitim europäischen Vergleich <strong>und</strong> auch verglichen mit Italien.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsDiese Einschätzung wird auch von Vertretern der Schule geteilt,die sich dafür aussprechen, nicht so sehr über den leichten Anstiegder <strong>Jugend</strong>arbeitslosenrate nachzudenken, sondern vor allemüber jene Faktoren, die die <strong>Jugend</strong>beschäftigung in Südtirolbisher auf hohem Niveau gehalten haben:(...) Anzi c´è da chiedersi non tanto perché la disoccupazionesia salita, quanto piuttosto perché è rimasta così bassa nel confrontodelle altre realtà territorialiBerufsschuldirektorDer Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt erfährt jedenfalls zur Zeit bedeutendeÄnderungen. Auch wenn es k<strong>ein</strong>e dramatischen Betriebsschließungengibt <strong>und</strong> die Lage insgesamt nicht besorgniserregend ist,machen sich Unsicherheit <strong>und</strong> Vorsicht breit. Die <strong>Arbeit</strong>nehmer/innenwerden zu höherer Überst<strong>und</strong>enleistung herangezogen; dieUnternehmen haben Neuaufnahmen teils aufgeschoben, teils aufzeitweiligen bloßen Personalersatz begrenzt. Allgem<strong>ein</strong> sei <strong>ein</strong>eabwartende Haltung unter den Unternehmen zu beobachten:(...) vediamo che la percentuale delle imprese che pianificaun‘assunzione di personale nell‘anno avvenire sta per calare,questo è sicuramente dovuto alla situazione economica: neicasi in cui le imprese assumono una persona si tratta più chealtro di casi di sostituzione di una persona .Vertreterin des WIFODie verlangsamte Wachstumsdynamik der Beschäftigung schlagesich in leicht gestiegener <strong>Arbeit</strong>slosigkeit nieder. Da <strong>Jugend</strong>liche<strong>und</strong> ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer mit unterschiedlichen <strong>Arbeit</strong>sverträgenangestellt werden, die gerade beim Kündigungsschutz <strong>und</strong> beimLohn erhebliche Unterschiede aufweisen, trifft die Zunahme der<strong>Arbeit</strong>slosigkeit vor allem die <strong>Jugend</strong>lichen, die auch beim Lohnersatzoft noch k<strong>ein</strong>e ausreichenden Rechte angereift haben.Die Unternehmen, die sich international behaupten müssen,versuchen die Kosten zu reduzieren, <strong>und</strong> dies ist beim Personaleben noch möglich. Die Begünstigungen für die Einstellung vonLehrlingen zieht noch nicht so.Mitarbeiterin der <strong>Arbeit</strong>svermittlungDie <strong>Jugend</strong>lichen haben mehr als andere Altersgruppen unter derLiberalisierung des <strong>Arbeit</strong>smarktes zu leiden, weil die Unterneh-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 71men die <strong>Jugend</strong>lichen immer mehr zu Mindestlöhnen <strong>und</strong> mit befristetenVerträgen aufnehmen, wenn überhaupt:<strong>Jugend</strong>liche sind überproportional hoch mit nur prekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen<strong>und</strong>/oder noch schlechter mit Praktika beschäftigt.Vertreter <strong>ein</strong>er GewerkschaftIn <strong>ein</strong>er Rezessionsphase tendieren die Unternehmen dazu, dieStammbelegschaft zu halten <strong>und</strong> entbehrliches Personal abzubauen.Somit werden befristete Verträge nicht erneuert, frei werdende<strong>Arbeit</strong>splätze werden nicht nachbesetzt <strong>und</strong> prekäre <strong>Arbeit</strong>svertragsformenso gut es geht ausgeschöpft.Diese Faktoren bewirken insgesamt den langsamen Anstieg der<strong>Arbeit</strong>slosigkeit, die in Südtirol aus der Sicht der Akteure <strong>und</strong> Expertenbei den über-50-Jährigen noch gravierender ist als bei den<strong>Jugend</strong>lichen:Mehr Sorgen machen mir derzeit die Älteren. Sie sind in dreifacherHinsicht benachteiligt: bekommen k<strong>ein</strong>e Mobilitätsgeldermehr; es gibt Vorbehalte der <strong>Arbeit</strong>geber gegenüber den Älteren;das Pensionsalter wird laufend angehoben.Leitender Beamter des <strong>Arbeit</strong>smarktserviceFür die <strong>Jugend</strong>lichen bedeutet dies – laut befragten Akteuren/innen– <strong>ein</strong>e längere <strong>Arbeit</strong>ssuche als früher üblich, die jedoch immernoch in der Regel weniger als <strong>ein</strong> Jahr anhält:I giovani cercano lavoro. Più mesi cercano, più sale il tasso didisoccupazione (...). Si cerca lavoro più a lungo, ma si parla dimesi e non di anni.Fachmann der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleAuch bezüglich der Phase des Einstiegs in den <strong>Arbeit</strong>smarkt, deranderswo im Wege von prekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen erfolgt, bestehenUnterschiede zwischen Südtirol <strong>und</strong> anderen Regionen: inSüdtirol artet diese Form der Anstellung für <strong>Jugend</strong>liche ansch<strong>ein</strong>endnicht zu <strong>ein</strong>er Falle aus, in der man längerfristig steckenbleibt. Vertiefende Studien zu dieser Frage hätten ergeben, dassjüngere Jahrgangskohorten weit stärker von prekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnissenbetroffen sind. Je öfter man derartige befristete Verhältnisse<strong>ein</strong>geht, desto eher bleibe man in dieser diskontinuierlichenForm von Berufstätigkeit gefangen.In Südtirol hingegen stellt diese Phase auch für <strong>Jugend</strong>liche <strong>ein</strong>enzeitlich sehr begrenzten Abschnitt dar, der sich kaum wiederhole<strong>und</strong> kaum verfestige:Die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtung hat das Phänomen untersucht:90% der prekär Beschäftigten haben ihr <strong>Arbeit</strong>sverhältnis in


72 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol: <strong>ein</strong>e Einschätzung<strong>ein</strong>e Daueranstellung umwandeln können. Die Befristung ist akzeptabel,solange sie nicht zu lange dauert.Leitender Beamter des <strong>Arbeit</strong>smarktservices9.1.2 Die Wahl der AusbildungswegeEin Wissenschaftliches Lyzeum, das mit <strong>ein</strong>em Universitätsabschlussweitergeführt worden ist, das vermittelt zwar <strong>ein</strong>e guteAllgem<strong>ein</strong>bildung, aber eigentlich nicht <strong>ein</strong>en Beruf, <strong>und</strong> weildie öffentliche Verwaltung immer weniger Stellen anbietet, bietetder Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt solchen Leuten <strong>ein</strong>fach wenigMöglichkeiten.Vertreterin des ASTATStellt man auf die Gründe ab, die den Marktausgleich auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkterschweren, wird – abgesehen von der Wirtschaftskrise– gleich klar, dass die Berufswahl <strong>und</strong> die Ausbildungswege der<strong>Jugend</strong>lichen wesentlichen Einfluss auf <strong>ein</strong>en mehr oder wenigergelingenden Einstieg ins Erwerbsleben haben, denn erworbeneQualifikation <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>snachfrage stimmen nicht immer über<strong>ein</strong>.Die besuchte Schule <strong>und</strong> der erworbene Schulabschluss gehörenzu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Einstieg der <strong>Jugend</strong>lichenmit Matura in den <strong>Arbeit</strong>smarkt. Der Unterschied zwischender Erwerbstätigenquote bei den Berufsschulabsolventen <strong>und</strong> denAbsolventen <strong>ein</strong>er technischen Oberschule <strong>ein</strong>erseits <strong>und</strong> den Maturanten<strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>bildenden Oberschule ist nämlich erheblich.(...) questi giovani con un titolo di studio liceale generico, penso,che saranno nei prossimi anni il gruppo più a rischio. Perchéhanno un titolo che alle aziende non serve a niente e quindiquesti giovani sono a rischio di diventare un gruppo di ragazzi eragazze a passeggio perché non sono specializzati in niente.Koordinatorin der BerufsberatungAuch bei den Akademiker/innen ist zu beobachten, dass Absolvententechnischer Fachrichtungen wie z.B. des Ingenieurwesen,der Chemie, Pharmazie, aber auch der Wirtschaft <strong>und</strong> Statistik, wesentlichgrößere Chancen auf <strong>ein</strong>e sofortige dauerhafte Erwerbstätigkeithaben als die Absolventen/innen geistes- <strong>und</strong> sozialwissenschaftlicherFachrichtungen. Für Letztere gestaltet sich die Suchenach <strong>ein</strong>em ausbildungsgerechten <strong>Arbeit</strong>splatz schwieriger, <strong>und</strong> invielen Fällen sehen sich diese Akademiker gezwungen, <strong>Arbeit</strong>en zuübernehmen, die eigentlich ihrer Qualifikation nicht entsprechen.Bei den Akademikern hängen die Berufsaussichten stark vomFach ab. Absolventen von geisteswissenschaftlichen Richtungentun sich schwer im Unterschied zu den Absolventen technischerFächer.Vertreter <strong>ein</strong>er Gewerkschaft


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 73Bei der Analyse der Abstimmung zwischen den individuell erreichtenQualifikationen <strong>und</strong> formalen Bildungsabschlüssen <strong>und</strong> dem<strong>Arbeit</strong>skräftebedarf der Unternehmen ist der Vergleich von Angebot<strong>und</strong> Nachfrage bei den Maturanten technischer Oberschulenbesonders wichtig. Die vom Verband der Handelskammern(Unioncamere) periodisch vorgenommenen Erhebungen EXCELSI-OR lassen <strong>ein</strong>e starke Nachfrage nach technisch-naturwissenschaftlichenBerufsbildern erkennen, sodass im Bereich der Absolventen/innendieser Schultypen <strong>ein</strong> gewisser Mangel aufgetretenist.Auch die Berufsberatung spiele hier <strong>ein</strong>e wichtige Rolle <strong>und</strong> sollte– nach Aussagen verschiedener Akteuren/innen – aktuelle Daten<strong>und</strong> Fakten zu den Perspektiven der jeweiligen Bildungsabschlüsse<strong>und</strong> Berufe auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt liefern. Die Berufsberatung sollteden <strong>Jugend</strong>lichen diesbezüglich auch Orientierungshilfen bieten,um die Beschäftigungsaussichten in Südtirol besser <strong>ein</strong>schätzenzu können. Die Wahl des Ausbildungswegs kann jedoch nicht ausschließlichvon den Perspektiven auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt ausgehen,sondern ganz wesentlich von der Analyse der Neigungen, Interessen<strong>und</strong> Fähigkeiten der <strong>Jugend</strong>lichen, wie die Mitarbeiter/innender Berufsberatung betonen:Deshalb kommt auch immer wieder die andere Seite dazu, zuschauen was zu den eigenen Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten passt.Das dürfen wir trotz allem nicht außer Acht lassen. Wenn jemanddas macht, wo er gut ist, was ihm liegt, was er kann, woer Fähigkeiten hat, dann können das auch oft ganz eigenartigeSachen s<strong>ein</strong>, wo man sich k<strong>ein</strong>e Perspektive vorstellen kann,der findet etwas.Leitende Mitarbeiterin der Berufsberatung9.1.3 Werte <strong>und</strong> HaltungenLaut Experten/innen <strong>und</strong> Akteuren/innen dieses Bereichs habenbei der Wahl des Ausbildungswegs Werte <strong>und</strong> Haltungen <strong>ein</strong> starkesGewicht, nämlich die inzwischen überholte Auffassung, dass<strong>ein</strong> Studientitel auf jeden Fall wichtig ist. Zum <strong>ein</strong>en, weil er Zugangzu „<strong>ein</strong>em höherwertigen Beruf“ erlaubt, wobei höherwertigals saubere <strong>Arbeit</strong> im Unterschied zur manuellen untergeordneten<strong>Arbeit</strong> begriffen wird; andererseits <strong>ein</strong>en fixen <strong>Arbeit</strong>splatz mit hohemsozialen Status, der <strong>ein</strong> sicheres Einkommen bis zur Pensionierungbietet:Abbiamo poi questa barriera con lavoro manuale che almenonella cultura italiana viene erroneamente posta appunto nello


74 Werte <strong>und</strong> Haltungenstudio, per cui lo studio è la premessa per un lavoro che nonsia manuale altrimenti "Che cosa ho studiato a fare?".Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenDiese Mentalität vermittelt die Botschaft der „Überlegenheit“ vonBüroberufen <strong>und</strong> des Hochschulabschlusses als Eintrittskarte für<strong>ein</strong>en erfolgreichen Einstieg auf <strong>ein</strong>em gut bezahlten <strong>Arbeit</strong>splatz.Die Realität entspricht diesem Bild nicht mehr:Es gibt heute <strong>ein</strong>e stärkere Erwartung, dass man mit höhererAusbildung <strong>ein</strong>en besseren Job bekommt. Dies wird voll propagiert,<strong>und</strong> so ist <strong>ein</strong> Trend aufgebaut worden. Jetzt gibt es allerdingsimmer mehr hoch Qualifizierte, aber nicht mehr so viele[entsprechende] Jobs.Vertreter <strong>ein</strong>es SozialverbandsDiese Mentalität sei in der italienischen Sprachgruppe Südtirolsstärker verbreitet, fasse aber angesichts der rückläufigen Zahl derBesucher der dualen Berufsausbildung auch in der deutschsprachigenBevölkerung immer mehr Fuß. Dabei seien es vor allem dieEltern, die die Wahl der Schule <strong>und</strong> des Ausbildungswegs ihrerKinder be<strong>ein</strong>flussten.(…) i genitori sono ancore le figure che influenzano maggiormentela scelta formativa dei figli e che pensano ancora al prestigioinvece che all´occupabilità.Vertreter <strong>ein</strong>er GewerkschaftAuch die Berufsausbildung leide in dieser Hinsicht unter dem altenParadigma, sich vor allem für die leistungsschwächeren <strong>und</strong> geringmotivierten <strong>Jugend</strong>lichen zu eignen. Die Mittelschulabgänger/innenmit den besseren Noten schrieben sich traditionell in dieOberschulen <strong>ein</strong>, während die weniger Leistungsstarken auf dieBerufsschule verwiesen würden. Es sehe danach aus, dass dieWahl des Bildungswegs auch heute noch diesen Kriterien folgt,also von den Noten ausgehe anstatt von den tatsächlichen Interessen<strong>und</strong> Neigungen der <strong>Jugend</strong>lichen.Bei der Berufswahl sollen <strong>Jugend</strong>liche nicht nach ihren schulischenNoten <strong>ein</strong>em Bildungssystem zugewiesen werden, sondernentsprechend ihren Fähigkeiten.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsWenn die manuell-handwerkliche <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> dementsprechenddie Berufsausbildung an Attraktivität verliere <strong>und</strong> den <strong>Jugend</strong>lichender Anreiz fehle, in ihrer Disziplin den Meistergrad zu erreichen,könnte die Einführung der Berufsmatura <strong>ein</strong> Ausweg s<strong>ein</strong>.Die Möglichkeit, auch <strong>ein</strong>e Berufsausbildung bei Bedarf mit derMatura abschließen zu können, würde diesem Ausbildungswegneuen Auftrieb verleihen <strong>und</strong> Berufsschülern sogar den Zugang zu<strong>ein</strong>em späteren Hochschulbesuch eröffnen.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 75Die Berufsmatura kann der Lehre tatsächlich <strong>ein</strong>en andern Stellenwertgeben. Heute sagen die Eltern hingegen: mach zuerstdie Matura, dann kannst du immer noch <strong>ein</strong>en Beruf erlernen.[...]Die Lehrberufe müssen wieder aufgewertet werden. Durchdie Berufsmatura wird genau dies ermöglicht.Vertreter <strong>ein</strong>er GewerkschaftAls Hindernis bei der <strong>Arbeit</strong>ssuche erweise sich, laut verschiedenenAkteuren/innen, auch die geringe geografische Mobilität derSüdtiroler <strong>Jugend</strong>lichen, wobei es nicht leicht falle, die Gründe zuermitteln.Man darf die <strong>Arbeit</strong>splatzsuche nicht bloß auf den Wohnort begrenzenoder den Bezirk, sondern sollte zumindest das ganzeLand ins Blickfeld nehmen. (...) Wir dürfen unseren Horizontnicht noch stärker begrenzen. Das wird sich verändern müssen,auch weil der wirtschaftliche Zwang vom <strong>Arbeit</strong>smarkt her stärkerwird.Beamten der Abteilung Berufsbildung(…) qui il benessere ed una certa mentalità ci ha portati naturalmentemolto in direzione di una certa rigidità, di una stabilità, laproprietà di una casa e relazioni familiari ancora molto forti:tutto ciò riduce le potenzialità della mobilità e indebolisce moltole possibilità per i giovani. La mobilità è vista come una minacciaanche all´interno della provincia.Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenGanz unzweifelhaft führe die Begrenzung der <strong>Arbeit</strong>ssuche auf dasengere Umfeld des eigenen Wohnorts auch zu <strong>ein</strong>er Begrenzungder Möglichkeiten <strong>und</strong> Chancen, <strong>ein</strong>e Stelle zu finden, die der jeweiligenQualifikation besser entspricht.Quindi molto spesso il bel lavoro che andrebbe bene a me, essendoperò 28 km più in là in un´aria in cui non ho nessuna relazionee avendo appena cominciato a pagare il mutuo qui, perchédevo andare lì?Vertreter des B<strong>und</strong>es der Genossenschaften9.1.4 Stärken des Südtiroler BildungssystemsEine gute Schulbildung ist die Gr<strong>und</strong>lage für <strong>ein</strong>en erfolgreichenEinstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt. Dem Südtiroler Bildungssystem wirdseitens der befragten Akteuren/innen im Allgem<strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>e hoheQualität besch<strong>ein</strong>igt. Den <strong>Jugend</strong>lichen würde in der Oberstufe<strong>ein</strong>e breite Wahl an Schultypen geboten, die allen Ansprüchen, Erwartungen<strong>und</strong> Interessen gr<strong>und</strong>sätzlich entsprechen könne.Wir haben in <strong>ein</strong>em territorial kl<strong>ein</strong>en Land wie Südtirol sehrviel Ausbildungsmöglichkeiten, <strong>ein</strong>e breite Palette von Bil-


76 Stärken des Südtiroler Bildungssystemsdungsangeboten. [...]Wir haben auch die Möglichkeit, <strong>ein</strong>edeutsche oder <strong>ein</strong>e italienische Schule zu besuchen, also habeich sprachlich auch <strong>ein</strong>e gewisse WahlmöglichkeitVertreterin des ASTATDabei werde in allen drei Bildungssäulen, den allgem<strong>ein</strong>bildendenOberschulen, den technischen Oberschulen <strong>und</strong> der Berufsschule,<strong>ein</strong>e solide <strong>und</strong> hochwertige Ausbildung gewährt.Die Pflicht <strong>und</strong> das Recht auf Bildung werde darüber hinaus auchvon den Studienbeihilfen des Landes unterstützt, die gr<strong>und</strong>sätzlichallen <strong>Jugend</strong>lichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien<strong>ein</strong>en weiterführenden Bildungsweg erlauben.Es ist fast jedem möglich <strong>ein</strong>e Ausbildung bis zum universitärenAbschluss zu machen mit der jeweiligen Unterstützung.Vertreter <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisationDabei dürfe man nicht nur von finanzieller Förderung sprechen.Die Vertreter/innen der <strong>Jugend</strong>organisationen betonen vielmehr,dass die <strong>Jugend</strong>lichen im Südtiroler Bildungssystem auch <strong>ein</strong>epersönliche <strong>und</strong> psychologische Betreuung erfahren können, diesie in dieser Phase des Erwachsenwerdens oft brauchen.Die Tendenz, die ich besonders positiv finde [...] dass jeder sozusagenalle Möglichkeiten in Beratung/Begleitung währendder ganzen Ausbildungszeit hat.Vertreter <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisationEine der großen Stärken unseres Bildungssystems ist auch dieIntegration von Menschen mit Behinderung [...] In Südtirol bestehtk<strong>ein</strong> Sonderschulsystem noch erfolgt <strong>ein</strong>e Stigmatisierungder Behinderten.Wissenschaftliche Mitarbeiterin der BildungsplanungDie befragten Lehrpersonen erwähnen als Stärke des Bildungssystemsauch die Autonomie der Schulen, die die Möglichkeiten derMitgestaltung von Lehrprogrammen <strong>und</strong> Curricula <strong>und</strong> damit ihrelaufende Anpassung an neue Erfordernisse erlaube.Nicht zuletzt wird die duale Berufsausbildung als <strong>ein</strong>e wesentlicheStärke betrachtet. Diese allgem<strong>ein</strong> im deutschsprachigen Raumverbreitete Form der Berufsausbildung sieht die Kombination dertheoretischen <strong>und</strong> praktischen Ausbildung im Betrieb <strong>und</strong> in derSchule vor. Dieser erfolgreiche Bestandteil des Südtiroler Bildungssystemsmüsse – darin stimmen alle Akteure/innen über<strong>ein</strong>– nicht nur erhalten, sondern weiter gestärkt werden.Il sistema della formazione professionale è un punto di forzaper il fatto che esiste, che è organizzato, che è normato, che èprotetto attraverso un finanziamento di base. C´è un atteggiamentoculturale che prevede che questo sistema funzioni, che


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 77esista e che venga finanziato pubblicamente e non c´è nulla diprivato.Koordinatorin der BerufsberatungDie in der Berufsschule gepflegte Nähe zur <strong>Arbeit</strong>swelt, nämlichdie praktische <strong>Arbeit</strong>serfahrung im Betrieb, die Beziehungen zuden Vorgesetzten <strong>und</strong> auch zu Wirtschaftsverbänden, fehle hingegenbei den weiterführenden Oberschulen. Dieser enge Bezug zur<strong>Arbeit</strong>swelt erleichtere ganz wesentlich den Einstieg bzw. dieÜbernahme in <strong>ein</strong> dauerhaftes <strong>Arbeit</strong>sverhältnis.Ich glaube, dass wir in Südtirol <strong>ein</strong>en großen Vorteil haben <strong>und</strong>das ist der Einstieg über die Lehre. Das ist etwas, was Südtirolauszeichnet.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsIl sistema duale aiuta i giovani ad integrarsi [...]produce professionalità.Fachmann der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleTheorie <strong>und</strong> Praxis zu verbinden, neue Berufsbilder <strong>und</strong> entsprechendeAusbildungswege zu entwickeln, beruflich in <strong>ein</strong>em selbstgewählten <strong>und</strong> gesteuerten Bildungsweg zu wachsen – dies seiendie Schlüsselfaktoren für den späteren Erfolg beim Einstieg in<strong>ein</strong>en Handwerks- oder Industriebetrieb:Die duale Ausbildung bietet <strong>ein</strong>e gute Möglichkeit sich Fähigkeiten<strong>und</strong> Fachwissen anzueignen.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsDie Berufsausbildung versuche den Anforderungen des <strong>Arbeit</strong>smarktesso gut es geht zu entsprechen, weshalb es auch gelungensei, die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit niedrig zu halten:Formazione professionale credo che il sistema sia estremamentevalido ed effettivamente qualificante, proprio perché tutto ciòche viene offerto, i laboratori, le attrezzature e ciò che si trasmetteè effettivamente in linea con quello che succede contemporaneamentenell´attuale mondo del lavoro.Psychologin der BerufsberatungAußerdem sch<strong>ein</strong>t das duale System <strong>ein</strong> wirksames Mittel gegen<strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit zu s<strong>ein</strong>:Ländern mit dualem Ausbildungssystem weisen nachgewiesen<strong>ein</strong>e niedrige <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit auf. Die duale Ausbildungbietet jungen Menschen bessere Chancen auf <strong>ein</strong>en reibungslosenÜbergang von der Schule in das Berufsleben.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsDie befragten Experten <strong>und</strong> Akteure stimmen darin über<strong>ein</strong>, dassder Berufsbildung <strong>ein</strong>e zentrale Rolle nicht nur im Bildungssystem,sondern auch für die Unternehmen allgem<strong>ein</strong> zukomme. Sie hätte


78 Stärken des Südtiroler Bildungssystemsnämlich <strong>ein</strong>e wichtige pädagogische Funktion für die Eingliederungder <strong>Jugend</strong>lichen ins <strong>Arbeit</strong>sleben. Allerdings seien auchVerbesserungen im System angesagt:Deswegen bin ich eigentlich <strong>ein</strong>e Verfechterin des Berufsschulwesen.Man müsste es nur noch breiter aufstellen, integrierenmit <strong>ein</strong>em besseren, breit gefächerten Allgem<strong>ein</strong>wissen.Leitende Mitarbeiterin des ASTAT9.1.5 Schwächen des SüdtirolerBildungssystemsDie Antworten auf die Frage zu den kritischen Bereichen <strong>und</strong>Schwachpunkten des Südtiroler Bildungssystems beziehen sich inerster Linie auf die nicht zufrieden stellenden Ergebnisse desZweitsprachunterrichts. Am Ende der Oberschul- bzw. der Berufsschulausbildungerreichen die <strong>Jugend</strong>lichen <strong>ein</strong>e durchschnittlicheKenntnis der Zweitsprache Deutsch <strong>und</strong> Italienisch, die für die Anforderungenauf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt nicht in allen Fällenausreicht. Darüber hinaus wird von den <strong>Arbeit</strong>gebern auch immermehr die Kenntnis <strong>ein</strong>er dritten Sprache verlangt:(...) allerdings beherrschen viele Schüler die Zweitsprache unzureichend.Das ist <strong>ein</strong>e Schwäche.Schulinspektorin OberschuleDove c´è lavoro si richiede la competenza nelle due lingue espesso non si esce dai percorsi scolastici e formativi con questacompetenza.Psychologin der BerufsberatungDefizite in der Beherrschung der zweiten Landessprache weisendabei die italienischsprachigen <strong>Jugend</strong>lichen in höherem Ausmaßauf als ihre deutschsprachigen Altersgenossen. Unabhängig vonder Sprachgruppe sch<strong>ein</strong>en – laut Akteuren/innen – die Zweitsprachkenntnisseallgem<strong>ein</strong> abzunehmen:Italienische Maturanten haben Probleme, sich auf Deutsch vorzustellen.Zu wenig Konversation, also strukturelles Problemdes Sprachenunterrichts.Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagenturDie Sprachkompetenzen nehmen ab. Italienische Lehrpersonenwechseln häufig. K<strong>ein</strong>e Lehramtsausbildung, viele Auftragslehrerim Schulsystem beschäftigt, worunterdie Qualität leidet.Vertreter <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisation


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 79Zur Zeit gibt es noch k<strong>ein</strong>en politischen Willen, <strong>ein</strong>e zweisprachigeSchule zu schaffen, doch laufen zahlreiche Schulversuche aufGr<strong>und</strong>schulebene, die den Zweitsprachunterricht verbessern sollen.Dabei soll der Zweitsprachunterricht nicht zu abgetrennt vonder Lebenswelt erfolgen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e tatsächliche Zweisprachigkeitder <strong>Jugend</strong>lichen ermöglicht werden. Somit geht es bei diesemAspekt nicht um <strong>ein</strong>e bloße Schwäche der Oberstufe, sondern umHandlungsbedarf auch in den unteren Schulstufen.Ich sehe auf alle Fälle noch ganz stark <strong>ein</strong>en Mangel an Sprachkompetenzen,aber das ist nicht Schuld der Oberschule, sonderndas ist <strong>ein</strong> Problem, das schon in der Volksschule beginnt.Hier müsste man schon viel früher ansetzen, also in der Oberschuleist das <strong>ein</strong> bisschen spät damit anzusetzen.Vertreter <strong>ein</strong>es Unternehmerverbands, HDSDie ladinische Schule steht in diesem Zusammenhang als interessantesModell da:Wir haben in Ladinien <strong>ein</strong> spezielles System, das paritätischeSystem ist unsere Stärke. Hier wird in drei Sprachen unterrichtet<strong>und</strong> zwei Fachrichtungen (Verwaltung <strong>und</strong> Finanzen, Tourismus<strong>und</strong> Sprachen). Im nächsten Schuljahr wird als 5. SpracheRussisch unterrichtet, wofür sich die Eltern <strong>ein</strong>stimmig ausgesprochenhaben. Jedenfalls beherrschen die ladinischen Oberschulabgängerdie deutsche <strong>und</strong> italienische Sprache sehr gut.OberschuldirektorAls weiteres wichtiges Thema sprechen die befragten Akteure dieNotwendigkeit der höheren Durchlässigkeit zwischen den verschiedenenBildungswegen oder Bildungssäulen an.Man sollte sich nicht mit 15 definitiv gegen jedes Weiterstudierenentscheiden müssen <strong>und</strong> dann nur über den beschwerlichenzweiten Bildungsweg studieren können. Die Durchlässigkeitmüsste in diesem Sinn erhöht werden.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenSie ist aber sicher <strong>ein</strong> wichtiges Thema. Durchlässigkeit bedeutetauch Übertrittmöglichkeiten.Leitende Beamtin der BerufsberatungAuf der praktischen Ebene ist <strong>ein</strong>e derartige Durchlässigkeit nicht<strong>ein</strong>fach zu bewerkstelligen, weil jeder Ausbildungsweg s<strong>ein</strong>e Inhalteim jeweiligen Curriculum fest verankert hat.Ja, die Umorientierung ist sicher schwierig, aber man kann es jaerleichtern, indem man zum Beispiel die Anerkennung der Studienleistungenverbessert, oder indem man <strong>ein</strong>e Berufsmaturamacht (…).Leitende Mitarbeiterin der Berufsberatung


80 Schwächen des Südtiroler BildungssystemsCapisco che non è facile passare da un indirizzo formativo adun altro, dalle scuole professionali alle scuole superiori e viceversa,però necessarie sarebbero delle misure che accompagninoil giovane in questo passaggio […] nel sostegno per recuperarecerte carenze.Vertreterin des WIFODie Frage der Durchlässigkeit knüpft an der Notwendigkeit der Einführungder Berufsmatura an, <strong>und</strong> zwar in Form <strong>ein</strong>er neuen Artder Zugangsberechtigung zur Hochschule. Dies sch<strong>ein</strong>t allerdingsnoch in weiter Ferne zu liegen:Im aktuellen System ist <strong>ein</strong>e Berufsmatura noch nicht vorstellbar,weil die Matura <strong>ein</strong>e staatliche Prüfung ist. Eine Berufsmaturakann ich mir nur als <strong>ein</strong>e spezielle, gesonderte Prüfung vorstellen.aber <strong>ein</strong>e Berufsmatura, die die allgem<strong>ein</strong>e Hochschulreife vermittelt,ist in Italien schwierig.Schulinspektorin OberschuleUmdenken ist fällig auch in Sachen Berufsmatura. Wer inDeutschland <strong>ein</strong>en Meisterbrief hat, kann jede Hochschule besuchen.Dies muss auch in Italien <strong>ein</strong>geführt werden, das Bildungssystemmuss durchlässiger werden.Leitende Beamtin der BerufsberatungDies erlaubt darüber hinaus neue, umfassendere Berufsbilder zuschaffen:Il falegname che diventa architetto è il più bravo architetto delmondo secondo me, oppure l´infermiere che dirige un centroanziani, avendo fatto per vent´anni i turni in una casa di riposo,io mi fiderei più di uno così che di un super dottore.Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenMehr Raum müsse im Rahmen der Schulausbildung auf jeden Falldie Berufspraxis erhalten, was für die allgem<strong>ein</strong>bildenden wieauch für die technischen Oberschulen gelte.Die duale Ausbildung ist in der Berufsausbildung <strong>ein</strong> Erfolgsmodell,gr<strong>und</strong>sätzlich sollte dieses Modell auch Vorbild für andereBereiche s<strong>ein</strong>, d.h. gerade der Praxisunterricht sollte in allenOberschulen mehr gefördert werden.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsDas Fehlen praktischer Ausbildungsinhalte schlägt sich unvermeidlicherweis<strong>ein</strong> den beruflichen Kompetenzen der Maturant/innenwie auch der Hochschulabsolvent/innen nieder.(…) Es ist <strong>ein</strong> Unterschied, ob ich chemische Formeln auf demPapier pauke, oder ob ich das wirklich mal in <strong>ein</strong>em Labor ausprobierenkann. Es ist <strong>ein</strong> Unterschied, ob ich in Medizin unter-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 81richtet werde, oder dann wirklich mit Patienten arbeiten kann.(…) Wenn ich etwas über das Bankwesen lerne, sollte ich dasauch in der Bank probieren können.Vertreterin des ASTATAusschließliches Bücherstudium entferne die <strong>Jugend</strong>lichen vonden Anforderungen der <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> verursache für viele <strong>ein</strong>eArt Praxisschock beim Antritt der ersten <strong>Arbeit</strong>sstelle, an derplötzlich ganz andere Fertigkeiten verlangt werden, als sie in derSchule gepflegt worden sind.(...) jetzt haben wir den theoretischen Teil abgehandelt, jetztmachen wir es in der Praxis. (…) dann wird plötzlich das theoretischeWissen sehr konkret <strong>und</strong> <strong>ein</strong> junger Mensch kann sichleichter orientieren, ob das etwas für ihn ist, ob es ihm gefällt,ob er <strong>ein</strong> Leben lang in dieser Sparte arbeiten will, oder ob ersich das gar nicht vorstellen kann.Vertreterin des ASTATDie Frage der Berufsmatura wird von den befragten Akteuren immerwieder als effizientes Mittel zur Aufwertung der Lehrberufe<strong>und</strong> der Berufsschule betrachtet, <strong>und</strong> ihr Fehlen als <strong>ein</strong>enSchwachpunkt des heutigen Südtiroler Bildungssystems.9.1.6 Brücken zwischen Schule <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>swelt„Sollte das System Schule <strong>und</strong> Berufsschule <strong>und</strong> das Erwerbssystemnoch enger auf<strong>ein</strong>ander abgestimmt werden? Und wie kanndas erreicht werden?“ Auf diese Frage haben die Experten/innen<strong>und</strong> Akteure/innen in eher unterschiedlicher <strong>und</strong> kontroverser Artgeantwortet.Ein zweischneidiges Schwert.Lehrperson Technologischen Fachoberschule(...) das ist sehr zweischneidig. Zum <strong>ein</strong>en besteht die Forderungnach mehr Praktika innerhalb der Uni <strong>und</strong> mehr Kontaktzur <strong>Arbeit</strong>swelt. Aber die Universität soll auch <strong>ein</strong>e Stätte derBildung s<strong>ein</strong> <strong>und</strong> nicht nur der fachspezifischen Ausbildung. Esist schwierig, diesen Spagat herzustellen.Vertreter <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisationWie zu erwarten gibt es <strong>ein</strong>erseits Stimmen, die <strong>ein</strong>e engere Ausrichtungder Schule auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt fordern. Das Schulsystemsoll die von den Unternehmen geforderten Qualifikationen liefern,die sich laufend ändern <strong>und</strong> ausdifferenzieren:Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten sich auch die Ausbildungsprogrammestärker auf die Nachfrage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> die Anforderungender Wirtschaft ausrichten.Vertreter <strong>ein</strong>es Unternehmerverbands


82 Brücken zwischen Schule <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sweltAuf der Gegenseite finden sich jene Positionen, die den Schulenprimär die Aufgabe der Erziehung der <strong>Jugend</strong>lichen anvertraut sehenwollen, <strong>und</strong> zwar im Sinne der Persönlichkeitsbildung, nichtso sehr der arbeitsmarktgerechten Formung. Diese Sicht habennicht nur <strong>Arbeit</strong>nehmer, sondern auch Unternehmerverbände;Das heißt die Schule hat nicht die Aufgabe die Bedürfnisse derUnternehmen abzudecken, die Schule hat die Aufgabe, demMenschen <strong>ein</strong>e solide Bildungsbasis zu gewähren.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsIo sono un fautore che la scuola faccia il suo mestiere, questaidea che l´economia deve ordinare quasi alla scuola che tipo dipersone deve preparare per le sue esigenze, mi sembra un'ideariduttiva e chiusa. La scuola, secondo me, deve dare una bellacultura di tipo generale ed anche il senso critico necessario peraffrontar la vita.Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenNichtsdestotrotz überwiegt jene Position, die beide Ansprüche andas Bildungssystem bestmöglich zu verbinden sucht: zum <strong>ein</strong>ensoll der Unterrichtsstoff weniger abstrakt werden <strong>und</strong> stärker aufdie <strong>Arbeit</strong>swirklichkeit <strong>ein</strong>gehen, die die <strong>Jugend</strong>lichen nach Abschlussihrer Ausbildung erwartet. In diesem Sinn solle mehr Austausch<strong>und</strong> Zusammenarbeit zwischen der Schul- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sweltstattfinden, ohne deshalb die Schule ihre primäre Aufgabe derPersönlichkeitsbildung streitig zu machen:(…) <strong>ein</strong>er Gr<strong>und</strong>bildung, auch beruflicher Natur, die über denBedürfnissen <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>zelnen Betriebes oder so hinausgeht,darin sehe ich auch <strong>ein</strong>en Wert.Leitende Beamtin der BerufsberatungIntegrieren in das Schulsystem sicher nicht, aber es muss <strong>ein</strong>Austausch stattfinden.Vertreter <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisationConoscendosi perché non si conoscono: nessun insegnante entramai in un´azienda e nessun dirigente aziendale entra mai inuna scuola.Koordinatorin der BerufsberatungZur Zeit sei <strong>ein</strong> Praktikum das <strong>ein</strong>zige Instrument, das während derOberschulzeit diese beiden Welten verbinde. Die Beobachtungsstellefür den <strong>Arbeit</strong>smarkt hat die in Südtirol von <strong>Jugend</strong>lichenabsolvierten Praktika <strong>und</strong> Sommerjobs mehrfach tiefer gehendanalysiert.Mittlerweile wird auch viel von Seiten der Schulen gemacht wiePraktika, Bewerbungstrainings, Treffen in der Handelskammer


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 83über die Wirtschaftssituation in Südtirol, um die <strong>Jugend</strong>lichenan die Wirtschaft anzunähern (…).Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandWir haben die Praktika von 2011 ausgewertet mit <strong>ein</strong>er Rücklaufquotevon über 50%. Auch jene, die sagten, sie hätten <strong>ein</strong>enschlechten <strong>Arbeit</strong>splatz gehabt, empfanden ihr Praktikum trotzdemals sinnvolle, wichtige Erfahrung. Es war wichtig, die <strong>Arbeit</strong>sweltkennen zu lernen.Leitender Beamter der <strong>Arbeit</strong>svermittlungDie Bedeutung dieser Praktika für die <strong>Jugend</strong>lichen ergebe sichvor allem aus der konkreten <strong>Arbeit</strong>serfahrung, weniger aus derPerspektive, in diesem Bereich später <strong>ein</strong>e Beschäftigung zu erhalten:(…) che i ragazzi inizino a entrare in contatto con il mondo dellavoro, inizino a capire cos´è il lavoro, che cosa vuol dire lavorar<strong>ein</strong> un´azienda, com´è organizzata un´azienda. Questo perchéaiuta sia nelle scelte dei percorsi scolastici e universitari,sia perché poi li agevola quando è il momento di entrare nelmercato del lavoro.Berufsschuldirektor9.1.7 Kompetenzen für den <strong>Arbeit</strong>smarktWenn sich <strong>Jugend</strong>liche für <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz bei <strong>ein</strong>em Unternehmenbewerben, sollten sie vor allem auf transversale KompetenzenWert legen, die sie zusätzlich zur fachlichen Qualifikation vorzuweisenhaben. Aus den Interviews ging vorwiegend die M<strong>ein</strong>unghervor, dass <strong>Jugend</strong>liche vor allem ihre Motivation, Leistungsfähigkeit<strong>und</strong> sozialen Kompetenzen unter Beweis stellenmüssen, um gute Chancen für <strong>ein</strong>e Aufnahme zu haben. Dabeigeht es um persönliche Ressourcen, die für die Einsetzbarkeit imBetrieb durchaus gleich wichtig seien wie die spezifisch berufsfachlichenKompetenzen.(…) Per quasi tutte le aziende non è importante che un giovanesappia fare un lavoro; la cosa importante è che abbia determinatecaratteristiche, come ad esempio la flessibilità, l´umiltà, lalealtà. Sono aspettative rispetto alle caratteristiche personali[...] Quindi si va a cercare delle persone che possano inserirsiall´interno di un gruppo e possano portare come valore aggiuntoquello che sono più che quello che sanno, perché quello chedevono sapere per svolgere il proprio lavoro glielo insegneràl'azienda stessa.Mitarbeiterin der <strong>Arbeit</strong>svermittlung


84 Kompetenzen für den <strong>Arbeit</strong>smarktMit anderen Worten: Zuverlässigkeit, Belastbarkeit, Bereitschaft,Motivation, Organisation der eigenen <strong>Arbeit</strong> (Selbstständigkeit am<strong>Arbeit</strong>splatz), Flexibilität sch<strong>ein</strong>en mehr denn je weniger individuelleZuschreibungen zu s<strong>ein</strong>, als „Sek<strong>und</strong>ärtugenden“, die die Unternehmenvon jedem Beschäftigten erwarten.Doch wenn die <strong>Jugend</strong>lichen zu wenig motiviert sind, k<strong>ein</strong>e Einsatzbereitschaft,k<strong>ein</strong> Fleiß, k<strong>ein</strong>e Weiterbildungsbreitschaft <strong>und</strong>Begeisterung vorhanden sind, wird es schwierig.Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagenturAuf derselben Ebene finden sich die Sozialkompetenzen, die konstruktiveKommunikationsfähigkeit in allen möglichen Umfeldern,die Toleranz, die Teamfähigkeit, die Kompromisssuche <strong>und</strong> dergleichenmehr.Oggi il lavoro è anche una questione di relazioni, quasi semprenel lavoro devi essere anche capace di relazionarti con chi haiaccanto. Le persone più negative sono quelle che si dice “nonvanno d´accordo con nessuno, nessuno le vuole. Bravissimama ha un carattere pessimo”. Quindi vuol dire che la competenzarelazionale fa parte della professionalitàVertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenHier muss allerdings <strong>ein</strong>e Unterscheidung getroffen werden. Auchwenn es zutrifft, dass transversale Kompetenzen <strong>und</strong> soziale Kompetenzentagtäglich für die Aufnahme von neuen Bewerbern wichtigerwerden, kann man nicht behaupten, dass die Unternehmendeshalb bereit wären, bei der beruflichen Qualifikation Abstrichezu machen <strong>und</strong> zusätzlich in die Ausbildung am <strong>Arbeit</strong>splatz zu investieren.Diese Bereitschaft hängt auch stark von der Betriebsgrößeab. Ein größeres Unternehmen kann sich die Ausbildung vonneuen Mitarbeiter/innen am <strong>Arbeit</strong>splatz eher leisten. Das kl<strong>ein</strong>ereUnternehmen wird sich, nach Auffassung der Akteure/innen, eherjene Bewerber aussuchen, die sich am schnellsten den betrieblichenAnforderungen entsprechen kann <strong>und</strong> für <strong>ein</strong>en sofortigenEinsatz zur Verfügung steht.Die Betriebe sind nicht mehr so motiviert, die <strong>Jugend</strong>lichen vollanzulernen. Die Kosten der Ausbildung werden berechnet.Mitarbeiterin <strong>Arbeit</strong>svermittlung(…) ist die Erwartung da, dass junge <strong>Arbeit</strong>nehmer qualifiziert<strong>und</strong> zu 100% <strong>ein</strong>satzfähig s<strong>ein</strong> müssen. […] Vielleicht könnensich Unternehmen immer weniger <strong>ein</strong>e lange Einarbeitungsphaseleisten, also jemand ständig betreuen zu müssen.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenHinsichtlich der berufsspezifischen Anforderungen an neue Bewerbertritt immer klarer zu Tage, dass die Unternehmen bei den Ma-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 85turanten technischer Oberschulen jene bevorzugen, die bereits<strong>ein</strong>e gewisse <strong>Arbeit</strong>serfahrung vorweisen können. Diese Erfahrungmacht jedoch <strong>ein</strong>e zusätzliche Phase der betriebsinternen Einschulungnicht verzichtbar.Man hätte gern junge leistungsfähige Mitarbeiter, die schonganze Erfahrung mitbringen.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenHäufig geschieht es jedoch, dass sich die vom <strong>Arbeit</strong>geber verlangtenEigenschaften <strong>und</strong> Qualifikation widersprechen: so etwawenn junge Mitarbeiter unter 30 Jahren mit jahrelanger Berufserfahrunggesucht werden:In più vediamo anche che negli ultimi anni le imprese richiedonosempre di più, si tratta quasi del 70% delle imprese, l´esperienzaprofessionale specifica o quantomeno nel settore. Percui anche per i giovani questo diventa più difficile visto che nonpossono avere esperienza appena usciti dalla formazione.Vertreterin des WIFOAuf der anderen Seite sehe ich oft, dass vornehmlich jungeLeute gewünscht werden in den Betrieben, die aber schon Berufserfahrunghaben sollen <strong>und</strong> oft mehrjährige Berufserfahrung.Das geht <strong>ein</strong>fach nicht zusammen. Ein Maturant <strong>und</strong> auch<strong>ein</strong> Uniabsolvent mit 25 kann unter Umständen noch nicht diemehrjährige Berufserfahrung haben.Vertreterin des ASTAT9.1.8 Ein Blick auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt der ZukunftMit der Globalisierung der Wirtschaft sind am <strong>Arbeit</strong>smarkt maßgeblicheVeränderungen im Gange. Die ständigen Neuerungen inder Kommunikationstechnik lassen verschiedene Wirtschaftssektorenobsolet werden, wodurch die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktesinstabil <strong>und</strong> unvorhersehbar wird. In kurzer Zeit sind viele Tätigkeiten,die bisher vielen Menschen Beschäftigung verschaffthatten, vom Marktgeschehen <strong>und</strong> der Technik überholt <strong>und</strong> dieentsprechenden <strong>Arbeit</strong>splätze abgebaut worden. Angesichts derGeschwindigkeit der Veränderungen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong>der sinkenden „Halbwertszeit“ der Berufe wird sogar das bisherigeKonzept der Beruflichkeit in Frage gestellt. Somit seien auch Prognosenimmer schwieriger <strong>und</strong> weniger plausibel:Sono ostile a queste proiezioni. Sono una presa in giro perchéle previsioni sono superate [...] Certe cose non sono prevedibili,delle professioni sono scomparse ed alcune proiezioni fatte 10-20 anni fa si sono rilevate completamente fuori dalla realtà.Fachmann der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle


86 Ein Blick auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt der Zukunft(…) le previsioni, soprattutto quelle a lungo termine sul mercatodel lavoro non sono da considerarsi veritiere, sono comel´oroscopo che quotidianamente si legge sui giornali, non hannosenso, poiché i fattori che influenzano l´avverarsi o meno diqueste previsioni possono solo mutare (...) quando avevo iniziatoa lavorare qui avevo letto molti libri che parlavano di quantepersone sarebbero servite dopo il 2000 per ogni settore economico.Non è successo nulla di tutto questo, ma non perché lepersone che avevano scritto questi libri erano soltanto dei visionari,ma perché sono cambiati alcuni fattori che hanno resovane le previsioni.Psychologin der BerufsberatungWas dennoch erfolgen könne, ohne den <strong>Jugend</strong>lichen falscheHoffnungen zu machen, sei die Angabe jener Sektoren, Branchen<strong>und</strong> Bereiche, die in Zukunft mit großer Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit wachsen<strong>und</strong> zusätzliche <strong>Arbeit</strong>splätze bieten werden. Ausgehend vonden oben genannten Erhebungen EXCELSIOR der Unioncamerewürden weiterhin die technisch-naturwissenschaftlichen Berufestärker nachgefragt. Abgesehen von den Ingenieuren, die schonlänger zu den Mangelberufen gehörten, wird <strong>ein</strong>e hohe Nachfragenach spezialisierten Technikern der mittleren Ebene verzeichnet,die in verschiedenen Produktionssparten <strong>und</strong> Branchen <strong>ein</strong>gesetztwerden können:In der <strong>Arbeit</strong>swelt ist anderes gefragt: die Zusammenführungder Gewerbe. Da können die Kurse für Vollzeit-Ausbildung <strong>ein</strong>eVorreiterrolle haben, <strong>und</strong> die können wir selbst bestimmen. Gebäudetechnik,Infrastrukturtechnik, was bisher getrennt wird,wird eher zusammengeführtBildungsplaner, Abteilung BerufsbildungEinen hohen Bedarf sch<strong>ein</strong>t es auch an mittleren Qualifikationen inder Industrie zu geben, sowohl bei den technischen wie bei denkaufmännisch spezialisierten Facharbeiter/innen.Zu ermöglichen wären auch Teilqualifikationen mit Kompetenzenauflistung,die Einführung von Attestberufen <strong>und</strong> anderenBerufsbildern. Dadurch können auch geringere Qualifikationenaufgewertet werden. Es gibt ja nicht die Pflicht für jeden, zu <strong>ein</strong>emhohem Abschluss zu kommen.Bildungsplaner, Abteilung BerufsbildungAls <strong>ein</strong>en der Wachstumsbereiche bezeichnen die befragten Akteurejenen der erneuerbaren Energien <strong>und</strong> des technischen Umweltschutzes,der Heiz- <strong>und</strong> Kühltechnik, der thermischen Gebäudesanierung,sowie generell der intelligente Energie<strong>ein</strong>satz.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 87In Europa geht der Trend momentan in erneuerbare Energien,folglich werden gerade in diesem Bereich Fachkräfte gefragts<strong>ein</strong> (Ingenieure, Techniker, Experten usw.).Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsAuch die Informatik muss hier erwähnt werden, die <strong>ein</strong>e zunehmendeZahl von <strong>Arbeit</strong>splätzen bieten wird, gleich ob Programmierer,Grafiker, Kommunikationstechniker oder Systemanalytiker.Angesichts des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft,die zunehmend altert, wird es auch <strong>ein</strong>en Zusatzbedarf an Pflegepersonalgeben:Tutto quel campo sarebbe da favorire, rinforzare anche perchélì dentro c´è tutta una sperimentazione, un´innovazione perchénon è assolutamente la pura e semplice assistenza di tipo passivoma c´è tutto un mondo: la comunicazione, l´interrelazione,la formazione attiva degli adulti, insomma assistenza alla personanon solo in termini socio-sanitari, che servono anche quelli,ma anche nell´inclusione, nella relazione sociale, cioè quei bisogninon materiali che ormai le ultime statistiche dicono cheormai occupano più della metà del nostro portafoglio.Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenNeben den fachlichen <strong>und</strong> sprachlichen Kompetenzen wird am <strong>Arbeit</strong>smarktbereits heute Einsatz verlangt – <strong>und</strong> dies könnte in Zukunftnoch verstärkt erwartet werden. Vom Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungssystemin s<strong>ein</strong>er Gesamtheit auf allen Ebenen werden somitzusätzliche Anstrengungen erwartet, nämlich nicht nur der Aufbauberufsspezifischer Qualifikationen, sondern auch der Aufbau <strong>ein</strong>erPersönlichkeit.Penso che la scuola potrebbe insegnare di più sia a livello dirapporti interpersonali che per ciò che concerne il rispetto, il lavorodi gruppo, la solidarietà tra le persone. […] Dovrebbe perciòessere insegnato anche il sostegno del più debole nell´otticadel risultato di gruppo, perché in ambito lavorativo servonotantissimo questi insegnamenti (…). Questi sono valori aggiuntinella vita, così come nel mondo del lavoro.BerufsschuldirektorIo trovo per esempio assurdo che in Italia si raggiunga una laureae nessuno dedichi un´ora alla retorica, alla comunicazione,alla risoluzione dei conflitti, tutte cose che succedono al lavoroil giorno dopo.Vertreter des B<strong>und</strong>es der GenossenschaftenDen <strong>Jugend</strong>lichen wird somit empfohlen, sich nicht nur derSammlung von beruflichen Erfahrungen zu widmen, sondern sichdarauf <strong>ein</strong>zustellen, dass man das ganze Leben lang lernen müsse.Es gebe unzählige Möglichkeiten des Lernens, auch in der Freizeit,


88 Ein Blick auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt der Zukunftdie wiederum dem Berufsleben jedes Einzelnen zugute kommenkönnten:Ich glaube es wird zunehmend wichtig, eben nicht nur 4,5,6Jahre sich auf das Studium zu konzentrieren, sondern offen zus<strong>ein</strong> für die verschiedenen Erfahrungen <strong>und</strong> Möglichkeiten, diees prinzipiell ja auch gibt. Das können Auslandsaufenthaltes<strong>ein</strong>, das können Sprachkurse s<strong>ein</strong> irgendwo. Das kann <strong>ein</strong> Jobim Ausland s<strong>ein</strong>. Also die ganzen Erfahrungen r<strong>und</strong>herum sindsehr wesentlich für das, was die Wirtschaft heute verlangt.Schlüsselkompetenzen.Leitende Beamtin der BerufsberatungAuch wichtig sind ehrenamtliche Tätigkeiten. Die <strong>Arbeit</strong>geberlegen auch aufs soziale Engagement Wert, z.B. in <strong>ein</strong>em Ver<strong>ein</strong>,beim Weißen Kreuz, oder Feuerwehr. Wenn jemand ehrenamtlichzur Verfügung steht, zeigt er in der Regel auch im Berufmehr Einsatzbereitschaft.Vertreter <strong>ein</strong>er Gewerkschaft9.2 Gruppenspezifische FragenDer zweite Teil der Expertengespräche baut auf den allgem<strong>ein</strong>en<strong>Aspekte</strong>n der Entwicklung der Beschäftigung von <strong>Jugend</strong>lichenauf, um anhand gruppenspezifischer, auf den jeweiligen Kompetenzbereichder Gesprächspartner bezogener Fragen besondere<strong>Aspekte</strong> der <strong>Jugend</strong>beschäftigung zu vertiefen, etwa die Auswirkungender Reformen im Bildungssystem, die aktuellen Problemeder Schüler/innen in der Schule <strong>und</strong> später bei der Berufswahl <strong>und</strong><strong>Arbeit</strong>ssuche. Aufgr<strong>und</strong> der relativ homogenen Gruppenbildungzeichnet sich bei den Auskünften der Akteuren/innen <strong>ein</strong> mehrheitlichüber<strong>ein</strong>stimmendes M<strong>ein</strong>ungsbild ab, während nur bei <strong>ein</strong>zelnenFragen gegensätzliche Positionen erkennbar werden. DiesePositionen <strong>und</strong> M<strong>ein</strong>ungen werden im Folgenden nach Themengegliedert wiedergegeben.9.2.1 Berufsausbildung <strong>und</strong> Oberschule9.2.1.1 Zum Stand des BerufsausbildungssystemsIm Jahrzehnt 2000-2010 ist in Südtirol <strong>ein</strong> deutlicher Rückgang derabgeschlossenen Lehrverträge zu beobachten. Worauf führen diebefragten Akteure diese Entwicklung zurück? Der Rückgang derLehrlingszahlen sei zum Teil auf die rückläufige Stärke der Jahrgängezurückzuführen, zum Teil auch auf die nachlassende Anziehungskraftder Lehre. Dieser Trend werde sich laut Experten bis2020 fortsetzen, wobei 2020 mit nur mehr 2.000 Lehrlingen gerech-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 89net wird. Andererseits übertrifft die Zahl der Besucher der Vollzeitkurseder Berufsschulen schon länger jene der Lehrlinge im dualenSystem.In verschiedenen Wirtschaftszweigen schrecke die überlange Dauerder Lehrzeit die Interessenten ab. Von über 100 Ausbildungsberufendauern 60 drei Jahre, 40 aber vier Jahre. Hier hätten sich –so die Befragten – die Handwerkerverbände gegenüber der Landesverwaltungdurchgesetzt, um Lehrlinge bzw. Gesellen bis zu 4Jahre in <strong>ein</strong>em für sie günstigen <strong>Arbeit</strong>sverhältnis zu halten, obwohldie fachliche Ausbildung in 2-3 Jahren zu bewältigen wäre.Bei der Dauer der Lehre haben sich die Handwerkerverbändegegenüber dem Land durchgesetzt. Für viele Lehrberufe ist<strong>ein</strong>e Lehrdauer von vier Jahren beibehalten worden, was sehrschwerwiegend ist. Im Interesse der Handwerksbetriebe werdenalso unterbezahlte Lehrlinge <strong>und</strong> Gesellen vier Jahre langim Betrieb gehalten, obwohl die r<strong>ein</strong>e Ausbildung auch in 2-3Jahren leicht zu bewältigen wäre. Von über 100 Ausbildungsberufensind 60 dreijährig, aber über 40 haben <strong>ein</strong>e Dauer von 4Jahren .GewerkschafterDie Stärkung des schulisch-theoretischen Teils der Ausbildung imRahmen des neuen Lehrlingsgesetzes wird von verschiedenen Akteurenbegrüßt, doch müssten die Lehrberufe insgesamt in der Bildungslandschaftaufgewertet werden. Die Zunahme der Schülerzahlder Vollzeitkurse drückt auch den Wunsch der Eltern nach längererSchulausbildung aus.Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die Abnahme der Zahl der Lehrlinge liegeim nach wie vor zu geringen Ansehen der handwerklichen Berufe,während immer mehr Eltern ganz auf <strong>ein</strong>e Oberschulausbildung<strong>und</strong> Maturaabschluss ihrer Kinder setzten.Schließlich stellten manche Betriebe k<strong>ein</strong>e Lehrlinge mehr <strong>ein</strong>,weil sich die Unternehmen aufgr<strong>und</strong> der <strong>Jugend</strong>schutzbestimmungenin der Einsetzbarkeit der Lehrlinge unter 18 <strong>ein</strong>geschränkt fühlen<strong>und</strong> eher auf Leiharbeiter ausweichen.9.2.1.2 Neue Formen der Lehre <strong>und</strong>BerufsausbildungUnterschiedliche M<strong>ein</strong>ungen waren unter den befragten Akteurenzu den neuen Formen höherer Lehre zu verzeichnen (apprendistatoprofessionalizzante). Im deutschsprachigen Ausland habe dieseForm der Lehre („Höhere technische Lehre“) dem Fachkräftemangelwesentlich entgegenwirken können.


90 Berufsausbildung <strong>und</strong> OberschuleWie soll man diese höheren Lehrlinge ausbilden? Es geht umhöhere technische Bildung für Maturanten oder Meister, diesich weiter qualifizieren möchten. Da fehlt in Südtirol noch dasAngebot wie die zweijährigen Kurse höherer Lehre mit europäischemAbschluss z.B. wie das Tourismusmanagement.BerufsschuldirektorBezüglich der berufsspezialisierenden Lehre nach der Maturamüssten Informationsveranstaltungen in den Oberschulen <strong>und</strong>Betriebsbesichtigungen organisiert werden. Die Berufsberaterspielen in diesem Zusammenhang ebenfalls <strong>ein</strong>e sehr wichtigeRolle (...). Die berufsspezialisierende Lehre bietet auch Fachkräftendie Möglichkeit, sich erneut umzuschulen.Vertreterin der GewerkschaftsjugendZum <strong>ein</strong>en wird betont, dass diese Lehre <strong>ein</strong> wichtiges Instrumentzur Erleichterung des Einstiegs von Maturanten in den <strong>Arbeit</strong>smarktwerden könnte. Allerdings sei die „spezialisierende Lehre“in Südtirol noch zu wenig bekannt. Man müsse deshalb an denOberschulen <strong>und</strong> bei den Wirtschaftsverbänden mehr Informationsveranstaltungenzu dieser Vertrags- <strong>und</strong> Ausbildungsform abhalten.Bei diesem Lehrvertrag bietet die Berufsschule begleitendeKurse im Umfang von 300 St<strong>und</strong>en. Die geringere Entlohnung seiwegen den Fehlzeiten für die theoretische Ausbildung gerechtfertigt.28 Die berufsspezialisierende Lehre biete sich auch an für Fachkräfte,die <strong>ein</strong>en Berufswechsel anstreben. Ein beträchtlicher Teilder Berufsschulabgänger steigt bekanntlich auf <strong>ein</strong>en anderen Berufum.Eine höhere Lehre soll auch auf Hochschulebene <strong>ein</strong>gerichtet werden<strong>und</strong> damit den Bedarf an Fachhochschulausbildung in Italienabdecken. An der Universität Bozen laufe derzeit <strong>ein</strong> Studiengangfür Logistikingenieure in Zusammenarbeit mit der Universität Turinmit <strong>ein</strong>em hohen Praxisanteil in Partnerbetrieben. Andererseitsgibt es auch starke Bedenken gegenüber der berufsspezialisierendenLehre.Im Alter von 19-20 ist <strong>ein</strong>e Person eigentlich schon für den Einstiegin <strong>ein</strong>em Betrieb bereit <strong>und</strong> muss eben angelernt werden.Eine weitere Lehrzeit mit Niedriglöhnen <strong>und</strong> schlechteren <strong>Arbeit</strong>sbedingungendraufzusatteln ist nicht akzeptabel. Es könnte<strong>ein</strong> neuer Vorwand s<strong>ein</strong>, die Berufskenntnisse der <strong>Jugend</strong>lichennicht anzuerkennen <strong>und</strong> sie in <strong>ein</strong>er Phase der Probezeit <strong>und</strong>Prekarietät zu halten. Es wäre <strong>ein</strong> weitere, ungerechtfertigteLohnkürzung durch die Unternehmen.28Ein Landesabkommen zur Anwendung dieser Formen höherer Lehre ist im November 2012 zwischenden Sozialpartnern <strong>und</strong> dem Land Südtirol abgeschlossen worden.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 91GewerkschafterEs gelte genau abzuschätzen, wie lange <strong>ein</strong>e berufsspezialisierendeLehre dauern müsse, um <strong>ein</strong>e Spezialisierung für <strong>ein</strong>en bestimmtenBeruf zu gewährleisten. Wenn diese höhere Lehre ungerechtfertigtlange dauert, wirke sie eher als Kürzung von Löhnen<strong>und</strong> Sozialbeiträgen zugunsten der Unternehmen. Wenn Mitarbeitertatsächlich benötigt werden, würden sie unabhängig von derVertragsform <strong>ein</strong>gestellt <strong>und</strong> die Kosten seien dann sek<strong>und</strong>är.9.2.1.3 Kritische <strong>Aspekte</strong> im Berufs- <strong>und</strong>OberschulsystemMit dem neuen Lehrlingsgesetz ist der Wechsel von der BerufszurOberschule erleichtert worden. Man müsse vor allem im Bienniumdiesen Wechsel weiter erleichtern, weil sich die <strong>Jugend</strong>lichennoch in <strong>ein</strong>er Orientierungsphase befänden. Zu diesemZweck sollen erbrachte Studienleistungen besser anerkannt werden.Allgem<strong>ein</strong>bildende Bildungsinhalte müssten harmonisiertwerden, fachschulspezifische Inhalte nachgelernt werden können.Einzelleistungen in gleichartigen Fächern der verschiedenen Bildungswegesollen anerkannt werden, um mehr Durchlässigkeit zuschaffen.(...) die Lehrprogramme sind so zu gestalten, dass sie irgendwovergleichbar sind, dass man also mindestens den allgem<strong>ein</strong>bildendenTeil harmonisiert. Verschieden bleiben die fachspezifischenTeile, die in allen Schulen anders sind. Eine Geometerschulelehrt etwas anderes wie das Gymnasium, das muss berücksichtigtwerden. Aber der Umstieg von <strong>ein</strong>em Oberschultypzum anderen sollte schon sehr durchlässig s<strong>ein</strong>.OberschullehrerDie Einführung der Berufsmatura wird mehrheitlich begrüßt, dochdie Leistungsanforderungen müssten dieselben bleiben, um nicht<strong>ein</strong>e Matura zweiter Klasse zu schaffen: es könne nicht <strong>ein</strong>e staatlicheMatura <strong>und</strong> daneben <strong>ein</strong>e Berufsmatura zweiter Klasse geben.Es müssten verschiedene Bildungswege zu <strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>heitlichen,staatlichen Maturaprüfung geschaffen werden – im Interesse aller.Es brauche Zeit für die Allgem<strong>ein</strong>bildung <strong>und</strong> gleichermaßen auchausreichend Zeit für die berufspraktische Ausbildung.Der Berufsmatura stehen <strong>ein</strong>igen Experten auch skeptisch gegenüber.Es gebe klar getrennte Ausbildungswege: Matura, Lehre <strong>und</strong>die Fachschule. Die Berufsmatura als möglicher Abschluss für dieFachschule sei die falsche Botschaft an die <strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> Eltern,denn Fachschüler sollten sich in erster Linie für den Berufs<strong>ein</strong>stiegin ihrem Fach vorbereiten. Auch zur Durchlässigkeit derdrei Bildungssäulen sind nicht alle Befragten <strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung. Es


92 Berufsausbildung <strong>und</strong> Oberschulegebe heute drei verschiedene Schultypen mit unterschiedlicherAusrichtung <strong>und</strong> Zielsetzung. Die Ergänzung von Vollzeitkursenmit <strong>ein</strong>em 5. Jahr zwecks Berufsmatura sei zwar sinnvoll, nichtaber <strong>ein</strong> ständiges Hin- <strong>und</strong> Herwechseln zwischen berufs- <strong>und</strong> allgem<strong>ein</strong>bildenderSchule.Allgem<strong>ein</strong> wird von Expertenseite betont, dass die Lehrberufe aufgewertetwerden müssen. Obwohl die Berufsschulzentren gut ausgestattetsind <strong>und</strong> das Südtiroler Berufsschulwesen gut funktioniert,bedürfe das duale System <strong>ein</strong>er stärkeren Wertschätzung inder Gesellschaft, bei Eltern <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>lichen. Für die Befragtensteht außer Zweifel, dass Facharbeiter in Südtirol sehr gute Chancenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt haben. Dieses System habe sich in derAusbildung von Fachkräften <strong>und</strong> unter dem Aspekt der nachfragegerechtenAusbildung bewährt. Man könne dem zu geringen Stellenwertder Lehrberufe zwar durch mehr Durchlässigkeit zwischenBerufsschule <strong>und</strong> den anderen „Bildungssäulen“ entgegenwirken.Nachlassendes Prestige hätte auch andere Gründe:Das Prestige der Lehrberufe ist nicht so gesunken, zumindestunter deutschsprachigen Südtirolern. Handwerker sind angesehen,Facharbeiter werden gesucht. Aber heute sind weniger Elterngezwungen, aus Einkommensgründen die Kinder schonfrüh in die Lehre zu schicken.Vertreter <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsVor allem bei italienischsprachigen Familien müsse die Lehrausbildungmehr Anerkennung erfahren. Die Bedeutung der Matura werdeaus Statusgründen überschätzt, die beruflichen Chancen <strong>ein</strong>esqualifizierten Facharbeiters unterschätzt. In dieser Sprachgruppewerde die Berufsschule oft als Notlösung oder <strong>ein</strong>e Art letzteChance betrachtet – zu Unrecht, befinden die Experten, weil dieduale Ausbildung den <strong>Jugend</strong>lichen <strong>ein</strong>e praxisnahe <strong>und</strong> für denlokalen <strong>Arbeit</strong>smarkt brauchbare Qualifikation mit guten Chancenbei lokalen Unternehmen verschaffe. Die Berufsschule dürfe nichtmehr als <strong>ein</strong> Auffangbecken für „weniger Intelligente“ gesehenwerden, die die Oberschule nicht schaffen, sondern als gleichwertigerBildungsweg, bei welchem die Möglichkeit des Wechsels zuden Oberschulen offen bleibe.Die Lehre ist <strong>ein</strong> System, das Südtirol auszeichnet, <strong>ein</strong>e dergroßen Stärken. Das hat natürlich auch wesentlich dazu beigetragen,dass wir die <strong>Jugend</strong>lichen viel besser als anderswo indie <strong>Arbeit</strong>swelt integriert haben. Also ist das <strong>ein</strong> wesentlicherBestandteil unseres Ausbildungssystems <strong>und</strong> deshalb auchweiterhin etwas, das wir sehr stark forcieren müssen.Bildungsplaner der Abt. Berufsschulwesen


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 93Die weiblichen Lehrberufe seien nach wie vor zu wenig gestreut,denn die Mehrheit der Lehrmädchen konzentrieren ihre Wahl auf4-5 traditionelle Ausbildungsberufe. Nach wie vor hätten Mädchenin Handwerksberufen zu geringe Akzeptanz <strong>und</strong> wenige Mädchenbrächten den Mut auf, <strong>ein</strong>en traditionellen Männerberuf zu ergreifen.Für <strong>ein</strong> f<strong>und</strong>iertes Urteil zur Oberschulreform sei es zu früh, so dieMehrzahl der Befragten. Das bestehende Angebot in der Oberstufesei jetzt geordneter <strong>und</strong> übersichtlicher. Die Möglichkeit, zwischenden Oberschulen zu wechseln, sei mit der Oberschulreform erleichtertworden. Da die sozialwissenschaftlichen Gymnasien <strong>und</strong>Sprachgymnasien derzeit mehr Zuwachs erfahren, würde auch dieÜbertrittsquote an die Hochschulen steigen. Zur Zeit erfolge <strong>ein</strong>edurchschnittliche Höherqualifizierung der <strong>Jugend</strong>lichen in Südtirol,wobei die Matura immer mehr zum Standard-Schulabschlusswerde. Der deutliche Trend zum Oberschulbesuch schiebe die Berufswahlentscheidunghinaus. Eine größere Anzahl an Maturanten<strong>und</strong> Hochschulabsolventen träfe jedoch nicht auf <strong>ein</strong>e im Gleichschrittwachsende Nachfrage nach solchen Absolventen auf demSüdtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt. Die Folge würde mehr Wettbewerb aufdem Stellenmarkt für Oberschulabgänger <strong>und</strong> Akademiker s<strong>ein</strong>.Einige Schulführungskräfte mahnen nach erfolgter Oberschulreformzu mehr Ruhe in der Gestaltung der Schule <strong>und</strong> Bildungspolitik.In den letzten Jahren sei zu viel Reformhektik entstanden.Der Wettbewerb werde auch durch die in der EU offenen <strong>Arbeit</strong>smärkteverstärkt, denn größere Südtiroler Betriebe holten sichHochqualifizierte auch aus andern Ländern. Für die Südtiroler Bildungsrealitätsei die Messung des Bildungsstandards an der Akademiker-<strong>und</strong> Maturantenquote fragwürdig, denn das SüdtirolerBerufsbildungssystem sei ebenso qualifiziert <strong>und</strong> für den <strong>Arbeit</strong>smarktinsgesamt wichtig, doch bisher in der Bildungsstatistik nichtangemessen berücksichtigt worden. Die Versuche der Schulbehörden<strong>und</strong> Bildungspolitiker, Mädchen stärker für technische Berufezu interessieren, hätten recht wenig gefruchtet, so die Befragten.9.2.2 Probleme der <strong>Jugend</strong>lichen imBildungssystem9.2.2.1 Aktuelle Probleme der Schüler/innenFragen der psychologischen Befindlichkeit der Schüler/innen inder Schule <strong>und</strong> von <strong>Jugend</strong>lichen im Übergangssystem insgesamtstanden nicht im Zentrum der Expertengespräche, spielen jedochbei <strong>ein</strong>er erweiterten Analyse des Übergangs junger Menschen


94 Probleme der <strong>Jugend</strong>lichen im Bildungssystemvon der Ausbildung in den Beruf <strong>ein</strong>e ganz gewichtige Rolle. Vorallem die Vertreter/innen der Welt der Schule (Lehrpersonen, Direktoren/innen<strong>und</strong> Schulinspektorin) sind zu diesen <strong>Aspekte</strong>n kurzbefragt worden.Schüler/innen sind <strong>ein</strong>em erhöhten Leistungsdruck ausgesetzt, dieZahl der Schulabbrecher sei angestiegen. Vor allem in den erstenOberschulklassen treten immer häufiger Probleme mit der Disziplinauf. Die Fähigkeit zu längerer Konzentration habe abgenommen.Im ersten Oberschuljahr gehe es oft darum, Gr<strong>und</strong>kompetenzender <strong>Jugend</strong>lichen wieder aufzubauen. Seit den 1990er Jahrenseien immer mehr Verhaltensweisen zu beobachten, die Schulleutemit zu starken „Permissivismus“ im Elternhaus erklären.Dann lassen sich etwa seit den 1990er Jahren immer mehr Verhaltensweisenbeobachten, die man „Sich gehen lassen“ nennenkönnte, man lässt in der Erziehung viel zu viel durchgehen,viel Permissivismus zu beobachten. Hier spiegelt das Verhaltender Schüler in der Schule oft auch die Zustände daheim in derFamilie.SchuldirektorDer Gr<strong>und</strong>lehrgang <strong>und</strong> die 1. Oberschulkasse sind sehr hartfür die Lehrpersonen. Viele Schüler sitzen nur drin, weil siemüssen. Entsprechend hoch sind die Disziplinprobleme.BerufsschuldirektorinBerufsberater beobachten in Beratungsgesprächen mehr „komplexeProblemlagen“, bei welchen sich familiäre Konflikte, Lernschwierigkeiten<strong>und</strong> psychische Probleme überlagerten.Trotz veränderter Familienverhältnisse (kl<strong>ein</strong>ere Familien, häufigerePatchwork-Familien <strong>und</strong> All<strong>ein</strong>erzieher/innen) habe die Familieals Gr<strong>und</strong>wert bei <strong>Jugend</strong>lichen nichts an Bedeutung <strong>ein</strong>gebüßt,wie auch aus den <strong>Jugend</strong>studien des ASTAT ersichtlich werde. Daheute im Vergleich zur vorherigen Elterngeneration viel mehr Elterngleichzeitig berufstätig sind, hat die mit den Kindern verbrachteZeit abgenommen. Nicht nur der Zeitmangel sei <strong>ein</strong> Problemgeworden, sondern viele Eltern versagten in pädagogischer Hinsicht.Eine Rolle spielt auch die neue Informationsgesellschaft, derenAuswirkungen auf die Schüler Lehrpersonen <strong>und</strong> Berufsberaterinnenfolgendermaßen formulieren:Früher hatte man nicht so viele Optionen <strong>und</strong> mediale Ablenkungen.Jetzt sind beide Elternteile oft berufstätig <strong>und</strong> haben<strong>ein</strong>fach weniger Zeit für die Kinder. Die Familienzusammensetzunghat sich geändert, viele Krisen <strong>und</strong> All<strong>ein</strong>erzieherinnen.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 95Die Schüler schreiben sehr viel SMS, aber in welchemDeutsch? Die Unternehmen verlangen fehlerfreies Deutsch.Oberschullehrer Humanistisches GymnasiumDie Werte könnten durchaus dieselben der Vorgänger gebliebens<strong>ein</strong>. Doch haben <strong>Jugend</strong>liche heute <strong>ein</strong>en Überschuss anInformationen, die sie nicht mehr ganz verstehen <strong>und</strong> integrieren<strong>und</strong> deshalb sinnlos <strong>und</strong> unüberlegt daher reden. Sie interpretierenVieles falsch. Sie sind nicht mehr in der Lage, diesenInformationsfülle positiv zu bewältigen.BerufsberaterinIn <strong>ein</strong>er größeren Berufsschule wird <strong>ein</strong>e zunehmende familiäre<strong>und</strong> geistige Verwahrlosung der Schüler/innen festgestellt, vor allembedingt durch Trennungen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>süberlastung der Eltern.Die Eltern selbst benötigten deshalb mehr Begleitung <strong>und</strong> Unterstützungin der Erziehung sowie speziell für <strong>ein</strong>e bewusste Entscheidungzu Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufswahl ihrer Kinder.9.2.2.2 Stellenwert von Schule <strong>und</strong> BerufHaben sich die Einstellungen <strong>und</strong> Haltungen der heutigen <strong>Jugend</strong>lichengegenüber zentralen Werten wie <strong>Arbeit</strong>, Leistung <strong>und</strong> Berufgeändert? Die Befragten betonen mehrheitlich <strong>ein</strong>e gr<strong>und</strong>legendeKontinuität im Stellenwert dieser Werte, verweisen aber auch darauf,dass <strong>Jugend</strong>liche heute über <strong>ein</strong>e Fülle, ja über <strong>ein</strong>en Überschussan Informationen verfügten.Unter <strong>Jugend</strong>lichen sei beides zu beobachten: <strong>ein</strong>e hohe Erwartungshaltungmit verstärktem Anspruchsdenken auf der <strong>ein</strong>en Seite,andererseits aber auch das Wissen, dass der garantierte <strong>Arbeit</strong>splatzWunschdenken sei.Schon in der Mittelschule strebt man <strong>ein</strong>en garantierten <strong>Arbeit</strong>splatzan, vorzugsweise im öffentlichen Dienst, der nicht zuviel <strong>Arbeit</strong> erfordert <strong>und</strong> nicht zu viel Verantwortung. Um 17Uhr den Bleistift fallen lassen <strong>und</strong> dann Freizeit. Viele wollen<strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong> ruhiges Leben <strong>und</strong> haben k<strong>ein</strong>e ehrgeizigen Ziele.OberschullehrerEs werden heute k<strong>ein</strong>e größeren Erwartungen aufgebaut für<strong>ein</strong>e lebenslange Beschäftigung im selben Beruf, im selben Bereich.Wir sind schon dabei, dass sich das klassische Berufskonzept– <strong>ein</strong>e Ausbildung <strong>und</strong> den Beruf womöglich fürs Leben– dass das zerfällt <strong>und</strong> Tätigkeiten immer wichtiger werden.Also <strong>ein</strong> Bündel von Tätigkeiten, die man für wechselnde<strong>Arbeit</strong>geber ausführt.Vertreter <strong>ein</strong>er Studentenorganisation


96 Probleme der <strong>Jugend</strong>lichen im BildungssystemWährend seitens der Personalchefs der Unternehmen Einsatzbereitschaft<strong>und</strong> Motivation <strong>ein</strong>en hohen Stellenwert <strong>ein</strong>räumt wird,würde andererseits den <strong>Jugend</strong>lichen Selbstverantwortung <strong>und</strong>Eigenständigkeit zu lange abgenommen.In Sachen <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beruf würden viele Vorurteile <strong>und</strong> Stereotypevon <strong>Jugend</strong>lichen, von Eltern, Medien <strong>und</strong> dem sozialem Umfeldunhinterfragt übernommen. Die Schule hätte weder die Aufgabenoch die Möglichkeit, dies richtig zu stellen. Andererseits sprächenSchüler häufiger den Wunsch nach <strong>ein</strong>er Orientierungsphasenach der Matura <strong>und</strong> mehr Möglichkeiten für Praktika in Unternehmenaus.Der Wert <strong>ein</strong>es Maturadiploms wird vor allem seitens italienischsprachigerEltern als (zu) hoch <strong>ein</strong>gestuft, <strong>und</strong> viele <strong>Jugend</strong>lichewürden zum Weiterstudieren gedrängt.Die <strong>Jugend</strong>lichen werden zum Weiterstudieren gedrängt, auchum die Berufswahl aufzuschieben. Es liegt auch in <strong>ein</strong>em ungebrochenenGlauben an den Wert des Maturadiploms, doch hatdieser k<strong>ein</strong>en absoluten Wert, vor allem wenn Studenten sichfurchtbar schwer tun <strong>und</strong> wenig brauchbare Inhalte studieren.Im Vergleich zum handwerklichen Bereich gibt es dann nichtetwa so viel mehr Angebote auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt mit bloßerMatura.Fachmann der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungIm Vergleich zum handwerklichen Bereich böte <strong>ein</strong>e Matura fürsich genommen k<strong>ein</strong>e erweiterten Chancen beim direkten Einstiegins <strong>Arbeit</strong>sleben. Die Matura sei auf dem Weg zum Standardabschluss,was implizit zur Abwertung der Berufsschulausbildungführte, wird vor allem von italienischen Experten betont.In ihrer Einstellung zum Beruf – so die Befragten – hätten <strong>Jugend</strong>lichenicht mehr das <strong>Arbeit</strong>sethos ihrer Elterngeneration.Hier habe ich bei m<strong>ein</strong>er Umfrage ganz ehrliche Antworten erhalten.Nicht wenige haben gesagt, für mich ist wichtig zu wissen,wie viel ich verdiene. Die Mehrheit hat gesagt, dass esauch wichtig ist, dass man sich wohl fühlt <strong>und</strong> sich am <strong>Arbeit</strong>splatzentfalten kann, dass man umsetzen kann, was man gelernthat.Oberschuldirektor... Sembra non essere frutto di una riflessione propria ma èpiuttosto il trasferimento di un modello errato, ben presentenella nostra società, ovvero dell'equazione tanti soldi uguale a


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 97tanto potere da un lato e i soldi possono essere guadagnati inmodo facile dall'altro.Psychologin der BerufsberatungSicherlich sind heute <strong>Aspekte</strong> der Selbstverwirklichung, aber auchder sozialen Interaktion für viele junge Leute wichtiger als noch fürihre Elterngeneration. Damit wachsen die Ansprüche an die <strong>Arbeit</strong>:sie muss dem zunehmend individualistischen Zuschnitt entsprechen.Die Elemente, die <strong>ein</strong>e <strong>Arbeit</strong> als befriedigend ersch<strong>ein</strong>enlässt, verändern sich: zweitrangige Elemente wie z.B. die Möglichkeitzu reisen kann gegenüber den <strong>Aspekte</strong>n, die stärker mitder Tätigkeit zu tun haben, in den Vordergr<strong>und</strong> treten. Es gibt aberauch <strong>ein</strong>e Gruppe <strong>Jugend</strong>licher, die den Stellenwert von Berufstätigkeitdiametral anders sehen: als r<strong>ein</strong>es Mittel, um den Lebensunterhaltzu bestreiten. Dies sch<strong>ein</strong>t jedoch, aus der Sicht <strong>ein</strong>erbefragten Psychologin, weniger das Produkt eigener Reflexion alsvielmehr Ausdruck <strong>ein</strong>er gesellschaftlichen Konstante zu s<strong>ein</strong>.... Sembra non essere frutto di una riflessione propria ma èpiuttosto il trasferimento di un modello errato, ben presentenella nostra società, ovvero dell'equazione tanti soldi uguale atanto potere da un lato e i soldi possono essere guadagnati inmodo facile dall'altro.Psychologin der BerufsberatungEs gibt also junge Leute, die sehr wenig Motivation haben, <strong>und</strong> esgibt auch die Hochmotivierten mit entsprechenden Erwartungenan ihren Beruf <strong>und</strong> ihre Tätigkeit. Eine Konstante glauben die Befragtenaber zu sehen: <strong>Arbeit</strong> als der zentrale Lebensinhalt sch<strong>ein</strong>t<strong>ein</strong>e Haltung zu s<strong>ein</strong>, die tendenziell abnimmt, <strong>und</strong> entweder nebensächlichwird oder aber wichtig bleibt, aber eben nur unter bestimmtenVoraussetzungen <strong>und</strong> nicht um jeden Preis – wenn sieMöglichkeiten zur Selbstverwirklichung bietet, wenn sie sinnvollist, wenn sie Befriedigung gibt. Neben der <strong>Arbeit</strong> gibt es auch anderes:Freizeit, Fre<strong>und</strong>e, Beziehungen usw.9.2.3 <strong>Jugend</strong>liche vor der Berufswahl9.2.3.1 Interessen <strong>und</strong> Präferenzen bei derBerufswahlDie <strong>Jugend</strong>lichen sollten sich durch die derzeitige Krisenstimmungnicht zu stark be<strong>ein</strong>flussen lassen. In Südtirol bestünden für gutausgebildete <strong>und</strong> motivierte <strong>Jugend</strong>liche immer noch sehr guteEinstiegschancen. Sie sollten sich in der Wirtschafts- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sweltbreit umschauen <strong>und</strong> auch im Ausland Erfahrungen sammeln.Man sollte generell mit der Angstmache aufhören, man redetdamit nur die Krise herbei, verursacht überflüssige Ängste. Ju-


98 <strong>Jugend</strong>liche vor der Berufswahlgendliche können ihre Jobsuche meistens selbst gut bewältigen.Vertreter <strong>ein</strong>es Unternehmerverbands<strong>Jugend</strong>liche, die schon in der Oberschule <strong>ein</strong> Schuljahr im Auslandverbracht haben oder während des Studiums <strong>ein</strong> Erasmus-Jahrgemacht haben, hätten <strong>ein</strong>e ganz andere Offenheit aufzuweisen,sodass nicht nur der lokale <strong>Arbeit</strong>smarkt in Betracht gezogenwird. Andererseits sind Südtiroler auch stark mit dem Landverb<strong>und</strong>en: wenn hier gute <strong>Arbeit</strong>splätze geboten werden, kämendie jungen Fachkräfte auch gerne wieder zurück. Somit seien <strong>Jugend</strong>lichegut beraten, wenn sie sich während der schulfreien Bildungszeitneugierig, weltoffen <strong>und</strong> vielfältig in der Wirtschafts<strong>und</strong><strong>Arbeit</strong>swelt umschauen <strong>und</strong> dort möglichst viele Erfahrungensammeln. Dann wird die Orientierung für die immer längere Lebensarbeitszeitleichter <strong>und</strong> unbekümmerter.Schrauben die <strong>Jugend</strong>lichen ihre Erwartungen zunehmend zurück,weil die <strong>Arbeit</strong>smarktlage in Südtirol wie anderswo schwierigergeworden ist? N<strong>ein</strong>, so groß sei die Krise nicht. Nur in <strong>ein</strong>zelnenSektoren seien Engpässe spürbar. Viele <strong>Jugend</strong>liche werden vonzuhause unterstützt <strong>und</strong> spüren nicht den Druck, dass sie sofort indie Erwerbstätigkeit <strong>ein</strong>steigen müssten.In den Gesprächen wurde zudem die Frage thematisiert, inwieweitsich die Präferenzen bei der Berufswahl unter <strong>Jugend</strong>lichen in denletzten 20 Jahren geändert hätten. Nach wie vor seien die Interessender Eltern bei der Berufswahl stark präsent, die ihre Kinder indie gewünschte Richtung drängen wollen, vor allem mit Blick aufdie Übernahme des elterlichen Betriebs. <strong>Jugend</strong>liche hätten in dieserKonstellation zu wenig Spielraum, ihre Begabungen zu testen<strong>und</strong> zu erfahren. Vor allem bei der Landbevölkerung sei noch <strong>ein</strong>starres Muster von Berufskarriere zu beobachten:In den Tälern herrscht oft <strong>ein</strong> zu starres Muster vor: mit 19-20steigt man in den elterlichen Betrieb <strong>ein</strong>, baut sich mit langfristigenKrediten <strong>ein</strong> Haus oder kauft <strong>ein</strong>e Wohnung. Damit verschließtman sich dann die Möglichkeit <strong>ein</strong>er langfristigen Auslandserfahrung.Vertreterin <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisationGuten Einkommenschancen als Motivation für die Berufswahl s<strong>ein</strong>ach wie vor stark verbreitet. Aber auch die Entfaltung in der <strong>Arbeit</strong>,die Stabilität des <strong>Arbeit</strong>splatzes <strong>und</strong> das Prestige des Unternehmensseien wichtige Kriterien für die Berufswahlentscheidung.Die Familien interessiert aber bei der Berufswahl primär das sozialeUmfeld <strong>und</strong> Prestige <strong>ein</strong>es Berufs, nicht so sehr der <strong>Arbeit</strong>smarkt.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 99Eine kl<strong>ein</strong>ere Gruppe von <strong>Jugend</strong>lichen entwickle schon in derOberschule bzw. in der Berufsschule detaillierte Vorstellungen vonder späteren Berufstätigkeit mit besonderen Ausbildungswegen,um nicht zu sagen <strong>ein</strong> Lebensprojekt.Höchstens 1/3 will weiter studieren, 1/3 strebt sicher <strong>ein</strong>en Berufs<strong>ein</strong>stiegschon mit 19 oder 20 an. 1/3 wissen nicht, was sienach der Matura tun werden. Ich würde vorschlagen, mit 18 dieMatura zu machen als europäischer Standard, nach der Maturakönnte dann <strong>ein</strong> Jahr Berufsorientierung erfolgen in verschiedenerForm.OberschuldirektorAusländische Eltern hätten dagegen schon aufgr<strong>und</strong> ihrer Einkommenssituationher <strong>ein</strong> großes Interesse, ihre Kinder möglichstrasch in die <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>ein</strong>zugliedern.9.2.3.2 Unterstützung bei der BerufswahlDurch wen erfahren <strong>Jugend</strong>liche heute Unterstützung bei der Berufswahl?Oberschüler haben angesichts der breiten Palette anMöglichkeiten zur weiterführenden Ausbildung <strong>ein</strong>en gewachsenenBedarf an Unterstützung <strong>und</strong> Orientierung. Viele Maturantenwüssten auch nach bestandener Prüfung noch nicht, wie sie ihreAusbildung fortsetzen sollen. Umso wichtiger sei die fachk<strong>und</strong>igeUnterstützung <strong>und</strong> Begleitung bei der Berufswahl vor <strong>und</strong> nach derMatura.Die Wahl der Oberschule nach Abschluss der Mittelschule nähmen– laut Experten – meistens die Eltern vor, die ihre Kinder unterstützen,aber auch Druck ausübten. Weit schwieriger sei dieWahl des Bildungswegs nach der Matura, weil sich die Ausbildungs-<strong>und</strong> Berufswelt beträchtlich verändert habe <strong>und</strong> Eltern<strong>ein</strong>en ganz unterschiedlichen Bildungs- <strong>und</strong> Informationsgrad aufweisen.Somit benötigen auch Eltern vermehrt Unterstützungdurch professionelle Berater.Die zweitwichtigste Rolle bei der Berufswahlentscheidung, so dieBefragten, spiele die Peer-group, die Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kollegen, wasmit gewissen Risiken verb<strong>und</strong>en sei.Doch viele hängen sich zu stark an die peers <strong>und</strong> schätzen ihrPotenzial zu eng <strong>ein</strong>. Viele sitzen bloß Tendenzen <strong>und</strong> Modeersch<strong>ein</strong>ungenauf. Dann kommt es auch verstärkt zu Konfliktenmit den Eltern bezüglich der Berufswahl.BerufsberaterinIm Alter von 14 oder 15 seien die peers jedoch nicht in der Lage,<strong>ein</strong>e gut informierte <strong>und</strong> hinterfragte Berufswahl zu unterstützen,vielmehr würden dadurch Modetendenzen verstärkt <strong>und</strong> nach


100 <strong>Jugend</strong>liche vor der BerufswahlGruppendynamik entschieden. Eltern <strong>und</strong> Familie prägten stark,doch am meisten Gewicht habe derzeit die peer-group.Die Berufsberatung habe <strong>ein</strong>e entscheidende Rolle in der rationalenEntscheidung zur Berufswahl zu spielen. Je besser die Kenntnisseder realen Berufswelt, desto überlegter die Entscheidungvon Eltern <strong>und</strong> betroffenen <strong>Jugend</strong>lichen. Die Berufswahl werdeumso bewusster getroffen, je mehr die <strong>Jugend</strong>lichen die <strong>Arbeit</strong>sweltkennen, <strong>Arbeit</strong>serfahrungen gemacht <strong>und</strong> die Berufspraxis erlebthätten. Gerade deshalb seien die Praktikumsmöglichkeitenwährend der Schulzeit auszubauen. Zusätzliche Anstrengungenseien erforderlich, <strong>Jugend</strong>liche während ihrer Schulzeit mehr <strong>und</strong>intensiver mit der <strong>Arbeit</strong>swelt in Kontakt zubringen.Betriebspraktika sind <strong>ein</strong>e gute Möglichkeit für junge Menschen,<strong>Arbeit</strong>serfahrung zu sammeln. Insgesamt sollte die praktischeErfahrung in sämtlichen Oberschulen mehr gefördertwerden. Sinnvoll wären bereits, Aktionstage in den Mittelschulenanzubieten. <strong>Jugend</strong>liche der Mittelschulen dürfen <strong>ein</strong>en Tagin <strong>ein</strong>em Betrieb ihrer Wahl verbringen, wobei ihnen jeweils <strong>ein</strong>Tutor zur Seite gestellt wird. Die <strong>Jugend</strong>lichen sollten dabei dieMöglichkeit haben, mindestens 3 Betriebe im Laufe <strong>ein</strong>esSchuljahres kennen zu lernen. Dies kann den <strong>Jugend</strong>lichenauch bei ihrer Berufswahl behilflich s<strong>ein</strong>.Bildungsplaner der des BerufsschulwesensEine bewusste Berufswahl sei <strong>ein</strong> längerer Prozess – so die Befragten– <strong>und</strong> könne nicht punktuell erfolgen, sondern müsse längerfristigangelegt <strong>und</strong> durch die zuständigen Stellen <strong>und</strong> Expertenbegleitet werden. So wichtig die Informationsveranstaltungen zumStudien- <strong>und</strong> Berufsangebot am Ende der Oberschule auch seien,so nötig sei die längerfristige oder mehrfache Beratung währendder Ausbildung. <strong>Jugend</strong>liche begreifen heute zu wenig, wie wichtigdie Spezialisierung in der Berufsausbildung ist. Diesen Bedarfkönne die Berufsberatung aus strukturellen Gründen nicht abdecken,da die Ressourcen dafür nicht ausreichen.In der Berufsberatung gäbe es andererseits auch viele neue, interessanteAnsätze <strong>und</strong> Instrumente, wie z.B. den Orientierungskoffer,die Berufsmesse, die Angebote der mit der Berufsberatung beauftragtenLehrpersonen.Mehrfach wurde betont, dass es beides brauche: reflektierte Einschätzungen,was <strong>ein</strong>em <strong>Jugend</strong>lichen liegt zum <strong>ein</strong>en <strong>und</strong> <strong>ein</strong>ewirklichkeitsnahe Einschätzung, welche Berufe <strong>ein</strong>e gute Zukunfthaben zum anderen. <strong>Arbeit</strong>smarktperspektiven könnten aber beider Wahl der Oberschule k<strong>ein</strong>e große Rolle spielen, da längerfristigeEntwicklungen nicht genau vorhersehbar seien. Im Allgem<strong>ein</strong>enwerde der <strong>Arbeit</strong>smarkt bei der Berufswahl kaum berücksich-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 101tigt, weil weder Eltern noch Lehrpersonen noch Gleichaltrige überdie Verhältnisse am <strong>Arbeit</strong>smarkt im Detail informiert seien.Viele <strong>Jugend</strong>liche können die Lage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt nicht<strong>ein</strong>schätzen, aber auch die Eltern nicht. Es stellt sich die Frage,ob die Lage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt für den Augenblick des Berufs<strong>ein</strong>tritts4-5 Jahre später überhaupt absehbar ist.BerufsberaterinAnhaltspunkte für die <strong>Arbeit</strong>smarktentwicklung böten Untersuchungenzu Mangelberufen <strong>und</strong> freien Stellen. In diesem Sinnewerden technisch-naturwissenschaftliche Ausbildungswege seitJahren stärker beworben, doch bis dato mit geringen Wirkungen.Bei der Einschätzung des <strong>Arbeit</strong>smarktes spiele auch der in Betrachtgezogene geografische Radius <strong>ein</strong>e gewichtige Rolle. Viele<strong>Jugend</strong>liche wählen Studiengänge, für die kaum <strong>Arbeit</strong>splätze inSüdtirol bestehen; andere begrenzen ihren beruflichen Horizontsogar auf den eigenen Bezirk oder gar die Gem<strong>ein</strong>de.Insgesamt würde bei der Berufsberatung primär auf Interessen<strong>und</strong> Neigungen der <strong>Jugend</strong>lichen abgestellt, aber nur sek<strong>und</strong>är aufdie Entwicklung auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt, die sich zu rasch ändere,um verlässliche Aussagen treffen zu können. <strong>Jugend</strong>liche stündenheute vor <strong>ein</strong>er Vielfalt von Möglichkeiten, müssten sich mühsamorientieren <strong>und</strong> auch rechtzeitig entscheiden. Bei der Ausbildungswahlgäbe es Unterstützung von verschiedener Seite, weit wenigerjedoch beim Berufs<strong>ein</strong>stieg. Es fehlten spezifische Beratungsangebotefür Berufs<strong>ein</strong>steiger, so die Vertreter von <strong>Jugend</strong>organisationen.Die Kenntnis der <strong>Arbeit</strong>swelt könnte am besten über konkrete <strong>Arbeit</strong>serfahrungenim jeweiligen Betrieb vermittelt werden. Leiderkönnen viele <strong>Jugend</strong>liche bis zur Matura k<strong>ein</strong>erlei derartige Erfahrungensammeln. Dies trage dann dazu bei, dass man kaum klareIdeen bezüglich des künftigen Berufs habe. Mehr Praktika zurKenntnis der Berufswelt seien unbedingt nötig. Die Lehrer könntenauch Eltern jeweils für 1-2 St<strong>und</strong>en in die Schule <strong>ein</strong>laden, umüber ihren Beruf zu sprechen. Mehr Praktika vor der Matura werdenwiederholt von den Experten angesprochen.Verbesserungen zur Förderung <strong>ein</strong>er bewussten Berufswahlsollten vor allem bei <strong>ein</strong>em engeren Kontakt <strong>und</strong> Austauschzwischen den Unternehmen, der Berufswelt <strong>und</strong> den Schulenansetzen. Zusätzliche Möglichkeiten zur <strong>Arbeit</strong>serfahrung, Praktikawährend der Schulzeit müssen ausgebaut werden, z.B. Unternehmensbesuchean Nachmittagen, Besuche bei besonderenBerufen, Besuche von Experten an der Schule. Die <strong>Jugend</strong>-


102 <strong>Jugend</strong>liche vor der Berufswahllichen sollen 2-3 Wochen hin<strong>ein</strong>schnuppern können, auch die<strong>Jugend</strong>zentren können sich hier <strong>ein</strong>bringen.Mitarbeiterin <strong>ein</strong>es <strong>Jugend</strong>zentrumsDie Schüler sollten jedenfalls weitere Möglichkeiten in Richtung<strong>Arbeit</strong>swelt erhalten, auch während des Schuljahrs in Form vonPraktika, nicht nur Sommerjobs. Dies wird erst im Schuljahr2013/14 greifen. Wir haben auch <strong>ein</strong>en Berufsorientierungskoffer,wo Universitäten dabei sind, Berufsberatung, <strong>AFI</strong>, WIFO,Materialien für Schüler hinsichtlich der Berufsorientierung.Praktika müssen auch vor- <strong>und</strong> nachbereitet werden. Viel Materialist vorhanden <strong>und</strong> die Lehrpersonen können sich frei bedienen.Direktorin Amt für Berufsberatung9.2.4 Die BerufsberatungDie Mehrheit der befragten Akteure äußerte sich sehr positiv zumbestehenden Angebot der Berufsberatung in Südtirol. Es gebe<strong>ein</strong>e Fülle von Materialien, Schulbesuchen, Einzelberatungen, Datenbanken,Präsentationen, <strong>ein</strong>e Bildungsmesse <strong>und</strong> die Zusammenarbeitmit den Wirtschaftsverbänden, Unternehmen, mitSchulamt <strong>und</strong> den Schulen. Die Berufsberater/innen organisierenauch Betriebsbesichtigungen, um die <strong>Arbeit</strong>swelt zu studieren,doch stehe die psychopädagogische Aufgabe der Ermittlung vonNeigungen, Fähigkeiten <strong>und</strong> Interessen der <strong>Jugend</strong>lichen im Zentrumihrer Tätigkeit.Mit dem Ansteigen der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit gewännen aberauch die Entwicklungen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>sweltallgem<strong>ein</strong> an Gewicht:(...) In der Beratung ist der Teil der Interessen, der Werte, derNeigung, der Fähigkeiten immer noch <strong>ein</strong> wesentlicher Bestandteiljeder Berufsberatung, aber der Druck, uns wirklichmehr mit der aktuellen Beschäftigungssituation, den Perspektivenvon Berufen aus<strong>ein</strong>anderzusetzen, ist <strong>ein</strong>deutig gestiegen,seit die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit steigt.BerufsberaterinDie Berufsberatung habe diesbezüglich aber strukturelle Grenzen.Man komme mit 15 in die Berufsberatung, so <strong>ein</strong>e Mitarbeiterindes Dienstes, steige aber erst mit 25 in die <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>ein</strong>. 10 Jahredanach schaue es in der <strong>Arbeit</strong>swelt vielleicht ganz anders aus.Man dürfe von der Berufsberatung nicht verlangen, <strong>Arbeit</strong>svermittlungzu betreiben, was sie nicht leisten könne.Der Anspruch <strong>und</strong> die Erwartungen an die Berufsberatung sindinsgesamt hoch. Der Beruf ist nicht nur <strong>ein</strong>e Tätigkeit, sondern


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 103auch <strong>ein</strong> Anspruch ist da, mit dem eigenen Beruf „glücklich“ zuwerden. Es geht also in erster Linie darum, Neigungen zu erkennen,<strong>und</strong> das sei schon schwer genug. Ein Fragebogen all<strong>ein</strong> genügenicht, man dürfe nicht in <strong>ein</strong> Studienfach „hin<strong>ein</strong>geschobenwerden“. Insgesamt besteht aus der Sicht der Beratungsinstanzenheute <strong>ein</strong> ausreichendes Angebot an Beratung <strong>und</strong> Unterstützung.Die <strong>Jugend</strong>lichen könnten heute aber nur punktuell erreicht werden.Sie hat bei weitem nicht dieselben Möglichkeiten, auf <strong>Jugend</strong>liche<strong>ein</strong>zuwirken wie beispielsweise die Schule. ProfessionelleBerufsberatung mit <strong>ein</strong>em gut verzweigten Netz von Beratern/innen<strong>und</strong> den heutigen medialen Mitteln reicht aber nicht,m<strong>ein</strong>en die Befragten, denn in den (Ober)-Schulen müsste <strong>ein</strong>ekontinuierliche Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit der Berufswelt <strong>und</strong> Berufswahlerfolgen. Während mittlerweile fast alle Mittelschulensehr aktiv sind, um den Prozess der Schul- <strong>und</strong> Berufswahl zu begleiten,könnte in der Oberstufe noch viel mehr getan werden, umdie Schüler auf die zukünftige Berufs- oder Studienwahl <strong>ein</strong>zustimmen.Immer wieder wird von den Experten <strong>und</strong> Akteurinnen mehrPraxisnähe in den Oberschulen gefordert, z.B. in Form vonSchnupperpraktika. In diesem Sinne sollten Schüler in bestimmtenFirmen, großen Betrieben, oder auch im Ges<strong>und</strong>heitsbereich dieMöglichkeit haben, <strong>ein</strong>e Woche oder 14 Tage hin<strong>ein</strong>zuschnuppern,um zu sehen, wie das im Berufsleben konkret abläuft. Hier wirdmehr Offenheit von Seiten der Betriebe gefordert. Begrüßt werdendie zweiwöchigen Praktika der Schüler der Gymnasien.Die Berufsberatung bietet nicht nur Gespräche mit der Berufsberaterin,sondern auch Workshops zur Selbstreflexion <strong>und</strong> Selbstexploration.Die Schulreform fördert das, um alle Fähigkeiten derSchüler zu beobachten. Jede Lehrperson muss jetzt sechs Kompetenzenerfassen. Auch in der Selbst<strong>ein</strong>schätzung müssen dieSchüler dazulernen, was in der Oberstufe erfolge. Der Kompetenzenpass,<strong>ein</strong> ESF-Projekt, sei ursprünglich für Erwachsene entwickeltworden, <strong>und</strong> helfe den <strong>Jugend</strong>lichen, sich selbst <strong>ein</strong>zuschätzen.Der Kompetenzenpass war <strong>ein</strong> guter Ansatz: besser Bescheidwissen über die eigenen Neigungen, Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten.Doch das muss durch eigene Erfahrungen erprobt <strong>und</strong> geprüftwerden, denn Vorstellungen <strong>und</strong> Wirklichkeit weichenauch von<strong>ein</strong>ander ab.Schulinspektorin


104 <strong>Arbeit</strong>ssuche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung9.2.5 <strong>Arbeit</strong>ssuche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung9.2.5.1 Ressourcen <strong>und</strong> Instrumente bei der<strong>Arbeit</strong>ssucheUnabhängig von den institutionellen Möglichkeiten der <strong>Arbeit</strong>svermittlungmerken mehrere befragte Akteure an, dass es in Südtirolunter den jungen <strong>Arbeit</strong>suchenden noch k<strong>ein</strong>e professionelle Bewerbungskulturwie in Deutschland <strong>und</strong> Österreich gäbe.Die deutschsprachigen Schüler wissen, im Unterschied zu denItalienern, sehr genau, wie <strong>ein</strong> CV abzufassen <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Bewerbungsgesprächzu führen ist. Hier gibt´s Nachholbedarf vor allemunter den Italienern. Im Vergleich zu Italien sind die <strong>Arbeit</strong>sämterin Deutschland organisatorisch viel besser aufgestellt.Die Deutschsprachigen haben <strong>ein</strong>e eigene Bewerbungskultur,die <strong>Arbeit</strong>sagenturen arbeiten gut. Man verwendet meist deneuropäischen Lebenslauf, <strong>ein</strong> sehr minutiöser Rahmen. Dieserwird auch unter den Südtirolern nicht häufig verwendet.<strong>Arbeit</strong>svermittlerDie <strong>Jugend</strong>lichen setzen bei der <strong>Arbeit</strong>ssuche – so die Befragten –auf verschiedene Kanäle. Die wichtigsten sind das soziale Umfeld(Familie, Verwandte, Fre<strong>und</strong>e, Kollegen), das Internet <strong>und</strong> andereMedien <strong>und</strong> direkte Kontakte mit Unternehmen.Die Verbandsexperten betonen die Notwendigkeit, dass <strong>Jugend</strong>lichedie betriebliche Realität besser kennen lernen. Viele <strong>Jugend</strong>lichewüssten über den Betrieb, bei dem sie sich bewerben, nichtausreichend Bescheid. Andererseits haben viele Kl<strong>ein</strong>betriebe<strong>ein</strong>en Aufholbedarf bei ihren Netzauftritten. Man arbeite z.B. beiStellenausschreibungen mit Schlagworten wie Teamfähigkeit, Flexibilität,Mehrsprachigkeit, während die Realität im Betrieb ganzanders beschaffen sei.Die <strong>Arbeit</strong>sbörse des Landes werde, so die Experten aus dem Bereich<strong>Arbeit</strong>svermittlung, von <strong>Jugend</strong>lichen stark genutzt, <strong>und</strong>etwa 90% der Unternehmen nutzten sie auch für die Personalsuche.Bis zu 50 Bewerbungen pro online angebotener Stelle seienzu verzeichnen. <strong>Jugend</strong>liche, die neu in den <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>ein</strong>steigen,wenden sich kaum an das <strong>Arbeit</strong>samt, während junge <strong>Arbeit</strong>slosevon den <strong>Arbeit</strong>sämtern weit öfter betreut werden.Zu wenig bekannt sei, dass das <strong>Arbeit</strong>samt auch Berufspraktika (tirocini)<strong>und</strong> Sommerpraktika vermittle, womit die <strong>Jugend</strong>lichen die<strong>Arbeit</strong>swelt besser lernen könnten.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 105Als <strong>Arbeit</strong>samt vermitteln wir auch viele Berufspraktika, womitdie <strong>Jugend</strong>lichen die <strong>Arbeit</strong>swelt besser kennen lernen können.Die <strong>Arbeit</strong>sämter haben aber k<strong>ein</strong>en eigenen <strong>Jugend</strong>service.Wer sich in die <strong>Arbeit</strong>slosenliste <strong>ein</strong>trägt, tut dies meist, um die<strong>Arbeit</strong>slosenhilfe in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht habendie <strong>Jugend</strong>lichen noch gar nicht angereift.<strong>Arbeit</strong>svermittlerinJunge <strong>Arbeit</strong>suchende sollen zur aktiven Suche motiviert werden.Die <strong>Arbeit</strong>sämter verfügten über Kontakte zu Firmen sowie auchüber Personaldatenbanken von Unternehmen, doch der allgem<strong>ein</strong>eZeitdruck der beschäftigten Vermittler/innen erlaube k<strong>ein</strong>e flächendeckendeStellensuche. Jedenfalls könnten <strong>Jugend</strong>lichen <strong>Arbeit</strong>splätzeangeboten werden, von deren Existenz sie sonst nichterfahren hätten.Bei den privaten Personal- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagenturen besteht<strong>ein</strong>e Spezialisierung: zum <strong>ein</strong>en die Agenturen, die qualifizierteStellen im mittleren <strong>und</strong> oberen Segment vermitteln, zumanderen die Leiharbeitsagenturen, die sich auf diese Vertragsformkonzentrieren <strong>und</strong> vorwiegend Stellen in der Industrie <strong>und</strong> in denDienstleistungen vermittelt. Leiharbeit diene für die Unternehmenoft auch als Probezeit für Personen, die später mit unbefristetemVertrag übernommen werden sollen.Die Unternehmen wenden sich an private Agenturen, wenn sienicht selbst die Bewerbung <strong>und</strong> Personalauswahl vornehmenwollen. Hier geht es um qualifizierte Stellen im mittleren <strong>und</strong>oberen Segment. Im Gastgewerbe gibt es eigene Vermittlungskanäle,vor allem über die Tageszeitungen <strong>und</strong> den direktenKontakt zwischen Betrieb <strong>und</strong> Interessierten (...).Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagenturGr<strong>und</strong>sätzlich wenden sich die privaten Agenturen nicht an Minderjährige,da k<strong>ein</strong>e Lehrstellen vermittelt werden, sondern meist<strong>Arbeit</strong>sverträge mit befristeter Dauer für relativ gering qualifizierte<strong>Arbeit</strong>splätze.Die privaten Vermittlungsagenturen befassen sich vornehmlichmit Leiharbeit. Qualifizierte Personen suchen kaum Leiharbeit.Wir vermitteln primär an Industriebetriebe, Dienstleistungensind kaum vertreten, mit Ausnahme von Pflegehelfern <strong>und</strong>Krankenpflegern <strong>und</strong> R<strong>ein</strong>igungsdienste.Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagentur.9.2.5.2 Rollenverteilung bei der <strong>Arbeit</strong>svermittlungDie Rollenverteilung zwischen öffentlichen <strong>und</strong> privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlernwurde in den Gesprächen mehrfach thematisiert:


106 <strong>Arbeit</strong>ssuche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlungIn Südtirol gibt es heute <strong>ein</strong>e relativ hohe Dichte an Leiharbeitsagenturen,die noch zu wenig genutzt werden, die auch untersich nicht koordiniert sind. Es wäre <strong>ein</strong>e Zusammenarbeit vonprivaten <strong>und</strong> öffentlichen Stellen erforderlich, die aber nicht erfolgt,weil die öffentliche <strong>Arbeit</strong>svermittlung die Privaten nichtauf Augenhöhe betrachtet. Die <strong>Arbeit</strong>sämter funktionieren zubürokratisch, ohne aktive Vermittlungsbemühung.Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagenturIn den Expertengesprächen sind konträre M<strong>ein</strong>ungen zur Rollenverteilungzwischen privaten oder öffentlichen <strong>Arbeit</strong>svermittlungsdienstenartikuliert worden, je nach Zugehörigkeit der befragtenzu <strong>ein</strong>em der zwei Bereiche. Die öffentlichen <strong>Arbeit</strong>sämter befasstensich aus der Sicht der privaten Vermittler <strong>und</strong> Verbandsvertreternur mit der bürokratischen Abwicklung der Vermittlung.Öffentliche Ämter seien nicht in der Lage, <strong>ein</strong>en aktiven Vermittlungsdienstzu betreiben. Man müsse die Rolle der öffentlichen <strong>Arbeit</strong>sämterinsgesamt überdenken, wird von verschiedenen Akteurenangemahnt. Die konkrete <strong>Arbeit</strong>ssuche vor allem der <strong>Jugend</strong>lichenverlaufe heute über andere Kanäle, <strong>ein</strong>schließlich der in Südtirolheute zugelassenen privaten <strong>Arbeit</strong>sagenturen (derzeitsieben). Die Verantwortlichen der öffentlichen <strong>Arbeit</strong>svermittlungbeklagen, dass es <strong>ein</strong>fach zu wenig Vermittlungsbeamte gebe. InBozen arbeiten neun Beamte für 4.000 Eingetragene. Somit darf<strong>ein</strong> Beratungsgespräch im Durchschnitt höchstens 15 Minuten betragen.Dies sei derzeit der größte Mangel. Der geringe Personalstandführe zu geringen zeitlichen Spielräumen. Kl<strong>ein</strong>ere Ämter inder Peripherie hätten mehr Personal <strong>und</strong> ausreichend Zeit für die<strong>ein</strong>zelnen <strong>Arbeit</strong>suchenden.Die Vermittler haben im Durchschnitt zu wenig Zeit, weil unserPersonalstand zu gering ist. Ideal als Personalstand wäre <strong>ein</strong>Schlüssel von 1:150, doch haben wir Spitzen von 1 Beamten für600 Klienten. So kann das Beratungsgespräch maximal 15 Minutendauern, dies reicht nicht aus. In Bozen haben wir bei <strong>ein</strong>erVollzeit<strong>ein</strong>heit 580 Klienten, mit <strong>ein</strong>em Gespräch alle dreiMonate.Direktor der <strong>Arbeit</strong>svermittlungDie <strong>Arbeit</strong>sämter kennen deshalb die <strong>ein</strong>zelnen Unternehmen zuwenig <strong>und</strong> könnten aus Zeitgründen nicht gezielt beraten <strong>und</strong> vermitteln.Auch die Firmen selbst wenden sich selten an die <strong>Arbeit</strong>sämter,weil sie sich nur geringen Erfolg versprechen. Andererseitssenden die öffentlichen Ämter viele ihrer K<strong>und</strong>en zu den Leiharbeitsagenturen.Bezüglich der Vermittlung von <strong>Jugend</strong>lichen gebe es <strong>ein</strong>e gute Zusammenarbeitmit der Berufsberatung. Es gebe jedenfalls <strong>ein</strong> gu-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 107tes Netzwerk an öffentlichen Stellen <strong>und</strong> auch die Zusammenarbeitmit den Eltern funktioniere gut.Einige Befragten aus den privaten Agenturen gehen noch weiter<strong>und</strong> fordern die Privatisierung der gesamten <strong>Arbeit</strong>svermittlung.Private Agenturen vermitteln dann aufgr<strong>und</strong> der tatsächlichenKompetenzen der K<strong>und</strong>en, wobei das Gewinninteresse die Haupttriebfederfür <strong>ein</strong> nachhaltiges Engagement sei, die Leute auf dem<strong>Arbeit</strong>smarkt unterzubringen. Die <strong>Arbeit</strong>sbörse des Landes sei <strong>ein</strong>recht brauchbares Instrument, doch das Instrument der <strong>Arbeit</strong>sämtermüsse noch wesentlich ausgeweitet werden.9.2.5.3 QualifikationenFür Unternehmen zählten bei der Personalauswahl nicht nur diefachliche Qualifikation, sondern auch Sozialkompetenz, <strong>ein</strong>schlägigeBerufserfahrungen, soziales Engagement im Freiwilligenbereich,Entscheidungskompetenz, Auslandserfahrungen. Aus solchenQualitäten lesen Personalchefs die Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität,Belastbarkeit <strong>und</strong> Motivation heraus. Hilfreich bei der <strong>Arbeit</strong>ssucheist auch die gekonnte Selbstpräsentation, die z.B. in den Wirtschaftsfachoberschulenim Rahmen der Übungsfirma trainiert werde.Firmen, die junge Mitarbeiter aussuchen, schauen zunehmendmehr auf den Aspekt der außerschulischen Erfahrungen. Weileben Fachkenntnisse gelernt werden können, (...), kann der Betriebdann auch selber <strong>ein</strong>bringen, aber Qualifikationen wie Entscheidungskompetenzen,Sozialkompetenzen, Führungsaufgabenkönnen/müssen erfahren werden <strong>und</strong> können nicht gelerntwerden. Ganz gleich ob beim Weißen Kreuz, bei der Feuerwehroder bei <strong>ein</strong>er <strong>Jugend</strong>organisation: junge Leute, die ehrenamtlicheMitarbeiter/Innen sind, lernen Dinge, die eigentlich niemandanderes in dieser Form anbieten kann.Vertreterin <strong>ein</strong>es UnternehmerverbandsItalienischsprachige Befragte merken an, dass vielen italienischen<strong>Jugend</strong>lichen immer noch gute Deutschkenntnisse fehlten.Wenn <strong>ein</strong> junger Italiener ohne großartige Deutschkenntnisse<strong>und</strong> nach 5-6 Jahren Studium in <strong>ein</strong>er italienischen Stadt nachSüdtirol zurückkehrt, findet er schwerlich Anschluss zu professionellenDeutschkenntnissen. Jemand könnte dann beruflichauf hohem Niveau <strong>ein</strong>steigen, bringt aber <strong>ein</strong>fach die oft geforderteZweisprachigkeit nicht mit. Man setzt sich dann wiederab oder sucht <strong>ein</strong>e Nische, wo das Deutsch nicht gefordertwird. Systematisch mit 27 oder 28 Jahren Deutsch zu lernen,das tun sich nicht viele an.Vertreter <strong>ein</strong>er privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagentur


108 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktes9.2.6 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktes9.2.6.1 Probleme beim Einstieg in den<strong>Arbeit</strong>smarkt in SüdtirolDie aktuelle Situation der <strong>Jugend</strong>lichen auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktwird von den befragten Akteurinnen im Allgem<strong>ein</strong>enals noch nicht so kritisch <strong>ein</strong>gestuft. Einerseits seien befristete <strong>Arbeit</strong>sverhältnissewie Projektarbeit in den ersten <strong>Arbeit</strong>sjahren zumutbar,doch würden <strong>Jugend</strong>liche durchschnittlich zu lange zu befristeten<strong>Arbeit</strong>sverträgen gezwungen. Immer wieder werden dieNachteile dieser Anstellungsformen angesprochen:Projektarbeit reiht sich an Projektarbeit, jetzt ist zumindest <strong>ein</strong>höheres Zeitintervall <strong>ein</strong>gefügt worden. Die <strong>Arbeit</strong>smöglichkeitist zwar positiv, aber soziale Folgen sind schlimm. Die <strong>Jugend</strong>lichensehen diese Folgen nicht auf dem Gehaltszettel. Sie wissennicht, dass sie kaum Sozialbeiträge <strong>ein</strong>zahlen, <strong>und</strong> dadurchkaum Rentenbeiträge ansammeln. Sie riskieren <strong>ein</strong>e Generationder Altersarmut zu werden. Sind komplett unterversichert,die Pensionskassen sind leer <strong>und</strong> die Zusatzversicherung reichtauch nicht.Vertreterin <strong>ein</strong>es SozialverbandsDie jungen <strong>Arbeit</strong>nehmer könnten auf diese Weise k<strong>ein</strong>e kontinuierlicheErfahrung <strong>und</strong> Spezialisierung aufbauen, k<strong>ein</strong>e Lebensplanungangehen (z.B. Wohnungskauf <strong>und</strong> Familiengründung). Diegeringe Einzahlung von Sozialbeiträgen führe zu <strong>ein</strong>er permanentenUnterversicherung. Auch die neuen Formen höherer Lehre seienbefristete <strong>Arbeit</strong>sverträge ohne den für Normalarbeitsverträgegeltenden Kollektivvertragslohn. Die Projektverträge sind zwardurch die Regierung Monti erschwert worden (ab 2018 bei Sozialbeiträgenden normalen Verträgen gleichgestellt), doch nach wievor gebe es Dutzende von Formen. Beim INPS Bozen sind derzeitin Südtirol 13.000 „Positionen“ atypischer <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse registriert,die nicht gleich vielen Personen entsprächen.Die Anpassungsleistungen, die <strong>Jugend</strong>liche beim Einstieg in das<strong>Arbeit</strong>sleben erbringen müssen, hängten eng von der erworbenenAusbildung ab. Nach der allgem<strong>ein</strong>bildenden Ober- <strong>und</strong> Hochschulemit Gr<strong>und</strong>lagenausbildung müssten sich viele erst Fachwissen<strong>und</strong> berufspraktische Kenntnisse aneignen. Auch bei handwerklichenBerufen werde es zukünftig immer mehr Berufsbildergeben, die sich überschneiden, oder die verschiedene Tätigkeitenunterschiedlich bündeln. In Zeiten der Krise könne man nicht r<strong>ein</strong>erSchlosser bleiben, sondern müsse <strong>ein</strong>e hohe Flexibilität aufbringen.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 109Flexibilität im heutigen Kontext bedeute oft, so <strong>ein</strong>ige Befragten,<strong>ein</strong> prekäres <strong>Arbeit</strong>sverhältnis zu akzeptieren. Sinn dieser befristeten<strong>Arbeit</strong>sverhältnisse sei es auch, den Unternehmen <strong>ein</strong>e Probephase<strong>und</strong> den <strong>Jugend</strong>lichen <strong>ein</strong> Hin<strong>ein</strong>schnuppern in verschiedeneBerufe zu erlauben. Der Einstiegsvertrag könne nicht dieselbenBedingungen vorgeben wie jener <strong>ein</strong>es qualifizierten langjährigenMitarbeiters. Für <strong>ein</strong>ige Jahre sei dies k<strong>ein</strong> Problem, wenn zumindestdanach <strong>ein</strong>e fixe Anstellung winke. Doch manche <strong>Jugend</strong>licheverblieben auf Dauer in dieser Phase <strong>und</strong> könnten kaum Lebensprojekteverwirklichen wie etwa Familiengründung <strong>und</strong> Wohnungskauf.In der Einstiegsphase müssen <strong>Jugend</strong>liche immer längere Zeitmit befristeten <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen arbeiten. Der Einstiegsvertragkann nicht dieselben Bedingungen vorgeben wie jener <strong>ein</strong>esqualifizierten langjährigen Mitarbeiters. Unternehmen wollen<strong>ein</strong>e möglichst lange Probezeit als Beobachtungsphase,also Befristung spielt <strong>ein</strong>e wesentliche Rolle. Flexibilität bereichert.Ich würde mich schwer tun, jemanden aufzunehmen, der28 Jahre für den selben <strong>Arbeit</strong>geber gearbeitet hat.Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleDie <strong>Jugend</strong>lichen müssten auf dem lokalen <strong>Arbeit</strong>smarkt für <strong>ein</strong>estabile Anstellung im Vergleich zur Elterngeneration <strong>ein</strong>e höhereQualifikation erwerben. Auch mit <strong>ein</strong>er Matura könne man zukünftignicht mehr so direkt in <strong>ein</strong>en Beruf <strong>ein</strong>steigen. Studientitel hättennur dann <strong>ein</strong>en Wert, wenn sie von Unternehmen anerkanntwerden. Wenn Qualifikationen mangelhaft <strong>und</strong> Abschlussdiplomezweifelhaft sind, werden die Unternehmen skeptisch <strong>und</strong> jugendlicheBewerber gezwungen, lange Sucharbeitslosigkeit in Kauf zunehmen.Derzeit bestehe unter jungen Menschen in Südtirol noch zu wenigBereitschaft, bei neuen <strong>Arbeit</strong>sangeboten auch an den <strong>Arbeit</strong>sortzu ziehen. Genauso wenig sei man bereit, außerhalb des Landes<strong>Arbeit</strong> zu suchen. Sprachenkenntnis, Lernbereitschaft, Demut, Flexibilität<strong>und</strong> Mobilität seien gefragte „Tugenden“ des jungen <strong>Arbeit</strong>nehmers.Es sei auf jeden Fall wichtig, früh sinnvolle <strong>Arbeit</strong>serfahrungenzu sammeln, etwa im Rahmen von Praktika. Hier müsstenauch die Betriebe mehr Möglichkeiten anbieten. Südtirol nutzedarüber hinaus s<strong>ein</strong>en Vorteil der Brückenfunktion zwischen demdeutsch- <strong>und</strong> italienischsprachigen Raum noch zu wenig, umhochwertige <strong>Arbeit</strong>splätze zu schaffen.Auch in der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik könnten Verbesserungen <strong>ein</strong>gebautwerden, etwa nach dem Modell der Provinz Trient:Die <strong>Arbeit</strong>sagentur nach dem Trentiner Muster wäre optimal,<strong>ein</strong> Zentrum für alle Maßnahmen der beruflichen Weiterbil-


110 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktesdung, Umschulung <strong>und</strong> aktiven <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik. Derzeitdringen zu den Familien nicht genügend Informationen zum <strong>Arbeit</strong>smarktdurch <strong>und</strong> jene, die verbreitet werden, erläuternnicht ausreichend die Charakteristiken <strong>und</strong> Besonderheiten jederRichtung.GewerkschafterMehrere Vertreter der Unternehmerverbände forderten auch <strong>ein</strong>edezidierte Förderung der Unternehmerinitiative unter den jugendlichenBerufs<strong>ein</strong>steigern:Unternehmertum ist gefragt: Freiberufler <strong>und</strong> Bürogem<strong>ein</strong>schaften,neue Selbstständigkeit, Risiken übernehmen.Schlimm ist, zu glauben, sich aufgr<strong>und</strong> von Beziehungen in <strong>ein</strong>gemachtes Nest setzen zu können <strong>und</strong> den Weg des geringstenWiderstands gehen zu können oder nur auf den nächsten öffentlichenWettbewerb zu warten.Vertreter <strong>ein</strong>es Unternehmerverbands9.2.6.2 Entspannung durch geburtenärmereJahrgänge?Die heutigen Jahrgänge von 1990 aufwärts sind zahlenmäßig nurmehr halb so stark wie die heute 50jährigen (ASTAT 2012b, 73).Die neuen Renten<strong>ein</strong>trittsregelungen werden zwar erst zum Teilangewandt, veranlassen aber ansch<strong>ein</strong>end viele ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer,im <strong>Arbeit</strong>sprozess zu bleiben. Weniger <strong>Jugend</strong>liche treten aufden <strong>Arbeit</strong>smarkt, aber der lokale <strong>Arbeit</strong>smarkt ist Teil der EU <strong>und</strong>damit offen, die Einheimischen hätten damit im Wettbewerb mitden übrigen EU-Bürgern/innen zu bestehen. Also drei Faktoren:abnehmende Jahrgangsstärke bei den jungen Jahrgängen, späterePensionierung bei den älteren, <strong>und</strong> dazu der freie Personenverkehrin der EU.Die demografische Entwicklung habe laut Experten <strong>ein</strong>en positiven<strong>und</strong> <strong>ein</strong>en negativen Effekt: 29 positiv, weil sie durch geburtenschwächereJahrgänge etwas Entspannung auf dem <strong>Arbeit</strong>smarktschaffe. Auf der anderen Seite müsse berücksichtigt werden, dass<strong>Arbeit</strong>nehmer immer später aus dem <strong>Arbeit</strong>smarkt aussteigen,weil im Zuge der Pensionsreformen das Renten<strong>ein</strong>trittsalter erhöhtwird. Die Rentenreform hat <strong>ein</strong> höheres Renten<strong>ein</strong>trittsalter, geringereRentenbeiträge <strong>und</strong> die Abschaffung der Dienstaltersrentemit sich gebracht. Damit wird der generationsmäßige Austauschvon <strong>Arbeit</strong>skräften verzögert <strong>und</strong> aufgeschoben, was die <strong>Jugend</strong>-29Bis 2020 sinkt der Anteil der Bevölkerung zwischen 15-64 Jahren an der Gesamtbevölkerung inSüdtirol allerdings kaum,sondern verharrt auf r<strong>und</strong> 65%. Erst für 2040/41 wird <strong>ein</strong> Absinken aufr<strong>und</strong> 56% prognostiziert. Vgl. <strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (Alena Wotka), newsletter 36, Südtirol 2050: DemografischerWandel <strong>und</strong> Auswirkungen auf die <strong>Arbeit</strong>swelt, 29.6.2012


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 111arbeitslosigkeit erhöht. Wenn mittelfristig die geburtenstarkenJahrgänge in Rente gehen, sei das für die heutigen Studienanfängernicht sehr relevant. In 5-10 Jahren könnte tatsächlich <strong>ein</strong>e Entspannungauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>ein</strong>treten, aber man wisse janicht, so Experten, ob das Pensionsalter noch höher hinauf geschraubtwerde.Auf der anderen Seite entstünden durch das Heranwachsen dergeburtenstarken Jahrgänge in die Klasse der pensionierbarenJahrgänge andere Gefahren für das heutige Sozialsicherungssystem.Wenn die geburtenstarken Jahrgänge mit <strong>ein</strong>er Stärke vonetwa 9.000 Personen in Rente gehen <strong>und</strong> in der Erwerbstätigkeitnur 5.000 Personen als Jahrgangsstärke nachkommen, dann fehleGeld in den Rentenkassen. Der Markt werde aber durch Zuwanderungzu <strong>ein</strong>em neuen Ausgleich finden. Wenn die <strong>Arbeit</strong>nehmer imGebiet nicht mehr zu finden sind, wird das fehlende Angebotdurch Zuwanderung kompensiert. Diese Zuwanderer zahlen wiederin die Rentenkasse <strong>ein</strong> <strong>und</strong> das System könne sich stabilisieren,was bereits im Gange ist.Weniger <strong>Jugend</strong>liche treten auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt, aber unser<strong>Arbeit</strong>smarkt ist offen. Die Unternehmen nehmen dann jene <strong>Arbeit</strong>er,die sie kriegen können. Die Einheimischen haben <strong>ein</strong>fachmehr Wettbewerb von außen auszuhalten.GewerkschafterAls Ausweg bezeichnen <strong>ein</strong>ige Befragte die Förderung der Zuwanderungvon qualifizierten Leuten, allerdings vom Staat unterstütztmit zwei Jahren garantierter Unterkunft <strong>und</strong> Sprachkursen, Staatsbürgerk<strong>und</strong>e<strong>und</strong> beruflicher Bildung. Nach <strong>und</strong> nach rücken späterMigranten der 2. Generation nach <strong>und</strong> ergänzen die geburtenschwachenJahrgänge der Inländer. Da sich der Babyboom derJahre 1960-75 aus sozialen <strong>und</strong> kulturellen Gründen nicht mehrwiederholen wird, sei auch für Südtirol die Zuwanderung qualifizierterKräfte aus dem Ausland unumgänglich, sowohl um dieRenten zu sichern als auch um den Bedarf an <strong>Arbeit</strong>skräften in verschiedenenSegmenten des <strong>Arbeit</strong>smarktes zu decken.9.2.6.3 Die Aufnahmefähigkeit für HochqualifizierteDer Akademikeranteil Südtirols hinkt bezüglich der von der EU angepeiltenQuote von 40% zurück, auch die Lissabon-Ziele der EUbei der Quote der Ausgaben für Forschung & Entwicklung erfülltSüdtirol bei Weitem nicht. Südtirol hatte bisher <strong>ein</strong>e relativ geringeAkademikerrate <strong>und</strong> holt zur Zeit auf. Gr<strong>und</strong>sätzlich sei die weitereErhöhung des Hochschulbesuchs nötig, vor allem in bestimmtenBereichen <strong>und</strong> geschlechtsbezogen, z.B. Frauen in denMINT-Fächern. Doch die Aufnahmefähigkeit habe Grenzen.


112 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktesEinerseits möchte man die Akademikerquote erhöhen, weil gesagtwird, dass Italien gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>ein</strong>e niedrige hat <strong>und</strong> alsogut wäre zu erhöhen. Andererseits ist es so, dass in vielen Bereichengar nicht mal so viele Akademiker gesucht werden. Gesuchtwerden spezialisierte Facharbeiter, Personen mit Berufsausbildung,aber nicht unbedingt so wahnsinnig viele Akademiker.Dann kommt auch noch dazu, dass die öffentliche Verwaltungziemlich zu macht, der doch <strong>ein</strong> riesiger <strong>Arbeit</strong>geber warin Südtirol mit Land <strong>und</strong> Sanitäts<strong>ein</strong>heit. Somit könnte esschon schwierig werden für Akademiker.Vertreterin des ASTATZum anderen sei es auf dem Hintergr<strong>und</strong> der Südtiroler Wirtschaftsstrukturwenig sinnvoll, derartige quantitative Vorgaben anzupeilen.Gebraucht werden vor allem spezialisierte Facharbeiter<strong>und</strong> höhere technische <strong>und</strong> kaufmännische Berufe. Eine weit höhereAkademikerrate für Südtirol sei nicht erstrebenswert, weil derlokale <strong>Arbeit</strong>smarkt sie nicht aufnehmen könne <strong>und</strong> diese Fachkräftezur Abwanderung gezwungen wären. Die Kl<strong>ein</strong>- <strong>und</strong> Mittelbetriebekönnen nur beschränkt Forschung <strong>und</strong> Entwicklung betreiben,der öffentliche Dienst nimmt weit weniger Hochschulabsolventenauf als früher. Auch der geplante Technologiepark inBozen könne nicht sehr viele neue Stellen schaffen. Für die unternehmensbezogeneForschung kämen auch nur bestimmte Qualifikationenin Frage.Viele Hochschulabsolventen bleiben zunächst weg, kommendann aber wegen der Familie oder <strong>ein</strong>em <strong>Arbeit</strong>splatz wiedernach Südtirol zurück. Somit k<strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>es Problem der Aufnahmefähigkeit,sondern eher <strong>ein</strong>es der für den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktpassende Verteilung der Studientitel.Vertreterin des ASTATDer Bedarf an spezialisierten Facharbeitern <strong>und</strong> Technikern sei inSüdtirol dagegen hoch, z.B. bei der Gebäudesanierung <strong>und</strong> den erneuerbarenEnergien. Höhere Qualifikationen müssten somit <strong>Arbeit</strong>smarkt-gerechtproduziert werden. In Südtirol sind Abgängervon technischen Oberschulen <strong>und</strong> die Facharbeiter die tragendenSäulen der KMU. Viele Posten in solchen Betrieben seien vonFachleuten besetzt, die bis zum Alter von 70 Jahren aktiv bleiben.Für den Nachwuchs gebe es in diesen Betrieben wenig Chancen.Die Fluktuation sei gering <strong>und</strong> werde durch die Verlängerung derLebensarbeitszeit noch verringert.Unsere KMU können nur sehr begrenzt Hochqualifizierte aufnehmen.Es hängt sehr stark von der Studienrichtung ab. Geisteswissenschaftlerwerden in den Betrieben kaum gebraucht.Deshalb haben wir <strong>ein</strong>e Überschuss davon, sofern der öffentlichenDienst kaum mehr Leute aufnimmt.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 113<strong>Arbeit</strong>svermittlerinSüdtirols <strong>Arbeit</strong>smarkt sei weiterhin aufnahmefähig, aber künftigwerde jungen Leuten mehr Flexibilität <strong>und</strong> Frustrationstoleranz abverlangt.Es wird zu <strong>ein</strong>em stärkeren Verdrängungswettbewerbkommen. Allerdings hätten Versuche, <strong>Jugend</strong>liche bei der Ausbildung<strong>und</strong> Studienwahl mehr in Richtung Technik <strong>und</strong> Naturwissenschaftzu lenken, nicht recht viel gefruchtet.Es gibt verschiedene Initiativen, die <strong>Jugend</strong>lichen bei Ausbildung<strong>und</strong> Schulwahl zu lenken. Das Land hat <strong>ein</strong>e Bildungsoffensive inGang gesetzt, um mehr junge Leute für technische <strong>und</strong> naturwissenschaftlicheFächer zu gewinnen. Die steht auch in den Rahmenrichtlinienzur Oberschulreform. Die Frage ist jedoch, ob der Südtiroler<strong>Arbeit</strong>smarkt so viele zusätzliche Fachkräfte aufnehmen <strong>und</strong>was er er den Absolventen bieten kann. Bei bestimmten hochqualifiziertenBerufen fehlen im Land <strong>ein</strong>fach die Stellen <strong>und</strong> Unternehmenmit entsprechenden Kapazitäten.Zudem sei nicht nur die Art, sondern auch die Qualität der Qualifikationauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt entscheidend.Durchschnittlich wird <strong>ein</strong>e höhere Qualifikation nötig. Auch mit<strong>ein</strong>er Matura kann man zukünftig nicht mehr so direkt in <strong>ein</strong>enBeruf <strong>ein</strong>steigen. Studientitel haben nur dann <strong>ein</strong>en Wert, wennsie von Unternehmen anerkannt werden. Wenn Qualifikationenmangelhaft sind, werden jugendliche Bewerber gezwungen,längere Sucharbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen.Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleEin abgeschlossenes Studium sei jedenfalls nicht mehr <strong>ein</strong>e Eintrittskart<strong>ein</strong> den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt:Ein Hochschulstudium wird auch bei uns nicht mehr die Eintrittskartefür den <strong>Arbeit</strong>smarkt s<strong>ein</strong>. Der Bachelor wird zu demwerden, was vor 10 Jahren die Matura war. Noch nicht alle habenverstanden, dass es mit dem Studium all<strong>ein</strong>e noch nichtgetan ist. In Italien machen 80% der Bachelors auch den Master,in Südtirol weniger. Man muss <strong>ein</strong> Spezialgebiet suchen,denn mit dem Bachelor all<strong>ein</strong> hat man künftig zu wenig Chancen.Mitarbeiter der StudentenorganisationLaut <strong>ein</strong>er ASTAT-Untersuchung blieben viele Hochschulabsolventenzunächst weg, kämen dann aber wegen der Familie oder <strong>ein</strong>em<strong>Arbeit</strong>splatz wieder nach Südtirol zurück.Prinzipiell finde ich das „Gejammere“, dass die Jungen in das Auslandgehen <strong>und</strong> nicht mehr zurückkommen, überzogen. Denn ichfinde das sogar positiv, wenn junge Leute mal ins Ausland gehen,Auslandserfahrungen sammeln, blicken sie mal über den Teller-


114 Die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktesrand hinaus, erweitern ihren Horizont. Die meisten kommen jawieder zurück. Schon der Typus Südtiroler ist sehr Heimat bezogen<strong>und</strong> früher oder später zieht es ihn zurück.Leitende Mitarbeiterin des ASTATDie Abwanderung von Hochqualifizierten in große Ballungsgebietemit Großunternehmen sei <strong>ein</strong> normaler Vorgang, doch sei auch<strong>ein</strong>e gewisse Rückwanderung von Akademikern zu beobachten.Der Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt kann nicht Tausende von Philologenoder Fachleuten für moderne Sprachen aufnehmen. Bei Juristen,Geisteswissenschaftlern <strong>und</strong> Sozialwisssenschaftlern seit der Südtiroler<strong>Arbeit</strong>smarkt nicht mehr so aufnahmefähig wie früher.9.2.6.4 Ein mismatch auf dem Südtiroler<strong>Arbeit</strong>smarkt?Besteht auf Südtirols <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>ein</strong>e „strukturelle <strong>Arbeit</strong>slosigkeit“im Sinne des Neben<strong>ein</strong>anders von freien Stellen in bestimmtenBereichen <strong>und</strong> arbeitslosen qualifizierten <strong>Jugend</strong>lichen in anderenBereichen? Die Experten der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtung sindnicht dieser Ansicht.500 <strong>Jugend</strong>liche werden für bestimmte Jobs gesucht, aber nur300 sind auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt dafür verfügbar? So stellt sichdas Problem nicht dar. Doch die Schulen verlassen <strong>ein</strong>e Mengehalbwegs allgem<strong>ein</strong> gebildeter <strong>Jugend</strong>licher, die es zu <strong>ein</strong>er Bürotätigkeithinzieht. Kaum jemand ist für <strong>ein</strong>e Tätigkeit in <strong>ein</strong>emBetrieb spezifisch ausgebildet, weil in den Oberschulen <strong>ein</strong>eEinheitsausbildung geboten wird. K<strong>ein</strong>e Schule liefert z.B. diefür <strong>ein</strong>en speziellen Betrieb spezialisierte Sekretärin.Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktvermittlungDie Oberschule produziere vor allem Maturanten mit Allgem<strong>ein</strong>bildung,die ihre Berufsspezialisierung noch zu absolvieren hätten.<strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> Bildungssystem würden immer etwas aus<strong>ein</strong>anderklaffen,so der <strong>Arbeit</strong>smarktexperte, weshalb geeignete Formender Spezialisierung nach der Matura am <strong>Arbeit</strong>splatz geschaffenwerden müssten. Berufspraxis, praktisches Können wird aber oftunterschätzt.Zum Teil wird bei der Berufswahl zu wenig die Realität am <strong>Arbeit</strong>smarktberücksichtigt. Allerdings fehlt vielfach auch die Aufklärungin diesem Bereich. Viele <strong>Jugend</strong>liche gehen davon aus,dass der Abschluss <strong>ein</strong>er Oberschule bzw. <strong>ein</strong>es Studiums ausreicht,um <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz zu erhalten (...). Die jungen ItalienerSüdtirols besuchen zu über 50% Lyzeen, zum geringerenTeil technische Oberschulen, <strong>und</strong> nur sehr wenige die Berufsschulen.Damit ist der mismatch vorgegeben.Vertreter des B<strong>und</strong>es der Genossenschaften


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 115Unter den Maturanten sei es weit verbreitet, sich nach <strong>ein</strong>igen Modeberufenauszurichten. Eigentlich müsste man schauen, so <strong>ein</strong>Befragter, was wenige Gleichaltrige studieren <strong>und</strong> was in 5-10 Jahrenstärker gefragt s<strong>ein</strong> wird. Das tun die wenigsten <strong>Jugend</strong>lichen,die sich viel lieber eigenen Interessen widmen. Im Anschluss wirdden Hochschulabsolventen viel Anpassungsbereitschaft <strong>und</strong> Ausdauerbei der <strong>Arbeit</strong>ssuche abverlangt.Der in Südtirol wie anderswo beobachtbare mismatch auf dem <strong>Arbeit</strong>smarktsei aber k<strong>ein</strong> Problem des Alters, betonen Akteurinnen.Es gibt ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer, die wegen Betriebsschließungen entlassenwerden, aber auch Lehrstellenmangel. Mismatch sei zu beobachtenzwischen gering qualifizierten <strong>Arbeit</strong>splätzen, für die sichk<strong>ein</strong>e Einheimischen finden, die dann von Zuwanderern besetztwerden, wie z.B. im Gastgewerbe. Gering qualifizierte, ältere <strong>Arbeit</strong>nehmerhingegen seien betroffen von Entlassung, tun sichschwer mit <strong>ein</strong>er Umschulung, erfahren längere <strong>Arbeit</strong>slosigkeit.Diese sei problematischer als die Sucharbeitslosigkeit junger <strong>Arbeit</strong>suchenderbeim Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt.9.2.7 Reformen des <strong>Arbeit</strong>srechtsDie Frage der Entlohnungshöhe wird von mehreren Befragten relativiert:Für <strong>ein</strong> Unternehmen machten die Lohnunterschiede zwischenälteren <strong>und</strong> jüngeren <strong>Arbeit</strong>nehmern nicht die Entscheidungfür <strong>und</strong> wider die Einstellung <strong>ein</strong>es <strong>Jugend</strong>lichen aus.Wenn heute Mitarbeiter wirklich gebraucht werden, werden sieunabhängig von der Vertragsform <strong>ein</strong>gestellt. Ausschlaggebendist nicht so sehr der <strong>Arbeit</strong>svertrag, sondern wie dieser<strong>Arbeit</strong>nehmer ist. Die Kosten sind sek<strong>und</strong>är. Aber der Bewerbermuss eben die richtigen Voraussetzungen haben.Fachmann der Beobachtungsstelle für den <strong>Arbeit</strong>smarkt<strong>Jugend</strong>liche bzw. Neu<strong>ein</strong>steiger werden zumindest mit kollektivvertraglichemMindestlohn <strong>ein</strong>gestuft. Dabei werden Frauen beivergleichbarer <strong>Arbeit</strong> oft niedriger <strong>ein</strong>gestuft, aufgr<strong>und</strong> der Ver<strong>ein</strong>barkeitder <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Familienpflichten müssen sie oft schlechterevertragliche Bedingungen akzeptieren. Bei den Betriebsabkommenwerde nicht nach Alter diskriminiert, doch <strong>ein</strong>ige Kollektivverträgehätten Verschlechterungen mit sich gebracht. Dadurch erhieltenNeu<strong>ein</strong>steiger beim normativen Teil schlechtere Bedingungenals die Kollegen, die schon länger im Dienst sind. Beimwirtschaftlichen Teil würden vor allem bei den Lehrverträgen wenigerSozialbeiträge gezahlt. Junge <strong>Arbeit</strong>nehmer hätten <strong>ein</strong>en gravierendenNachteil, denn je weniger <strong>ein</strong>gezahlt wird, desto wenigerRentenanspruch werde angereift. Bei Werkverträgen beziehe<strong>ein</strong> <strong>Jugend</strong>licher zwar <strong>ein</strong> auf den ersten Blick hohe Vergütung,


116 Reformen des <strong>Arbeit</strong>srechtsverbuche aber sehr geringe Rentenbeiträge. Da liege der großeNachteil, nicht so sehr bei der Lohnhöhe.Die Lohnkosten sollten dagegen zwischen den Generationen besserverteilt werden. In den Kollektivverträgen sollten <strong>Arbeit</strong>nehmerüber 50 <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Lohnverzicht üben, während die Löhne für<strong>Jugend</strong>liche unter 30 angehoben werden könnten, damit sich dieseetwas aufbauen können. Eine Art Solidarität der älteren <strong>Arbeit</strong>nehmerwird vorgeschlagen: ab 50 Verzicht auf die Dienstalterszulage:Die Lohnkosten sollen also zwischen den Generationen besserverteilt werden. Ab <strong>ein</strong>em Alter von r<strong>und</strong> 50 Jahren soll mandie Lohnkosten reduzieren, jene für die Gruppe zwischen 20-30Jahre sollen dagegen steigen, damit <strong>Jugend</strong>liche etwas aufbauenkönnen.GewerkschafterAußerdem sei es legitim, die Dienstalterszulagen in Frage zu stellen.In Kollektivverträgen bräuchte es ab <strong>ein</strong>em bestimmten Gehaltk<strong>ein</strong>e Dienstalterszulage. Das soll den Jungen gegeben werden,weil mit <strong>ein</strong>em bestimmtem Alter 50+ ist die Wohnung da, dieKinder sind im Erwerbsleben. Hier braucht es mehr Solidarität.In Verträgen müsste <strong>ein</strong> Ausgleich geschaffen werden. Hiermuss <strong>ein</strong> Umdenken geschehen.Vertreterin der GewerkschaftsjugendLaut Experten <strong>und</strong> Akteurinnen dieses Bereichs sei der Aspekt derFlexibilität für die Unternehmen wichtiger als jener der Lohnhöhe.Die Unternehmen stellen nicht unfähige Leute <strong>ein</strong>, weil sie 400Euro weniger kosten. Lohnzuschüsse, die <strong>ein</strong>en schwachen 29jährigenzum Nachteil des 30jährigen leistungswilligen Mitbewerbersbefördern, seien k<strong>ein</strong>e Lösung:Lohnzuschüsse, die <strong>ein</strong>en schwachen 29jährigen zum Nachteildes 30-jähigen Fähigen befördern, sind nicht die Lösung. Werklug ist, nimmt den teureren, aber fähigeren <strong>und</strong> leistungsbereiten<strong>Jugend</strong>lichen.Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleNur in Zusammenhang mit dem Alter wären solche Zuschüssenicht zu befürworten. Wenn <strong>ein</strong>e Nachqualifizierung oder Spezialisierungerfolgt, die der Betrieb übernehmen kann, also inZusammenhang mit <strong>ein</strong>er Ausbildungsleistung kann man Zuschüsseüberlegen.Leitender Beamter der <strong>Arbeit</strong>svermittlungEine Senkung der Sozialabgaben für <strong>Jugend</strong>liche bis 29 kann inBetracht gezogen werden, ist allerdings durch die Einführung neu-


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 117er Lehrverträge <strong>und</strong> prekärer <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse (Projektarbeit,Leiharbeit, befristete <strong>Arbeit</strong>, <strong>Arbeit</strong> auf Abruf) schon im Gang.Lohnzuschüsse für die Einstellung von <strong>Jugend</strong>lichen unter 30 Jahrensollte es erst geben, wenn sich die Situation wesentlich verschlechtere.Auch führende Vertreter von Unternehmerverbänden sprechensich dafür aus, den <strong>Jugend</strong>lichen <strong>ein</strong>en höheren Grad an sozialerAbsicherung zu verschaffen:Ich glaube, dass wir [...] verzichten müssen, um der <strong>Jugend</strong> neuePerspektiven zu geben. Wir haben die unsrige Generation, die abgesichertist <strong>und</strong> die <strong>Jugend</strong> ... <strong>und</strong> da müssen wir vielleicht auf<strong>ein</strong> bisschen was verzichten, um unten (der <strong>Jugend</strong>) <strong>ein</strong> bisschenmehr Sicherheit zu geben. Damit müssen wir uns aus<strong>ein</strong>andersetzen,ich weiß, dass da viel Ideologisches dabei ist, aber es gehtum dieses Ungleichgewicht. Das ist nicht <strong>ein</strong> Problem der Unternehmen,denn Unternehmen können k<strong>ein</strong>e Garantie mehr auf dem<strong>Arbeit</strong>smarkt geben. Sie können nur <strong>ein</strong>es garantieren: dass sie<strong>Jugend</strong>liche aufnehmen, um sie effizient auszubilden, um mit ihnen<strong>ein</strong>en gem<strong>ein</strong>samen Weg zu gehen <strong>und</strong> k<strong>ein</strong>er tut das, umdann <strong>ein</strong>en zu entlassen.UnternehmerverbandHier gehe es laut Experten gr<strong>und</strong>sätzlich darum, die Vielfalt deratypischen <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse zu begrenzen <strong>und</strong> besser zu reglementieren.Hingegen müsse die soziale Absicherung der Teilzeitausgebaut <strong>und</strong> altersgerechte <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse geschaffen werden.An beiden Enden der Zeit der Erwerbstätigkeit müsse angesetztwerden: <strong>ein</strong>erseits Erleichterungen bei <strong>und</strong> Förderung derAufnahme von <strong>Jugend</strong>lichen, andererseits altersgerechte Beschäftigungsformen.Auch Unternehmerverbandsvertreter betonten,dass <strong>Jugend</strong>liche nicht zu lange in prekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnissengehalten werden sollten, damit sie sich <strong>ein</strong>e Berufsperspektive aufbauenkönnen.Während auch Unternehmervertreter mit dem Ausmaß an Flexibilitätzufrieden sind <strong>und</strong> das neue Lehrlingsgesetz ausreichend langeLehrzeiten bietet, wird eher für <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>fachere Form der Entlassungvon <strong>Arbeit</strong>nehmern plädiert, von welchen sich <strong>ein</strong> Unternehmentrennen will. Das Einstellungsverhalten der Betriebe könntedurch <strong>ein</strong>e Lockerung des Kündigungsschutzes verbessert werden.In Zukunft müssten immer mehr <strong>Jugend</strong>liche von der Vorstellung<strong>ein</strong>es unbefristeten <strong>Arbeit</strong>svertrags für die gesamte Zeit derErwerbstätigkeit abgehen. Zwar sei die Forderung verständlich,doch im Kontext der italienischen Wirtschaft nicht durchsetzbar.


118 Reformen des <strong>Arbeit</strong>srechtsAuch die Praktika der Oberschüler in den Unternehmen müsstenarbeitsrechtlich besser abgesichert werden. Sommerpraktika sindin Südtirol sehr beliebt, doch müssten mehr curriculare, alsoschultypbezogene Praktika in die Oberschulausbildung aufgenommenwerden, mit dem Ziel, dass <strong>Jugend</strong>liche betriebliche Realitätkennen lernen; außerdem kommen Unternehmen dadurch mitNachwuchs in Kontakt. Folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen:Einstieg in die Gr<strong>und</strong>lehre ab dem 14. LebensjahrDie Berufsberatung soll die <strong>Jugend</strong>lichen auch über die Realitätam <strong>Arbeit</strong>smarkt aufklären; die Oberschüler sollen auchüber die Lehre informiert werden;Einstellungszuschüsse für Lehrlinge <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>liche bis 25Jahren.9.2.8 Problemgruppen9.2.8.1 Schul- <strong>und</strong> AusbildungsabbrecherFür Schulerfolg, Berufswahl <strong>und</strong> Ausbildungsverlauf sei die sozialeHerkunft immer noch wesentlich, m<strong>ein</strong>ten Experten. Trotz des imWesentlichen für die Eltern kostengünstigen öffentlichen Bildungssystemskönnten sich Kinder aus <strong>ein</strong>kommensschwachen SchichtenVieles nicht erlauben <strong>und</strong> hätten schlechtere Startbedingungen.Bei den <strong>Jugend</strong>liche zeichne sich immer wieder ab: wer bestimmteRessourcen hat, kommt weiter. Als spezifische Problemgruppenseien die Ausbildungsabbrecher <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>liche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>auszumachen. Diese würden auch für die<strong>Jugend</strong>sozialarbeit zukünftig zusätzlichen Bedarf aufwerfen. In Bozengebe es auch <strong>ein</strong>ige sozial problematische Viertel, wo sichProblemgruppen unter <strong>Jugend</strong>lichen überhaupt erst formierenkönnen.Probleme werden <strong>Jugend</strong>liche ohne Ausbildung haben, mit zuwenig Sprachkenntnissen, solche die k<strong>ein</strong>e Lust, k<strong>ein</strong>en Einsatzzeigen, Entscheidung des Einzelnen, wer auf Deutsch verzichtet.Bei den <strong>Jugend</strong>lichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ist dieSprache das Haupthindernis. Die Unternehmer haben oft Vorurteile,manche haben schlechte Erfahrungen gemacht, dann istdieses Thema für lange Zeit vom Tisch. Die Migranten werdendann abgestempelt, sie haben k<strong>ein</strong> Vertrauen mehr, <strong>und</strong> dieAusländer <strong>ein</strong> schlechtes Image.Mitarbeiter der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungSchwer vermittelbar seien <strong>Jugend</strong>liche, die nur <strong>ein</strong>e allgem<strong>ein</strong>eAusbildung haben <strong>und</strong> k<strong>ein</strong>e berufsspezifische Ausbildung, so <strong>ein</strong>igeBefragte. Diese <strong>Jugend</strong>lichen stoßen auf zunehmende


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 119Schwierigkeiten bei der Eingliederung in den <strong>Arbeit</strong>smarkt, weildie Berufswelt immer spezialisierter wird. Darüber hinaus seien <strong>Jugend</strong>liche,die weniger Leistungsbereitschaft zeigen, im Nachteil.Diese würden schnell aussortiert werden. Wer häufiger aussortiertworden ist <strong>und</strong> k<strong>ein</strong>e Referenzen vorweisen könne, habe es immerschwerer, Fuß zu fassen.<strong>Jugend</strong>liche ohne Schulabschluss <strong>und</strong> sonstige Ausbildung bilden<strong>ein</strong>e Problemgruppe, der Mangel an Zweitsprachkenntnissen <strong>und</strong>Einsatzbereitschaft seien weitere Handicaps in der Südtiroler Realität.Die im Schulsystem angebotenen Integrationsdienste fürSchüler mit Problemen bieten spezielle Förderungsprogramme,die noch zu wenig genutzt würden. Es werde immer <strong>Jugend</strong>lichemit Problemen geben, die auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>ein</strong>e relativschwache Position innehaben werden.<strong>Jugend</strong>liche, die die Landessprachen unzureichend beherrschen,werden neben jenen mit unzureichender Qualifikation zunehmendeSchwierigkeiten haben, in Südtirol qualifizierte <strong>Arbeit</strong>splätze zufinden.Die italienischsprachigen <strong>Jugend</strong>lichen würden gut daran tun,auch außerhalb Bozens <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Praktika zu absolvieren, umSüdtiroler Deutsch besser zu lernen. Das nützt ihnen für ihrenBeruf mehr als Englisch.Vertreter des Verbandes der GenossenschaftenItalienische <strong>Jugend</strong>liche, die zu wenig Deutsch sprechen <strong>und</strong>kaum Dialekt verstehen, seien kaum als Lehrlinge in Betriebe außerhalbdes Raums Bozen zu vermitteln. Wenn sie aber in solcheBetriebe <strong>ein</strong>steigen wollen, müssten sie sich sprachlich anpassen.Problematisch seien auch <strong>Jugend</strong>liche ohne Sozialkompetenz sowiepsychisch labile <strong>Jugend</strong>liche, die mehr Begleitung brauchen.Mehrfach nennen die Befragten die Schulverweigerer <strong>und</strong>Schulabbrecher als Hauptproblemgruppe. Für den Schulabbruchwerden verschiedene Einflussfaktoren genannt, etwa auch diefalsche von den Eltern aufgedrängte Schulwahl. Der fehlendeSchulabschluss kann zu <strong>Arbeit</strong>slosigkeit führen.9.2.8.2 Ausländische <strong>Jugend</strong>licheDie Kinder der neuen Zuwanderer, also die zweite Generation derMigranten, stellen <strong>ein</strong>e zweite „Risikogruppe“ dar, die in Zukunftmehr Unterstützung brauchen wird. Für diese Zielgruppe würdenin Zukunft zusätzliche spezifische Angebote, Einstiegshilfen <strong>und</strong>Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich s<strong>ein</strong>. Dies sei auch <strong>ein</strong>neues Feld der Sozialarbeit.


120 ProblemgruppenDer Ausländeranteil an den Schülern steigt ständig. Wir habenverschiedene Erfahrungen gemacht. Die Integration hängt ganzvom sozialen Umfeld ab. Wenn diese <strong>Jugend</strong>lichen von den Elternzu wenig Unterstützung <strong>und</strong> Rückhalt bekommen, dannkönnen sie sozial auffällig werden. In der Oberschule klappt esoft, doch in der Mittelschule gibt es auch große Probleme. Esbesteht die Gefahr, dass viele Ausländerkinder den Anschlussverlieren, trotz aller Bemühungen. Die Migranten könne bis zurMatura <strong>ein</strong> differenziertes Programm machen <strong>und</strong> differenziertbewertet werden. Sie haben 5 Jahre Zeit, das gleiche Niveauwie die Inländer zu erreichen. Heute stellt es oft <strong>ein</strong>e enormeBelastung für die Lehrpersonen dar, wenn <strong>ein</strong>zelne Schüler aussprachlichen Gründen überhaupt nicht mitkommen. Sollte manzuerst den Nachweis von ausreichenden Sprachkenntnissenverlangen? Diese Gruppe wirft erheblichen Handlungsbedarfauch für die Zukunft auf.SchulinspektorinAusländerkinder haben die Sprachhürde zu bewältigen, vor allemim schriftlichen Ausdruck, denn dies sei der primärer Gr<strong>und</strong> fürden relativ häufigeren Schulabbruch. Andererseits seien Ausländerkinderweniger anspruchsvoll <strong>und</strong> anpassungsfähiger. Dochauch mit Berufsschuldiplom bleibt der berufliche Erfolg fraglich,weil der soziale <strong>und</strong> kulturelle Hintergr<strong>und</strong> für den reibungslosenEinstieg in die Berufswelt fehle. Bei den Mädchen aus bestimmtenLändern gehe es oft nur um <strong>ein</strong>e vorübergehende Beschäftigung,weil sie oft <strong>ein</strong>e frühe Heirat anstreben <strong>und</strong> dann die Berufstätigkeitrasch aufgeben. Familie <strong>und</strong> Beruf zu ver<strong>ein</strong>baren liege nichtin der Tradition vieler Herkunftsländer. Dies gelte auch für langfristigeAusbildungswege. Dann gebe es auch religiös-kulturell bedingteProbleme in bestimmten <strong>Arbeit</strong>sbereichen, z.B. der Gastronomie<strong>und</strong> dem Gastgewerbe. Wenn Ausländerkindern der Abschlussgeschenkt wird, sei es langfristig nicht zum Vorteil der Zuwanderer,denn dann nehmen die <strong>Arbeit</strong>geber die Bildungsabschlüsseauf Dauer nicht mehr ernst.Ausländer seien diskriminiert in dem Sinne, dass sie meist nichtüber die materiellen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Möglichkeiten verfügenwie die Einheimischen. Aufgr<strong>und</strong> der Sprachprobleme ratenExperten zur Wahl von Schulen geringeren Schwierigkeitsgradssowie der Berufsschule, aber die Mehrheit der Ausländer will fürihre Kinder <strong>ein</strong>e bessere Zukunft, die mit <strong>ein</strong>em höheren Bildungsabschlussidentifiziert wird. Die Matura zu erreichen ist allerdingsfür viele Ausländer <strong>ein</strong> sehr hoch gestecktes Ziel. Heute schickenAusländer, die im Raum Bozen ansässig sind, ihre Kinder verstärktin die italienischsprachige Berufsschule. Das führe dazu, dass BoznerFamilien ihre Kinder nicht mehr so gern dorthin schicken. Im


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 121Allgem<strong>ein</strong>en ist das Schulsystem in Italien <strong>und</strong> Südtirol nicht soselektiv wie etwa in Deutschland <strong>und</strong> Österreich. Die Bedingungenseien besser, etwa dank des Stipendienwesens, der verfügbarenRessourcen, der Einheitsmittelschule, aber der Migrationshintergr<strong>und</strong>habe doch <strong>ein</strong>en großen Einfluss.Die in den Gesprächen mit den 35 Akteuren/innen <strong>und</strong>Experten/innen gewonnenen Aussagen weisen auf <strong>ein</strong>en starken„mainstream“ in den in Südtirol verbreiteten Einschätzungen <strong>und</strong>Sichtweisen hin, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten <strong>und</strong>Gewichtungen. Dies wird zum Einen bedingt durch den gesamtenöffentlichen Diskurs in Medien <strong>und</strong> anderen Arenen, während Südtirol-bezogeneAus<strong>ein</strong>andersetzungen zu diesem Thema auf wissenschaftlicherEbene bisher noch Rarität waren, auch weil die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitbisher noch k<strong>ein</strong> zentrales Thema der Politik<strong>und</strong> Wissenschaft war. Zum Anderen müssen auch die Akteure/innen,neben der alltäglichen Wahrnehmung der Probleme im eigenen<strong>Arbeit</strong>sfeld, allesamt auf die wenigen verfügbaren Datenquellen<strong>und</strong> Studien zu diesen Fragen Bezug nehmen.Die Einschätzungen der Gesprächspartner gehen naturgemäß – jenach Verbandszugehörigkeit <strong>und</strong> Fachbereich – primär bei den arbeitsrechtlichen<strong>Aspekte</strong>n <strong>und</strong> Lohnregelungen aus<strong>ein</strong>ander. Dader größere Teil der Fragen gruppenspezifisch gemäß dem jeweiligenKompetenzbereich der Gesprächspartner formuliert war, ergabensich meist über<strong>ein</strong>stimmende M<strong>ein</strong>ungsbilder. Andererseitskonnten auch deutlich kontrastierende Einschätzungen beobachtetwerden, wie z.B. bei Aufgabenverständnis <strong>und</strong> Effizienz von Berufsberatung<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung.


122 Fazit10 FazitEine „verlorene Generation“ titelte der WiKu der Tageszeitung DO-LOMITEN am 23.1.2013 <strong>und</strong> zitierte die <strong>Arbeit</strong>slosenrate von 9,4%bei <strong>Jugend</strong>lichen bis 24 Jahre. Auch wenn es zumindest für Südtirolk<strong>ein</strong>en realen Anlass für derart dramatische Töne gibt, ist nichtzu verkennen, dass <strong>Jugend</strong>liche in den letzten Jahren beim Übergangvom Bildungssystem ins Berufs- <strong>und</strong> Erwerbsleben auf neueSchwierigkeiten stoßen. Dies findet vor dem Hintergr<strong>und</strong> globalerEntwicklungen statt, die nicht südtirolspezifisch sind: die Schlagwortesind Spezialisierung, Flexibilisierung <strong>und</strong> Individualisierung.In den leitfadengestützten Gespräche mit 35 Experten/innen <strong>und</strong>Akteuren/innen aus sechs verschiedenen Bereichen, die beruflichmit dem Übergang der <strong>Jugend</strong>lichen von der Ausbildung in dieBerufstätigkeit befasst sind, wurden <strong>ein</strong>e Fülle von Themen benannt,die zum Teil <strong>ein</strong>e Analyse des status quo darstellen, zumTeil aber – auch auf der Gr<strong>und</strong>lage der Stärken <strong>und</strong> Schwächendes Südtiroler Übergangssystems – in die Zukunft schauen. ImFolgenden werden diese vorwärts gewandten Aussagen noch <strong>ein</strong>malherausgegriffen, also die aufgezeigten Handlungsoptionen<strong>und</strong> Empfehlungen:Technische <strong>und</strong> handwerklich-praktische Berufe sind aufzuwertenDer Stellenwert <strong>ein</strong>es Maturadiploms wird von jungen Leuten <strong>und</strong>ihren Familien für die Verwertbarkeit am <strong>Arbeit</strong>smarkt überschätzt,etwa im Vergleich zu <strong>ein</strong>em Facharbeiterdiplom. Der Ausbildungshorizontverlagert sich immer mehr in Richtung Matura als Standardabschluss,<strong>und</strong> vor allem in der italienischen Sprachgruppegenießt die berufspraktische Ausbildung, vor allem die Lehre, immergeringeres Ansehen.Dem Rückgang der Lehrlingszahlen ist zu begegnenDem deutlichen Rückgang der Auszubildenden im dualen Systemssteht zwar <strong>ein</strong>e höhere Besucherzahl bei den Vollzeitkurse gegenüber,Betriebe stellen aber auch weniger Lehrlinge <strong>ein</strong>, in bestimmtenBranchen ist auch <strong>ein</strong> Lehrstellenmangel zu verzeichnen.Mädchen konzentrieren sich zudem immer noch auf <strong>ein</strong>ige wenigeLehrberufe. Die Ausbildungsdauer in vielen Berufen ist (zu) lang.Die neue berufsspezialisierende Lehre für Maturanten muss inSüdtirol erst richtig zur Anwendung kommen, darf aber nicht alsbloßer „Einstiegsvertrag mit geringeren Löhnen <strong>und</strong> Sozialbeiträgen“aufgefasst werden.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 123Die Durchlässigkeit des Bildungssystems ist (weiter) zu erhöhenInsgesamt überwiegt die Überzeugung, dass die Berufsausbildung<strong>und</strong> das duale System aufgewertet werden sollen. Die Erhöhungder Durchlässigkeit zwischen Ober- <strong>und</strong> Berufsschule mit Einführungder Berufsmatura sind dafür zentral. Skeptische Stimmenwarnen aber auch davor, den Wechsel zu stark zu erleichtern, umnicht <strong>ein</strong>em unreflektierten Hin- <strong>und</strong> Herwechseln Tür <strong>und</strong> Tor zuöffnen. Die Berufsmatura als wichtiger Schritt in Richtung Durchlässigkeitdarf zudem k<strong>ein</strong>esfalls <strong>ein</strong>e Matura zweiter Kategoriewerden.Der Oberschulbesuch ist stärker auf den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkthin zu orientierenDas Angebot der Oberstufenausbildung ist durch die Reform 2010übersichtlicher geworden, für <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>gehendere Bewertung ist esaber noch zu früh. Der Anteil der Oberschüler an den Jahrgängen<strong>und</strong> die Übertrittsquote an die Hochschulen steigt an. Diese Entwicklungwird mittelfristig zu erhöhtem Wettbewerb um knappeStellen vor allem im öffentlichen Bereich führen, wo bisher auchAbschlüsse allgem<strong>ein</strong>bildender Schulen verwertbar waren. Eswird deshalb immer wichtiger, die Berufswahl der Oberschüler aufjene Bereiche zu lenken, die auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt diebesten Chancen haben. Vor allem Mädchen müssen ihr Ausbildungs-<strong>und</strong> Studienfach-Portfolio unbedingt stärker auffächern<strong>und</strong> sich stärken auch MINT-Fächer zuwenden.In die Oberschulcurricula sind mehr praktische <strong>Arbeit</strong>serfahrungen<strong>ein</strong>zubauenNur <strong>ein</strong>e Minderheit der <strong>Jugend</strong>lichen hat vor der Matura klareVorstellungen zum späteren Beruf. Die Vielfalt der Ausbildungswege<strong>und</strong> der Qualifikationen überfordert oft Eltern <strong>und</strong> Schüler/innen.Für die Wahl der Ausbildung werde viel Information geboten,sehr wenig jedoch für den Berufs<strong>ein</strong>stieg (<strong>Arbeit</strong>splatzwahl). Jemehr praktische <strong>Arbeit</strong>serfahrungen <strong>Jugend</strong>liche aber währendder Schulzeit sammeln können, desto leichter fällt die Berufswahl.Die Berufsberatung kann Praxisnähe der Ausbildung nicht ersetzenAus der Sicht der Berater/innen <strong>und</strong> der Schulen besteht <strong>ein</strong> gutfunktionierender Dienst <strong>und</strong> <strong>ein</strong> ausreichendes Netz an Beratung.Dieses kann allerdings nicht die Aufgabe haben, über die Detailsdes <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> schon gar nicht über dessen langfristigeEntwicklungen zu informieren, sondern muss die bewusste Berufswahlbegleiten <strong>und</strong> unterstützen. Derzeit geschieht das oft nurpunktuell, sollte aber zu <strong>ein</strong>em längerer Prozess ausgebaut wer-


124 Fazitden, bei dem <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> Eltern begleitet werden müssen.Berufsk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Berufsberatung – vor allem in den Schulen – istalso ausbaufähig.Das Zusammenwirken der <strong>Arbeit</strong>svermittlung im privaten <strong>und</strong>im öffentlichen Bereich ist zu verbessernDie <strong>Arbeit</strong>sbörse der Landesverwaltung wird von <strong>Jugend</strong>lichen intensivgenutzt, nicht aber andere Dienste der <strong>Arbeit</strong>sämter. Diesewerden vor allem als „Verwaltungs<strong>ein</strong>heiten“ wahrgenommen, beidenen <strong>ein</strong> aktiver Vermittlungsdienst zu kurz kommt. Dafür fehlenvor allem in den Städten die Ressourcen. Die privaten Agenturenkönnen diesen Mangel nicht ausgleichen, auch wenn sich <strong>ein</strong>enicht-koordinierte de-facto-<strong>Arbeit</strong>steilung zwischen öffentlichen<strong>und</strong> privaten Stellen der <strong>Arbeit</strong>svermittlung etabliert hat. Die Reformvorschlägereichen von der besseren personellen Ausstattungder öffentlichen <strong>Arbeit</strong>svermittlung über den Ausbau der online-Dienste bis zur Privatisierung der gesamten <strong>Arbeit</strong>svermittlung.Die Bewerbungskultur der <strong>Jugend</strong>lichen ist ausbaufähigDie Kultur der Bewerbung muss unter Südtirols <strong>Jugend</strong>lichen besserwerden. Eine hochwertige Bewerbung kann nicht nur die Aufzählungder absolvierten Abschlüsse enthalten, sie muss ergänztwerden um Informationen zur Motivation sowie zur Einschätzungder eigenen Fähigkeiten, vor allem der sogenannten Schlüsselkompetenzenwie Anpassungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, sozialesEngagement, Teamfähigkeit usw.Die Stabilisierung befristeter <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse ist zu fördernDerzeit wird die <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Südtirol, abgesehen von<strong>ein</strong>igen h<strong>und</strong>ert „kritischen Fällen“, als nicht besorgniserregendbezeichnet. Es zeichnet sich aber <strong>ein</strong>e Zunahme befristeter <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse<strong>und</strong> verschiedener Formen prekärer Beschäftigungab. Wenn auch die Phase des Berufs<strong>ein</strong>stiegs bis zu <strong>ein</strong>embestimmten Punkt – auch wegen der vermehrt geforderten Flexibilitätbezüglich Qualifikationen, der räumlichen Mobilität <strong>und</strong> derLeistungsbereitschaft – mit solchen Formen der Beschäftigungverb<strong>und</strong>en bleiben wird, so ist die Perspektive entscheidend. Fehltdiese, dann wirkt sich dies negativ auf Lebensplanung, beruflicheKarriere, Einkommen <strong>und</strong> Rentenversicherung aus. Die weitere Zunahmeatypischer <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse muss deshalb verhindert,die Stabilisierung von befristeten <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen soll gefördertwerden.Die neue berufsspezialisierende Lehre sowie die Höhere Lehre fürStudenten sollten auch in Südtirol verstärkt angewandt werden.Die in Südtirol in geringem Maß genutzte Leiharbeit ist zwar alsFlexibilitätspuffer <strong>und</strong> Erprobungsinstrument für Unternehmen


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 125nützlich, trotzdem muss überlegt werden, ob sich nicht <strong>ein</strong>e Lockerungdes Kündigungsschutzes insgesamt positiv auswirkenwürde; die Sichtweisen gehen diesbezüglich zwischen den Sozialpartnernaus<strong>ein</strong>ander.Die Aufnahmefähigkeit des Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktes fürHochqualifizierte darf nicht überschätzen werdenDer <strong>Arbeit</strong>smarkt in Südtirol benötigt tendenziell mehr Hochqualifizierte<strong>und</strong> ist auch mittelfristig für <strong>ein</strong>en höheren Anteil an Akademikernaufnahmefähig. Aufgr<strong>und</strong> der stark steigenden Absolventenzahlen<strong>und</strong> der geringeren Zahl an öffentlichen Stellen wirdes aber bei den Akademikern zu <strong>ein</strong>em intensiveren Wettbewerbkommen. Eine Akademikerquote, wie sie die EU vorgibt, sch<strong>ein</strong>tauf jeden Fall für den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkt überzogen. Der mittlereQualifikationsbereich bei technischen <strong>und</strong> Verwaltungsberufenwird sich dagegen stärker entwickeln.Geburtenschwache Jahrgänge werden sich erst mittelfristigauswirkenAuch wenn die Jahrgangsstärken <strong>und</strong> damit die Anzahl an jungenLeuten, die auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt drängen, zurückgehen, wird sichdies erst mittelfristig auswirken. Derzeit wird der generationsmäßigeAustausch der Erwerbstätigen durch <strong>Arbeit</strong>srecht <strong>und</strong> Rentenreformverzögert. Andererseits wird der Rückgang des <strong>Arbeit</strong>skräfteangebotsvor Ort durch die Zuwanderung aus der EU (vor allembei höher Qualifizierten) <strong>und</strong> aus Nicht-EU-Ländern (für gering qualifizierteStellen) teilweise kompensiert werden.Bildungsabbrecher <strong>und</strong> ausländische <strong>Jugend</strong>liche sind ProblemgruppenDie soziale Herkunft ist für den Bildungsverlauf <strong>und</strong> Schulerfolgder <strong>Jugend</strong>lichen in Südtirol – trotz des leichten Zugangs zumSüdtiroler Bildungssystem – immer noch von erheblicher Bedeutung.<strong>Jugend</strong>liche ohne Schulabschluss mit zu geringen Zweitsprachkenntnisse<strong>und</strong> zu wenig Leistungsbreitschaft sind generellgefährdet. Schulabbrecher müssen deshalb als Risikogruppe erkannt<strong>und</strong> besser betreut werden.Eine zweite Problemgruppe wächst mit den ausländischen <strong>Jugend</strong>lichenaufgr<strong>und</strong> deren struktureller Benachteiligung heran(Sprachkenntnisse, geringe familiäre Ressourcen, mangelnde Integrationüber soziale Netze usw.). Eine berufspraktische Ausbildungz.B. im dualen System bietet die besten Chancen für <strong>ein</strong>e erfolgreicheIntegration in den lokalen <strong>Arbeit</strong>smarkt.


126 FazitEine Entlastung der Lohnnebenkosten für <strong>Jugend</strong>lich ist derzeitnicht notwendigEs besteht derzeit k<strong>ein</strong>e Notwendigkeit, die Einstellung von <strong>Jugend</strong>lichenbis 29 Jahren zusätzlich finanziell bzw. durch Reduzierungder Lohnnebenkosten zu fördern. Die Lohnkosten junger Mitarbeiter/innenseien bereits heute niedrig: zum <strong>ein</strong>en werden sie inder Regel mit dem Mindestlohn <strong>ein</strong>gestuft, zum anderen arbeitet<strong>ein</strong> wachsender Teil befristet (Projektverträge, Leiharbeit, Lehrverhältnisseusw.).Lohnzuschüsse sollen nicht ans Alter geknüpft werdenDie Verteilung der Löhne zwischen den Generationen ist zu überdenken.Sowohl die nach Alter unterschiedlichen Einstufungen imGr<strong>und</strong>lohn als auch Dienstalterszulagen sind zu überdenken. AlsErgebnis sollte auf jeden Fall <strong>ein</strong>e Umverteilung von Lohnelementenvon älteren auf jüngere <strong>Arbeit</strong>nehmer/innen erfolgen.Wenn die <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik in Südtirol auch bisher – angesichtsgeringer <strong>Jugend</strong>arbeitslosenraten – gar nicht speziell auf <strong>Jugend</strong>liche<strong>ein</strong>gehen musste, so lohnt doch <strong>ein</strong> Blick in die Nachbarregionen,die hier in den letzten Jahren verstärkt tätig geworden sind.Die Maßnahmen setzen dabei an unterschiedlicher Stelle an. ImFolgenden sollen nur 10 der in drei Nachbarregionen umgesetztenMaßnahmen noch <strong>ein</strong>mal genannt werden, die es Wert sch<strong>ein</strong>en,<strong>ein</strong>er näheren Betrachtung unterzogen zu werden, weil sie Überschneidungenmit den von den Akteuren genannten Themenfeldern<strong>und</strong> Maßnahmenempfehlungen enthalten.Die LehrstellenförderungDie bisher relativ geringe <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit im B<strong>und</strong>eslandTirol ist wesentlich durch <strong>ein</strong>en funktionierenden Lehrstellenmarktbedingt. Zu diesem Zweck werden jene Betriebe, die Lehrlinge <strong>ein</strong>stellen,von der Wirtschaftskammer bezuschusst. Allerdings wirdstark darauf hingearbeitet, mit diesen Zuschüssen besonders zukunftsträchtigeLehrstellen zu fördern <strong>und</strong> von <strong>ein</strong>er <strong>und</strong>ifferenziertenBezuschussung abzugehen.Der Ausbildungsverb<strong>und</strong> <strong>und</strong> die „Produktionsschulen“ als <strong>ein</strong>eneue Form überbetrieblicher LehreIn Tirol <strong>und</strong> anderen B<strong>und</strong>esländern sind sogenannte „Produktionsschulen“als überbetriebliche Lehrstätten für <strong>Jugend</strong>liche inbesonderen Problemlagen (Schulabbrecher, sozial deviante <strong>Jugend</strong>licheusw.) sowie für <strong>Jugend</strong>liche, die k<strong>ein</strong>e Lehrstelle aufdem freien Markt finden, <strong>ein</strong>gerichtet worden. Die entsprechendenLehrabschlüsse werden als reguläre Berufsqualifikation anerkannt.Auch hier wird <strong>ein</strong>e Steuerung angepeilt: anstatt <strong>und</strong>ifferenziert


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 127Lehrstellen zu fördern, werden verstärkt Lehrberufe gefördert, dieals zukunftsträchtig erachtet werden <strong>und</strong> für die in Zukunft <strong>ein</strong>Fachkräftemangel erwartet wird.Mehr langfristige Schulungen, weniger gem<strong>ein</strong>nützige ProjekteMit längerfristigen Schulungen <strong>und</strong> Lehrgängen konnte in Tirol dieSchulungsquote der <strong>Arbeit</strong>ssuchenden wesentlich erhöht werden.Die Teilnahme an solchen Kursen ist <strong>ein</strong> Recht aller <strong>Arbeit</strong>ssuchenden,unabhängig von Berufs- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>serfahrungen. Fastdie Hälfte der für die Integration von <strong>Jugend</strong>lichen 2004-08 in Tirolaufgewandten Mittel sind in solche Schulungsmaßnahmen geflossen.Es wird <strong>ein</strong>e hohe Erfolgsrate bei der Integration in den <strong>Arbeit</strong>smarktverzeichnet.Innovative Formen der Berufsorientierung („Città dei mestieri“,Börse der Berufe)2013 soll in Trient virtuell <strong>und</strong> physisch die „Città dei mestieri“ entstehen,<strong>ein</strong>e Art permanente Stätte der Bildungs- <strong>und</strong> Berufsberatung.Sie soll <strong>Jugend</strong>lichen die gesamte Bandbreite der Berufe,Ausbildungsformen, der Spezialisierungs- <strong>und</strong> Weiterbildungsangeboteaufzeigen. Ergänzt wird dies durch die „Berufsbörse“, vermutlich<strong>ein</strong>es online-Lehrstellenmarktes.Verstärkung der Berufspraktika während der OberschulzeitIm Trentino werden mehr Berufspraktika während der Oberschuleangestrebt, auch in den allgem<strong>ein</strong>bildenden Oberschulen in Formvon „tirocini di qualità“: also k<strong>ein</strong>e beliebigen Sommerjobs, sondernausbildungsbezogene Berufserfahrungen, auch als Hilfe zurBerufswahl nach der Matura. Eine Datenbank für alle von den Unternehmendes Trentino gebotenen Praktika, die Formulierung vonQualitätsstandards für diese Praktika <strong>und</strong> die Ausschüttung vonStipendien <strong>und</strong> Darlehen zum Besuch dieser Praktika auch außerhalbder Provinz sollen erfolgen.Aufwertung der Selbstständigkeit, Startkapital für die UnternehmensgründungIn der Region Veneto soll der Schritt zur Selbstständigkeit durchInformations- <strong>und</strong> Beratungsdienste, Ausbildung <strong>und</strong> Begleitung,Verlustbeiträge <strong>und</strong> Gründerdarlehen gefördert werden. SpeziellStudenten/innen <strong>und</strong> junge Forscher sollen Beiträge für die Entwicklungneuer Unternehmensideen erhalten.Förderung der berufsspezialisierenden Lehre <strong>und</strong> der höherenLehreSowohl im Trentino als im Veneto kann die berufsspezialisierendeLehre von Berufsschulabsolventen <strong>und</strong> von Maturanten in Anspruchgenommen werden. Vorgesehen ist die Verfahrensver<strong>ein</strong>fachungsowie Anreize an Betriebe zur Aufnahme solcher Lehrlin-


128 Fazitge in überbetriebliche, ergänzende Bildungsmaßnahmen. Vor allemMaturanten kann dadurch der Eintritt in den <strong>Arbeit</strong>smarkt erleichtertwerden.Unterstützung der Unternehmen zwecks Stabilisierung der <strong>Arbeit</strong>sverhältnisseIm Trentino sollen für jeweils zwei Jahre an Unternehmen Beiträgeausgezahlt werden, wenn diese befristete bzw. atypische <strong>Arbeit</strong>sverhältniss<strong>ein</strong> unbefristete oder langfristige <strong>Arbeit</strong>sverträge umwandeln.In den Genuss der Förderung soll das „Geschlecht mitgrößeren Problem auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt“ (also meist Frauen) sowiejunge Eltern kommen.Förderung junger Frauen <strong>ein</strong>schließlich besserer Streuung beiAusbildungs- <strong>und</strong> BerufswahlJunge Frauen sollen im Trentino sowohl arbeitsplatzspezifischausgebildet werden als auch auf individuellen Bedarf zugeschnittene<strong>Arbeit</strong>szeitreduzierung erhalten können. Dafür werden Beiträgean die <strong>Arbeit</strong>geber ausgeschüttet, wenn Frauen in solchen Projektenmit unbefristeten Verträgen oder Verträgen mit langer Dauer<strong>ein</strong>gestellt werden.Systematische <strong>und</strong> periodische Studien zum <strong>Arbeit</strong>smarktverbleibder AusbildungsabsolventenDie von der Provinz Trient entwickelten <strong>und</strong> von der Region Venetienübernommenen periodischen Untersuchungen der jeweiligenJahrgänge der Berufsschulabsolventen, Maturanten <strong>und</strong> Hochschulabsolventen(gesamter Jahrgang als Gr<strong>und</strong>gesamtheit, hoheRücklaufquote) erlaubt wesentliche <strong>und</strong> detaillierte Rückschlüsseauf die Entsprechung des Bildungssystems <strong>und</strong> der Bildungspräferenzender <strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> der Nachfrage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt,<strong>ein</strong>schließlich <strong>ein</strong>er Bewertung der Qualität der Ausbildung durchdie befragten <strong>Jugend</strong>lichen.


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 12911 LiteraturAutonome Provinz Bozen, Abt. <strong>Arbeit</strong>, <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 8/2010 "Lehrlinge"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr.9/2009 "Sch<strong>ein</strong>selbstständigkeit: <strong>ein</strong>eSchätzung"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 5/2011 "Maturanten"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 12/2011 "Schwierigkeiten der <strong>Jugend</strong>lichenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 1/2012 "Berufserfahrung <strong>und</strong> Beschäftigungsbedingungenjunger <strong>Arbeit</strong>nehmer"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 2/2012 "Sommerpraktika"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 4/2012 "Die Berufswahl der Berufsfachschüler"<strong>Arbeit</strong>smarkt-News Nr. 5/2012 "Vollzeitkurse"Autonome Provinz Bozen, Abt. <strong>Arbeit</strong>, <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle(2012). <strong>Arbeit</strong>smarktbericht für die Jahre 2008, 2010, 2012;sowie Schaubilder <strong>Arbeit</strong>smarkt 2012, auf: http://www.provinz.bz.it/arbeit(20.9.2012)Autonome Provinz Bozen, Abt. <strong>Arbeit</strong> (Oktober 2008). Mehrjahresprogrammfür die Beschäftigungspolitik 2007-2013, BozenAutonome Provinz Bozen, Deutsche <strong>und</strong> lad. Berufsbildung, Koordinationsstellefür berufliche Weiterbildung (ohne Datum), Lernenin Kl<strong>ein</strong>stbetrieben, BozenAutonome Provinz Bozen, Präsidium der Landesregierung - Amtfür EG-Förderungsmaßnahmen (2003). Die kurzfristige Qualifikationsnachfrag<strong>ein</strong> Südtirol, BozenISTAT (2012). Lavoro e disoccupazione giovanile 2012, auf: www.istat.it/it/lavoro(25.9.2012); sowie: ISTAT (2012), Rapporto Annuale2012 - La situazione del Paese, Rom: www.istat.it/it/lavoro(25.9.2012)STEP/Sinodè (2011). Die Wirksamkeit der Bildungsmaßnahmenfür junge Ausländer in der Autonomen Provinz Bozen, VicenzaUnioncamere (2010). Sistema Informativo Excelsior, Prov. di Bolzano,Sintesi dei principali risultati.Barbara Stauber/Andreas Walther (1995). Nur Flausen im Kopf?Berufs- <strong>und</strong> Lebensentscheidungen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen alsFrage regionaler Optionen, Bielefeld: Kritische Texte Materialien


130 LiteraturErich Raab (1996). <strong>Jugend</strong> sucht <strong>Arbeit</strong> - Eine Längsschnittuntersuchungzum Berufs<strong>ein</strong>stieg <strong>Jugend</strong>licher, München: Verlag Deutsches<strong>Jugend</strong>institutHermann Atz/Brigitte Schnock (2008). Soziale Herkunft <strong>und</strong> Bildungsweg- Wieviel Chancengleichheit besteht im BildungssystemSüdtirols?, Innsbruck: StudienverlagMatthias Beggiato (2004). Berufswahl <strong>und</strong> Berufsverlauf SüdtirolerLehrabsolventInnen, Fakultät für Psychologie, Universität WienASTAT (2010a). <strong>Jugend</strong>studie 2009 - Werthaltungen, Lebensformen<strong>und</strong> Lebensentwürfe der Südtiroler <strong>Jugend</strong>, Schriftenreihe161, BozenASTAT (2010b). Ausländische Schulbevölkerung in Südtirol1995/96-2009/2010, Schriftenreihe 165, BozenASTAT (2012). Bildung in Zahlen 2011/2012, BozenASTAT (2012b), Demographisches Handbuch für Südtirol 2011,BozenASTAT (2006). Gender-Bericht - Frauen <strong>und</strong> Männer in Südtirol -Lebenswelten im Vergleich, 2006, BozenASTAT (2008). Gender in Zahlen 2007, BozenASTAT (2009a). Bildungsindikatoren in Südtirol 1991/92-2006/07,BozenASTAT (2009b). Zukunftsperspektiven der Jungakademiker in Südtirol- 2008, Schriftenreihe 151, BozenASTAT (2011), Ausländische Schulbevölkerung in Südtirol 1995-2010, BozenASTAT (2013), Indikatoren Europa 2020, auf:www.provinz.bz.it/ASTAT, letzter Zugriff 20.1.2013)<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (Juni 2002). Nr. 19, Die berufliche Weiterbildung in Südtirol,Bozen<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (2008). LAPSUS - Prekäre <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse in Südtirol,Bozen<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (2003). MONITOR (Luigi Frey/Giuseppe Croce/Santini), <strong>Arbeit</strong>smärkte<strong>und</strong> Ausbildungsstrategien in Südtirol, Bozen<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (2006), Andrea Zeppa/Silvia Vogliotti, I fattori della distribuzionedei redditi in Alto Adige, Bozen<strong>AFI</strong>-<strong>IPL</strong> (2012) (Alena Wotka), newsletter 36, Südtirol 2050: DemografischerWandel <strong>und</strong> Auswirkungen auf die <strong>Arbeit</strong>swelt, Bozen(29.6.2012)


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 131Rütz, H. (2003), Berufsbildung, Berufsausbildung, Weiterbildung -Ein Überblick, BIBB, Bonn; auf: www.bibb.de/dokumente/pdf/folienband_puetz-deutsch.pdf(4.9.2012)WIFO (2010). Unternehmen <strong>und</strong> Schule - Anregungen zur SüdtirolerBildungslandschaft, BozenWIFO (2009). Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>liche - Was erwarten sich <strong>Jugend</strong>lich<strong>ein</strong> Südtirol?, BozenAbt. Deutsche <strong>und</strong> ladinische Berufsbildung (ohne Datum) (Klicera/Klipcera/Beggiato).BELIS - Berufswechsel von LehrabsolventInnenin Südtirol, auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung/publ/publikationen_d.asp(15.9.2012)Abt. Deutsche <strong>und</strong> ladinische Berufsbildung (Walter Paris) (2002).Mehrjahresprogramm der Berufsbildung 2002-2006; auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung(10.9.2012)Abt. Deutsche <strong>und</strong> lad. Berufsbildung (2011). Die Berufsbildung inZahlen, Nr.7/2011, auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung(23.9.2012)Amt für Lehrlingswesen <strong>und</strong> Meisterausbildung (2004), Die Zukunftder Lehre, auf: http://www.provinz.bz.it/handwerk/3502/zukunft_d.htm(29.9.2012)Abt. Italienische Berufsbildung (2007). SYSTEMINTEGRATION -Ausbildung in der Schule verbessern, durchlässiger gestalten <strong>und</strong>an das Gewerbe vor Ort anbinden, BozenAPOLLIS (Hermann Atz/Brigitte Schnock) (2002). ASSIST - ProblematischeBildungsverläufe an Südtirols Mittel-, Ober- <strong>und</strong> Berufsschulen,BozenAPOLLIS (2008a). Ansehen <strong>und</strong> Wert des Handwerks, Studie imAuftrag des LVH, BozenAPOLLIS (2008b). Schwierigkeiten in der dualen Lehrausbildung,Vorstudie, BozenAPOLLIS (2005). Maturantenbefragung (im Auftrag der FUB), BozenSchulz/Damelang/Stumpf (2012, IAB), Die berufliche Strukturierungder frühen Erwerbsphase, IAB-Forschungsbericht Nr.12/2012,NürnbergThomas Rothe/Stefanie Tinter (2007). <strong>Jugend</strong>liche auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt,IAB-Forschungsbericht Nr.4/2007, B<strong>und</strong>esagentur für<strong>Arbeit</strong>, NürnbergIPRASE (a cura di Arianna Bazzanella) (2012). Giovani in Trentino2011, Quarto rapporto biennale, Trento


132 LiteraturProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2008a), Osservatoriodel mercato del lavoro - Esiti occupazionali dei qualificatiin prov. di Trento, 2008/2009 e 2007/2008, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2007b). Osservatoriodel mercato del lavoro, Diplomati delle superiori, Scelte distudio e di lavoro della leva 2005/2006, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2008b). Osservatoriodel mercato del lavoro, Le collaborazioni in provincia diTrento, Nr.2/2008, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2012a). XXVIIRapporto sull'occupazione in provincia di Trento - 2012, Milano:Franco AngeliProvincia autonoma di Trento - Agenzia del lavoro (2009), Interventidi politica del lavoro per il triennio 2008-2010, TrentoProv. autonoma di Trento (2011). Documento degli interventi dipolitica del lavoro 2011-2013, II parte, Interventi, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del lavoro (Cabina di regiaper i giovani) (2012b). Programma degli interventi per affrontare lacrisi occupazionale dei giovani, TrentoVeneto Lavoro/Regione del Veneto (2012). Un lento dimagrimento- Le ricadute della crisi sul sistema occupazionale, Rapporto 2012,Milano: Franco AngeliVeneto Lavoro, La Bussola (2012b), Il mercato del lavoro nel 3° trimestre2012, dicembre 2012Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung/Tiroler <strong>Arbeit</strong>smarktförderungsgesellschaft(Oktober 2006). <strong>Arbeit</strong>smarktpolitikTirol 2010, InnsbruckInstitut für Höhere Studien Wien IHS-EQUI (September 2010). Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen <strong>und</strong> Förderungenfür <strong>Jugend</strong>liche in Tirol, Wien<strong>Arbeit</strong>smarktservice Österreich (Heckl/Dorr/Dörflinger/-Enichlmair) (2011). <strong>Arbeit</strong>smarktintegration jugendlicher Problemgruppen,AMS-Report 79, Wien<strong>Arbeit</strong>smarktservice Österreich (AMS), <strong>Arbeit</strong>smarktlage 2011 Tirol,auf: www.ams-forschungsnetzwerk.at/ (13.12.2012)Zukunftszentrum Tirol (Mai 2011). Professionelle Übergangsarbeitim Anforderungsdilemma? Perspektiven Tiroler Expert/innen aufden Übergang von der Pflichtschule in den <strong>Arbeit</strong>smarkt, Innsbruck


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 133Christine Preiß (1996). Theoretische Vorüberlegung zum Übergangvon der Schule in den Beruf, in: Erich Raab (Hg.), <strong>Jugend</strong> sucht <strong>Arbeit</strong>,München: Verlag Dt. <strong>Jugend</strong>institut, MünchenH<strong>ein</strong>z, Walter R. (2011), <strong>Jugend</strong> im gesellschaftlichen Wandel: sozialeUngleichheiten von Lebenslagen <strong>und</strong> Lebensperspektiven, in:Krekel, Elisabeth M. [Hrsg.]; Lex, Tilly [Hrsg.]: Neue <strong>Jugend</strong>, neueAusbildung? Beiträge aus der <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> Bildungsforschung. Bielefeld: Bertelsmann 2011, S. 15-30. - (Berichte zur beruflichen Bildung)Hurrelmann, Klaus; Albert, Mathias: <strong>Jugend</strong> 2006; 15. Shell <strong>Jugend</strong>studie.Frankfurt a. M. 2006ISFOL (nov. 2012). Le dinamiche della dispersione formativa:dall’analisi dei percorsi di rischio alla riattivazione delle reti di supporto,Collana Isfol Occasional Paper n.5EUROFOUND, Jo Hawley/Anne-Mari Hall/Tina Weber (2012). Effectivenessof policy measures to increase the employment participationof young people, Dublin.


134 Anhänge12 Anhänge12.1 Auswahl der ExpertengruppenIn <strong>ein</strong>em internen Workshop hat man sich, nach <strong>ein</strong>er ersten Sichtung<strong>relevante</strong>r Literatur, der Aufgabe genähert, die Akteure in diesemBereich zu benennen, unter denen die in der Folge die Interviewpartner/innenrekrutiert werden sollen. Als Hilfsmittel dazuwurde versucht, sowohl auf der Angebots- als auf der Nachfrageseitedes <strong>Arbeit</strong>smarktes Untergruppen auszumachen, von denenman annehmen kann, dass sie unterschiedliche Problemlagen, Bedürfnissenetc. aufweisen.Aus der Benennung unterschiedlicher Gruppen auf der Nachfrage<strong>und</strong>Angebotsseite sowie aus der Benennung interessant ersch<strong>ein</strong>enderThemen ergeben sich folgenden sechs Gruppen, denendie im Rahmen dieser Studie zu befragenden Experten/innen vorzugsweiseangehören sollen.A. Schule <strong>und</strong> BerufsschuleLehrperson Berufsschule in dt. SpracheLehrperson Berufsschule in it. SpracheLehrperson Oberschule in dt. Sprache BozenLehrperson Oberschule in dt. Sprache (Beauftrage für Berufsorientierung)Lehrperson Oberschule in lad. Sprache (Beauftrage für Berufsorientierung)Direktor der ital. BerufsausbildungSchulispektorin dt. OberschuleB. <strong>Arbeit</strong>svermittler<strong>Arbeit</strong>svermittler ital (Bozen)<strong>Arbeit</strong>svermittler deutsch (Meran oder Neumarkt)Direktor <strong>Arbeit</strong>smarktservice des LandesDirektor der Abteilung <strong>Arbeit</strong>Leiter/in der Agentur für Leiharbeit/private <strong>Arbeit</strong>svermittlungsagentur(Bozen)Leiter Personalvermittlungsbüro oberes Qualifikationssegment(z.B. look4you, staff&line, personal)C. BerufsberaterBerufsberater/in ital.Berufsberater/in deutschC. <strong>Jugend</strong>arbeiter <strong>und</strong> Selbstvertretung von <strong>Jugend</strong>lichen


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 135Leiter des Amts für <strong>Jugend</strong>arbeitLeiter <strong>ein</strong>es <strong>Jugend</strong>zentrumsSH/ASUSVorsitzender des <strong>Jugend</strong>ringsD. Unternehmer <strong>und</strong> VerbandsvertreterUnternehmerverband (Assoindustriali)LVH-APA oder SHV-CNAHGVHdS-Unione <strong>und</strong>/oder CONFESERCENTILega Coop/B<strong>und</strong> der GenossenschaftenE. ForschungFakultät für BildungswissenschaftenBildungsplaner der Abt. Berufsbildung in dt. SpracheWIFO/IREASTAT<strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelleF. Vertreter der Gewerkschaften <strong>und</strong> SozialverbändeASGBAGB/CGILSGB/CISLUIL/SGKKVWDie Auswahl der Gesprächspartner erfolgt durch <strong>ein</strong>en Kontakt mitder Leitung der Einrichtung, die dann den Gesprächspartner/diePartnerin benennen wird. Durch <strong>ein</strong>e Kurzbeschreibung der Themender Befragung sollte es dadurch gelingen, innerhalb der Institutioneninteressante Partner/innen zu finden.12.2 Themen, Fragestellungen, Leitfäden12.2.1 Generelle FragestellungenDie erste Sichtung spezifischer Literatur sowie der interne Workshophat <strong>ein</strong>e Reihe forschungsleitender Fragen bzw. Themen ergeben,die folgendermaßen zusammengefasst werden können:Die Entwicklung des Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> die speziellenProbleme <strong>Jugend</strong>licher auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt (z.B. prekäre<strong>Arbeit</strong>sverträge, <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit, zu wenig Unterstützungdurch die <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik)


136 Generelle FragestellungenDie Phase der Berufswahlentscheidung als Zeit der Orientierungfür die berufliche Zukunft <strong>und</strong> der weitreichenden Entscheidungfür weitere Ausbildung <strong>und</strong> Berufstätigkeit (die Rolle der Berufsberatung,die Kenntnis der <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> der eigenen Neigungenusw.)Die wesentlichen Stärken des Übergangssystems in Südtirol:was hat sich in Südtirol besonders bewährt?Welche Schwächen weist das Übergangssystem auf <strong>und</strong> wo giltes prioritär für Verbesserungen anzusetzen?Welche Rolle spielt das Berufsschulwesen <strong>und</strong> die berufliche Bildung?Die Passung des Bildungssystems an die Entwicklung des <strong>Arbeit</strong>smarktes.Bildungsplanung <strong>und</strong> Bildungspolitik: wo sindDiskrepanzen zur Nachfrage nach <strong>Arbeit</strong> nach Qualifikationenfeststellbar oder absehbar?Die Erwartungen <strong>und</strong> Einstellungen der <strong>Jugend</strong>lichen selbst,psychologische Probleme von <strong>Jugend</strong>lichen in der Übergangsphase(z.B. die Rolle der Eltern, der Lehrpersonen, der peergroupbei der Berufsfindung)Die Erwartungen der Unternehmer an die <strong>Jugend</strong>lichen <strong>und</strong> dieBerufsschule bzw. Schule, Entwicklung des Lehrstellenangebots,Mangelberufe <strong>und</strong> nachgefragte QualitätenSpezielle Fragen zum Segment der Hochqualifizierten (Abwanderungder Akademiker, brain drain usw.)Welche Gruppen von <strong>Jugend</strong>lichen sind aufgr<strong>und</strong> welcher Faktorenin der Übergangsphase heute benachteiligt?Die Interviews selbst sollen zweigeteilt s<strong>ein</strong>. Im ersten Teil des Interviewswerden Querschnittsfragen vorgelegt, die allen Gruppengestellt werden <strong>und</strong> allg. Phänomene eruieren sollen, wie etwa:<strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>: befürchten Sie <strong>ein</strong>e Zunahme der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeitauch in Südtirol <strong>und</strong> welche Folgen kanndas haben?Welche Erwartungen <strong>und</strong> Haltungen sind auf Seiten der <strong>Arbeit</strong>gebergegenüber den neu <strong>ein</strong>steigenden <strong>Jugend</strong>lichen zu beobachten?Welche sind die Hauptstärken des heutigen Bildungssystems inSüdtirol, woran gilt es festzuhalten?Wo gibt es kritische Bereiche, die den Berufs<strong>ein</strong>stieg der <strong>Jugend</strong>lichenbe<strong>ein</strong>flussen <strong>und</strong> die Handlungsbedarf aufwerfen?Sollten das System Schule <strong>und</strong> Berufsschule <strong>und</strong> das Erwerbssystemnoch enger auf<strong>ein</strong>ander abgestimmt werden? Wie kanndas erreicht werden?


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 137Welche sind die Berufsfelder bzw. berufliche Kompetenzen derZukunft, die sich heute bereits abzeichnen?12.2.2 Spezifische Fragestellungen nachExpertengruppeIm zweiten Teil des Interviews werden spezifisch auf die jeweiligeGruppe bezogene Fragen (in Einzelfällen auch mit Fragen an Untergruppen)vorgelegt, die die spezifische Kompetenz der Interviewpartner/innennutzen sollen.12.2.2.1 Schule <strong>und</strong> BerufsschuleHier stehen die neuesten Entwicklungen in der Oberstufe <strong>und</strong> Berufsschuleim Zentrum sowie die Abstimmung zwischen Bildungssystem<strong>und</strong> Erwerbssystem. Man sollte zu <strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>en Einschätzungder Schüler/innen <strong>und</strong> Lehrlinge durch Lehrpersonengelangen: welche Haltungen <strong>und</strong> Eigenschaften bezüglich der Berufswahl<strong>und</strong> allgem<strong>ein</strong> haben sich in den letzten 10-20 Jahren wesentlichverändert? Welche Orientierungsprobleme <strong>und</strong> Schwierigkeitenhaben <strong>Jugend</strong>liche heute bezüglich der zukünftigen <strong>Arbeit</strong>?Es soll auch auf die zentralen Stärken des Übergangssystems inSüdtirol <strong>ein</strong>gegangen werden, die es zu pflegen <strong>und</strong> weiter auszubauengilt. Ist die Unterstützung für die <strong>Jugend</strong>liche in der Phaseder Berufswahl ausreichend? Was hingegen ist verbesserbar? DieSchulpsychologin kann <strong>ein</strong>e Reihe spezieller Fragen hinsichtlichder psychischen Befindlichkeit der Schüler/innen in der Phase z.B.vor <strong>und</strong> nach der Matura oder bei der Wahl des Lehrberufs beleuchten.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Hat sich durch die Oberschulreform das Übergangssystem vonder Schule in den Beruf bzw. das Erwerbsleben (nach derPflichtschule) in Südtirol verändert? Hat sich das Bildungsangebotverbessert <strong>und</strong> in welcher Hinsicht?Wo liegen die Stärken des Südtiroler Berufsbildungssystemsinsgesamt? Was hat sich im Bereich des dualen Systems bewährt?Was hat sich bei den Vollzeitkursen der Berufsbildung bewährt<strong>und</strong> worauf führen Sie die relativ starke Zunahme der VZ-Kurs-Teilnehmer/innen in den letzten 10 Jahren zurück ?Was ist am Südtiroler Berufsbildungssystem dagegen reformbedürftig?Bei der Berufswahl ist seit <strong>ein</strong>iger Zeit <strong>ein</strong> Trend zu geringeremInteresse an <strong>ein</strong>er dualen Lehrberufsausbildung zu beobachten,


138 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppewährend der Oberschulbesuch im Kurs steigt. Wie könnte mandiese Entwicklung erklären?Der Anteil der Maturant/innen an den jeweiligen Jahrgängensteigt an ebenso wie die Übertrittsquote an die Hochschulen.Sehen Sie darin <strong>ein</strong> Problem für die Beschäftigungsaussichtenoder ist dies <strong>ein</strong>e durchaus wünschenswerte Entwicklung? Undwarum?Welche sind die wichtigsten Schwierigkeiten der <strong>Jugend</strong>liche inder Schule heute: mehr Disziplinprobleme, mangelnde Konzentration,wenig Motivation?Wie hat sich die Werteskala der <strong>Jugend</strong>lichen verändert? WelcheBedeutung wird der Berufstätigkeit generell zugemessen?Welche Schwierigkeiten hingegen haben <strong>Jugend</strong>liche heute beiBerufswahl <strong>und</strong> Berufsorientierung?Wie bedeutsam ist das Thema <strong>Arbeit</strong> für die Altersgruppe 15-20wirklich, bzw. wie stark befassen sich <strong>Jugend</strong>liche während derAusbildung mit der späteren Berufstätigkeit?<strong>Jugend</strong>liche haben heute immer mehr Freiraum bei der Lebensplanung<strong>und</strong> <strong>ein</strong>e größere Auswahl bei Beruf <strong>und</strong> Ausbildung.Nutzen sie diesen Freiraum <strong>und</strong> diese breite Wahlmöglichkeitoder macht sich Orientierungslosigkeit breit?Von wem erfahren die <strong>Jugend</strong>lichen bei der Berufswahl Unterstützung<strong>und</strong> in welcherHinsicht? (Eltern, ältere Geschwister,peer-group, Berufsberatung, Lehrpersonen usw.)Reicht die Unterstützung der <strong>Jugend</strong>lichen durch die öffentlicheInstitutionen bei derBerufswahl <strong>und</strong> Ausbildungswahl aus? Welchezusätzliche Unterstützung würden die <strong>Jugend</strong>lichen in dieserPhase benötigen?Inwiefern berücksichtigen die <strong>Jugend</strong>lichen bei der Wahl ihrerweiteren Ausbildung <strong>und</strong> Berufswahl die Perspektiven auf dem<strong>Arbeit</strong>smarkt? Sollten sie dies überhaupt berücksichtigen?12.2.2.2 <strong>Arbeit</strong>svermittlerWie gestaltet sich der Eintritt der <strong>Jugend</strong>lichen in den <strong>Arbeit</strong>smarkt?Haben <strong>Jugend</strong>liche mehr Probleme, <strong>ein</strong>en stabilen, passenden<strong>Arbeit</strong>splatz zu finden? Eingegangen werden sollte auf dieprekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse. Bei den Mitarbeiter/innen der <strong>Arbeit</strong>svermittlungliegt der Schwerpunkt auf den Änderungen inden Rahmenbedingungen des <strong>Arbeit</strong>smarktes sowie auf den Erwartungen,Ansprüchen <strong>und</strong> Verhaltensweisen der <strong>Jugend</strong>lichenan diesen öffentlichen Dienst.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 139Welche Stärken kann die die öffentliche <strong>Arbeit</strong>svermittlung inSüdtirol vorweisen? Was hat sich diesbezüglich in Südtirol bewährt,insbesondere hinsichtlich der Vermittlung von <strong>Jugend</strong>lichen?Welche Schwächen sind im <strong>Arbeit</strong>svermittlungssystem Südtirolszu beobachten?Haben Berufsberater/innen genug Zeit für <strong>ein</strong>zelne Fälle, insbesonderefür problematische Fälle?Aus Ihrer Erfahrung heraus gesprochen: herrscht unter den <strong>Jugend</strong>lichenbezüglich der späteren Berufstätigkeit eher Optimismusoder Pessimismus vor?Welche Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen <strong>Arbeit</strong> sind unter<strong>Jugend</strong>lichen am stärksten verbreitet? Welche Einschätzungenhaben die <strong>Jugend</strong>lichen selbst vom <strong>Arbeit</strong>smarkt (insgesamt<strong>und</strong> im Besonderen für ihre jeweiligen eigenenInteressen)?Welche Strategien setzen die <strong>Jugend</strong>lichen in der aktiven <strong>Arbeit</strong>ssuche<strong>ein</strong> (Instrumente, Ressourcen, Informationskanäle<strong>und</strong> Kontaktaufnahme mit den Unternehmen)?Welche Ressourcen werden von den <strong>Jugend</strong>lichen selbst als diewichtigsten wahrgenommen?Welche Interessen <strong>und</strong> Präferenzen drücken die <strong>Jugend</strong>lichenbei der <strong>Arbeit</strong>ssuche aus? Werden auch <strong>Arbeit</strong>splätze, die wenigbeliebt sind, zur Überbrückung angenommen?Kennen die <strong>Jugend</strong>lichen die Selbstdarstellung der Unternehmen<strong>und</strong> wie bewerten sie diese?<strong>Jugend</strong>liche wünschen sich von Berufsberatern handfeste, praktischeHinweise für Eintrittswege, Berufsberater wollen dieSelbstexploration der <strong>Jugend</strong>lichen fördern. Besteht diese Divergenzin den Erwartungen immer noch?Welche sind die Problemgruppen beim Übergang von der Schul<strong>ein</strong> den Beruf <strong>und</strong> wo gibt es den größten Handlungsbedarf?Welche besonderen Probleme haben <strong>Jugend</strong>liche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt?Fragen für die Untergruppe der Experten des <strong>Arbeit</strong>smarktservice:Welche Schwächen sind im öffentlichen <strong>Arbeit</strong>svermittlungssystembzw. in der <strong>Arbeit</strong>smarktverwaltung Südtirols zu beobachten,die auch <strong>Jugend</strong>liche bei der <strong>Arbeit</strong>ssuche be<strong>ein</strong>trächtigen?Haben die <strong>Arbeit</strong>svermittler/innen genug Zeit für <strong>ein</strong>zelne Fälle,


140 Spezifische Fragestellungen nach Expertengrupp<strong>ein</strong>sbesondere für problematische Fälle? Können sie <strong>Jugend</strong>licheaktiv beraten?Kann oder muss die Berufswahl <strong>und</strong> der Berufs<strong>ein</strong>stieg auch inder Schule besser vorbereitet werden <strong>und</strong> wie wäre das zu bewerkstelligen?Die duale Berufsausbildung hat sich in Südtirol bewährt, dochdie Zahl der Lehrlinge nimmt stetig ab. Kann der Ausgleichdurch Vollzeitkurse erfolgen oder muss man den Stellenwert<strong>und</strong> Attraktivität der Lehrberufe allgem<strong>ein</strong> wieder gezielt verbessern?Welche Maßnahmen könnten/sollen für die Erhöhung derDurchlässigkeit zwischen dem Berufsschulsystem u. der Oberschulebzw. allgem<strong>ein</strong> bildenden Schulen erfolgen?Mismatching auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt, strukturelle Diskrepanz zwischenAngebot <strong>und</strong> Nachfrage: <strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>es Problem odervor allem für die 15-29-Jährigen? Bei welchen Qualifikationen<strong>und</strong> auf welcher Bildungsebene klafft Angebot <strong>und</strong> Nachfragedeutlich aus<strong>ein</strong>ander (Stichwort Mangelberufe)?Welche Probleme wirft die durchschnittliche Höherqualifizierungder <strong>Jugend</strong>lichen auf (Verschiebung im <strong>Arbeit</strong>smarkt hin zuBerufen, die Matura <strong>und</strong> nachfolgende Qualifizierung erfordern)?Ist sie für Südtirols <strong>Arbeit</strong>smarkt unverzichtbar oder riskiert man<strong>ein</strong>e höhere Abwanderung von Hochschulabsolventen, weilnicht alle <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz in Südtirol finden können? (zu wenigGroßbetriebe, weniger Stellen öff. Dienst, zu geringe F&E)Welche rechtliche Regelungen bei den <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen,aber auch ökonomischen Bedingungen etwa bei Löhnen <strong>und</strong>Sozialversicherung, sind neu zu überdenken, um <strong>Jugend</strong>lichenden Einstieg ins Erwerbsleben zu erleichtern?Das Jahr des Eintritts ins Berufsleben rutscht allgem<strong>ein</strong> in <strong>ein</strong>durchschnittlich höheres Alter. Geburtenstarke Jahre gehennach <strong>und</strong> nach in Rente, jetzt kommen geburtenärmere Jahrgänge.Welche Auswirkungen wird dies auf den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkthaben?Nehmen <strong>Jugend</strong>liche heute aufgr<strong>und</strong> des knapper werdenderStellenangebots zunehmend auch <strong>Arbeit</strong>splätze unter ihrer formalenQualifikation sowie als prekäres <strong>Arbeit</strong>sverhältnis (Projektarbeit,Leiharbeit, <strong>Arbeit</strong> auf Abruf, andere Formen befristeter<strong>Arbeit</strong>sverhältnisse?Welchen Handlungsbedarf gibt es derzeit bei der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit?Welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen wärengefragt?


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 141Welche Gruppen von <strong>Jugend</strong>lichen sind auf dem Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarktheute schwer vermittelbar? Steht zu befürchten, dass<strong>Jugend</strong>liche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>ein</strong>en besonderen Handlungsbedarfin Südtirol aufwerfen, wie das auch in Nachbarregionenim Norden der Fall war <strong>und</strong> noch ist?<strong>Arbeit</strong>smarktpolitik: das Mehrjahresprogramm für die AM-Politik2007-2013 bringt k<strong>ein</strong>e besonderen Maßnahmen für <strong>Jugend</strong>liche.Wird sich dies mit der nächsten Programmperiode ändern<strong>und</strong> an welche Maßnahmen wird dabei gedacht?Sind Ihnen wiss. Studien bekannt, die auf Interessen, Neigungen<strong>und</strong> Befindlichkeit der <strong>Jugend</strong>lichen in dieser Phase in Südtirol<strong>ein</strong>gehen? Welcher zusätzliche Forschungsbedarf ist hier gegeben?12.2.2.3 BerufsberaterWelche Entwicklungen gibt es bei der <strong>Arbeit</strong>ssuche? Tun sich die<strong>Jugend</strong>lichen heute schwerer als früher <strong>und</strong> warum? Mit den Berufsberater/innenkann über die Erwartungen an die Berufsberatung<strong>und</strong> über Wirkung <strong>und</strong> Stellenwert der Beratung gesprochenwerden. Welche Diskrepanzen im Rollenverständnis bestehen hierzwischen Anbietern <strong>und</strong> Nutzern?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Bei der Berufswahl ist seit <strong>ein</strong>iger Zeit <strong>ein</strong> geringeres Interessean <strong>ein</strong>er dualen Lehrberufsausbildung zu beobachten, währendder Oberschulbesuch im Kurs steigt. Wie könnte man diese Entwicklungerklären?Was hat sich bei den Vollzeitkursen der Berufsbildung bewährt<strong>und</strong> worauf führen Sie die relativ starke Zunahme der VZ-Kurs-Teilnehmer/innen in den letzten 10 Jahren zurück ?Der Anteil der Maturant/innen an den jeweiligen Jahrgängensteigt an ebenso wie die Übertrittsquote an die Hochschulen.Sehen Sie darin <strong>ein</strong> Problem für die Beschäftigungsaussichtender <strong>Jugend</strong>lichen (Aufnahmefähigkeit des lokalen <strong>Arbeit</strong>smarktes)oder ist dies <strong>ein</strong>e durchaus wünschenswerte Entwicklung?Welche sind die wichtigsten Schwierigkeiten der <strong>Jugend</strong>liche inder Schule heute: mehr Disziplinprobleme, mangelnde Konzentration,weniger Motivation, anderes?Welche Hauptschwierigkeiten hingegen haben <strong>Jugend</strong>liche heutebei der Berufswahl <strong>und</strong> Berufsorientierung?Welche Anliegen <strong>und</strong> Motive sind bei der Berufswahl ausschlaggebend?Soll der Beruf möglichst stark den eigenen Neigungen


142 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppeentsprechen oder wird auch immer mehr auf Beschäftigungsperspektiven<strong>und</strong> Einkommenschancen geachtet?Inwiefern hat sich die Werteskala der <strong>Jugend</strong>lichen geändert<strong>und</strong> welchen Stellenwert nimmt die <strong>Arbeit</strong> in der Phase der Berufsorientierung<strong>ein</strong>? Ist die Berufstätigkeit für die Selbstverwirklichung<strong>und</strong> Identitätsausbildung immer noch <strong>ein</strong>e entscheidendwichtige Dimension?Wie stark befassen sich <strong>Jugend</strong>liche während der Ausbildungmit der späteren Berufstätigkeit? Wird die Entscheidung vor allembei Oberschülern eher auf <strong>ein</strong>en Zeitpunkt nach der Maturahinausgeschoben?<strong>Jugend</strong>liche haben heute immer mehr Freiraum bei der Lebensplanung<strong>und</strong> <strong>ein</strong>e größere Auswahl bei Beruf <strong>und</strong> Ausbildung.Nutzen sie diesen Freiraum <strong>und</strong> diese breite Wahlmöglichkeitoder macht sich Orientierungslosigkeit breit?Von wem erfahren die <strong>Jugend</strong>lichen bei der Berufswahl amstärksten Unterstützung <strong>und</strong> in welcher Hinsicht? (Eltern, ältereGeschwister, peer-group, Berufsberatung, Lehrpersonen usw.)Reicht die Unterstützung der <strong>Jugend</strong>lichen durch die öffentlicheInstitutionen bei der Berufswahl <strong>und</strong> Ausbildungswahl aus? Welchezusätzliche Unterstützung würden die <strong>Jugend</strong>lichen in dieserPhase benötigen?Welche Stimmung herrscht heute unter <strong>Jugend</strong>lichen bezüglichdes Eintritts in die <strong>Arbeit</strong>swelt vor? Optimismus oder Pessimismus?Angst vor <strong>Arbeit</strong>slosigkeit?12.2.2.4 <strong>Jugend</strong>arbeiter <strong>und</strong> Selbstvertretung von<strong>Jugend</strong>lichenIm Rahmen dieser Studie können die <strong>Jugend</strong>lichen selbst nichtbefragt werden, weshalb aus dem Gespräch mit Fachleuten ausder <strong>Jugend</strong>arbeit Erkenntnisse über die heutige Lebenswelt der<strong>Jugend</strong>lichen gewonnen werden soll. Es gibt in Südtirol verschiedensteEinrichtungen der <strong>Jugend</strong>arbeit, vor allem <strong>Jugend</strong>zentren<strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>dienste, die täglich mit <strong>Jugend</strong>lichen, vor allem in derAltersgruppe 15-20 Jahre arbeiten <strong>und</strong> somit auch über die unter<strong>Jugend</strong>lichen verbreiteten Haltungen <strong>und</strong> M<strong>ein</strong>ungen zur <strong>Arbeit</strong><strong>und</strong> Berufswahl Bescheid wissen.Die Vertreter/innen der <strong>Jugend</strong>verbände <strong>und</strong> der DachorganisationSJR können Auskunft geben über die Organisation <strong>und</strong> Selbstvertretungder <strong>Jugend</strong>lichen, über Befindlichkeit <strong>und</strong> Interessen der<strong>Jugend</strong>lichen in verschiedenen Lebenslagen (z. B. Studierende).Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 143In der <strong>Jugend</strong>studie des ASTAT 2009 ist der Bereich <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong>Beruf gar nicht berücksichtigt worden. Wie bedeutsam ist dasThema <strong>Arbeit</strong> für die Altersgruppe 15-20 wirklich, wie stark befassensich <strong>Jugend</strong>liche mit der späteren Berufstätigkeit?Wie fühlen sich <strong>Jugend</strong>liche im Alter von 15-20 hinsichtlich derBerufswahl <strong>und</strong> der künftigen <strong>Arbeit</strong>? Herrscht Zuversicht odertun sie sich zunehmend schwer mit dieser Entscheidung?Welche Rolle <strong>und</strong> welche Aufgaben haben <strong>Jugend</strong>arbeiter/innenin den öffentlichen Einrichtungen <strong>und</strong> Vertreter/innen von <strong>Jugend</strong>verbändenin diesem Prozess des Übergangs?Welche Rolle spielt die Gruppe der Gleichaltrigen bei der Berufs- <strong>und</strong> Ausbildungswahl?Gibt es genug Unterstützung durch die Eltern, die Berufsberatung,die Verbände <strong>und</strong> Selbstvertretung, um den <strong>Jugend</strong>lichenin dieser Phase zu helfen? Wenn nicht genug, was würden sich<strong>Jugend</strong>liche hinsichtlich der Unterstützung bei der Berufswahlvon Schule, Berufsberatung, Unternehmen <strong>und</strong> anderen wünschen?Was kann die organisierte <strong>Jugend</strong>betreuung außerhalb vonSchule <strong>und</strong> Elternhaus zum besseren Gelingen der Übergangsphasebeitragen?Die Individualisierung der Lebensläufe: jeder ist s<strong>ein</strong> eigenesPlanungsbüro für den beruflichen Einstieg <strong>und</strong> die beruflicheWeiterentwicklung (Ulrich Beck)? Zutreffend?Die sogenannten NEETs nehmen zahlenmäßig zu. Welche Maßnahmensind geeignet, um diesem Phänomen zu begegnen, dasin Österreich 10,2% <strong>und</strong> in Italien 21,1% der <strong>Jugend</strong>lichen betrifft?Welchen Einfluss können die Vertreter der <strong>Jugend</strong>organisationenin der Politik für Verbesserungen in Ausbildungssystem geltendmachen?12.2.2.5 UnternehmerverbandsvertreterAuch hier ist anzumerken, dass <strong>ein</strong> Gespräch mit <strong>ein</strong>er repräsentativenAuswahl von Chefs der Personalbüros von Unternehmenverschiedener Größe <strong>und</strong> verschiedener Sektoren <strong>ein</strong> aufschlussreicheresBild über den Einstieg der <strong>Jugend</strong>lichen in die <strong>Arbeit</strong>sweltgeben könnte. Dies würde jedoch den Rahmen der anstehendenUntersuchung sprengen.Im Gespräch mit Vertretern der Verbände liegt der Schwerpunktauf der Einschätzung der jugendlichen <strong>Arbeit</strong>splatzbewerber <strong>und</strong><strong>Arbeit</strong>nehmer. Was hat sich gegenüber 1980 oder 1990 in der Einstellungzur <strong>Arbeit</strong>, in den Qualifikationen <strong>und</strong> Werthaltungen der


144 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppe<strong>Jugend</strong>lichen verändert? Wird manuelle <strong>Arbeit</strong> geringer geschätzt,strebt man immer mehr hochqualifizierte Ausbildungswege an?Auch quantitative Fragen können eruiert werden, z.B. die Entwicklungbei Lehrstellenangebot, <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit, befristet angestellte<strong>Arbeit</strong>nehmer usw. Welche Tätigkeiten seitens der Unternehmerverbändewären nötig, um den <strong>Jugend</strong>lichen mehr Information<strong>und</strong> Orientierung in der Phase des Berufs<strong>ein</strong>stiegs <strong>und</strong> derBerufswahl zu bieten?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:In welchen Bereichen gibt es zu viele Bewerber? Bei welchenQualifikationen hingegen finden die Unternehmen zu wenig geeigneteJunge Leute? Z.B. laut EXCELSIOR waren 2010 die folgenden10 Berufe in Südtirol am schwersten zu finden:IngenieureBetriebswirte <strong>und</strong> BankfachleuteTechniker <strong>und</strong> IngenieurwissenschaftlerVertriebsfachleuteFachkräfte im Bereich Lagerverwaltung, Logistik, TransportmanagementFachkräfte für die FinanzverwaltungVerkäufer im Fach<strong>ein</strong>zelhandelGes<strong>und</strong>heitsberufeFacharbeiter im Innenausbau von GebäudenFacharbeiter in der LebensmittelverarbeitungFacharbeiter für Bedienung <strong>und</strong> Wartung von MaschinenFacharbeiter für die Verarbeitung von Holz, Leder <strong>und</strong> Textil... stimmt dieses Ergebnis mit Ihrer Erfahrung für Ihren Wirtschaftssektorüber<strong>ein</strong>?Wie entwickelt sich das Angebot an Lehrstellen in Südtirol imAllgem<strong>ein</strong>en <strong>und</strong> bei welchen Bereichen gibt es die größtenProbleme, diese zu besetzen?Wie kann man die Durchlässigkeit zwischen Oberschule <strong>und</strong> Berufsschuleverbessern?Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibtes in Südtirol für die berufsspezialisierende Lehre nach der Maturaauf zweiter Ebene?Hochschulabsolventen <strong>und</strong> Hochqualifizierte: welche Änderungenkönnen Sie in den letzten 10-15 Jahren (also seit Existenzder FUB) bei der Besetzung von hochqualifizierten Stellen beobachten?


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 145Gibt es <strong>ein</strong> "Idealprofil" des jungen Mitarbeiters/in? Welche sinddie zentralen Eigenschaften neben der fachlichen Qualifikation,die die <strong>Jugend</strong>lichen aufweisen sollten? Welche Kompetenzensind heute bei den Unternehmen Trumpf?Die <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtung stellt derzeit <strong>ein</strong> Diskrepanz zwischenvon den Unternehmen nachgefragten <strong>und</strong> den <strong>Jugend</strong>lichengebotenen Qualifikationen fest. Worin liegen die Ursachendafür? (Berücksichtigen sie bei der Berufswahl zu wenig die <strong>Arbeit</strong>smarkt-Realitätoder hat sich das Schulsystem vom Bedarfauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt zu stark entfernt)?Was muss in den institutionellen Rahmenbedingungen verändertwerden (Funktionsweise der Schulen, AM-Verwaltung <strong>und</strong>-vermittlung, <strong>Arbeit</strong>svertragsformen usw.),um den <strong>Jugend</strong>lichenden Einstieg in die <strong>Arbeit</strong>swelt zu erleichtern?Die Betriebspraktika: hat sich diese Form der Anstellung für diespätere Berufswahl von <strong>Jugend</strong>lichen bewährt? Oder was müsst<strong>ein</strong> dieser Hinsicht verbessert werden?Bietet das <strong>Arbeit</strong>smarktservice der Autonome Provinz den <strong>Jugend</strong>lichenbeim Einstieg in den <strong>Arbeit</strong>smarkt ausreichend Unterstützung.Wie sieht es dagegen mit den privaten <strong>Arbeit</strong>svermittlungsdienstenaus, die immer mehr von den <strong>Jugend</strong>lichenbeansprucht werden. Trifft das auch für Ihren Sektor zu?Wie können die Unternehmen die qualifizierten jungen Mitarbeiter/innenin ihrem Betrieb halten? Gibt es Probleme mit der retention,nämlich der Fähigkeit der Unternehmen, die fähigstenNachwuchsmitarbeiter im Betrieb zu halten <strong>und</strong> unerwünschteFluktuation zu vermeiden?12.2.2.6 ForschungZunächst soll im Gespräch mit den Forschern eruiert werden, zuwelchen Themen derzeit in Sachen <strong>Jugend</strong>liche <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarktgeforscht wird. Gibt es darüber hinaus Studien, die auf die Interessen,Neigungen, Befindlichkeit der <strong>Jugend</strong>lichen in der dieser Phasedes Übergangs <strong>ein</strong>gehen? Wie passt das heutige BildungssystemSüdtirols zu neueren Entwicklungen des <strong>Arbeit</strong>smarktes? Ausgehendvon EXCELSIOR-Daten zu Mangelberufen soll über Entwicklungenbei der Nachfrage auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt gesprochenwerden.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Warum ist das Kapitel <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beruf in der <strong>Jugend</strong>studie desASTAT ausgeklammert geblieben? Wird es in der nächsten <strong>Jugend</strong>studieberücksichtigt werden?


146 Spezifische Fragestellungen nach ExpertengruppeAls Stärken unseres Bildungssystems haben Sie vorhingenannt:........Wie können diese Stärken bei <strong>ein</strong>em <strong>Arbeit</strong>smarkt,der sich ändert, beibehalten werden?Die duale Berufsausbildung hat sich in Südtirol bewährt, dochdie Zahl der Lehrlinge nimmt stetig ab. Kann der Ausgleichdurch Vollzeitkurse erfolgen oder ist <strong>ein</strong>e Verschiebung im ganzenÜbergangssystem hin zu Berufen im Gang, die das Maturadiplomvoraussetzen?Welche Maßnahmen sollen für die Erhöhung der Durchlässigkeitzwischen dem Berufsschulsystem <strong>und</strong> der Oberschule bzw. allgem<strong>ein</strong>bildenden Schulen erfolgen?Welche Probleme wirft die durchschnittliche Höherqualifizierungder <strong>Jugend</strong>lichen auf? Ist sie für Südtirols <strong>Arbeit</strong>smarkt unverzichtbaroder riskiert man <strong>ein</strong>e höhere Abwanderung von Hochschulabsolventen,weil nicht alle <strong>ein</strong>en <strong>Arbeit</strong>splatz in Südtirolfinden können?Gibt es Studien, die auf Interessen, Neigungen <strong>und</strong> Befindlichkeitder <strong>Jugend</strong>lichen in dieser Phase <strong>ein</strong>gehen? Welcher zusätzlicheForschungsbedarf ist hier gegeben?Mismatching auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt: <strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>es Problemoder vor allem für die 15-29-Jährigen? Bei welchen Qualifikationenlässt sich dieses Phänomen derzeit am stärksten beobachten?Welche rechtliche Regelungen insbesondere bei den <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen,aber auch bei Löhnen <strong>und</strong> Sozialversicherung, sindneu zu überdenken, um <strong>Jugend</strong>lichen den Einstieg ins Erwerbslebenzu erleichtern?Die mittelfristige Planung der Berufsausbildung: welche Perspektivenbieten sich in Südtirol, welcher neuer Ausbildungsbedarflässt sich derzeit erkennen?Was unternimmt das WIFO bzw. die Handelskammer, um den<strong>Jugend</strong>lichen die <strong>Arbeit</strong>swelt näher zu bringen (WIFO)?Zusätzliche Fragen für die Untergruppe der <strong>Arbeit</strong>smarktbeobachtungsstelle/Abteilung <strong>Arbeit</strong>:Der Eintritt ins Berufsleben rutscht allgem<strong>ein</strong> in <strong>ein</strong> durchschnittlichhöheres Alter. Jetzt kommen geburtenärmere Jahrgänge.Welche Auswirkungen wird dies auf den Südtiroler <strong>Arbeit</strong>smarkthaben?Kann die Berufswahl <strong>und</strong> der Berufs<strong>ein</strong>stieg auch in der Schulebesser vorbereitet werden <strong>und</strong> wie?


apollis <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> in Südtirol: <strong>ein</strong> Überblick 147Welchen Handlungsbedarf gibt es derzeit bei der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit?Welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen wärengefragt?Welche sind die Gruppen von schwer vermittelbaren <strong>Jugend</strong>lichenauf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt?Der brain drain war bei der Abwanderung von Akademikern inden letzten 10 Jahren <strong>ein</strong>e Zunahme oder Abnahme zu verzeichnen?12.2.2.7 Vertreter der Gewerkschaften <strong>und</strong>SozialverbändeInwiefern besteht heute Sorge bezüglich <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit inSüdtirol? In welchem Ausmaß sind <strong>Jugend</strong>liche von prekären <strong>Arbeit</strong>sverhältnissenbetroffen? Welche sozialstaatlichen bzw. arbeitsrechtlichenEingriffe sind erforderlich, um den Einstieg der<strong>Jugend</strong>lichen in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu verbessern? Wie steht es mitder Entlohnung der Lehrlinge <strong>und</strong> junger <strong>Arbeit</strong>nehmer/innen imAllgem<strong>ein</strong>en? Wie steht es mit der Organisierbarkeit der <strong>Jugend</strong>lichenin dieser Phase? Welche Vorstellungen habe die Gewerkschaftenfür die Verbesserung des Übergangssystems Schule-Beruf?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Wie stark sind <strong>Jugend</strong>liche gewerkschaftlich organisiert? Wiekommt es zu diesem geringen Organisationsgrad der <strong>Jugend</strong>lichen?Wie können <strong>Jugend</strong>liche ihre Interessen hinsichtlich Bildung<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> selbst besser vertreten?Prekäre <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse: wie stark sind <strong>Jugend</strong>liche zwischen15 <strong>und</strong> 29 Jahren davon betroffen? Zeitarbeit, Leiharbeit,andere Formen befristeter <strong>Arbeit</strong>: werden immer mehr <strong>Jugend</strong>licheauf diese Formen des Einstiegs in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zurückgreifenmüssen?Welche Erkenntnisse gibt es zur Entlohnung der <strong>Jugend</strong>lichen<strong>Arbeit</strong>nehmer? Gibt es Daten über die durchschnittlichen Lohnhöhennach Altersgruppen?Was bedeutet der deutliche Rückgang der Zahl der Lehrlinge<strong>und</strong> Interessierten an der dualen Ausbildung?Wie kann man die Durchlässigkeit zwischen Oberschule <strong>und</strong> Berufsschuleverbessern? Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibtes in Südtirol für die berufsspezialisierende Lehre nach der Maturaauf zweiter Ebene?


148 Spezifische Fragestellungen nach ExpertengruppeKann in Südtirol <strong>ein</strong> struktureller mismatch auf dem <strong>Arbeit</strong>smarktentstehen, also immer mehr Hochqualifizierte ohne Job,dagegen gering qualifizierte <strong>Arbeit</strong>splätze ohne aus Südtirolstammende Bewerber?Welche Verbesserungen sind in der <strong>Arbeit</strong>smarktverwaltung,vor allem in der <strong>Arbeit</strong>svermittlung <strong>und</strong> Berufsberatung nötig?Welche zusätzlichen sozialstaatlichen Maßnahmen sind zur Unterstützungder <strong>Jugend</strong>lichen beim Übergang in die <strong>Arbeit</strong>sweltnötig?Demografische Entwicklung: jetzt kommen geburtenärmereJahrgänge. Welche Auswirkungen wird dies auf den <strong>Arbeit</strong>smarkthaben?


149 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht <strong>und</strong> Jahr12.3 <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht <strong>und</strong> JahrAnteile in %2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 201115-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+M 20,6 6,4 21,5 6,2 19,1 5,4 18,2 4,9 18,9 5,5 23,3 6,8 26,8 7,6 27,1 7,6Italien F 27,2 10,5 27,4 10,1 25,3 8,8 23,3 7,9 24,7 8,5 28,7 9,3 29,4 9,7 32,0 9,6Insg. 23,5 8,0 24,0 7,7 21,6 6,8 20,3 6,1 21,3 6,7 25,4 7,8 27,8 8,4 29,1 8,4M 13,0 3,4 11,9 3,2 12,0 3,0 12,9 3,0 12,0 3,3 18,6 5,0 21,1 5,5 20,1 5,6Nordwesten F 15,3 6,1 17,9 6,0 15,4 5,1 15,2 4,9 16,6 5,4 22,1 6,9 22,6 7,1 25,3 7,2Insg. 14,1 4,5 14,6 4,4 13,4 3,9 13,9 3,8 13,9 4,2 20,1 5,8 21,7 6,2 22,2 6,3M 15,3 4,3 14,0 3,3 13,8 3,2 12,4 3,5 11,9 4,0 20,8 6,1 26,4 7,0 23,9 6,9Piemont F 16,7 6,5 20,7 6,4 17,8 5,1 16,8 5,2 19,2 6,3 29,2 7,8 26,8 8,4 26,6 8,6Insg. 15,8 5,3 16,9 4,7 15,5 4,0 14,3 4,2 14,9 5,0 24,1 6,8 26,6 7,6 25,1 7,6M 6,4 2,2 9,1 2,5 7,9 2,4 9,7 2,4 12,2 2,5 14,6 3,5 12,6 3,9 20,2 5,1Aostatal F 12,3 4,1 10,9 4,3 11,7 3,8 15,1 4,3 11,8 4,2 21,3 5,6 21,7 5,1 25,7 5,4Insg. 8,8 3,0 9,9 3,2 9,4 3,0 11,8 3,2 12,1 3,3 17,5 4,4 16,7 4,4 22,4 5,3M 16,1 4,0 15,4 3,2 16,7 3,4 24,4 4,2 18,7 4,0 18,4 4,6 20,3 5,9 26,1 5,8Ligurien F 26,1 8,1 26,0 9,1 16,7 6,6 16,1 5,7 25,8 7,1 19,2 7,1 20,3 7,4 20,4 7,0Insg. 20,5 5,8 20,0 5,8 16,7 4,8 20,7 4,8 22,0 5,4 18,8 5,7 20,3 6,5 23,8 6,3M 11,8 2,9 10,6 3,1 10,8 2,9 11,8 2,6 11,2 3,0 17,7 4,6 19,0 4,9 17,7 5,1Lombardei F 13,9 5,6 16,0 5,4 14,4 4,8 14,4 4,6 14,3 4,8 19,7 6,4 20,9 6,5 25,3 6,7Insg. 12,7 4,0 13,0 4,1 12,3 3,7 12,9 3,4 12,5 3,7 18,5 5,4 19,8 5,6 20,7 5,8M 7,9 2,5 9,2 2,8 8,0 2,4 7,2 2,1 8,7 2,4 13,2 3,8 16,2 4,5 18,3 4,2Nordosten F 13,9 5,7 14,0 5,6 15,2 5,3 13,0 4,5 13,4 4,8 19,1 5,8 23,0 6,9 21,5 6,1Insg. 10,6 3,9 11,3 4,0 11,0 3,6 9,6 3,1 10,7 3,4 15,7 4,7 19,1 5,5 19,7 5,0M 4,7 2,0 6,8 2,2 5,6 1,9 5,3 2,0 4,2 1,9 8,1 2,5 5,4 2,3 11,2 3,0Südtirol F 6,3 3,5 8,1 3,5 9,7 3,6 5,4 3,3 8,3 3,0 10,1 3,4 7,9 3,2 6,9 3,8Insg. 5,4 2,7 7,3 2,8 7,2 2,6 5,3 2,6 6,0 2,4 8,9 2,9 6,4 2,7 9,4 3,3M 8,8 1,8 8,9 2,4 6,6 1,8 7,0 1,8 7,0 2,4 9,2 2,7 11,9 3,6 14,7 4,0Provinz Trient F 12,0 5,0 12,3 5,2 13,6 4,8 11,5 4,4 10,8 4,5 15,1 4,6 20,3 5,2 14,3 5,1Insg. 10,3 3,2 10,3 3,6 9,4 3,1 8,9 2,9 8,5 3,3 11,5 3,5 15,1 4,3 14,5 4,5M 8,3 2,5 10,6 2,9 8,1 2,4 5,4 2,0 7,8 2,3 11,7 3,6 15,9 4,5 19,0 4,0Venetien F 13,2 6,7 15,0 6,2 17,0 6,5 12,5 5,2 14,5 5,2 17,9 6,4 23,6 7,5 21,1 6,4Insg. 10,6 4,2 12,6 4,2 11,8 4,0 8,4 3,3 10,7 3,5 14,4 4,8 19,1 5,8 19,9 5,0M 9,4 2,6 9,5 3,2 8,3 2,5 11,3 2,4 11,5 2,7 13,7 4,5 14,8 5,1 15,6 4,1Friaul-JulischF 14,9 5,8 11,9 5,3 15,9 4,9 20,0 4,7 17,7 6,4 27,4 6,4 22,1 6,5 27,9 6,5VenetienInsg. 11,9 3,9 10,5 4,1 11,5 3,5 14,5 3,4 13,9 4,3 18,9 5,3 18,0 5,7 20,9 5,2Emilia-RomagnaMitteToskanaUmbrienMarkenLatiumSüden<strong>und</strong> InselnAbruzzenMoliseKampanienApulienBasilikataKalabrienSizilienSardinienM 7,5 2,7 7,8 2,7 8,5 2,6 8,8 2,1 10,2 2,4 16,5 4,2 19,8 4,6 20,1 4,5F 16,0 5,0 14,2 5,3 13,7 4,3 13,7 3,9 12,2 4,3 20,8 5,5 25,4 7,0 23,9 6,2Insg. 11,4 3,7 10,7 3,8 10,7 3,4 10,8 2,9 11,1 3,2 18,3 4,8 22,4 5,7 21,9 5,3M 17,5 4,9 18,4 4,9 17,5 4,5 15,3 3,9 16,9 4,6 21,8 5,7 24,9 6,6 26,6 6,7F 25,9 8,7 24,8 8,3 22,3 8,2 21,4 7,2 23,2 8,2 28,9 9,2 27,4 9,0 32,2 8,9Insg. 21,4 6,5 21,1 6,4 19,5 6,1 17,9 5,3 19,6 6,1 24,8 7,2 25,9 7,6 28,9 7,6M 11,5 3,6 14,0 3,7 13,7 3,1 10,8 2,8 12,6 3,3 16,4 4,2 23,5 5,0 21,0 5,4F 21,7 7,3 20,5 7,3 17,8 7,0 17,6 6,3 16,8 7,3 19,7 7,8 22,6 7,5 30,3 7,9Insg. 16,0 5,2 16,7 5,3 15,4 4,8 13,7 4,3 14,4 5,0 17,8 5,8 23,1 6,1 24,9 6,5M 14,1 3,8 16,2 4,1 7,5 2,6 8,8 2,7 12,1 3,2 14,2 4,7 18,9 5,1 18,6 5,2F 16,8 8,3 21,6 8,8 24,8 8,3 18,0 6,9 17,5 6,8 28,8 9,3 24,2 8,6 28,4 8,3Insg. 15,3 5,7 18,5 6,1 14,6 5,1 12,7 4,6 14,4 4,8 19,6 6,7 21,0 6,6 22,8 6,5M 10,2 3,8 9,7 3,4 8,2 3,2 7,2 2,7 10,5 3,9 22,6 6,2 16,0 4,9 20,7 5,4F 23,5 7,3 23,0 6,5 17,2 6,4 12,1 6,1 15,5 5,7 22,6 7,2 15,3 6,9 27,2 8,5Insg. 16,5 5,3 15,1 4,7 11,6 4,5 9,3 4,2 12,6 4,7 22,6 6,6 15,7 5,7 23,5 6,7M 24,7 6,3 24,8 6,4 25,3 6,1 22,7 5,1 22,8 5,9 26,3 6,8 29,2 8,4 32,6 8,1F 30,7 10,3 28,6 9,5 26,4 9,6 27,9 8,2 30,7 9,7 36,4 10,8 33,9 10,6 35,6 9,8Insg. 27,6 7,9 26,5 7,7 25,7 7,5 24,9 6,4 26,2 7,5 30,6 8,5 31,1 9,3 33,7 8,9M 32,8 11,9 34,8 11,4 30,4 9,9 28,9 8,9 30,2 10,0 33,1 10,9 37,7 12,0 37,7 12,1F 44,6 20,5 44,6 19,6 40,5 16,5 38,3 14,9 39,3 15,7 40,9 15,3 40,6 15,8 44,6 16,2Insg. 37,6 15,0 38,6 14,3 34,3 12,2 32,3 11,0 33,6 12,0 36,0 12,5 38,8 13,4 40,4 13,6M 19,2 5,5 13,1 4,5 19,4 4,6 12,2 3,9 14,4 5,1 19,2 6,5 24,8 7,0 20,3 7,1F 27,7 11,5 36,4 12,7 23,5 9,5 26,2 9,8 28,0 8,7 32,6 10,5 38,0 11,4 33,8 10,7Insg. 22,8 7,9 23,0 7,9 21,0 6,5 17,2 6,2 19,7 6,6 24,0 8,1 29,5 8,8 25,6 8,5M 26,8 8,9 29,3 8,2 23,6 7,2 22,0 6,4 23,0 6,9 25,7 7,8 28,9 7,7 24,0 8,9F 39,4 15,3 36,2 13,2 36,5 14,5 26,9 10,9 38,0 12,4 29,3 11,0 32,1 9,6 36,3 11,6Insg. 31,9 11,3 31,8 10,1 27,9 10,0 23,8 8,1 28,8 9,1 27,1 9,1 30,2 8,4 28,6 9,9M 33,3 12,3 36,0 11,9 31,1 10,3 30,7 9,5 31,5 10,4 35,9 11,4 43,2 12,4 43,4 13,7F 43,8 21,7 43,0 20,8 41,6 17,9 35,4 14,6 33,9 16,8 41,7 16,0 39,8 17,3 46,0 19,0Insg. 37,7 15,6 38,8 14,9 35,4 12,9 32,5 11,2 32,4 12,6 38,1 12,9 41,9 14,0 44,4 15,5M 29,1 12,1 32,8 11,5 28,8 10,3 30,2 9,0 27,6 9,4 30,0 10,8 34,2 12,1 35,0 11,1F 44,2 21,8 39,9 20,9 37,6 17,7 34,6 15,5 38,3 15,8 36,6 16,2 35,2 16,3 40,1 16,9Insg. 35,4 15,5 35,4 14,6 32,2 12,8 31,8 11,2 31,6 11,6 32,6 12,6 34,6 13,5 37,1 13,1M 30,0 9,4 27,7 8,5 27,8 7,9 23,0 6,3 27,8 8,7 31,9 9,6 38,9 11,3 35,9 11,2F 44,7 18,6 50,4 18,5 40,1 15,2 48,5 15,3 48,1 15,2 49,6 13,9 46,8 15,7 47,7 13,2Insg. 35,6 12,8 36,6 12,3 32,0 10,5 31,4 9,5 34,6 11,1 38,3 11,2 42,0 13,0 39,6 12,0M 35,6 11,9 41,1 12,2 31,3 11,2 27,6 9,4 32,4 10,1 27,1 9,9 34,6 10,8 40,4 12,2F 47,5 18,5 53,9 18,2 43,1 15,9 39,4 14,5 38,0 15,7 39,8 13,9 47,6 13,8 40,4 13,6Insg. 40,5 14,3 46,1 14,4 35,5 12,9 31,6 11,2 34,5 12,1 31,8 11,3 39,0 11,9 40,4 12,7M 37,8 13,8 40,6 13,4 35,1 11,2 32,4 10,6 35,0 11,9 35,4 12,4 38,8 13,3 36,4 12,8F 51,3 23,7 52,1 21,6 45,3 17,8 45,8 17,3 46,6 17,3 44,2 16,6 45,7 17,3 53,2 17,2Insg. 42,9 17,2 44,8 16,2 39,0 13,5 37,2 13,0 39,3 13,8 38,5 13,9 41,3 14,7 42,8 14,4M 32,3 11,3 28,2 9,8 26,1 8,5 25,6 7,2 30,0 9,8 43,2 11,5 38,7 13,6 43,7 12,8F 39,6 18,1 38,6 18,0 39,0 14,6 43,3 14,2 46,2 15,9 46,6 16,0 38,9 14,9 40,6 14,6Insg. 35,5 13,9 32,6 12,9 31,0 10,8 32,5 9,9 36,8 12,2 44,7 13,3 38,8 14,1 42,4 13,5

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