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2. Prof. em. Dr. Ulrich Hampicke - Stiftung Rheinische Kulturlandschaft

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<strong>Ulrich</strong> <strong>Hampicke</strong>Kurzvortrag: Die Kosten des AckerwildkrautschutzesNaturschützer mögen oft keine Zahlen und noch weniger mögen sie, etwas mit Geld zu tun zuhaben. Auch könnte man meinen „ – es gibt doch Honorierungssätze zum Beispiel fürAckerrandstreifen, also warum noch darüber nachdenken?“ Für den Ökonomen bietet sichdagegen hier eine interessante Probl<strong>em</strong>struktur. Ich möchte auch mehr auf dieseProbl<strong>em</strong>struktur hinweisen, anstatt zu viele Zahlen zu präsentieren.Es gibt grundsätzlich zwei Kostenarten: Verfahrenskosten und Verzichtkosten (in derFachsprache: Opportunitätskosten). Verfahrenskosten sind die Kosten der Durchführung einerbestimmten Wirtschaftsweise: der Aufwand an Arbeits-, Maschinenkosten und so weiter. DieVerzichtkosten bestehen dagegen in den Verzichten auf Ertrag und damit auf Einkommen,wenn man den Wildkräutern zuliebe zum Beispiel nur 3 anstatt 7 Tonnen Weizen pro Hektarerntet.Wichtig ist auch der Unterschied zwischen Voll- und Teilkosten. In manchen Fällen sindtatsächlich alle Kosten eines Verfahrens zu berücksichtigen, während das in anderen nichterforderlich ist. Ich werde ein Beispiel geben.In der ersten Tabelle sehen Sie die Ökonomik eines recht schwachenRoggenproduktionsstandorts in Brandenburg, des Heiligen Römischen Reiches Streusanddose.Links das normale, rechts das Wildkräuter schützende, extensivere Verfahren (Daten linksaußer Markterlöse aus LVLF Brandenburg 2008, S. 40). Wegen des Minderertrages von 21 dtpro Hektar resultieren beim unterstellten Preisniveau von € 13,50 (Mittelwert aus 5 Jahren)Verzichtkosten von 283 Euro (alles pro Hektar). Weil aber die Verfahrenskosten beimWildkrautschutz wegen des Verzichts auf Herbizide und der eingeschränkten Düngung um152 Euro niedriger liegen, beträgt die Minderleistung des Wildkrautschutzes unter d<strong>em</strong> Strichnur 131 Euro pro Hektar. Das sind exakt die Kosten des Wildkrautschutzes.Genaues Hinsehen zeigt ferner, dass die Maschinen- und Arbeitskosten in dies<strong>em</strong> Beispiel garnicht sinken, weil sie nicht an den Ertrag, sondern an die Fläche gebunden sind. Trotzd<strong>em</strong> istder Wildkrautschutz in dies<strong>em</strong> Beispiel ein ausgesprochen billiger Naturschutz. Umsobetrüblicher und unverständlicher ist seine bisherige Vernachlässigung.Das nächste Bild und die nächste Tabelle zeigen, dass ein Parade-Naturschutzbetriebszweigwie die Schafhutung auf Kalkmagerrasen ungefähr fünf Mal so teuer ist. Der Grund liegt inniedrigen Produktpreisen in Verbindung mit hohen Kosten der Tierbetreuung, die es imAckerbau natürlich nicht gibt. Deshalb ist die oft gehörte Empfehlung des Naturschutzes,arme Äcker in armes Grünland zu verwandeln, ökonomisch probl<strong>em</strong>atisch.Natürlich sollen verschiedene naturschutzförderliche Betriebszweige nicht gegeneinanderausgespielt werden. Wir brauchen beides: Schafweide und Wildkräuter. Es geht allein darum,die Kostengünstigkeit des Ackerwildkrautschutzes auf geeigneten Standorten zu zeigen.Die Schafhutung ist teuer wegen hoher Verfahrenskosten, insbesondere d<strong>em</strong> Arbeitseinsatz.Das ist überhaupt keine extensive, sondern eine intensive Wirtschaft. Der Wildkrautschutz aufguten Ackerstandorten ist auch viel teurer als im eben gezeigten brandenburgischen Sand,aber aus ein<strong>em</strong> anderen Grund: weil die Verzichtkosten hoch sind. Das ist besonders bei


hohen Preisen für Ackerprodukte der Fall. Deshalb ist Wildkrautschutz dort nur zu <strong>em</strong>pfehlen,wenn hochgradig schützenswerte Arten vorkommen, was selten genug der Fall ist.Also: Wildkrautschutz auf produktionsschwachen Standorten ist vegetationskundlich lohnend,was bekannt ist. Er ist darüber hinaus ökonomisch vorteilhaft, was auch nicht verwundert. DieGeschichte geht aber noch weiter: Stellen Sie sich einen großen Marktfruchtbetrieb inOstdeutschland vor, sagen wir mit 1.000 Hektar. Der möge 990 Hektar guten Ackerboden und10 Hektar ganz schlechten besitzen, wo aber interessantes vorkommt. Genau diesen Fall gibtes und er wurde akribisch untersucht von Christin Geisbauer (2011, vgl. auch Geisbauer und<strong>Hampicke</strong> 2012). An den Oderhängen bei Mallnow liegt der kleine Acker im folgenden Bildmit Tausenden von Ex<strong>em</strong>plaren vom Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis), also einerbotanischen Kostbarkeit.Es ist klar, dass der Betrieb, hätte er nur die 990 guten Hektar, genau dieselben Traktoren,Maschinen, Gebäude und so weiter hätte wie bei 990 guten und 10 schlechten Hektar. Er hättealso dieselben Fixkosten. Das heißt, dass die 10 Hektar Schutzacker keine Rolle spielen undfolglich nicht mit Fixkosten belastet sind, es zählen nur variable Kosten, also für Saatgut,Diesel und so weiter plus die Arbeitskosten. Wir haben also, wie schon angekündigt, einentypischen Fall einer Teilkostenrechnung. Bei der bewusst nachlässigen und schnellenBestellung dieses Feldes sind sie denkbar gering. Christin geht noch einen Schritt weiter undsagt sich, dass der Betrieb für die 10 Hektar Schutzacker zweifellos die Flächenprämie derErsten Säule der EU bekommen möchte. Dann muss er aber mindestens mulchen, was auchGeld kostet. So schrumpfen die Schutzkosten auf die Differenz zwischen Mulchkosten undden Kosten einer nachlässigen und schnellen Bestellung ohne viel Rücksicht auf den Ertragzusammen und erreichen nicht einmal 80 Euro pro Hektar.In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse für vier Schutzäcker enthalten, die nichtintensivierungsfähig sind oder bei denen der rechtliche Status die Intensivierung verbietet(Beispiel Mallnow unter 2b). Es gibt also keine Verzichtkosten. Der Acker Schmoner Hängeist noch billiger als Mallnow, genauer gesagt ist es dort betriebswirtschaftlich vorteilhafter,für den extr<strong>em</strong> seltenen Gelben Günsel (Ajuga chamaepitys) zu ackern als zu mulchen.Unlängst war in einer Fachzeitschrift zu lesen (Miosga 2011), dass einLandschaftsplanungsbüro in NRW für die Neuanlage eines Grünlandes 5.000 Euro pro Hektaransetzt, obwohl die teuerste Variante im KTBL-Kalkulationshandbuch nur 385 Euro proHektar, also ein <strong>Dr</strong>eizehntel davon beträgt (KTBL 2009, S. 403). In der Landschaftsplanung,besonders in Verbindung mit der Eingriffsregelung, fließen unglaubliche Geldsummen.Spricht man dagegen die zuständigen Behörden auf Mallnow an, dann wird stirnrunzelndgeantwortet „O weh, ob da nächstes Jahr noch Geld für da ist, ist sehr fraglich.“ Auch dieSchmoner Hänge sollen gefährdet sein. Dass man um Biotope mit höchster Wertigkeit undsensationell niedrigen Kosten überhaupt kämpfen muss, ist unglaublich.Bei den Stichproben von Betrieben in der folgenden Tabelle handelt es sich um Flächenmittlerer bis recht guter Ertragsfähigkeit (bis 7 Tonnen pro Hektar im konventionellenLandbau) mit den entsprechenden Schutzkosten. Sie liegen zischen 300 und 450 € pro Hektar,sind also fühlbar, weil eben Verzichtkosten auftreten. Im Vergleich zur Landschaftspflege mitTieren sind sie aber mäßig bis gering. Für eines der letzten autochthonen Vorkommen derKornrade (Agrost<strong>em</strong>ma githago) in Dahmsdorf-Müncheberg östlich von Berlin sollte mansoviel übrig haben.


In der knappen Zeit nur noch zwei Punkte: Natürlich sollten die tatsächlichen Zahlungen ankooperierende Betriebe höher sein als die hier errechneten nackten Kosten, um einen Anreizzur Mitarbeit zu setzen. Theoretisch dürfen sie das bei EU-Agrarumweltprogrammen garnicht sein, aber bevor man alle Kooperationswilligkeit der Landwirtschaft auslöscht, mogeltman sich irgendwie mit angeblichen Transaktionskosten durch. In der Eingriffsregelung, alsohier der Produktionsintegrierten Kompensation, dürfen und sollten aber Anreize ganz deutlichgesetzt werden (Czybulka et al. 2012).Interessant ist das Probl<strong>em</strong> stark fluktuierender und zuweilen in die Höhe schießenderProduktpreise. Hier besteht ein echtes Probl<strong>em</strong> für den Naturschutz auf Ackerflächen, was aufd<strong>em</strong> Grünland längst nicht so scharf auftritt. Bei sehr hohen Getreidepreisen schießen dieVerzichtkosten raketenartig nach oben und der Wildkrautschutz wird auf solchen Flächen inder Tat probl<strong>em</strong>atisch. Was aber häufig übersehen wird, ist, dass auf schlechten Äckern ohneIntensivierungsmöglichkeit und damit ohne Verzichtkosten genau der umgekehrte Effekteintritt: Das Wenige, was man dort erntet, wird auch gut bezahlt. Bei niedrigenVerfahrenskosten wie in Mallnow kann das dazu führen, dass der Ackerwildkrautschutzkostenlos wird, dass sich niedrige Erträge und niedrige Kosten ausgleichen.Ein Rat des Ökonomen an den Wildkrautschützer lautet also: Verzichtkosten möglichst ausd<strong>em</strong> Wege gehen und sich Flächen aussuchen, wo nur Verfahrenskosten auftreten. Hierfürganz zum Schluss ein Beispiel: In Kalkgebieten wie zum Beispiel der Fränkischen Alb gibt esviele kleine Flächen, die sich zur Beweidung nicht eignen. Sie wachsen daher zu. Früherwaren das oft Äcker, wie man an der Geländeform sehen kann. Hier sollte man mitortsansässigen Landwirten zu mäßig<strong>em</strong> bis niedrig<strong>em</strong> Preis wieder farbenfrohe Kalk-Ackerunkräuter wie auf d<strong>em</strong> letzten Bild erhalten.Literatur:Berger, W. 2011: Leistungen und Kosten zur Hüteschafhaltung mit Stallablammung undLämmermast im benachteiligten Gebiet. Manuskript, 9 S.Czybulka, D., <strong>Hampicke</strong>, U., Litterski, B. 2012: Produktionsintegrierte Kompensation –Rechtliche Möglichkeiten, Akzeptanz, Effizienz und naturschutzgerechte Nutzung. Berlin(Erich Schmidt Verlag), 281 S. Initiativen zum Umweltschutz, Band 86.Geisbauer, C. 2011: Ökonomie schutzwürdiger Ackerflächen am Beispiel landwirtschaftlicherBetriebe in Brandenburg. Diplomarbeit Greifswald, 119 S.Geisbauer, C., <strong>Hampicke</strong>, U. 2012: Ökonomie schutzwürdiger Ackerflächen. Was kostet derSchutz von Ackerwildkräutern? Broschüre Greifswald, 50 S.KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft) 2009: Faustzahlen fürdie Landwirtschaft. 14. Auflage Darmstadt, 1180 S.LVLF (Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Brandenburg)2008: Datensammlung für die Betriebsplanung und die betriebliche Bewertunglandwirtschaftlicher Produktionsverfahren im Land Brandenburg. Teltow/Ruhlsdorf, 125 S.Miosga, O. 2011: Wie teuer ist ein Blaukehlchen? Naturschutz und Landschaftsplanung 43:147-153.

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