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Gedanken zu Art. 731b OR

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F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081378Konkursverfahren über Handelsgesellschaftenohne Konkurseröffnung –<strong>Gedanken</strong> <strong>zu</strong> <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>Franco LorandiProf. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt,Zürich15. Mitteilungspflicht des Richters16. Handlungspflichten der ÄmterC. Abwicklung des Konkursverfahrens1. Normales Konkursverfahren mit abnormalem Beginn2. Zuständigkeit der verschiedenen Behördena. Des Konkursamtesb. Des Konkursrichtersc. Des Zivilrichtersd. Der Aufsichtsbehörden3. Anwendbare Vorschriftena. Im Allgemeinenb. Kein Widerruf des Konkurses (<strong>Art</strong>. 195 SchKG)c. Publikation des richterlichen Auflösungsentscheidsd. Einstellung des Konkurses mangels Aktivene. AktivenüberschussD. Zivilrechtliche AspekteE. Sozialversicherungsrechtliche AspekteF. Öffentlichrechtliche FolgenG. Strafrechtliche AspekteH. International insolvenzrechtlicher AspektInhaltsübersichtI. Mängel in der Organisation juristischer Personen als ProblemII. Die Regelung im bisherigen RechtIII. Das neue Recht im ÜberblickA. Einheitliche Ordnung für Mängel in der OrganisationB. ÜbergangsrechtC. Mängel in der OrganisationD. MassnahmenE. Verhältnis <strong>zu</strong> anderen Bestimmungen bei Mängeln vonjuristischen PersonenIV. Konkursverfahren ohne Konkurseröffnung (<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1Ziff. 3 <strong>OR</strong>)A. EinleitungB. Der richterliche Auflösungsentscheid1. Aktiv- und Passivlegitimation2. Antrag des Klägers3. Zuständigkeit4. Verfahren5. Verfahrensgrundsätze6. Vorsorgliche Massnahmen7. Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Modalitäten des richterlichenEntscheidsa. Allgemeinesb. Un<strong>zu</strong>lässige Alternativenc. Fristanset<strong>zu</strong>ngd. Fristwiederherstellung8. Zeitpunkt der Fällung des Entscheids9. Wirkungen des Entscheids10. Streitwert11. Kosten und Vorschusspflicht12. Fehlende Verfügungsberechtigung der Parteien überden Streitgegenstand13. Rechtsmittel gegen den Auflösungsentscheid14. RechtskraftI. Mängel in der Organisationjuristischer Personen als ProblemWie die Praxis zeigt, können bei juristischen Personen immerwieder Mängel in der Organisation auftreten, indemgesellschaftsrechtliche Vorschriften verletzt sind. GewisseMängel sind durch die betroffenen Parteien durch Klage vordem Zivilrichter geltend <strong>zu</strong> machen. Dies betrifft etwa Mängelbei der Einladung oder der Traktandierung von Generalversammlungen1 , bei der Beschlussfassung in der Generalversammlung2 bzw. der Anfechtung von deren Beschlüssen 3oder die Abberufung eines Revisors, der die Vorausset<strong>zu</strong>ngenfür das Amt nicht erfüllt 4 .Daneben gibt es gesetzliche Vorschriften, welche im Interessevon Dritten bzw. der Öffentlichkeit erlassen wordensind, weshalb deren Einhaltung von Amtes wegen <strong>zu</strong> beachtenist. Dies gilt namentlich für gewisse Mängel in der Organisationeiner juristischen Person.II.Die Regelung im bisherigen RechtDie Normen des bisherigen Rechts, welche sich mit Organisationsmängelnbefassten, waren unübersichtlich, zahlreich1<strong>Art</strong>. 699 ff. <strong>OR</strong>.2<strong>Art</strong>. 704 <strong>OR</strong>.3<strong>Art</strong>. 706 f. <strong>OR</strong>.4<strong>Art</strong>. 727e Abs. 3 a<strong>OR</strong>.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081379und ungenügend aufeinander abgestimmt 5 : Unübersichtlichwar bereits, dass sich gewisse Massnahmen in Be<strong>zu</strong>g aufjuristische Personen nach den Normen des Vormundschaftsrechtsrichteten 6 , während andere im Gesellschaftsrecht platziertwaren. Auch innerhalb des Gesellschaftsrechts warendie Normen überall im Gesetz verstreut 7 . Zudem waren dieSanktionen sehr unterschiedlich, ohne dass dies in allen Fällensachlich geboten war. Schliesslich bestanden ganz unterschiedlicheZuständigkeiten, um die Mängel <strong>zu</strong> beheben 8 .Weiter erwiesen sich verschiedene Bestimmungen als unklarund ungenügend: So sah das bisherige Recht namentlichbei Fehlen von Organen vor, dass die Gesellschaft (nach denBestimmungen des Gesellschaftsrechts) in Liquidation versetztwerden konnte 9 . Häufig nahmen die bisherigen Organe,welche als Liquidatoren agierten, jedoch keine Liquidationshandlungenvor, sondern setzten die Geschäftstätigkeit fort 10 .Zudem scheiterte etwa die richterliche Ernennung einer Revisionsstelle11 daran, dass eine neue Revisionsstelle das Amtnur gegen Leistung eines Kostenvorschusses antrat, die Gesellschaftjedoch den geforderten Vorschuss nicht leistete 12 .Das bisherige Recht erwies sich in verschiedener Hinsichtals unvollkommen (lex imperfecta). Die Rechtslage war unklarund die kantonale Gerichtspraxis war uneinheitlich 13 .Dies war der Rechtssicherheit abträglich.5Botschaft <strong>zu</strong>r Revision des Obligationenrechts (GmbH-Rechtsowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister-und Firmenrecht) vom 19. Dezember 2001, BBl 2002,3148 ff., 3231 (nachfolgend Botschaft); Nicolas Duc, Innovationsen droit des sociétés anonymes, ST 2002, 463.6<strong>Art</strong>. 392 f. aZGB.7Vgl. etwa für die Aktiengesellschaft: <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 643Abs. 3, <strong>Art</strong>. 708 Abs. 4, <strong>Art</strong>. 727e Abs. 3, <strong>Art</strong>. 727f, <strong>Art</strong>. 740Abs. 3 a<strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 86 Abs. 1 bis 3 aHRegV; für die GmbH:<strong>Art</strong>. 775 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 813 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 819 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 823 a<strong>OR</strong>;für die Genossenschaft: <strong>Art</strong>. 831 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 895 Abs. 2 a<strong>OR</strong>;allgemein: <strong>Art</strong>. 941 f. a<strong>OR</strong>.8Vormundschaftsbehörde (<strong>Art</strong>. 392 f. aZGB), Richter (<strong>Art</strong>. 625Abs. 2, <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3, <strong>Art</strong>. 727f Abs. 2, <strong>Art</strong>. 736 Ziff. 5 a<strong>OR</strong>)oder Handelsregisterführer (<strong>Art</strong>. 708 Abs. 4, <strong>Art</strong>. 727f Abs. 1,<strong>Art</strong>. 941 f. a<strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 86 aHRegV).9Für die Aktiengesellschaft: <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3,<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 a<strong>OR</strong>.10Botschaft (FN 5), 3232; Peter Böckli/Peter Forstmoser/Jean-MarcRapp, Expertenbericht und Vorentwurf füreine Reform des GmbH-Rechts, April 1999, 57 Ziff. 281.12;Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. A., Zürich 2004, § 13Rz. 491; Christian Champeaux, Bericht über die Tätigkeitder Eidgenössischen Fachkommission für das Handelsregisterim Jahre 2001, Reprax 2002, 70.11<strong>Art</strong>. 727f Abs. 2 a<strong>OR</strong>.12Botschaft (FN 5), 3231; Böckli (FN 10), § 13 Rz. 492, § 15Rz. 99; Michael Gwelessiani, Die Änderungen des Obligationenrechtsvom 16. Dezember 2005 aus handelsregisterrechtlicherSicht, in: Das neue schweizerische GmbH-Recht (Hrsg.Peter Böckli/Peter Forstmoser), Zürich 2006, 192; EGV-SZ2004 Nr. 2.2, E. 2.a.; ZR 1995 Nr. 42, ZR 1996 Nr. 41.13Für einen Überblick über den Meinungsstand vgl. Bundesgerichtsurteil5A_235/2007 vom 14. November 2007, E. 4.1; vgl.III.Das neue Recht im ÜberblickA. Einheitliche Ordnung für Mängelin der OrganisationZiel der entsprechenden Gesetzesrevision war es deshalb,eine einheitliche Ordnung für die Behebung und Sanktionensämtlicher Mängel in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisationeiner juristischen Person <strong>zu</strong> schaffen 14 . Die Regelungsollte <strong>zu</strong>dem grundsätzlich unabhängig der Rechtsformfür sämtliche Handelsgesellschaften 15 gelten. Da<strong>zu</strong> war einevollständige Neuordnung der bisherigen Regeln notwendig.Dieses Ziel wurde weitgehend erreicht. Eine Dualität der Zuständigkeiten(Richter einerseits 16 und Handelsregisterführerandererseits 17 ) blieb jedoch bestehen.Seit 1. Januar 2008 regelt das ZGB nur noch vormundschaftlicheMassnahmen für natürliche Personen 18 . Für juristischePersonen wurden neue Bestimmungen geschaffen 19 .Nachfolgend werden nur die Handelsgesellschaften behandelt.B. ÜbergangsrechtDas neue Recht ist seit 1. Januar 2008 in Kraft 20 . Soweites um Mängel in der Organisation geht, handelt es sich umsog. Dauersachverhalte. Für solche gilt intertemporalrechtlichdie Regel der Nichtrückwirkung nicht. Demnach folgendie Organisation der Gesellschaften, die Rechtsstellung derbeteiligten Personen und die gesetzlichen Sanktionen vomauch BlSchK 2008, 24 ff.; GVP-SG 2005 Nr. 41; EGV-SZ 2004,Nr. 2.2; FZR 2002, 249 ff., und 254 ff.; BJM 1999, 259 ff.; ZWR1999, 311 ff.; GVP-ZG 1997/98, 137, 192; ZR 1995 Nr. 42; ZR1996 Nr. 41 (=ZBGR 79, 258); SJZ 1997, Nr. 15, 161 f.; vgl.auch Rico A. Camponovo, Keine Konkurseröffnung wegenfehlender Revisionsstelle, ST 1996, 769 ff.; BasK-Brunner,<strong>Art</strong>. 190 SchKG N 16; Pierre Tercier/Walter A. Stoffel,Das Gesellschaftsrecht 1999/2000, SZW 2000, 287; ThomasSchmid, Der Antrag des Handelsregisterführers auf Ernennungeiner Revisionsstelle gemäss <strong>Art</strong>. 727f Abs. 2 <strong>OR</strong>, Jahrbuch desHandelsregisters 1995, 98 ff.14Botschaft (FN 5), 3231.15Für die juristischen Personen des ZGB bestehen ähnliche Regeln(vgl. FN 19). Einzelfragen sind gesetzlich teilweise abweichendvon den Handelsgesellschaften geregelt. Ein Auflösungnach den Regeln über den Konkurs ist jedoch <strong>zu</strong>mindest auch inBe<strong>zu</strong>g auf den Verein möglich (Botschaft, 3243; CHK-Eisenring,<strong>Art</strong>. 69c ZGB N 2).16<strong>Art</strong>. 643 Abs. 3, <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 154 Abs. 3HRegV.17<strong>Art</strong>. 938a <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 153, <strong>Art</strong>. 155 HRegV.18BBl 2002 3231, 3244.19<strong>Art</strong>. 69c ZGB für Vereine, <strong>Art</strong>. 83d ZGB für Stiftungen,<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> für Aktiengesellschaften, <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> für dieGmbH und <strong>Art</strong>. 908 <strong>OR</strong> für Genossenschaften.20AS 2007 4791, 4839.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081380Zeitpunkt des Inkrafttretens an dem neuen Recht 21 . <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> ist damit seit 1. Januar 2008 anwendbar, auch wenn derMangel schon vorher bestanden hatte.C. Mängel in der OrganisationDiese beschlagen (gewisse) Mängel in der Organisation einerGesellschaft 22 , nämlich wenn eines der vorgeschriebenenOrgane fehlt oder eines dieser Organe nicht rechtmässig<strong>zu</strong>sammengesetzt ist 23 . Mit den vorgeschriebenen Organensind die obligatorischen Organe gemeint 24 . Bei der AG 25 sinddies der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle 26 ; die Generalversammlungkann und muss nicht bestellt 27 , sondern nureinberufen werden 28 . Mängel in Be<strong>zu</strong>g auf rein statutarischeOrgane (z.B. Beiräte) fallen nicht unter diese Bestimmung 29 .Erfasst werden sowohl das gänzliche Fehlen eines notwendigenOrgans als auch Mängel in der rechtmässigen Zusammenset<strong>zu</strong>ng.Die Fälle wurden gegenüber dem bisherigenRecht sachlich nicht erweitert 30 . Erfasst werden insbesondere31 die Handlungsunfähigkeit 32 eines Verwaltungsrates oder21<strong>Art</strong>. 1 Abs. 2 Übergangsbestimmungen; Botschaft (FN 5),3247; Mirjam Holderegger, Gesellschaftsrecht, Neuerungenim Gesellschafts- und Revisionsrecht 2007/2008 mit vertieftemFokus auf einen Vergleich der GmbH mit der AG, Zürich 2007,18; Andreas Kellerhals, Das neue schweizerische GmbH-Recht – Übergangsbestimmungen, in: Das neue schweizerischeGmbH-Recht (Hrsg. Peter Böckli/Peter Forstmoser), Zürich2006, 167.22Nachfolgend wird nur von der AG gesprochen. Die gesetzlicheRegelung (<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>) gilt qua gesetzlichem Verweis(<strong>Art</strong>. 819, <strong>Art</strong>. 908 <strong>OR</strong>) auch für die GmbH und die Genossenschaft.Das <strong>zu</strong>r AG Gesagte gilt somit mutatis mutandis auchfür diese beiden Gesellschaftsformen. Auf die Rechtslage beimVerein und bei der Stiftung wird nachfolgend nicht eingegangen.23<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 <strong>OR</strong>.24Botschaft (FN 5), 3231.25Für die GmbH vgl. ComR-Buchwalder, <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 2.26Vgl. Botschaft (FN 5), 3232; ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> N 3.27A.M. Reto Sanwald, Kurzkommentar <strong>zu</strong>m neuen GmbH-Recht (Hrsg. Martin F. Nussbaum/Reto Sanwald/Markus Scheidegger),Muri bei Bern 2007, <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 3 in Be<strong>zu</strong>g auf dieGesellschafterversammlung bei der GmbH.28Mängel bei der Einberufung und der Durchführung einer Generalversammlungsind im kontradiktorischen Klageverfahren vordem Zivilrichter geltend <strong>zu</strong> machen (vgl. I.).29Vgl. Botschaft (FN 5), 3239 f.; Hans-Jakob Käch, GmbH-Revision und weitere Änderungen des Gesellschafts- und Handelsregisterrechts,ZBGR 2008, 11; Holderegger (FN 21), 17;Peter Lehmann, Die «kleine Aktienrechtsrevision» (Teil 2),Neuerungen in den Bereichen Aktionärsrechte, Firma, Handelsregister,GesKR 2007, 422.30Botschaft (FN 5), 3231.31Vgl. Botschaft (FN 5), 3232, 3239; Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819<strong>OR</strong> N 3; Lukas Glanzmann, Die kleine Aktienrechtsrevision,ZBGR 2007 (zit. Aktienrechtsrevision), 81; ders., Die kleineAktienrechtsrevision unter Berücksichtigung der Revision derder Revisionsstelle, das Fehlen eines Verwaltungsrates 33 , dasFehlen eines Präsidenten des Verwaltungsrates 34 , das Fehleneiner Revisionsstelle 35 , die Verlet<strong>zu</strong>ng der Anforderungen andie Befähigung und Unabhängigkeit der Revisionsstelle 36 ,die Verlet<strong>zu</strong>ng des Wohnsitzerfordernisses des Verwaltungsrates37 und der Revisionsstelle 38 . M.E. kann die Bestimmungauch auf die ausländische Konkursmasse einer (ausländischen)Gesellschaft angewendet werden, welche über Vermögenswertein der Schweiz verfügt, sofern die ausländischeMasse mangels Gegenrecht 39 das ausländische Konkursdekretin der Schweiz nicht anerkennen lassen kann 40 .Bei allen diesen Konstellationen werden Normen verletzt,welche im öffentlichen Interesse aufgestellt worden sind undauch dem Verkehrsschutz dienen 41 . Aus diesem Grund unterliegtdas Klagerecht der aktivlegitimierten Personen auchkeiner Befristung 42 .D. MassnahmenDas Gesetz nennt in nicht abschliessender Aufzählung 43(«insbesondere») drei mögliche Massnahmen, um Mängeln<strong>zu</strong> begegnen: Der Richter kann der Gesellschaft unter Androhungihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen derer sieden rechtmässigen Zustand her<strong>zu</strong>stellen hat 44 . Er kann dasfehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen 45 . Oder erkann die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nachden Vorschriften über den Konkurs anordnen 46 . Wie es sichim letztgenannten Fall verhält, soll nachfolgend untersuchtwerden 47 .HRegV, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht III (Hrsg.Peter V. Kunz/Florian S. Jörg/Oliver <strong>Art</strong>er), Bern 2008, 117;Käch (FN 29), 11; Holderegger (FN 21), 17; Duc (FN 5),464; Lehmann (FN 29), 422; ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> N 4; ComR-Buchwalder, <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 2; Hans-UeliVogt/Adrian Bieri/Ivo Zuberbühler, Aktienrecht, Entwicklungen2007/2008, Bern 2008, 37.32<strong>Art</strong>. 12 ff. ZGB.33<strong>Art</strong>. 707 <strong>OR</strong>.34<strong>Art</strong>. 712 Abs. 1 <strong>OR</strong>.35<strong>Art</strong>. 727 ff. <strong>OR</strong>.36<strong>Art</strong>. 727b f. <strong>OR</strong>.37<strong>Art</strong>. 718 Abs. 4 <strong>OR</strong>.38<strong>Art</strong>. 730 Abs. 4 <strong>OR</strong>.39<strong>Art</strong>. 166 Abs. 1 lit. c IPRG.40Franco Lorandi, Handlungsspielraum ausländischer Insolvenzmassenin der Schweiz, AJP 2008, 564 ff.; Kurt Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- undKonkursrechts, 8. A., Bern 2008, § 49 Rz. 9c.41Botschaft (FN 5), 3232; ZR 1995 Nr. 42.42Lehmann (FN 29), 423.43Lukas Handschin/Chistof Truniger, Die neue GmbH, Zürich2006, § 29 Rz. 11; ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>N 7.44<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 1 <strong>OR</strong>.45<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 2 <strong>OR</strong>.46<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>.47Vgl. IV.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081381E. Verhältnis <strong>zu</strong> anderen Bestimmungenbei Mängeln von juristischen Personen 48Das Gesetz unterscheidet drei Konstellationen mit verschiedenenSanktionsregimen: Mängel in der Organisation 49 ,Gesellschaften ohne Geschäftstätigkeit und ohne Aktiven 50sowie fehlendes Rechtsdomizil 51 . Hin<strong>zu</strong> kommt die Konstellation,dass gegen die Gesellschaft noch unter altem Recht 52Sanktionen bei Mängeln in der Organisation ergriffen wordensind. Diese Fälle können sich überlagern, wenn mehrereGründe gegeben sind.<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> steht m.E. <strong>zu</strong> den anderen Konstellationenin folgendem Verhältnis: Weist eine Gesellschaft keine Geschäftstätigkeitund keine Aktiven mehr auf, so wird sie vomHandelsregisterführer auch dann gelöscht, wenn sie gleichzeitigüber kein Domizil mehr verfügt oder ein Organisationsmangelbesteht. Die Gesellschaft wird auf diesem Weggelöscht. Eine Liquidation nach den Bestimmungen über denKonkurs macht keinen Sinn, da dieser mangels Aktiven sogleichwieder eingestellt werden müsste 53 .Liegt einerseits ein Organisationsmangel vor und fehltes gleichzeitig an einem Domizil, so geht m.E. das strengereRegime von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> vor 54 . Eine Dualität eines Verfahrensvor den Handelsregisterbehörden (wegen fehlendemRechtsdomizil) 55 einerseits und eines Verfahrens vor demRichter (wegen Mängeln in der Organisation) 56 anderseitsmacht keinen Sinn.Liegt ein Mangel in der Organisation vor, so handelt essich um einen Dauersachverhalt. Aus diesem Grund kommtab 1. Januar 2008 die neue Ordnung <strong>zu</strong>r Anwendung 57 . Diesgilt auch dann, wenn unter altem Recht schon eine Sanktionverhängt worden ist. So kann namentlich seit dem 1. Januar2008 eine Gesellschaft nach den Bestimmungen über denKonkurs liquidiert werden, auch wenn ihre Auflösung schonunter altem Recht angeordnet worden ist.48Zum Verhältnis <strong>zu</strong>m normalen Konkursverfahren <strong>zu</strong>folge Konkurseröffnungvgl. IV.B.9. und IV.B.15.49<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 154 HRegV.50<strong>Art</strong>. 938a <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 155 HRegV.51<strong>Art</strong>. 153 HRegV.52Vgl. II.53Vgl. IV.C.3.d.54Gl.M. Michael Gwelessiani, Praxiskommentar <strong>zu</strong>r Handelsregisterverordnung,Zürich 2008 (zit. Praxiskommentar),N 531.55<strong>Art</strong>. 153 HRegV.56<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 154 HRegV.57Vgl. III.B.IV.Konkursverfahren ohne Konkurseröffnung(<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>)A. EinleitungGemäss dem Gesetzeswortlaut ordnet der Richter die Auflösungder Gesellschaft 58 und ihre Liquidation nach den Vorschriftenüber den Konkurs an 59 . Während die Verset<strong>zu</strong>ng einerGesellschaft in Liquidation durch Entscheid des Richtersnichts Aussergewöhnliches darstellt 60 , ist die Anordnung derLiquidation nach den Vorschriften über den Konkurs ungewöhnlichund singulär 61 . In allen übrigen Fällen 62 , wo eineGesellschaft nach konkursrechtlichen Prinzipien liquidiertwird, geht eine Konkurseröffnung des Richters nach SchKGvoraus 63 . Eine solche erfolgt im Regelfall, wenn ein Gläubigernach dem Einleitungsverfahren das Fortset<strong>zu</strong>ngsbegehrengestellt hat 64 . Der Konkurs kann auch in der Wechselbetreibung65 , auf Antrag eines Gläubigers ohne vorgängige Betreibung66 , auf Antrag des Schuldners (Insolvenzerklärung) 67 , beiDeponierung der Bilanz einer Handelsgesellschaft <strong>zu</strong>folgeÜberschuldung 68 oder gegen eine ausgeschlagene oder überschuldeteErbschaft 69 eröffnet werden. Im Fall von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong>Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> fehlt es an einem Konkursgrund gemässSchKG und an einer Konkurseröffnung.Grund für diese gesetzgeberische Konzeption ist, dass derMangel der bisherigen Regelung überwunden werden sollte70 , dass Gesellschaften, welche qua richterlicher Verfügungin gesellschaftsrechtliche Liquidation versetzt worden sind,häufig faktisch nicht liquidiert werden, sondern ihre Tätigkeitungehindert fortsetzen 71 . Die Massnahme der richterlichenAuflösung einer Handelsgesellschaft <strong>zu</strong>folge organisato-58Vgl. auch <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3, 736 Ziff. 5, <strong>Art</strong>. 775Abs. 2, <strong>Art</strong>. 820 Ziff. 4, <strong>Art</strong>. 831 Abs. 2 a<strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 819, <strong>Art</strong>. 821Abs. 3, <strong>Art</strong>. 908 <strong>OR</strong>.59<strong>Art</strong>. 643 Abs. 3, <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>.60<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>.61Vergleichbar ist die konkursrechtliche Liquidation einer ausgeschlagenenErbschaft (BJM 1999, 264); dafür ist allerdings imSchKG ausdrücklich ein Konkursgrund vorgesehen (<strong>Art</strong>. 193SchKG).62Eine Ausnahme besteht beim Bankenkonkurs, wo die EidgenössischeBankenkommission auch «nur» die Liquidation anordnet(welche nach Sondernormen abläuft; <strong>Art</strong>. 33 ff. BankG;<strong>Art</strong>. 1 ff. BKV), wobei die Anordnung der Liquidation die Wirkungeneiner Konkurseröffnung hat (<strong>Art</strong>. 34 Abs. 1 BankG).63<strong>Art</strong>. 171 ff. SchKG. Beim Anschlusskonkursverfahren gemäss<strong>Art</strong>. 166 ff. IPRG geht eine Konkurseröffnung im Ausland unddie Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets in derSchweiz voraus.64<strong>Art</strong>. 159 ff., <strong>Art</strong>. 171 SchKG.65<strong>Art</strong>. 189 SchKG.66<strong>Art</strong>. 190 SchKG.67<strong>Art</strong>. 191 SchKG.68<strong>Art</strong>. 192 SchKG.69<strong>Art</strong>. 193 SchKG.70Botschaft (FN 5), 3232; Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 8.71Vgl. II.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/2008138272Unter dem bisherigen Recht wurde sie auch als «in keinem Verhältnis<strong>zu</strong>r Grösse der begangenen Gesetzesverlet<strong>zu</strong>ng» stehendbezeichnet (Camponovo [FN 13], 772).73Vgl. FN 13.74Bundesgerichtsurteil 5A_235/2007 vom 14. November 2007,E. 4.3.75Eine Dualität der richterlichen Befassung besteht nach geltendemRecht einzig bei Nachlasskonkurs, bei welchem der Richter,welcher die Ausschlagung der Erbschaft entgegennimmt,das Verfahren an den Konkursrichter weiterleitet.76Duc (FN 5), 463.77Lehmann (FN 29), 421 ff.; vgl. IV.B., IV.C., IV.D., IV.E., IV.F.,IV.G und IV.H.78Gwelessiani (FN 54), Praxiskommentar, N 536.79Botschaft (FN 5), 3232; Sanwald (FN 27) <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 7;Glanzmann (FN 31), Aktienrechtsrevision, 82.80Oder einer Personengesellschaft (<strong>Art</strong>. 545 Abs. 1 Ziff. 7,<strong>Art</strong>. 574 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 619 <strong>OR</strong>).81Vgl. <strong>Art</strong>. 78, <strong>Art</strong>. 89 ZGB; <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3,<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4, <strong>Art</strong>. 775 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 820 Ziff. 4, <strong>Art</strong>. 831Abs. 2 a<strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3 <strong>OR</strong>.rischer Mängel ist sicherlich streng, wenn nicht gar harsch 72 .Sie dürfte ihr Ziel jedoch in aller Regel nicht verfehlen.Aufgrund der unterschiedlichen Handhabung des bisherigenRechts durch die kantonalen Gerichte 73 war sich der Gesetzgeberbewusst, dass strittig war, ob ein Konkursgrund gemässSchKG vorliegt oder nicht. Er hat im Rahmen der Revisiondes Gesellschaftsrechts darauf verzichtet, die Konkursgründeim SchKG <strong>zu</strong> erweitern. Daraus muss geschlossen werden,dass ein bewusster Entscheid vorliegt 74 . Der Gesetzgeber hatoffenbar nicht für notwendig befunden, die Konkursgründe <strong>zu</strong>erweitern. Dafür sprechen durchaus valable Gründe. Andernfallshätte die unsinnige Dualität bestanden 75 , dass der Zivilrichter<strong>zu</strong>nächst die Auflösung der Gesellschaft anordnet unddie Akten dann dem Konkursrichter weitergeben muss, damitdieser nachfolgend noch formell den Konkurs eröffnet.Trotzdem ist zweifelhaft, ob dieser gesetzgeberische«Kunstgriff» als gelungen bezeichnen werden kann. Die «innovative»Lösung 76 schafft Probleme 77 . Sie führt <strong>zu</strong> einem Konkursverfahrenohne Konkursöffnung 78 und ohne «klassischen»(materiellen) Konkursgrund. Sie führt namentlich da<strong>zu</strong>, dasseine Gesellschaft ohne Konkursbetreibung und ohne bzw. unabhängigeiner Überschuldung, einer Illiquidität oder einerZahlungseinstellung nach konkursrechtlichen Regeln liquidiertwird 79 . Der Gesetzgeber hat einen Zwitter geschaffen:Auslöser ist die Verlet<strong>zu</strong>ng gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen.Dies führt <strong>zu</strong>r Auflösung der Gesellschaft. Die Liquidationerfolgt aber nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen.Dies schafft Unklarheiten an den Schnittstellen.Soweit sich nicht zwingend eine eigenständige Regelungaufdrängt, ist der Zwitternatur m.E. wie folgt Rechnung <strong>zu</strong>tragen: Fragen im Zusammenhang mit dem Verfahren derrichterlichen Auflösung sind vor dem Hintergrund analogeroder ähnlicher gesellschaftsrechtlicher Normen <strong>zu</strong> beantworten,welche die richterliche Auflösung einer juristischenPerson 80 regeln 81 . Fragen im Zusammenhang mit der Durchführungder Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurssind grundsächlich vor dem Hintergrund des Vollstreckungsrechts<strong>zu</strong> beantworten. Da<strong>zu</strong> im Einzelnen folgendes:B. Der richterliche Auflösungsentscheid1. Aktiv- und PassivlegitimationSind die gesetzlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen gegeben, so könnenein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer 82mit Klage an den Richter gelangen 83 ; ihnen kommt die Aktivlegitimation<strong>zu</strong>. Bei den Aktionären und den Gläubigern handeltes sich um ein Individualrecht 84 . Nicht aktivlegitimiertsind die Exekutivorgane der Gesellschaft 85 . Passivlegitimiertist die Gesellschaft 86 . Es handelt sich um ein kontradiktorisches,d.h. ein streitiges Verfahren 87 .82Da das Handelsregisteramt nicht handlungsfähig ist, betrachtedie Praxis den Kanton als Antragsteller, welcher durch das Handelsregisteramtvertreten wird.83<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 <strong>OR</strong>.84Lehmann (FN 29), 421.85Lehmann (FN 29), 421; Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 4,für die Geschäftsführer der GmbH; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>: Dominik Vock, ProzessualeFragen bei der Durchset<strong>zu</strong>ng von Aktionärsrechten, Diss.Zürich 2000, 13, für den Verwaltungsrat.86In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>: Lehmann(FN 29), 421; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 625 Abs. 2 a<strong>OR</strong>: ZK-Siegwart, <strong>Art</strong>. 625 <strong>OR</strong> N 35; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,Schweizerisches Aktienrecht,Bern 1996, § 55 Rz. 121; BasK-Baudenbacher, <strong>Art</strong>. 625 <strong>OR</strong>N 13; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3<strong>OR</strong>: ZK-Siegwart, <strong>Art</strong>. 643 <strong>OR</strong> N 40; Peter Forstmoser,Schweizerisches Aktienrecht, Band I/Lieferung 1, Grundlagen,Gründung und Änderungen des Grundkaptials, Zürich 1981,§ 12 Rz. 44; BasK-Schenker, <strong>Art</strong>. 643 <strong>OR</strong> N 6; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (op. cit.), § 17 Rz. 22; HK-Zürcher,<strong>Art</strong>. 643 <strong>OR</strong> N 5; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>: vgl. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel(op. cit.), § 55 Rz. 96; Peter Kunz, Die Klagen im SchweizerAktienrecht, Zürich 1997 (zit. Klagen), 46, 66 f., ders.,Der Minderheitenschutz im schweizerischen Aktienrecht, Bern2001, § 11 Rz. 275 Fn. 696; Vock (FN 85), 13; in Be<strong>zu</strong>g aufdie Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 775 Abs. 2 a<strong>OR</strong>: BasK-Baudenbacher,<strong>Art</strong>. 775 <strong>OR</strong> N 13; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong>N 4; Rino Siffert/Marc Pascal Fischer/Martin Petrin,GmbH-Recht (Hrsg. Baker&McKenzie), Bern 2008, <strong>Art</strong>. 819<strong>OR</strong> N 3; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 820Ziff. 4 a<strong>OR</strong>: Herbert Wohlmann, Die Kapitalgesellschaften,Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, SPR VIII/2, Basel1982, 437; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 821Abs. 3 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 821 <strong>OR</strong> N 14; Handschin/Truniger (FN 43), § 28 Rz. 29; Siffert/Fischer/Petrin (op.cit.), <strong>Art</strong>. 921 <strong>OR</strong> N 14; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 831 Abs. 2 a<strong>OR</strong>: <strong>Art</strong>hur Meier-Hayoz, Handelsrecht,Die Genossenschaft, SPR VIII/5, Basel 1998, 268; BasK-Baudenbacher, <strong>Art</strong>. 831 <strong>OR</strong> N 12.87Lehmann (FN 29), 421.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081383Da die von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> erfassten Mängel die Verlet<strong>zu</strong>ngvon Normen umfassen, welche im öffentlichen Interesse erlassenworden sind 88 , ist der <strong>zu</strong>ständige Handelsregisterführernicht nur berechtigt, sondern gesetzlich verpflichtet, anden Richter <strong>zu</strong> gelangen 89 . Dies ergibt sich aus seiner öffentlichrechtlichenAufsichtsfunktion 90 . Aus praktischen Gründenbesteht diese Pflicht nur dann, wenn die Mängel für ihnwahrnehmbar sind, indem sie aus dem Handelsregister selberoder aus den ihm eingereichten Belegen ersichtlich sind 91 . ImSinne des Subsidiaritätsprinzips und um unnötige Gerichtsverfahren<strong>zu</strong> vermeiden, ist der Handelsregisterführer gehalten,die <strong>zu</strong>r Anmeldung verpflichteten Personen <strong>zu</strong>nächstdurch eingeschriebenen Brief 92 auf<strong>zu</strong>fordern, innert 30 Tagen93 den rechtmässigen Zustand wiederher<strong>zu</strong>stellen. Dabeihat er auf die Rechtsfolgen der Verlet<strong>zu</strong>ng dieser Pflicht hin<strong>zu</strong>weisen.Erst wenn die Frist unbenutzt verstrichen ist, gelangtder Registerführer mit Klage an das Gericht 94 .2. Antrag des KlägersWeil es um die Einhaltung zwingender Normen im öffentlichenInteresse geht, genügt es für die antragsberechtigtePerson – gleich wie im Vormundschaftsrecht 95 – <strong>zu</strong> beantragen,es seien die erforderlichen Massnahmen <strong>zu</strong> treffen 96 .Der Antragsteller muss nicht eine spezifische Massnahmebeantragen. Der Richter wäre denn auch nicht an spezifischeAnträge gebunden 97 .3. Zuständigkeit88Vgl. III.C.89<strong>Art</strong>. 941a Abs. 1 <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 154 Abs. 3 HRegV.90ZR 1995 Nr. 42.91Botschaft (FN 5), 3239; Holderegger (FN 21), 17 Fn. 44.92<strong>Art</strong>. 154 Abs. 2 HRegV.93Da es sich um eine gesetzliche Frist handelt, kann sie nicht erstrecktwerden.94<strong>Art</strong>. 154 Abs. 3 HRegV.95<strong>Art</strong>. 393 Abs. 1 ZGB.96<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1, <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3, <strong>Art</strong>. 911 Ziff. 4 <strong>OR</strong>.97Vgl. IV.B.7.a.98<strong>Art</strong>. 3 Abs. 1 lit. b GestG (in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>: Lehmann (FN 29), 422; in Be<strong>zu</strong>g aufdie Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27),<strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 4); <strong>Art</strong>. 9 Abs. 1 lit. b E-ZPO.99<strong>Art</strong>. 3 E-ZPO.Örtlich <strong>zu</strong>ständig ist der Richter am Sitz der Gesellschaft 98 .Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der anwendbarenProzessordnung. Dies sind die kantonalen Zivilprozessordnungenbzw. Gerichtsorganisationsgesetze. Daranwird sich auch unter der Eidgenössischen Zivilprozessordnungnichts ändern, da die sachliche Zuständigkeitsordnungin der kantonalen Gesetzgebungskompetenz verbleibt 99 . Daskantonale Recht sieht häufig vor, dass ein Einzelrichter <strong>zu</strong>ständigist 100 . Sofern das kantonale Recht noch nicht an dieneuen Bestimmungen des <strong>OR</strong> 101 angepasst worden ist 102 , istdurch Auslegung <strong>zu</strong> ermitteln, ob die bisherige Regelung fürdie Zuständigkeit des Einzelrichters <strong>zu</strong>lässt, diese Ordnungauch auf das Verfahren gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 <strong>OR</strong> an<strong>zu</strong>wenden.4. VerfahrenDas <strong>OR</strong> regelt nicht, welche Verfahrensart Anwendung findet.Bei <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 <strong>OR</strong> geht es einzig darum, ob einMangel in der Organisation vorliegt. Dies ist in aller Regeleinfach fest<strong>zu</strong>stellen. Aufgrund dessen kommt denn auchdem Handelsregisterführer ein Klagerecht und in gewissenFällen gar eine Pflicht <strong>zu</strong>r Klage <strong>zu</strong> 103 . Liegt in tatsächlicherHinsicht ein Mangel vor, so ist nur noch <strong>zu</strong> entscheiden, obeine weniger einschneidende Massnahme genügt oder ob dieGesellschaft aufgelöst werden soll. Wesensmässig würdesich dafür das summarische Verfahren aufdrängen.Welches Verfahren <strong>zu</strong>r Anwendung gelangt, richtet sichim heutigen Zeitpunkt nach den kantonalen Zivilprozessordnungen.Diese sehen häufig ein summarisches Verfahrenvor 104 . Es dürfte sich häufig um Fälle «klaren Rechts» mitunstreitigen oder sofort beweisbaren Verhältnissen handeln,wofür verschiedene Prozessordnungen das summarischeVerfahren vorsehen 105 .100Für den Kanton St. Gallen: Zivilprozessverordnung, Anhang 1Fn. 46 und lit. c Ziff. 71; Christoph Leuenberger/BeatriceUffer-Tobler, Kommentar <strong>zu</strong>r Zivilprozessordnung des KantonsSt. Gallen, Bern 1999, <strong>Art</strong>. 15 ZPO SG N 2a.; für den KantonZürich: Beschluss des Kantonsrates vom 7. Januar 2008 überdie Bezeichnung der <strong>zu</strong>ständigen Instanzen gemäss Änderungdes <strong>OR</strong> vom 16. Dezember 2005 (GS 211.51); für den KantonWallis:, <strong>Art</strong>. 78 Abs. Nr. 33 EG ZGB VS; für den Kanton AppenzellInnerrhoden: <strong>Art</strong>. 38 Ziff. 2 ZPO AI.101<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3, <strong>Art</strong>. 819, <strong>Art</strong>. 908 <strong>OR</strong>.102Für den Kanton Zürich ist dies mit Beschluss des Kantonsratesvom 7. Januar 2008 über die Bezeichnung der <strong>zu</strong>ständigen Instanzengemäss Änderung des <strong>OR</strong> vom 16. Dezember 2005 (GS211.51) geschehen.103Vgl. IV.B.1.104Für den Kanton Zürich: Beschluss des Kantonsrates vom 7. Januar2008 über die Bezeichnung der <strong>zu</strong>ständigen Instanzen gemässÄnderung des <strong>OR</strong> vom 16. Dezember 2005 (GS 211.51);für den Kanton St. Gallen: Leuenberger/Uffer-Tobler(FN 100), <strong>Art</strong>. 15 ZPO SG N 2a.; für den Kanton Wallis: <strong>Art</strong>. 78Abs. 1 Nr. 33 i.V.m. Abs. 2 lit. a. EG ZGB VS.105Vgl. <strong>Art</strong>. 244 lit. und <strong>Art</strong>. 253 Abs. 1 E-ZPO (<strong>Art</strong>. 246 lit. cZiff. 6 E-ZPO sieht das Summarverfahren für die Anset<strong>zu</strong>ngeiner Frist bei ungenügender Anzahl von Mitgliedern oder Fehlenvon notwendigen Organen vor. Auch wenn <strong>Art</strong>. 246 E-ZPOkeine abschliessende Aufzählung enthält [«insbesondere»],legt der Umstand, dass der Gesetzgeber nur die Fristanset<strong>zu</strong>ng[so<strong>zu</strong>sagen als Vorbereitungshandlung], nicht aber den Auflösungsbeschluss[als Folge] davon erwähnt, den Schluss nahe,dass die Auflösung nach erfolgter Fristanset<strong>zu</strong>ng von dieser Bestimmunggerade nicht erfasst werden sollte.).


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081384Da dem richterlichen Entscheid volle materielle Rechtskraft<strong>zu</strong>kommen muss 106 , darf m.E. von Bundesrechts wegenweder eine Beweismittel- noch eine BeweisstrengebeschränkungPlatz greifen 107 , wie dies bei summarischen Verfahrenim eigentlichen Sinn 108 üblich ist. Insofern handelt es sich umein unübliches summarisches Verfahren, da sich ein normalessummarisches Verfahren durch Beweisbeschränkungenauszeichnet 109 .5. VerfahrensgrundsätzeWie im Vormundschaftsrecht geht es bei <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> umdie Einhaltung zwingender Bestimmungen im Interesse derAllgemeinheit 110 . Dies hat Auswirkungen auf die Verfahrensgrundsätze:Es gilt die beschränkte Offizialmaxime 111 :Erstens ist der Handelsregisterführer verpflichtet, Klage ein<strong>zu</strong>leiten112 . Zweitens ist das Gericht nicht an den Antrag desKlägers gebunden 113 ; dieser muss den auch keine spezifischeMassnahme beantragen 114 . Drittens können die Parteien nichtüber den Streitgegenstand verfügen, weshalb sie keinen Vergleichschliessen können 115 . Es gilt <strong>zu</strong>dem m.E. der Untersuchungsgrundsatz,indem das Gericht den relevanten Sachverhaltvon Amts wegen ab<strong>zu</strong>klären hat 116 . Dies gilt m.E. auchunter der E-ZPO, obwohl der Wortlaut von <strong>Art</strong>. 251 E-ZPOkeinen Hinweis darauf enthält, dass die Aufzählung nicht abschliessendist 117 .6. Vorsorgliche MassnahmenStellt ein Gläubiger das Konkursbegehren, kann der Konkursrichterdie <strong>zu</strong>r Wahrung der Gläubiger notwendigenvorsorglichen Anordnungen treffen 118 . Wenn eine Gesellschaftwegen Mängeln in der Organisation aufgelöst wird,106Vgl. IV.B.14.107Insofern gilt dasselbe wie in den m.E. analogen Fällen des Einsichtsrechtsdes Aktionärs gemäss <strong>Art</strong>. 697h Abs. 2 <strong>OR</strong> (BGE120 II 354 ff.) und der Mieterausweisung gemäss <strong>Art</strong>. 274g <strong>OR</strong>(BGE 117 II 558 f.).108Vgl. Oscar Vogel/Karl Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts,8. A., Bern 2006, Kap. 12 Rz. 160 ff.109Vgl. allgemein <strong>zu</strong> den «anderen» summarischen Verfahren(ohne Beweisbeschränkungen): Vogel/Spühler (FN 108),Kap. 12 Rz. 164 ff.110Vgl. III.C.111Lehmann (FN 29), 423.112Vgl. VI.B.1.113Vgl. IV.B.7.a.114Vgl. IV.B.2.115Vgl. IV.B.12.116In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 78 ZGB: CHK-Niggli, <strong>Art</strong>. 78 ZGB N 10.117Der Untersuchungsgrundsatz soll nur gelten, wenn (a) das Gerichtals Konkurs- oder Nachlassgericht <strong>zu</strong> entscheiden hat oder(b) bei Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (<strong>Art</strong>. 251E-ZPO).118<strong>Art</strong>. 170 SchKG.muss sie nicht überschuldet sein 119 . Aufgrund dessen werdenvorsorgliche Massnahmen <strong>zu</strong>gunsten der Gläubiger wenigerhäufig angezeigt sein; sie können aber gleichsam notwendigsein. Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Verfahren dafür richten sich nachden Bestimmungen der anwendbaren Prozessordnungen;<strong>Art</strong>. 170 SchKG kommt nicht analog <strong>zu</strong>r Anwendung. Möglichist z.B., gewisse Verfügungsbeschränkungen <strong>zu</strong> erlassen.Nach den meisten Prozessordnungen können vorsorglicheMassnahmen vom Richter nach Rechtshängigkeit desProzesses auch von Amtes wegen, d.h. ohne entsprechendenAntrag einer Partei angeordnet werden; dies gilt vor allemfür Streitigkeiten, für welche die Offizialmaxime gilt 120 . Diesgilt m.E. für den Fall der richterlichen Auflösung der Gesellschaftvon Bundesrechts wegen 121 . Die zwingenden Normendes Gesellschaftsrechts (welche verletzt sind) sowie der Verkehrsschutzerheischen es, dass der Richter nach Rechtshängigkeitdes Prozesses selbständig die notwendigen Massnahmenanordnet. Wenn der Richter schon für den Endentscheidnicht an die Anträge des Klägers gebunden ist 122 , so mussdies für den vorsorglichen Rechtsschutz a fortiori gelten.7. Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Modalitäten desrichterlichen Entscheidsa. AllgemeinesBeim Entscheid, welche Massnahme der Richter ergreifenwill, kommt ihm – ähnlich wie bei der Auflösung der Gesellschaftaus wichtigem Grund 123 – ein wesentlicher Handlungsspielraum<strong>zu</strong>. Er hat dabei die konkreten Umstände desEinzelfalles <strong>zu</strong> berücksichtigen 124 . Da es um die Einhaltungvon zwingenden Gesetzesbestimmungen geht 125 , hat er beiseinem Entscheid nicht Individualinteressen in den Vordergrund<strong>zu</strong> stellen, sondern dem Verkehrsschutz Rechnung <strong>zu</strong>tragen 126 . Er ist deshalb auch nicht an allfällige spezifischeAnträge der antragstellenden Partei gebunden 127 .119Vgl. IV.A.120Für den Kanton Zürich: § 110 ZPO ZH; Richard Frank/HansSträuli/Georg Messmer, Kommentar <strong>zu</strong>r zürcherischen Zivilprozessordnung,3. Aufl., Zürich 1997, § 110 ZPO N 25 undN 70; für dem Bund: <strong>Art</strong>. 257 ff. E-ZPO; BBl 2006 7353.121Der Anspruch auf vorsorglichen Rechtsschutz ist eine Frage desungeschriebenen Bundesrechts (vgl. Vogel/Spühler [FN 108],Kap. 12 Rz. 204). Zur dualistischen Theorie des Bundesgerichtsvgl. BGE 103 II 5, 104 II 179.122Vgl. VI.B.7.a.123<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>.124Botschaft (FN 5), 3232.125Vgl. III.C.126In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong>: Sanwald(FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 5127Botschaft (FN 5), 3232; Duc (FN 5), 464; ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> N 8; Kuko-Huber, <strong>Art</strong>. 192 SchKGN 16. In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4<strong>OR</strong>: Lukas Handschin, Auflösung der Aktiengesellschaft auswichtigem Grund und andere sachgerechte Lösungen, SZW1993, 44; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong>:


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081385Die drei im Gesetz aufgezählten Massnahmen 128 stehenm.E. grundsätzlich in einem gewissen Stufenverhältnis 129 ;eine gravierendere Massnahme soll nur und erst dann angeordnetwerden, wenn eine mildere nicht genügt oder erfolglosgeblieben ist. Dies gilt namentlich für die einschneidendsteMassnahme, nämlich die Auflösung durch den Richter. Inerster Linie soll der Mangel beseitigt werden, damit die Gesellschaftweiter bestehen kann. Ist dies nicht möglich bzw.sind entsprechende Massnahmen erfolglos geblieben, ist dieGesellschaft auf<strong>zu</strong>lösen 130 . In diesem Sinne ist die Auflösungder Gesellschaft ulima ratio 131 .b. Un<strong>zu</strong>lässige AlternativenWenn der Richter die Auflösung der Gesellschaft anordnet,so genügt es, wenn er im Entscheid anfügt, dass die Liquidationnach den Vorschriften über den Konkurs stattfindet. Ermuss das Konkursamt nicht besonders mit der Abwicklungbeauftragen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dassdie Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs stattfindet.Der Richter kann keine anderen Massnahmen treffen:Er kann insbesondere nicht die Auflösung der Gesellschaftnach den Normen des Gesellschaftsrechts verfügen. Er kannaber auch nicht eine andere Person als das Konkursamt mitder Liquidation betrauen 132 . Er kann namentlich für die Liquidationnach den konkursrechtlichen Bestimmungen keinenSachwalter ernennen 133 . Diese Regelung 134 kommt nur<strong>zu</strong>m tragen, wenn ein fehlendes Organ ersetzt werden soll(ohne die Gesellschaft auf<strong>zu</strong>lösen), nicht aber im Fall derAuflösung der Gesellschaft und deren konkursamtlicher Liquidation.Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 5; Siffert/Fischer/Petrin(FN 86), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 3; vgl. auch <strong>Art</strong>. 56 Abs. 2 E-ZPO.128<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 1–3 <strong>OR</strong>.129A.M. offenbar Vogt/Bieri/Zuberbühler (FN 31), 38, wonacheine Liquiation nach den Vorschriften über den Konkurs bei Fehleneiner Revisionsstelle wohl kaum je in Frage komme, wenndie Gesellschaft weder überschuldet noch zahlungsunfähig ist.130Kuko-Huber, <strong>Art</strong>. 192 SchKG N 16.131ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> N 21; EGV-SZ 2004,Nr. 2.2, E. 3.d. In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736Ziff. 4 <strong>OR</strong>: BasK-Stäubli, <strong>Art</strong>. 736 <strong>OR</strong> N 22; <strong>Art</strong>hur Meier-Hayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht,9. A., Bern 2004, § 16 Rz. 196; Böckli (FN 10), § 16 Rz. 194,§ 17 Rz. 11; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 821Abs. 3 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 821 <strong>OR</strong> N 15.132A.M. offenbar das Kantonsgerichtspräsidium Nidwalden («DasKantonsgerichtspräsidium Nidwalden hat mit Verfügung vom24.4.2008 Peter Fuhrer in Anwendung von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1Ziff. 3 <strong>OR</strong> als Liquidator der bereits aufgelösten Gesellschafteingesetzt, mit dem Auftrag, die Gesellschaft nach den Vorschriftenüber den Konkurs <strong>zu</strong> liquidieren.»; vgl. SHAB Nr. 93vom 16. Mai 2008, S. 11 betreffend Mimer AG). Zum altenRecht vgl. ZR 1996 Nr. 41; EGV-SZ 2004, A. 2.2. E. 3.d.133Zur Möglichkeit, im Konkursverfahren eine ausseramtlicheKonkursverwaltung <strong>zu</strong> wählen vgl. IV.C.2.a.134<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 2 <strong>OR</strong>.Der Richter kann auch nicht anstatt die Liquidation (nachden Vorschriften über den Konkurs) an<strong>zu</strong>ordnen, einen Konkursaufschub(<strong>Art</strong>. 725a <strong>OR</strong>) gewähren. Erstens steht dieseMöglichkeit nur offen, wenn der Verwaltungsrat vorgängigseiner Pflicht nachgekommen ist, die Bilanz beim Richter<strong>zu</strong> deponieren (<strong>Art</strong>. 725 Abs. 2 <strong>OR</strong>) 135 . Zweitens gibt es imFall von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> gar keine Konkurseröffnung 136 , welcheaufgeschoben werden könnte. Drittens ist die Auflösunggemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> keine Folge der Insolvenz der Gesellschaft,sondern Folge von Mängeln in der Organisation. Aufgrunddessen kann die Insolvenz auch nicht aufgeschobenwerden, wenn «Aussicht auf Sanierung» besteht (<strong>Art</strong>. 725aAbs. 1 <strong>OR</strong>).c. Fristanset<strong>zu</strong>ngWie sich bereits aus <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 1 <strong>OR</strong> ergibt, mussder Richter die Auflösung vorgängig angedroht haben. Dadie Auflösung eine gravierende Massnahme darstellt, mussder Richter m.E. auch dann vorgängig die Auflösung androhen,wenn dies der Handelsregisterführer schon getan hat 137 .Unterlässt es die Gesellschaft, den vom Gericht gefordertenKostenvorschuss <strong>zu</strong> leisten 138 , so hat sich bei einzelnen Gerichtendie (begrüssenswerte) Praxis eingebürgert, dem Kläger(sofern es sich nicht um das Handelsregisteramt handelt)Frist an<strong>zu</strong>setzen, von sich auch den Vorschuss <strong>zu</strong> leisten, umdadurch die konkursamtliche Liquidation <strong>zu</strong> vermeiden.Das Gesetz schreibt keine bestimmte Dauer der Frist vor,welche der Richter der Gesellschaft ansetzen muss. Diesemuss den Umständen des Einzelfalles angemessen sein 139 .Dem Richter kommt ein erhebliches Ermessen <strong>zu</strong> 140 . Es handeltsich um eine richterliche Frist. Als solche ist sie (nachMassgabe der anwendbaren Verfahrensordnung) erstreckbar;dafür bestehen keine hohen Anforderungen 141 . In Anbetrachtdessen, dass für die Behebung der meisten Mängel eine Generalversammlungab<strong>zu</strong>halten ist, sollte die Frist unter Berücksichtigungvon <strong>Art</strong>. 700 Abs. 1 <strong>OR</strong> in der Regel mindestens30 Tage 142 und höchstens ca. 60 Tage betragen 143 . Daeine Fristerstreckung möglich ist und <strong>zu</strong>folge der Erfahrung,dass eine erhebliche Zahl von Gesellschaften trotz Fristanset<strong>zu</strong>nggänzlich untätig bleibt, ist es <strong>zu</strong>lässig, <strong>zu</strong>nächst einekurze Frist (von z.B. 10 Tagen) an<strong>zu</strong>setzen. Dies rechtfertigtsich insbesondere, wenn schon der Handelsregisterführer135BasK-Wüstiner, <strong>Art</strong>. 725a <strong>OR</strong> N 4 m.w.H.136Vgl. IV.A.137Vgl. VI.B.1.138<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>OR</strong>.139In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2 a<strong>OR</strong>:BasK-Baudenbacher, <strong>Art</strong>. 625 <strong>OR</strong> N 15.140In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2 a<strong>OR</strong>:BasK-Baudenbacher, <strong>Art</strong>. 625 <strong>OR</strong> N 17.141Für den Kanton Zürich vgl. § 195 Abs. 2 GVG ZH; für denKanton St. Gallen vgl. <strong>Art</strong>. 78 Abs. 1 und <strong>Art</strong>. 79 GerG SG; fürden Bund vgl. <strong>Art</strong>. 142 Abs. 2 E-ZPO.142Vgl. <strong>Art</strong>. 152 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 153 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 154 Abs. 1 HRegV.143Vgl. BasK-Watter, <strong>Art</strong>. 727f <strong>OR</strong> N 3.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081386vorgängig eine Frist (von 30 Tagen 144 ) angesetzt hat, <strong>zu</strong>malin der Fristanset<strong>zu</strong>ng auf die Folgen bei Säumnis hingewiesenwird 145 .d. FristwiederherstellungDie vom Richter angesetzte Frist ist nach Massgabe desanwendbaren Prozessrechts auch einer Wiederherstellung<strong>zu</strong>gänglich, sofern die gesetzlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen da<strong>zu</strong>erfüllt sind 146 . Wo die Rechtsordnungen (z.B. bei grobemVerschulden) die Zustimmung der Gegenpartei für eineFristwiederherstellung verlangen 147 , dürfte dies im Regelfall,da der Kanton (handelnd durch das Handelsregisteramt) Gegenparteiist 148 , kein Problem darstellen. Nach Massgabe desanwendbaren Prozessrechts kann eine Fristwiederherstellungauch noch nach Eintritt der Rechtskraft gewährt werden 149 .Die Prozessordnungen sehen jedoch entweder relative Fristen(nach Wegfall des Hindernisses 150 ) oder absolute Fristen(nach Eintritt der Rechtskraft 151 ) vor, innert welcher das Gesuchum Wiederherstellung der Frist gestellt werden muss.Wird sowohl ein Rechtsmittel ergriffen als auch eine Fristwiederherstellungbeantragt, muss <strong>zu</strong>folge des Devolutiveffektsdie Rechtsmittelinstanz über die Fristwiederherstellungentscheiden 152 .Sind die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für eine Fristwiederherstellungnicht erfüllt 153 , so bleibt nur noch, die nachträgliche Behebungdes Mangels auf dem Rechtsmittelweg als echtes Novumgeltend <strong>zu</strong> machen, sofern dies nach der anwendbarenVerfahrensordnung möglich ist 154 .8. Zeitpunkt der Fällung des EntscheidsBei einer Konkurseröffnung gemäss SchKG hat der Konkursrichterim Konkurserkenntnis den Zeitpunkt der Konkurseröffnungfest<strong>zu</strong>halten 155 . Dies gilt auch für die Rechtsmittelinstanz,wenn dem Weiter<strong>zu</strong>g gegen ein Konkurserkenntnis144Vgl. IV.B.1.145Vgl. IV.B.1.146Für den Kanton Zürich vgl. § 199 f. GVG ZH; für den Bundvgl. <strong>Art</strong>. 146 f. E-ZPO.147Für den Kanton Zürich: § 199 Abs. 1 GVG.148Vgl. IV.B.1.149Für den Kanton Zürich: § 200 Abs. 1 GVG ZH; Robert Hauser/ErhardSchweri, Kommentar <strong>zu</strong>m zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz,Zürich 2002, § 200 GVG N 1.150Kanton Zürich: § 199 Abs. 3 GVG ZH; Bund: <strong>Art</strong>. 146 Abs. 2E-ZPO.151Bund: <strong>Art</strong>. 146 Abs. 3 E-ZPO.152Für den Kanton Zürich: § 200 Abs. 2 GVG ZH.153Oftmals wird ein höchstens leichtes Verschulden vorausgesetzt(für den Kanton Zürich: § 199 Abs. 1 und 2 GVG ZH; für denKanton St. Gallen: <strong>Art</strong>. 85 Abs. 2 GerG; für den Bund: <strong>Art</strong>. 146Abs. 1 E-ZPO).154Zum Novenrecht vgl. IV.B.13.155<strong>Art</strong>. 175 SchKG.aufschiebende Wirkung erteilt worden ist 156 . Diese Rechtsprechungbezweckt, eine klare Rechtslage <strong>zu</strong> schaffen unddie Interessen des Schuldners, der Gläubiger und der gutgläubigenDritten gleichermassen <strong>zu</strong> schützen 157 .Die richterliche Anordnung der Auflösung der Gesellschaft(und der Liquidation nach den Vorschriften überden Konkurs) kommt funktional einer Konkurseröffnunggleich 158 . Dem Rechtsschutz des Schuldners, der Gläubigerund der (gutgläubigen) Dritten kommt m.E. die gleiche Bedeutung<strong>zu</strong> wie bei einer formellen Konkurseröffnung. Demist damit Rechnung <strong>zu</strong> tragen, dass allenfalls der Zeitpunktder Anordnung der Auflösung im richterlichen Entscheid genanntsein muss: Soweit dem Rechtsmittel gegen den richterlichenAuflösungsentscheid nicht von Gesetzes wegenaufschiebende Wirkung <strong>zu</strong>kommt 159 , ist m.E. im Urteil nebstdem Datum auch der Zeitpunkt (Uhrzeit) <strong>zu</strong> nennen 160 . Wohingegen dem Rechtsmittel von Gesetzes wegen aufschiebendeWirkung <strong>zu</strong>kommt 161 , ist dies für den erstinstanzlichenRichter nicht erforderlich: Entweder treten die Wirkungenmit Fristablauf (24:00 Uhr des letzten Tages) oder mit demEntscheid der Rechtsmittelinstanz ein.9. Wirkungen des EntscheidsUm mit den Worten des Gesetzgebers (wenn auch in anderemZusammenhang) <strong>zu</strong> sprechen gilt: «Die Anordnungder Liquidation hat die Wirkungen einer Konkurseröffnung(...)» 162 . Der Auflösungsentscheid entspricht damit funktionaleiner Konkurseröffnung.Ordnet der Richter die Auflösung der Gesellschaft an, sohandelt es sich um ein Gestaltungsurteil (die Klage ist eineGestaltungsklage) 163 . Als solches wirkt es gegen jedermann;156BasK-Giroud, <strong>Art</strong>. 175 SchKG N 4; BGE 118 III 39 (= Pra1993, 653), 85 III 157 f.; SJZ 1974, 231.157BGE 118 III 39 (= Pra 1993, 653), 97 I 614.158Vgl. IV.B.9.159In diesen Fällen verhält es sich wie in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>Art</strong>. 174 Abs. 3SchKG.160<strong>Art</strong>. 175 SchKG und <strong>Art</strong>. 159 Abs. 1 lit. b HRegV analog. Soscheint denn auch die Praxis im Kanton Zug <strong>zu</strong> sein (vgl. SHAB68/2008 vom 9. April 2008, S. 19); <strong>zu</strong>m alten Recht vgl. FZR2002, 255/256. Zur Publikation vgl. IV.C.3.c.161Zur aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel vgl. IV.B.13.162<strong>Art</strong>. 34 Abs. 1 BankG für die Liquidation insolventer Bankenim Bankenkonkurs.163Im Allgemeinen: Hans Ulrich Walder-Richli, Zivilprozessrecht,4. Aufl., Zürich 1996, § 24 Rz 32; Adrian Staehelin/Thomas Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 13 N 24;Adrian Staehelin/Daniel Staehelin/Pascal Grolimund,Zivilprozessrecht, Zürich 2008, § 14 Rz. 17; in Be<strong>zu</strong>g auf dieAuflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 545 Abs. 1 Ziff. 7 <strong>OR</strong>: ZK-Siegwart,<strong>Art</strong>. 545/547 <strong>OR</strong> N 33; Werner von Steiger, Handelsrecht,Gesellschaftsrecht, SPR VIII/1, Basel 1976, 460;BasK-D. Staehelin, <strong>Art</strong>. 545/546 <strong>OR</strong> N 34; Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 131), § 12 Rz. 81; HK-Fellmann/Müller,<strong>Art</strong>. 545 <strong>OR</strong> N 7; CHK-Jung, <strong>Art</strong>. 545–546 <strong>OR</strong> N 11; in Be<strong>zu</strong>g


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081387es kommt ihm sog. erga omnes-Wirkung <strong>zu</strong> 164 . Das Urteilentfaltet seine Wirkung (mit Rechtskraft) ex nunc 165 . Wirddie Klage dagegen abgewiesen, so kommt dem Urteil keineauf die auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 625 Abs. 2 a<strong>OR</strong>:Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86), § 55 Rz. 121; inBe<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3 a<strong>OR</strong>:Forstmoser (FN 86), § 12 Rz. 55; BasK-Schenker, <strong>Art</strong>. 643<strong>OR</strong> N 10; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736Ziff. 4 <strong>OR</strong>: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86),§ 55 Rz. 104; Böckli (FN 10), § 16 Rz. 211; Kunz, Klagen(FN 86), 106, 186; ders. Zur Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736Ziff. <strong>OR</strong> – Garant für ein indirektes Austrittsrecht?, in: FS R.Bär (Hrsg. R. von Büren), Bern 1998 (zit. Auflösungsklage),247; Vock (FN 85), 13; BGE 109 II 143 (= Pra 1982 Nr. 241);in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 820 Ziff. 4 a<strong>OR</strong>:Wohlmann (FN 86), 437; BasK-Stäubli, <strong>Art</strong>. 820 <strong>OR</strong> N 22;in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 831 Abs. 2a<strong>OR</strong>: BasK-Heini/Scherrer, <strong>Art</strong>. 77 ZGB N 11; in Be<strong>zu</strong>gauf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3 <strong>OR</strong>: Sanwald(FN 27), <strong>Art</strong>. 821 <strong>OR</strong> N 28; Siffert/Fischer/Petrin (FN 86),<strong>Art</strong>. 921 <strong>OR</strong> N 14; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 78 ZGB: BK-Riemer, <strong>Art</strong>. 76–78 ZGB B 56; BasK- Heini/Scherrer,<strong>Art</strong>. 78 ZGB N 8; Vogel/Spühler (FN 108),Kap. 7 Rz. 39; CHK-Niggli, <strong>Art</strong>. 78 ZGB N 10; in Be<strong>zu</strong>g aufdie Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 88 Abs. 2/<strong>Art</strong>. 89 ZGB: BK-Riemer, <strong>Art</strong>. 88/89 ZGB N 31. Vgl. auch <strong>Art</strong>. 85 E-ZPO; BBl2006 7288.164Im Allgemeinen: Vogel/Spühler (FN 108), Kap. 8 Rz. 82;Walder (FN 163), § 26 Rz. 110; BGE 122 III 285; in Be<strong>zu</strong>gauf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 545 Abs. 1 Ziff. 7 <strong>OR</strong>:von Steiger (FN 163), 460; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3 <strong>OR</strong>: ZK-Siegwart, <strong>Art</strong>. 643 <strong>OR</strong>N 42; Forstmoser (FN 86), § 12 Rz. 51; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86), § 17 Rz. 25; HK-Zürcher, <strong>Art</strong>. 643<strong>OR</strong> N 5; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736Ziff. 4 <strong>OR</strong>: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86), § 55Rz. 105; Böckli (FN 10), § 17 Rz. 16; BasK-Stäubli, <strong>Art</strong>. 736<strong>OR</strong> N 28; Kunz, Auflösungsklage (FN 163), 247; HK-Kuster,<strong>Art</strong>. 736 <strong>OR</strong> N 11; BGE 109 II 143 (=Pra 1983, Nr. 241); in Be<strong>zu</strong>gauf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 820 Ziff. 4 a<strong>OR</strong>: BasK-Stäubli, <strong>Art</strong>. 820 a<strong>OR</strong> N 23; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 821 <strong>OR</strong>N 28; Siffert/Fischer/Petrin (FN 86), <strong>Art</strong>. 921 <strong>OR</strong> N 14.165Im Allgemeinen: Walder (FN 163), § 24 Rz. 21; BGE 96 II279; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 545 Abs. 1Ziff. 7 <strong>OR</strong>: ZK-Siegwart, <strong>Art</strong>. 545/547 <strong>OR</strong> N 34; von Steiger(FN 163), 460; BasK-D. Staehelin, <strong>Art</strong>. 545/546 <strong>OR</strong> N 34;Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 131), § 12 Rz. 81; CHK-Jung,<strong>Art</strong>. 545–546 <strong>OR</strong> N 11; HK-Fellmann/Müller, <strong>Art</strong>. 545 <strong>OR</strong>N 7; BGE 74 II 173; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 643 Abs. 3 <strong>OR</strong>: Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 131), § 1Rz. 41; Forstmoser (FN 86), § 12 Rz. 55; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 820 Ziff. 4 a<strong>OR</strong>: Wohlmann (FN 86),437; BasK-Stäubli, <strong>Art</strong>. 820 <strong>OR</strong> N 23; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3 <strong>OR</strong>: Sanwald (FN 27),<strong>Art</strong>. 821 <strong>OR</strong> N 28; Siffert/Fischer/Petrin (FN 86), <strong>Art</strong>. 921<strong>OR</strong> N 14; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 78ZGB: BK-Riemer, <strong>Art</strong>. 76–78 ZGB B 56; BasK- Heini/Scherrer,<strong>Art</strong>. 78 ZGB N 8; CHK-Niggli, <strong>Art</strong>. 78 ZGB N 10.Gestaltungswirkung <strong>zu</strong> und es wirkt nur zwischen den Prozessparteien(inter partes) 166 .Wird über die Gesellschaft auf dem im SchKG vorgesehenWeg (durch den Konkursrichter) der Konkurs eröffnet, sowird das Verfahren gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> gegenstandslos 167 .10. StreitwertGestaltungsklagen gehen auf Gestaltung (Begründung, Änderungoder Auflösung) eines Rechtsverhältnisses 168 . Beider Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>handelt es sich um eine Gestaltungsklage 169 . Es geht um dieAuflösung einer Gesellschaft 170 . Nach allgemeinen zivilprozessualenGrundsätzen bemisst sich der Streitwert beiGestaltungsklagen nach dem Vermögenswert des gesamtenRechtsverhältnisses, dessen Gestaltung in Frage steht, undnicht etwa nur nach dem Vorteil, welcher dem Kläger aus derKlage erwächst 171 . Dies gilt m.E. auch für die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> 172 .Bei der Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> bestehenjedoch zwei Besonderheiten: Zum einen muss der Kläger garkeinen bestimmten Antrag (also nicht etwa die Auflösung derGesellschaft) stellen, sondern er kann einfach die Anordnung«der erforderlichen Massnahmen» betragen 173 . Zum andernkann der Richter auch etwas anderes, d.h. auch mehr <strong>zu</strong>sprechen,als der Kläger verlangt, da er an die Anträge desKlägers nicht gebunden ist 174 . Diesen Besonderheiten istm.E. bei der Festset<strong>zu</strong>ng des Streitwertes, namentlich auchbei den Kosten- und Entschädigungsfolgen Rechnung <strong>zu</strong> tragen.166Im Allgemeinen: Kunz (FN 86), Klagen, 102 f.; BGE 122 III284; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 643 Abs. 3<strong>OR</strong>: Forstmoser (FN 86), § 12 Rz. 53; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86), § 17 Rz. 25; HK-Zürcher, <strong>Art</strong>. 643<strong>OR</strong> N 5.167Zur umgekehrten Konstellation vgl. IV.B.15.168Vgl. anstatt aller: Vogel/ Spühler (FN 108), Kap. 7 Rz. 33;vgl. auch <strong>Art</strong>. 85 E-ZPO.169Vgl. IV.B.9.170Vgl. IV.B.7.a.171Leuenberger/Uffer-Tobler (FN 100), <strong>Art</strong>. 75 ZPO SG N 2;Frank/Stäuli/Messmer (FN 120), § 22 ZPO ZH N 7; a.M.Vogel/Spühler (FN 108), Kap. 4 Rz. 95; differenzierend:Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl.,Zürich 1979, 111.172In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 545 Abs. 1 Ziff. 7<strong>OR</strong>: BGE 94 II 124; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss<strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>: a.M. Kunz, Auflösungsklage (FN 163),247; in Be<strong>zu</strong>g auf die erbrechtliche Teilungsklage (wenn derTeilungsanspruch an sich streitig ist): BGE 127 III 398, 86 II455; in Be<strong>zu</strong>g auf die Aufhebung des Miteigentums: ZR 1955Nr. 108.173Vgl. IV.B.2.174Vgl. IV.B.7.a


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/2008138811. Kosten und VorschusspflichtFür einen antragstellenden Gläubiger oder Aktionär richtetsich die Kosten- und Vorschusspflicht für das gerichtlicheVerfahren nach der anwendbaren Prozessordnung. Vom Ergebnisher wäre es gerechtfertigt, <strong>Art</strong>. 706a Abs. 3 <strong>OR</strong>, welcherdie Kostenverteilung bei Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlussesregelt, analog an<strong>zu</strong>wenden 175 . DieseNorm findet m.E. aber keine Anwendung. Dies scheint auchnicht erforderlich. So können die Besonderheiten bei derStreitwertberechung 176 im Rahmen der Kostenregelung angemessenberücksichtigt werden.Von Bundesrechts wegen gilt eine Sonderregel, wenn derAntrag vom Handelsregisterführer gestellt wird; diesfallswerden ihm (bzw. dem Kanton) weder Kostenvorschüssenoch Verfahrenskosten auferlegt 177 . Dies gilt auch für dasVerfahren vor Bundesgericht.12. Fehlende Verfügungsberechtigung derParteien über den StreitgegenstandBei der Auflösung gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> gehtes um die Einhaltung zwingender Normen, welche dem Verkehrsschutzdienen 178 . Den Parteien fehlt deshalb die Verfügungsbefugnisüber den Streitgegenstand. Sie können dasVerfahren nicht durch Vergleich beenden 179 .13. Rechtsmittel gegen den AuflösungsentscheidDie Anordnung des Richters stützt sich weder auf das SchKGnoch handelt es sich um eine Konkurseröffnung. Damit gelangtdie Rechtsmittelordnung des SchKG betreffend Konkurserkenntnissen180 nicht <strong>zu</strong>r Anwendung 181 . Auch <strong>Art</strong>. 36SchKG kommt nicht <strong>zu</strong>r Anwendung 182 . Mangels Konkurseröffnungist auch ein Widerruf des Konkurses nach den Bestimmungendes SchKG 183 ausgeschlossen 184 .175Lehmann (FN 29), 423.176IV.B.10.177<strong>Art</strong>. 154 Abs. 3 Satz 2 HRegV.178Vgl. III.C.179In Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 736 Ziff. 4 <strong>OR</strong>:Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 86), § 55 Rz. 101;Kunz, Klagen (FN 86), 83, in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklagegemäss <strong>Art</strong>. 821 Abs. 3 <strong>OR</strong>: Handschin/Truniger (FN 43),§ 28 Rz. 34; in Be<strong>zu</strong>g auf die Auflösungsklage gemäss <strong>Art</strong>. 78ZGB: BK-Riemer, <strong>Art</strong>. 76–78 ZGB N 54.180<strong>Art</strong>. 174, <strong>Art</strong>. 194 SchKG.181Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. April2008; Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer)vom 3. April 2008.182Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer)vom 3. April 2008.183<strong>Art</strong>. 195 f. SchKG.184Vgl. IV.C.3.b.Der Richter agiert bei seinem Entscheid in Anwendung des<strong>OR</strong>. Die Rechtsmittelordnung richtet sich somit <strong>zu</strong>rzeit nachden Vorschriften der kantonalen Zivilprozessordnungen 185 .Den anwendbaren Rechtsmitteln kommt in der Regel aufschiebendeWirkung <strong>zu</strong> 186 . Kommt einem Rechtsmittel nurdurch Anordnung der Rechtsmittelinstanz aufschiebendeWirkung <strong>zu</strong>, kann sie Sicherungsmassnahmen treffen. Dieserichten sich nach dem anwendbaren Prozessrecht; <strong>Art</strong>. 170SchKG kommt nicht (auch nicht analog) <strong>zu</strong>r Anwendung.Noven sind in aller Regel nur sehr einschränkend <strong>zu</strong>lässig 187 .Soweit die Offizialmaxime Platz greift 188 , gilt jedoch oftmalsein umfassendes Novenrecht 189 .Nach dem Entwurf für eine schweizerische Zivilprozessordnungist gegen erstinstanzliche Endentscheide die Berufunggegeben, sofern der Streitwert 190 der <strong>zu</strong>letzt aufrecht erhaltenenRechtsbegehren mindestens CHF 10 000 beträgt 191 .Die Berufung ist auch möglich gegen Entscheide im summarischenVerfahren 192 . Der Berufung kommt aufschiebendeWirkung <strong>zu</strong> 193 . Diese könnte zwar grundsätzlich von derRechtsmittelinstanz entzogen werden; dies ist jedoch bei Gestaltungsurteilen– worum es sich beim Auflösungsentscheidgemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> handelt 194 – nicht möglich195 . Neue Tatsachen und neue Beweismittel (Noven) sindnach Massgabe von <strong>Art</strong>. 225 Abs. 2 und 3 E-ZPO <strong>zu</strong>lässig 196 .Echte Noven, wie etwa die Behebung des Mangels währendder Rechtsmittelfrist, sind <strong>zu</strong>lässig 197 .Wird der Mangel erst nach Ausfällung des Auflösungsentscheidsbeseitigt, kann in aller Regel keine Revision geführtwerden. Als klassischer Revisionsgrund gilt zwar, wenn neueerhebliche Tatsachen (oder Beweismittel) entdeckt werden.Als Revisionsgründe kommen aber nur Tatsachen in Frage,welche vor dem Urteilszeitpunkt eingetreten sind 198 .Letztinstanzlich richtet sich das Rechtsmittelverfahrennach dem Bundesgerichtsgesetz. Zulässig ist eine Beschwerdein Zivilsachen 199 , sofern der Streitwert 200 mindestens185Im Kanton Zürich ist gegen Verfügungen des Einzelrichters imsummarischen Verfahren der Rekurs <strong>zu</strong>lässig (§ 272 ZPO ZH).186Für den Rekurs im Kanton Zürich: § 275 ZPO.187Für den Rekurs im Kanton Zürich: § 278 i.V.m. § 267 Abs. 1und § 115 und § 138 ZPO ZH.188Vgl. VI.B.5.189Für den Kanton Zürich vgl. § 267 i.V.m. § 115 Ziff. 4 ZPO ZH;Frank/Sträuli/Messmer (FN 120), § 267 ZPO N 10.190Zum Streitwert vgl. IV.B.3.191<strong>Art</strong>. 304 E-ZPO.192<strong>Art</strong>. 311 E-ZPO.193<strong>Art</strong>. 312 Abs. 1 E-ZPO.194Vgl. IV.B.9.195<strong>Art</strong>. 312 Abs. 3 E-ZPO.196<strong>Art</strong>. 314 E-ZPO.197<strong>Art</strong>. 314 i.V.m. <strong>Art</strong>. 225 Abs. 2 lit. a E-ZPO; BBl 2006 7375.198Vgl. allgemein: Vogel/Spühler (FN 108), Kap. 13 Rz. 98; fürden Kanton Zürich vgl. § 293 Abs. 1 ZPO ZH; Frank/Stäuli/Messmer (FN 120), § 293 ZPO N 5; für den Bund vgl. <strong>Art</strong>. 326Abs. 1 lit. a E-ZPO; BBl 2006 7380.199<strong>Art</strong>. 72 ff. BGG.200Zum Streitwert vgl. IV.B.10.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081389CHF 30 000 beträgt 201 oder eine Rechtsfrage von grundsätzlicherBedeutung <strong>zu</strong>r Beurteilung steht 202 . Noven sindgrundsätzlich ausgeschlossen 203 . Obschon einer Beschwerdein Zivilsachen in aller Regel keine aufschiebende Wirkung<strong>zu</strong>kommt 204 , haben Beschwerden in Zivilsachen gegen einGestaltungsurteil, worum es sich beim Auflösungsentscheidhandelt 205 , im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung206 .14. RechtskraftDer Entscheid wirkt mit Eintritt der formellen Rechtskraft.Diese hängt davon ab, ob dem anwendbaren Rechtsmittelaufschiebende Wirkung 207 <strong>zu</strong>kommt 208 . Bis <strong>zu</strong>m Eintritt derformellen Rechtskraft ist der Schuldner aufrecht stehend.Lautet der Entscheid auf Auflösung der Gesellschaft, soliegt ein Gestaltungsurteil vor 209 . Da dieses einschneidendeWirkungen hat, ist evident, dass dem Urteil volle materielleRechtskraft <strong>zu</strong>kommen muss. Aufgrund dessen darf ein summarischesVerfahren, sofern ein solches nach dem anwendbarenProzessrecht <strong>zu</strong>r Anwendung gelangt, von Bundesrechtswegen keine Beweisbeschränkungen vorsehen 210 .Nach Eintritt der Rechtskraft kann nach Massgabe desProzessrechts immer noch eine Fristwiederherstellung verlangtwerden 211 . Sind die Vorausset<strong>zu</strong>ngen da<strong>zu</strong> nicht erfüllt,kann m.E. nach Eintritt der Rechtskraft die Auflösungnicht mehr rückgängig gemacht werden und zwar auch dannnicht, wenn der Mangel später geheilt wird 212 . Ein Widerrufist im Gesetz nirgends vorgesehen. So kommt insbesondere<strong>Art</strong>. 153 Abs. 5 HRegV, welcher den Widerruf der Auflösungvorsieht, wenn der gesetzliche Zustand innerhalb vondrei Monaten nach Eintragung der Auflösung wieder hergestelltwird, nicht, auch nicht analog <strong>zu</strong>r Anwendung. DieseBestimmung ist auf Fälle des fehlenden Rechtsdomizils beschränkt213 . In <strong>Art</strong>. 154 HRegV, welcher die Mängel in dergesetzlich zwingenden Organisation regelt, fehlt eine entsprechendeMöglichkeit. Zudem regelt <strong>Art</strong>. 153 HRegV einenFall der Auflösung der Gesellschaft durch den Registerführerund nicht durch den Richter, worum es bei <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> geht.Die richterliche Anordnung der Auflösung der Gesellschaft(und deren Liquidation nach den Vorschriften über201<strong>Art</strong>. 74 Abs. 1 lit. b BGG.202<strong>Art</strong>. 74 Abs. 2 lit. a BGG.203<strong>Art</strong>. 99 Abs. 1 BGG.204<strong>Art</strong>. 103 Abs. 1 BGG.205Vgl. IV.B.9.206<strong>Art</strong>. 103 Abs. 2 lit. a BGG.207Vgl. IV.B.13.208Vgl. anstatt aller: Vogel/Spühler (FN 108), Kap. 8 Rz. 62.209Vgl. IV.B.9.210Vgl. IV.B.4.211Vgl. IV.B.7.d.212Zum Ausschluss der Revision vgl. IV.B.13.213So der Randtitel <strong>zu</strong> <strong>Art</strong>. 153 HRegV.den Konkurs) kann nicht durch Beschlüsse der Gesellschaftwiderrufen, derogiert oder abgeändert werden 214 .15. Mitteilungspflicht des RichtersDas <strong>OR</strong> sieht nicht vor, dass der Richter irgendwelche Behörden<strong>zu</strong> benachrichtigen hat, wenn er eine Gesellschaftauflöst und deren Liquidation nach den Vorschriften über denKonkurs anordnet. Aufgrund des Auflösungsentscheids desRichters wird jedoch ein normales Konkursverfahren durchgeführt215 . Dieses hat für den gesamten Rechtsverkehr grosseBedeutung 216 . Zudem entspricht die richterliche Anordnungfunktional einem Konkurserkenntnis 217 . Aufgrund dessen istder Richter m.E. in analoger Anwendung von <strong>Art</strong>. 176 Abs. 1Ziff. 1 SchKG 218 und <strong>Art</strong>. 158 Abs. 1 lit. a HRegV verpflichtet,seinen Entscheid dem Betreibungs-, Konkurs-, Handelsregister-219 und Grundbuchamt mit<strong>zu</strong>teilen.Zusätzlich macht es Sinn, auch dem Konkursrichter Mitteilung<strong>zu</strong> machen (sofern der für den Auflösungsentscheid<strong>zu</strong>ständige Richter nicht mit dem Konkursrichter identischist), da dieser allenfalls mit Konkurseröffnungsverfahrenbefasst ist, welche durch den Auflösungsentscheid gegenstandsloswerden.Soweit dem anwendbaren Rechtsmittel gegen die richterlicheAnordnung aufschiebende Wirkung <strong>zu</strong>kommt 220 , erfolgtdie Mitteilung an diese Ämter und Behörden erst nachEintritt der Rechtskraft 221 und der Vollstreckbarkeit 222 . Dadas Konkursamt eine Publikation vornehmen, und darin aufden Zeitpunkt der Wirksamkeit des richterlichen Auflösungsbeschlusseshinweisen muss 223 , sollte das Gericht dem Konkursamtunaufgefordert den Zeitpunkt der Rechtskraft desEntscheids mitteilen (<strong>Art</strong>. 175 Abs. 2 SchKG analog) 224 / 225 .214Botschaft (FN 5), 3232; Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 11;Handschin/Truniger (FN 43), § 29 Rz. 12; Beat M. Barthold/FlorianS. Jörg, Kleine Aktienrechtsrevision, Revisiondes Aktienrechts im Schatten der GmbH-Revision, ST 2006,496; Duc (FN 5), 464; BGE 126 III 283 ff.215Vgl. IV.C.216Zur Publikation der richterlichen Auflösung entsprechend derKonkurseröffnung vgl. IV.C.3.c.217Vgl. IV.B.9.218A.M. ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> N 23.219Vgl. auch <strong>Art</strong>. 19 Abs. 1 HRegV.220Vgl. IV.B.13.221Vgl. Verfügung des Obergerichts Zürich (II. Zivilkammer) vom3. April 2008.222<strong>Art</strong>. 19 Abs. 1 HRegV; Verfügung des Obergerichts des KantonsZürich (II. Zivilkammer) vom 3. April 2008 (NL 080036).223Vgl. IV.C.3.c.224Ansonsten müsste das Konkursamt jedes Mal beim Gerichtnachfragen, per wann der Entscheid in Rechtskraft erwachenist.225Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise wird vom BezirksgerichtZürich bereits praktiziert.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/2008139016. Handlungspflichten der ÄmterDas Grundbuchamt seinerseits ist verpflichtet, den Entscheiddes Richters innert zwei Tagen im Grundbuch an<strong>zu</strong>merken 226 .Gleichsam ist der Handelsregisterführer verpflichtet, denEntscheid des Richters unverzüglich 227 im Handelsregisterein<strong>zu</strong>tragen 228 . In Be<strong>zu</strong>g auf den Inhalt der Eintragung giltm.E. <strong>Art</strong>. 159 Abs. 1 HRegV analog; anstelle der Konkurseröffnungtritt der Auflösungsentscheid des Richters. Das Konkursamthat ein normales Konkursverfahren ab<strong>zu</strong>wickeln 229 .C. Abwicklung des Konkursverfahrens1. Normales Konkursverfahren mitabnormalem BeginnGemäss dem Gesetzeswortlaut ordnet der Richter die «Liquidationnach den Vorschriften über den Konkurs» an 230 .Die Vorschriften kommen insofern nur sinngemäss <strong>zu</strong>r Anwendung231 , als es weder materiell einen Konkursgrund nachSchKG noch formell eine Konkurseröffnung gibt 232 . Ansonstenhandelt es sich – abgesehen vom abnormen Beginn – umein normales Konkursverfahren.2. Zuständigkeit der verschiedenen Behördena. Des KonkursamtesSachlich ist <strong>zu</strong>r Abwicklung des Konkursverfahrens das Konkursamt233 <strong>zu</strong>ständig. Örtlich ist das Amt am Sitz der Gesellschaftin der Verantwortung 234 . Diese Zuständigkeitsordnungergibt sich daraus, dass die Vorschriften über den KonkursAnwendung finden. Gemäss SchKG wird das Konkursverfahrenvom Konkursamt geführt. Der Richter muss deshalbim Auflösungsentscheid das <strong>zu</strong>ständige Konkursamt nichtim formellen Sinne «beauftragen» 235 , die Gesellschaft nachden Vorschriften über den Konkurs <strong>zu</strong> liquidieren 236 .226<strong>Art</strong>. 176 Abs. 2 SchKG analog.227<strong>Art</strong>. 19 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 158 Abs. 2 HRegV.228<strong>Art</strong>. 939 Abs. 1 <strong>OR</strong> analog.229Vgl. da<strong>zu</strong> im Einzelnen IV.C.230<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>.231Botschaft (FN 5), 3232; ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong>N 23.232Vgl. IV.A.233A.M. EGV-SZ 2004, Nr. 2.2, E. 3.d, wonach im Gesetz offengelassen werde, wer die Liquidation durchführe.234<strong>Art</strong>. 46 Abs. 2 SchKG; Sanwald (FN 27), <strong>Art</strong>. 819 <strong>OR</strong> N 8.235A.M. <strong>zu</strong>m alten Recht ZWR 1999, 313: «il convenait simplementde charger l’office des faillites compétent de procéder à laliquidation officielle de la recourante en application analogiquedes art. 221 ss LP». In gewissen Kantonen (z.B. Zürich) wirddie Formulierung, dass ein bestimmtes Konkursamt mit derDurchführung des Konkurses «beauftragt» wird, auch bei Konkurseröffnungsentscheiden(<strong>Art</strong>. 171 ff. SchKG) verwendet,damit Klarheit herrscht, welches Konkursamt örtlich <strong>zu</strong>ständigist.Die Grundlagen des Handelns des Konkursamtes sinddieselben wie sonst auch. Es handelt sich denn auch um einnormales Konkursverfahren, wenn auch mit abnormalemBeginn 237 . Wenn der Konkurs im ordentlichen Konkursverfahrenabgewickelt wird, können die Gläubiger auch eineausseramtliche Konkursverwaltung und/oder ein Gläubigerausschusswählen 238 .Der Zeitpunkt, ab welchem das Konkursamt tätig werdenmuss, ist derjenige ab Mitteilung des richterlichen Auflösungsentscheids.Diese Mitteilung erfolgt erst nach Eintrittder Rechtskraft 239 . Soweit dem Rechtsmittel gegen den Auflösungsentscheidaufschiebende Wirkung <strong>zu</strong>kommt (was derRegelfall ist 240 ), kann und muss das Konkursamt (noch) nichttätig werden. Kommt einem Rechtsmittel dagegen erst aufAnordnung der Rechtsmittelinstanz aufschiebende Wirkung<strong>zu</strong>, so verhält es sich gleich wie beim Weiter<strong>zu</strong>g eines Konkurseröffnungsentscheids241 , weshalb m.E. das Konkursamtsofort tätig werden muss.b. Des KonkursrichtersObschon die Anordnung der Auflösung der Gesellschaftdurch den Zivilrichter erfolgt, bleibt der Konkursrichter fürjene Entscheide im Laufe eines Konkursverfahrens <strong>zu</strong>ständig,welche das Gesetz ihm <strong>zu</strong>weist. Dies gilt für den Entscheid,ob der Konkurs mangels Aktiven eingestellt 242 oderob das summarische Konkursverfahren durchgeführt wird 243 .Gleiches gilt für das Schlusserkenntnis 244 . Einen Widerrufdes Konkurses kann der Konkursrichter dagegen mangelsKonkurseröffnung nicht verfügen 245 .c. Des ZivilrichtersEs findet somit keine Kompetenzattraktion durch den Zivilrichterstatt, welcher den Auflösungsentscheid gefällt hat. Diesemkommt im Konkursverfahren keinerlei Funktion mehr <strong>zu</strong>.d. Der AufsichtsbehördenDen SchKG-Aufsichtsbehörden 246 kommen die üblichenBefugnisse <strong>zu</strong>, wie in jedem anderen Konkursverfahren; sie236Er kann aber auch kein anderes Organ (z.B. einen Sachwalter)einsetzen (IV.B.7.b.).237Vgl. IV.C.1.238<strong>Art</strong>. 237 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 253 Abs. 2 SchKG.239Vgl. IV.B.15.240Vgl. IV.B.14.241<strong>Art</strong>. 174 Abs. 3 SchKG.242<strong>Art</strong>. 230/230a SchKG; vgl. SHAB vom 4. Juni 2008 betreffendcd company development ltd., Muri, und SHAB Nr. 108 vom6. Juni 2008, S. 39, betreffend Medpool Verlag AG, Männedorf;<strong>zu</strong>r Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven vgl.IV.C.3.d.243<strong>Art</strong>. 231 SchKG.244<strong>Art</strong>. 268 Abs. 2 SchKG. Zur Publikation im Falle des Aktivenüberschussesvgl. IV.C.4.d.245Vgl. IV.B.14.246<strong>Art</strong>. 13 ff. SchKG.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081391agieren als Aufsichts- 247 , Disziplinar- 248 und Rechtsmittelbehörde249 . Sie treffen auch diejenigen Entscheide, welche ihnendas Gesetzes- oder Verordnungsrecht <strong>zu</strong>weist 250 .3. Anwendbare Vorschriftena. Im AllgemeinenDas <strong>OR</strong> erklärt, die Liquidation sei nach den «Vorschriftenüber den Konkurs» ab<strong>zu</strong>wickeln. Es ist durch Auslegung <strong>zu</strong>ermitteln, welche Bestimmungen des SchKG von diesemgesetzlichen Verweis erfasst sind: Zur Anwendung kommenin erster Linie die <strong>Art</strong>. 197–270 SchKG, welche unter demTitel «Konkursrecht» stehen; sie kommen uneingeschränkt<strong>zu</strong>r Anwendung 251 . Dasselbe gilt für die Bestimmungen derKOV, der VZG und anderer Verordnungen, soweit diese dasKonkursverfahren betreffen.Die gesetzliche Verweisung («Vorschriften über denKonkurs») ist in einem weiten Sinn <strong>zu</strong> verstehen. Sie umfasstauch sämtliche allgemeinen Bestimmungen des SchKG,soweit diese auf ein Konkursverfahren Anwendung findenkönnen 252 . Dies gilt namentlich auch für die betreibungsrechtlicheBeschwerde und die Nichtigkeit 253 . Auch wennsie ausserhalb der allgemeinen Bestimmungen geregelt sind,finden natürlich auch die Bestimmungen über die paulianischeAnfechtung 254 und über den Nachlass im Konkurs 255Anwendung.247<strong>Art</strong>. 13, <strong>Art</strong>. 22 SchKG.248<strong>Art</strong>. 14 SchKG.249<strong>Art</strong>. 17 ff. SchKG.250Vgl. da<strong>zu</strong> Franco Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerdeund Nichtigkeit, Basel/Genf/München 2000, <strong>Art</strong>. 13 SchKGN 19.251Zur analogen Situation der Anordnung der Liquidation einerBank durch die Eidgenössische Bankenkommission vgl. <strong>Art</strong>. 34Abs. 1 und 2 BankG; a.M. ComR-Peter/Cvadini, <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> N 23, und Gwelesaiani, Praxiskommentar (FN 54), N 536;welche lediglich lediglich auf die <strong>Art</strong>. 221 ff. SchKG verweisen.252<strong>Art</strong>. 1–37, <strong>Art</strong>. 44 f., <strong>Art</strong>. 46, <strong>Art</strong>. 56–63, <strong>Art</strong>. 65 SchKG.253<strong>Art</strong>. 17–22 SchKG.254<strong>Art</strong>. 285–292 SchKG. Da <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> keine Insolvenz voraussetzt(vgl. IV.A.), dürften die Überschuldungsanfechtung(<strong>Art</strong>. 287 SchKG) und die Absichtsanfechtung (<strong>Art</strong>. 288SchKG) kaum je bzw. selten <strong>zu</strong>r Anwendung gelangen: Häufigwird es an einer Überschuldung fehlen bzw. der Anfechtungsgegnerwird sich exkulpieren können (<strong>Art</strong>. 287 SchKG) und diesubjektiven Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Absichtsanfechtung werdennur selten gegeben sein.255<strong>Art</strong>. 332 SchKG. Dies gilt dann, wenn ein Nachlassvertrag mitvollständiger Vermögensabtretung <strong>zu</strong>stande kommt. Handelt essich dagegen um einen ordentlichen Nachlassvertrag, so würdeder Konkurs widerrufen (<strong>Art</strong>. 332 Abs. 3 Satz 2 SchKG), ohnedass ein Zwangsliquidationsverfahren fortgeführt wird. Dieswürde <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> <strong>zu</strong>widerlaufen, weshalb einordentlicher Nachlassvertrag (oder ein Nachlassvertrag mit nurteilweiser Vermögensabtretung) nicht möglich ist.b. Kein Widerruf des Konkurses(<strong>Art</strong>. 195 SchKG)Gemäss SchKG kann der Konkurs widerrufen werden, wennder Schuldner nachweist, dass sämtliche Forderungen getilgtsind, jeder Gläubiger seine Konkurseingabe <strong>zu</strong>rückgezogenhat oder ein Nachlassvertrag <strong>zu</strong>stande kommt 256 . Diese Bestimmungkommt m.E. so nicht <strong>zu</strong>r Anwendung: Zum einenfehlt es im Fall von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> an einer Konkurseröffnung,welche widerrufen werden könnte 257 . Zum anderen istder Widerruf des Konkurses ein insolvenzrechtliches Institut,welches vor allem <strong>zu</strong>m Tragen kommt, wenn materiell 258oder formell 259 kein Insolvenzfall (mehr) vorliegt. <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong><strong>OR</strong> knüpft jedoch nicht an eine Insolvenz an und setzt einesolche auch nicht voraus 260 . Die Liquidation nach den Vorschriftenüber den Konkurs ist nur das Mittel, um tatsächlichfür die Liquidation und die Löschung einer Gesellschaft <strong>zu</strong>sorgen, welche Mängel in der Organisation aufweist 261 .Zulässig scheint jedoch eine modifizierte Anwendung von<strong>Art</strong>. 195 SchKG: Sofern einerseits der Mangel in der Organisationnach Massgabe der anwendbaren Bestimmungennachträglich 262 behoben worden ist, kann m.E. der Konkurswiderrufen werden, wenn andererseits die Vorausset<strong>zu</strong>ngenvon <strong>Art</strong>. 195 SchKG gegeben sind. Diesfalls gibt es keinenGrund (mehr), die Gesellschaft zwangsweise <strong>zu</strong> liquidieren.c. Publikation des richterlichenAuflösungsentscheidsDas SchKG knüpft verschiedentlich an die Konkurseröffnungan 263 . Eine solche gibt es beim Konkursverfahrenohne Konkurseröffnung nicht 264 . Funktional entspricht dierichterliche Anordnung, die Gesellschaft auf<strong>zu</strong>lösen und <strong>zu</strong>liquidieren, der Konkurseröffnung. Die richterliche Anordnungist deshalb im Konkursverfahren der Konkurseröffnunggleich<strong>zu</strong>setzen. Die Anordnung des Richters ist deshalb vomKonkursamt <strong>zu</strong> publizieren 265 . In der Publikation ist daraufhin<strong>zu</strong>weisen, dass die Gesellschaft durch richterlichen Entscheidaufgelöst wurde und dass die Liquidation nach denVorschriften über den Konkurs abgewickelt wird, so dass den256<strong>Art</strong>. 195 SchKG.257Vgl. IV.A.258<strong>Art</strong>. 195 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG.259<strong>Art</strong>. 195 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG.260Vgl. IV.A.261Vgl. <strong>zu</strong>m ähnlich gelagerten Umstand, dass kein Konkursaufschubmöglich ist IV.B.7.b.262Vgl. IV.B.7.d.263Vgl. etwa <strong>Art</strong>. 197 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 199 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 202, <strong>Art</strong>. 203,<strong>Art</strong>. 204, <strong>Art</strong>. 205, <strong>Art</strong>. 206, <strong>Art</strong>. 208, <strong>Art</strong>. 209, <strong>Art</strong>. 211 Abs. 2und Abs. 2 bis , <strong>Art</strong>. 212, <strong>Art</strong>. 213 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 214, <strong>Art</strong>. 215Abs. 2, <strong>Art</strong>. 216 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 218, <strong>Art</strong>. 219, <strong>Art</strong>. 221, <strong>Art</strong>. 230Abs. 4, <strong>Art</strong>. 232 Abs. 2 Ziff. 1, <strong>Art</strong>. 286–288, <strong>Art</strong>. 292 Ziff. 2SchKG.264Vgl. IV.B.1.265<strong>Art</strong>. 232 Abs. 1 SchKG analog.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081392Teilnehmern des Rechtsverkehrs verständlich wird, dass einKonkursverfahren durchgeführt wird. M.E. ist in der Publikationauch auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des richterlichenAuflösungsbeschlusses hin<strong>zu</strong>weisen 266 / 267 .d. Einstellung des Konkurses mangels AktivenDer Gesetzgeber hat den (singulären 268 ) Weg der Liquidationnach den Vorschriften über den Konkurs deshalb gewählt, um(anders als bei der Liquidation nach den gesellschaftsrechtlichenNormen) Gewähr <strong>zu</strong> haben, dass die Liquidation auchtatsächlich abgewickelt wird 269 . Bekanntlich kann ein Konkursverfahrennach SchKG nur abgewickelt werden, wenngenügend Masse da ist, um mindestens die Kosten des Verfahrens<strong>zu</strong> decken. Andernfalls wird der Konkurs mangels Aktivenwieder eingestellt 270 . Es stellt sich die Frage, ob aufgrund desgesetzgeberischen Willens, Gesellschaften mit Mängeln in derOrganisation qua Konkurs «aus dem Verkehr <strong>zu</strong> ziehen», dasKonkursverfahren auch dann fortgesetzt und abgeschlossenwerden muss, wenn nicht genügend Aktiven vorhanden sind.Dies ist m.E. nicht der Fall. Der (<strong>OR</strong>-)Gesetzgeber hatkeine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass er vom grundlegendenPrinzip abweichen wollte, Insolvenzverfahren nurdurch<strong>zu</strong>führen, wenn deren Kosten gedeckt sind. Fehlt esdagegen an genügend Masse, wird der Konkurs mangelsAktiven eingestellt 271 . Eine konkursrechtliche Liquidationunterbleibt 272 . Der Konkursrichter bleibt für den Entscheid,den Konkurs mangels Aktiven ein<strong>zu</strong>stellen, <strong>zu</strong>ständig, auchwenn die Einleitung des Konkursverfahrens durch Entscheiddes Zivilrichters erfolgte.Wird innerhalb von drei Monaten nach Publikation derEinstellung des Konkurses mangels Aktiven kein begründeterEinspruch gegen die Löschung erhoben, erfolgt dieLöschung der Gesellschaft im Handelsregister von Amteswegen 273 , womit die Gesellschaft zivilrechtlich untergeht 274 .266Zur unaufgeforderten Mitteilung durch das Gericht vgl. IV.B.15.267In der Praxis haben sich zwei Publikationstexte eingebürgert(der lezte Satz wird in der Praxis bis jetzt [noch] nicht verwendet):«Mit Verfügung vom 10. Mai 2008 hat der Einzelrichteram Bezirksgericht Zürich die Gesellschaft aufgelöst und ihreLiquidation nach den Vorschriften über den Konkurs gemäss<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> angeordnet. Diese Verfügung istam 21. Mai 2008 in Rechtskraft erwachsen.»«Die Gesellschaft ist mit Verfügung des Einzelrichters amBezirksgericht Zürich vom 10. Mai 2008 in Anwendung von<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> aufgelöst worden. Über die Gesellschaftwird die konkursamtliche Liquidation angeordnet. DieVerfügung ist am 21. Mai 2008 in Rechtskraft erwachsen.»268Vgl. IV.B.1.269Vgl. II.270<strong>Art</strong>. 230 SchKG.271Vgl. SHAB vom 4. Juni 2008 betreffend cd company developmentltd., Muri, und SHAB Nr. 108 vom 6. Juni 2008, S. 39,betreffend Medpool Verlag AG, Männedorf.272Zum alten Recht vgl. auch ZWR 1999, 313 Bemerkung.273<strong>Art</strong>. 938a <strong>OR</strong>; <strong>Art</strong>. 159 Abs. 5 lit a HRegV; Franco Lorandi,Einstellung des Konkurses über juristische Personen mangelsDamit ist dem gesetzgeberischen Motiv, Gesellschaften mitmangelhafter Organisation aus dem Rechtsverkehr <strong>zu</strong> ziehen,Genüge getan.In Be<strong>zu</strong>g auf Pfandobjekte von juristischen Personen 275findet trotz Einstellung des Konkurses mangels Aktiven allenfallsein «Miniverfahren» (als Spezialexekution) im Kleiddes Konkurses 276 statt 277 .Wird auf Betreibung und Antrag eines Gläubigers derKonkurs über eine Gesellschaft eröffnet, so haftet dieser fürdie Kosten des Konkursverfahrens bis mit der Einstellung desKonkurses oder bis <strong>zu</strong>m Schuldenruf 278 . Für den Kläger imVerfahren nach <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> besteht keine solche Haftungfür die Kosten des Konkursverfahrens: Zum einen fehlt im<strong>OR</strong> eine entsprechende Bestimmung. Zum anderen findet diekonkursrechtliche Bestimmung 279 keine Anwendung: Sie istvom Verweis in <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> («Bestimmungenüber den Konkurs») nicht erfasst; der gesetzliche Verweiserfasst nur Normen, welche die Abwicklung des Konkursverfahrensdurch das Konkursamt regeln. Mangels Haftungkann der Richter, welcher über die Auflösung entscheidet,vom Kläger auch keinen entsprechenden Kostenvorschussverlangen. Damit sind die Kosten des Konkursverfahrens,wenn dieses mangels Aktiven eingestellt werden muss, vomGemeinwesen (Staat) <strong>zu</strong> tragen 280 , da das Konkursamt die bisdahin aufgelaufenen Kosten auf niemanden abwälzen kann.e. AktivenüberschussWie gesehen setzt die Anordnung der Auflösung und dieLiquidation nach den Vorschriften über den Konkurs nichtvoraus, dass die Gesellschaft überschuldet ist 281 . Auch wenndurch die Liquidation – <strong>zu</strong>mal eine zwangsweise – Wertevernichtet werden, kann es durchaus vorkommen, dass amSchluss des Konkursverfahrens ein Aktivenüberschuss verbleibt.Dieser ist in erster Linie für Zinszahlungen an dieGläubiger <strong>zu</strong> verwenden, da der gesetzliche Zinsstopp 282 seineBerechtigung nachträglich verliert. Die Gläubiger habenAktiven (<strong>Art</strong>. 230a SchKG), AJP 1999 (zit. Einstellung desKonkurses), 41.274<strong>Art</strong>. 643 Abs. 1 <strong>OR</strong> e contrario.275Vgl. Lorandi, Einstellung des Konkurses (FN 273), 41 ff.;Dominik Gasser, Die Liquidation nach <strong>Art</strong>. 230a SchKG, in:Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, Festschrift 75 JahreKonferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz(Hrsg. Paul Angst/Flavio Cometta/Dominik Gasser), Basel2000, 59 ff.276Gasser (FN 275), 60; Lorandi, Einstellung des Konkurses(FN 273), 42.277<strong>Art</strong>. 230a SchKG.278<strong>Art</strong>. 169, <strong>Art</strong>. 189 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 194 Abs. 1 SchKG.279<strong>Art</strong>. 169 SchKG.280A.M. wohl ZR 1996 Nr. 41; EGV-SZ 2004 A.2.2, E. 3.d.281Vgl. IV.A.282<strong>Art</strong>. 209 SchKG.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081393Anrecht auf Zins, welcher ihnen <strong>zu</strong>stände, wenn vollstreckungsrechtlichkein Zinsstopp eingetreten wäre 283 .Verbleibt nach Deckung der Zinsforderungen der Gläubigerfür die Zeit ab Beginn des Konkursverfahrens immernoch ein Aktivenüberschuss, so ist dieser dem Schuldner 284 ,d.h. den Organen der Gesellschaft heraus<strong>zu</strong>geben. EineVerteilung des Überschusses an die Anteilsinhaber durchdas Konkursamt ist m.E. nicht möglich. Es fehlt da<strong>zu</strong> einegesetzliche Grundlage 285 . Die Verteilung des Überschussesnach den Bestimmungen der Statuten und des Gesellschaftsrechtshat durch die Organe der Gesellschaft <strong>zu</strong> erfolgen.Diese erlangen bei Abschluss des Konkursverfahrens miteinem Aktivenüberschuss wieder das Verfügungsrecht überdas Restvermögen.Das Konkursamt meldet dem Handelregister den Abschlussdes Konkursverfahrens 286 . Nachfolgend wird dieGesellschaft im Handelsregister gelöscht 287 . Dies giltm.E. dem Grundsatz nach selbst dann, wenn nach Abschlussdes Konkursverfahrens (und Deckung der Zinsen der Gläubigerfür die Dauer des Verfahrens) ein Aktivenüberschussverbleibt. Dies ergibt sich daraus, dass nicht die Insolvenzder Gesellschaft (vor allem nicht deren Überschuldung) <strong>zu</strong>mKonkursverfahren geführt hat 288 , sondern die Missachtungzwingender Bestimmungen des Gesellschaftsrechts überderen Organisation der Grund für die Liquidation war. Würdedie Gesellschaft (welche über einen Aktivenüberschussverfügt) nicht gelöscht, könnte sie (trotz erfolgter Liquidation)weiterwirtschaften, was gerade verhindert werdensollte. M.E. sollte aber im Falle eines Aktivenüberschussesdie Löschung nicht sofort nach Abschluss des Konkursverfahrens289 , sondern in analoger Anwendung der Bestimmungüber die Einstellung des Konkurses mangels Aktiven 290 erstdann erfolgen, wenn innert drei Monaten nach Abschluss desVerfahrens kein begründeter Einspruch erhoben worden ist.Damit wäre sichergestellt, dass nach Abschluss des Konkursverfahrensnoch eine Verteilung des Aktivenüberschusses andie Anteilsinhaber (Aktionäre) erfolgen kann.283Vgl. Franco Lorandi, Besonderheiten beim Aktivenüberschussin der Generalexekution – der Glücksfall als Problemfall,AJP 2006 (zit. Aktivenüberschuss), 1264 ff. m.w.H.; BGE129 III 566 f., 102 III 45; Bundesgerichtsurteil 7B.6/2006 vom27. April 2006, E. 1. Zur verfahrensmässigen Abwicklung vgl.Lorandi, Aktivenüberschuss, (op. cit.), 1265; Bruno Portmann,Die Verzinsung der Kurrentforderungen im aktiv saldiertenKonkurs- und Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung,BlSchK 1961, 39 ff.284Lorandi, Aktivenüberschuss (FN 283), 1264, 1269; BGE 129III 563 f.285Vgl. auch für den Kanton Zürich vgl. ZR 1996 Nr. 41.286<strong>Art</strong>. 158 Abs. 1 lit. f. HRegV.287<strong>Art</strong>. 159 Abs. 5 HRegV.288Vgl. IV.A.289<strong>Art</strong>. 159 Abs. 5 lit. b HRegV.290<strong>Art</strong>. 159 Abs. 5 lit. a HRegV.Das Konkursamt macht den Schluss des Konkursverfahrensöffentlich bekannt 291 . Wenn nach Abschluss des Konkursverfahrensein Aktivenüberschuss vorliegt, scheint esangezeigt 292 , dass das Konkursamt in der Publikation daraufhinweist. Dies ermöglicht den Betroffenen, rechtzeitigEinspruch beim Handelsregisteramt <strong>zu</strong> führen. Wenn dieGesellschaft über keine Organe (mehr) verfügt, an welcheder Überschuss herausgegeben werden kann, wäre es sinnvoll,wenn das Konkursamt den Aktionären (soweit ihr diesebekannt sind) mittels Spezialanzeige die Publikation <strong>zu</strong>rKenntnis bringt, damit diese ihre Rechte am Überschuss geltendmachen können.D. Zivilrechtliche AspekteDas Zivilrecht knüpft in verschiedenem Zusammenhang andie Konkurseröffnung an 293 . Bei der richterlichen Anordnungder Auflösung und Liquidation nach den Vorschriften überden Konkurs fehlt es zwar an einer Konkurseröffnung und aneinem Insolvenzereignis. Massgeblich ist aber nicht primärder Formalakt der Konkurseröffnung, sondern die einschneidendenAuswirkungen der Durchführung eines Konkursverfahrens.Ein solches findet im Fall von <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1Ziff. 3 <strong>OR</strong> statt. Aufgrund dessen rechtfertigt es sich m.E.,grundsätzlich von einer analogen Anwendung dieser zivilrechtlichenBestimmungen aus<strong>zu</strong>gehen.Dies macht auch insofern Sinn, als diese Bestimmungendes Zivilrechts grundsätzlich auch dann <strong>zu</strong>r Anwendunggelangen, wenn ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretungvom Richter genehmigt wird, da dieser ebenfalls (wieder Konkurs) eine Generalexekution bewirkt 294 . Letztlichist für jede Gesetzesnorm durch Auslegung <strong>zu</strong> ermitteln, obdie richterliche Auflösung und Liquidation nach den Vorschriftenüber den Konkurs einer Konkurseröffnung gleichgestelltwerden kann.E. Sozialversicherungsrechtliche AspekteAuch das Sozialversicherungsrecht knüpft in verschiedenenBelangen an die Durchführung eines Konkursverfahrens 295bzw. an die Eröffnung eines Konkurses an 296 . Ersteres ist unproblematisch,da auch bei der Auflösung einer Gesellschaft<strong>zu</strong>folge Mängel in der Organisation ein normales Konkursverfahrendurchgeführt wird 297 . Wo das Sozialversicherungs-291<strong>Art</strong>. 268 Abs. 4 SchKG.292Eine Pflicht besteht m.E. nicht.293Vgl. etwa <strong>Art</strong>. 35 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 83, <strong>Art</strong>. 250 Abs. 2, <strong>Art</strong>. 266h,<strong>Art</strong>. 297a, <strong>Art</strong>. 337a, <strong>Art</strong>. 405 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 418s, <strong>Art</strong>. 471 Abs. 3,<strong>Art</strong>. 518 Abs. 3, <strong>Art</strong>. 545 Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong>.294Vgl. Franco Lorandi, Dauerschuldverhältnisse im Nachlass,AJP 2004, 1211 f.295Vgl. <strong>Art</strong>. 29, <strong>Art</strong>. 54, <strong>Art</strong>. 55 AVIG; <strong>Art</strong>. 16 Abs. 2 AHVG.296Vgl. <strong>Art</strong>. 51 Abs. 1 lit. a und b, <strong>Art</strong>. 53 Abs. 1 AVIG.297Vgl. IV.A.


F r a n c o L o r a n d iAJP/PJA 11/20081394recht an die Konkurseröffnung anknüpft, was namentlich fürdie Insolvenzentschädigung gilt 298 , ist darunter in sinngemässerAuslegung der richterliche Auflösungsbeschluss <strong>zu</strong>verstehen. Massgebend ist die Rechtskraft des Auflösungsbeschlusses.Auch in dieser Hinsicht entspricht der Auflösungsentscheiddes Richters funktional einer Konkurseröffnung.F. Öffentlichrechtliche FolgenDie Kantone können, soweit nicht Bundesrecht anwendbarist, an die Konkurseröffnung (oder an die fruchtlose Pfändung)öffentlichrechtliche Folgen knüpfen 299 . Diese könnenauch auf juristische Personen Anwendung finden 300 , auchwenn die praktische Bedeutung gering ist, da juristische Personennach Abschluss eines Konkursverfahrens ohnehin untergehen.An das Zustandekommen eines Nachlassvertragesmit Vermögensabtretung dürfen die Kantone dagegen keineöffentlichrechtlichen Folgen anknüpfen 301 . Auch an eineBetreibung auf Pfandverwertung 302 oder an einen nur provisorischenPfändungsverlustschein dürfen keine öffentlichrechtlichenFolgen geknüpft werden, da damit ein Ausfallnicht endgültig feststeht 303 . Damit sanktionieren diese Normeneinen definitiven Passivenüberschuss, welcher bei einerKonkurseröffnung natürlicherweise präsumiert wird.Anders verhält es sich m.E. für die Anordnung der Auflösungeiner Gesellschaft mit Liquidation nach den Vorschriftenüber den Konkurs: Sie setzt keine Überschuldungoder Zahlungsunfähigkeit voraus 304 . Eine solche darf auchnicht präsumiert werden. Mangels Insolvenzereignis rechtfertigtes sich m.E. nicht, öffentlichrechtliche Folgen an denrichterlichen Auflösungsentscheid an<strong>zu</strong>knüpfen. Auch wertungsmässigscheint es nicht angebracht, an die Verlet<strong>zu</strong>nggesellschaftsrechtlicher Normen über die Organisation einerGesellschaft öffentlichrechtliche Folgen treten <strong>zu</strong> lassen.Im Sinne eines Analogieschlusses <strong>zu</strong>m definitiven Pfändungsverlustscheinkönnen m.E. jedoch öffentlichrechtliche298<strong>Art</strong>. 51 Abs. 1 lit. a, <strong>Art</strong>. 52 Abs. 1, <strong>Art</strong>. 53 Abs. 1 AVIG.299<strong>Art</strong>. 26 SchKG.300Lorandi (FN 250), <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 20.301Carl Jaeger/Hans Ulrich Walder/Thomas M. Kull/MartinKottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung undKonkurs, 4. A., Zürich 1997, <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 5; Lorandi(FN 250), <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 6.302Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 301), <strong>Art</strong>. 26 SchKGN 3; Lorandi (FN 250), <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 5.303Ernst Blumenstein, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts,Bern 1911, 233 sowie dort Fn 7; Lorandi(FN 250), <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 3; BGE 26 I 222; a.M. Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 301), <strong>Art</strong>. 26 SchKG N 3;Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédéralesur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 1999, <strong>Art</strong>. 26SchKG N 33.304Vgl. IV.A.Folgen an das Ausstellen eines Konkursverlustscheins 305 beiAbschluss des Konkursverfahrens geknüpft werden, soferndieses mit einem Passivenüberschuss endet.G. Strafrechtliche AspekteVerschiedene Straftatbestände knüpfen, namentlich als objektiveStrafbarkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng für Insolvenzdelikte, andie Konkurseröffnung an 306 . Gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschriftgilt auch die Genehmigung eines Nachlassvertragesmit Vermögensabtretung als der Konkurseröffnunggleichwertiges Insolvenzereignis 307 . Im Strafrecht gilt dasstrikte Legalitätsprinzip (nulla poena sine lege) 308 . Aufgrunddessen kann m.E. die richterliche Anordnung der Liquidationnach den Vorschriften über den Konkurs nicht einer Konkurseröffnungoder der Genehmigung eines Nachlassvertragesmit Vermögensabtretung gleichgesetzt werden. Zudem sinddie entsprechenden Straftatbestände Insolvenzdelikte 309 .<strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> <strong>OR</strong> setzt jedoch weder eine Überschuldung nocheine formelle Insolvenz voraus 310 .Daneben gibt es Straftatbestände, welche die Durchführungeines Konkursverfahrens voraussetzen, ohne formell andie Konkurseröffnung an<strong>zu</strong>knüpfen 311 . Diese Normen kommenauch dann <strong>zu</strong>r Anwendung, wenn das Konkursverfahren(ohne vorgängige Konkurseröffnung) durch richterlicheAnordnung gemäss <strong>Art</strong>. <strong>731b</strong> Abs. 1 Ziff. 3 <strong>OR</strong> ausgelöstworden ist. Die entsprechenden Tatbestände bestrafen dennauch Fehlverhalten während (und nicht im Vorfeld) eines Insolvenzverfahrens.H. International insolvenzrechtlicherAspektIm internationalen Verhältnis stellt sich die Frage, obschweizerische Konkursdekrete im Ausland anerkannt werdenkönnen. Es geht um das ausländische Pendant unseresAnschlusskonkursverfahrens gemäss <strong>Art</strong>. 166 ff. IPRG.Diesbezüglich kann sich die Frage stellen, ob ein (schweizerischer)Entscheid des Richters, eine Gesellschaft auf<strong>zu</strong>lösenund nach den Vorschriften über den Konkurs liquidieren <strong>zu</strong>lassen, als Konkursdekret oder ähnlicher Entscheid gilt unddamit der Anerkennung im Ausland <strong>zu</strong>gänglich ist. Diese305Konkursverlustscheine sind auch nach Abschluss eines Konkursverfahrenüber eine juristische Person aus<strong>zu</strong>stellen (BlSchK1987, 114), auch wenn diese nach Abschluss des Verfahrens imHandelsregister gelöscht wird und damit untergeht.306Vgl. <strong>Art</strong>. 163–167 StGB.307<strong>Art</strong>. 171 StGB.308<strong>Art</strong>. 1 StGB.309So lautet der Randtitel vor <strong>Art</strong>. 163 StGB «Konkurs- und Betreibungsverbrechenoder -vergehen».310IV.A.311<strong>Art</strong>. 168, <strong>Art</strong>. 169, <strong>Art</strong>. 323, <strong>Art</strong>. 324 StGB.


Konkursver fahren über Handelsgesellschaften ohne KonkurseröffnungAJP/PJA 11/20081395Frage bemisst sich nach der (ausländischen) lex fori am Ort,wo um die Anerkennung nachgesucht wird.Aus schweizerischer Sicht wäre es auf jeden Fall angezeigt,auch diesbezüglich eine funktionale Sichtweise an<strong>zu</strong>wenden.Für die Frage der Anerkennung im Ausland solltenicht ausschlaggebend sein, dass formell keine Konkurseröffnungvorliegt. Entscheidend sollte sein, dass ein ganz«normales» Konkursverfahren mit den gewöhnlichen Wirkungenabgewickelt wird; der ungewöhnliche Beginn solltekeine Rolle spielen. Aufgrund dessen sollte die richterlicheAnordnung der Liquidation einem Konkursdekret gleichgestelltwerden. Dies ist denn auch im Binnenverhältnis in verschiedenerHinsicht der Fall 312 .312Vgl. IV.C., IV.D., IV.F. und IV.G.La règlementation pour défauts dans l’organisation de sociétésde capitaux a été fondamentalement modifiée le 1 er janvier2008. Une modification législative était nécessaire, parce quejusqu’à présent, la loi s’était avérée confuse, vague et insuffisante.Il est vrai que le nouveau droit est clair et sans équivoque.La dissolution de la société selon les réglementationssur la faillite est toutefois une mesure draconienne, puisqu’unedissolution est ordonnée sans qu’une insolvabilité existe. Celamène bons nombres de questions litigieuses à l’interface. Laprocédure judiciaire est marquée par la maxime de l’instructionet la maxime d’office. La procédure de faillite se déroule,en principe, comme une procédure de faillite «normale» saufqu’il n’y a pas d’ouverture de la faillite.(trad. LT LAWTANK, Fribourg)

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