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Freiberufliche Nutzung im reinen Wohngebiet OVG Niedersachsen ...

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Gericht: Niedersächsisches<br />

Oberverwaltungsgericht 1. Senat<br />

Entscheidungsdatum: 17.08.2007<br />

Aktenzeichen: 1 LA 37/07<br />

Dokumenttyp: Beschluss<br />

Leitsatz<br />

- 1 -<br />

Quelle:<br />

Norm: § 13 BauNVO<br />

Berufsausübung von freiberuflich Tätigen in <strong>Wohngebiet</strong>en<br />

Langtext<br />

Bei der quantitativen Begrenzung der <strong>Nutzung</strong> von Räumen durch freie und ähnliche Berufe<br />

in einem <strong>reinen</strong> <strong>Wohngebiet</strong> <strong>im</strong> Verhältnis zur Wohnnutzung (50 %-Grenze) ist nicht zu<br />

beanstanden, wenn nur auf Räume abgestellt wird, die zum dauernden Aufenthalt von<br />

Menschen objektiv geeignet sind und entsprechend genutzt werden.(Rn.6)<br />

Orientierungssatz<br />

Bei der <strong>Nutzung</strong> von "Räumen" durch freie oder ähnliche Berufe gemäß § 13 BauNVO darf der<br />

Charakter des Plangebiets nicht verloren gehen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 18.5.2001 - 4<br />

C 8/00 - NVwZ 2001, 1284).(Rn.4)<br />

Fundstellen<br />

ZfBR 2007, 797-798 (Leitsatz und Gründe)<br />

NordÖR 2007, 461-462 (Leitsatz und Gründe)<br />

BauR 2007, 2035-2036 (Leitsatz und Gründe)<br />

Info BRS 2007, Nr 6, 3-4 (Leitsatz und Gründe)<br />

NVwZ-RR 2008, 22-23 (Leitsatz und Gründe)<br />

NdsVBl 2008, 46-47 (Leitsatz und Gründe)<br />

BRS 71 Nr 66 (2007) (Leitsatz und Gründe)<br />

weitere Fundstellen<br />

BauR 2008, 405 (Leitsatz)<br />

ZAP EN-Nr 461/2008 (red. Leitsatz)<br />

Verfahrensgang<br />

vorgehend VG Braunschweig, 11. Mai 2005, Az: 2 A 343/04, Urteil<br />

Diese Entscheidung zitiert<br />

Rechtsprechung<br />

Anschluss BVerwG 4. Senat, 18. Mai 2001, Az: 4 C 8/00<br />

Gründe<br />

1 Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.weg 10 in C. gegen die dem<br />

Beigeladenen für das Nachbargrundstück F.weg 13 (Flurstück 50/62) erteilte Baugenehmigung<br />

der Beklagten vom 4. November 2003 für die <strong>Nutzung</strong>sänderung des Kellergeschosses des<br />

mit einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1976 errichteten Wohnhauses nunmehr in ein<br />

Ingenieurbüro für Anlagenprojektierung und Umweltplanung. In der Baubeschreibung ist<br />

von vier Mitarbeitern, in der Betriebsbeschreibung von fünf Beschäftigten die Rede. Die<br />

Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen liegen <strong>im</strong> Geltungsbereich des <strong>im</strong> November<br />

1972 in Kraft getretenen Bebauungsplanes „Über dem Stadtwege“, der insoweit reines<br />

<strong>Wohngebiet</strong> festsetzt. Bei der Flächenberechnung ist der Beklagte von einer Wohnfläche von<br />

126,30 m² und einer Bürofläche von 103,85 m² ausgegangen (Beiakte „C“).


2 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht die vom Kläger erhobene<br />

Klage <strong>im</strong> Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem genehmigten<br />

Ingenieurbüro um eine von § 13 BauNVO privilegierte freiberufliche Tätigkeit handele, die<br />

genehmigte gewerbliche <strong>Nutzung</strong> <strong>im</strong> Kellergeschoss nicht mehr als die Hälfte der Wohnfläche<br />

des Wohnhauses beanspruche und die Führung des Ingenieurbüros mit bis zu fünf Mitarbeitern<br />

auch baugebietsverträglich sei. Dabei ist das Verwaltungsgericht bei der Berechnung der<br />

Wohn- und gewerblich genutzten Flächen einen anderen Weg als die Beklagte gegangen:<br />

Es hat (lediglich) die für einen dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Flächen<br />

einbezogen. Im Erdgeschoss hat es Wohnflächen von 97,83 m² und <strong>im</strong> Kellergeschoss von<br />

78,23 m² festgestellt. Bei einer Gesamtfläche von 176,03 m² würden 44,43 % der <strong>Nutzung</strong> auf<br />

die gewerbliche Tätigkeit entfallen. Es entfielen die nicht für einen dauernden Aufenthalt von<br />

Menschen geeigneten Räume. Wegen der verwaltungsgerichtlichen Ausführungen <strong>im</strong> Einzelnen<br />

wird auf das Urteil Bezug genommen.<br />

3 Der dagegen gerichtete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, der auf die<br />

Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO gestützt ist, hat keinen Erfolg.<br />

4 An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel <strong>im</strong><br />

Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die <strong>Nutzung</strong> des Kellergeschosses des Wohnhauses F.weg<br />

10 in C. für freiberufliche Bürozwecke ist mit der Festsetzung eines <strong>reinen</strong> <strong>Wohngebiet</strong>es über<br />

§ 13 BauNVO vereinbar. Der Senat folgt dabei der vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage<br />

der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der einschlägigen Kommentarliteratur<br />

beruhenden Berechnung der Wohnflächen <strong>im</strong> Erdgeschoss <strong>im</strong> Verhältnis zu den gewerblich<br />

genutzten Flächen <strong>im</strong> Kellergeschoss. Maßgeblich sind zunächst die drei einschlägigen Urteile<br />

des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1984 (4 C 56.80 - NVwZ 1984, 236 = BRS 42<br />

Nr. 56 = BVerwGE 68, 324), vom 25. Januar 1985 (4 C 34.81 - ZfBR 1985, 143 = BRS 44 Nr. 47<br />

= NJW 1986, 1004) und vom 18. Mai 2001 (4 C 8.00 - NVwZ 2001, 1284 = DVBl. 2001, 1458 =<br />

BRS 64 Nr. 66). Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Büroräumen für freiberuflich Tätige in<br />

<strong>Wohngebiet</strong>en hat das Bundesverwaltungsgericht in dem zeitlich letzten Urteil unter erneuter<br />

Überprüfung seiner Auffassung wie folgt zusammengefasst:<br />

5 „Entscheidend sei, ob bei der <strong>Nutzung</strong> von „Räumen“ durch freie oder ähnliche Berufe der<br />

Charakter des Plangebiets verloren gehe. Die <strong>Nutzung</strong>sänderung müsse den jeweiligen<br />

Gebietscharakter wahren. Mit der Beschränkung der freiberuflichen <strong>Nutzung</strong> auf Räume<br />

wolle der Verordnungsgeber verhindern, dass in einem <strong>reinen</strong> <strong>Wohngebiet</strong> durch eine zu<br />

starke freiberufliche <strong>Nutzung</strong>sweise - generell - die planerisch unerwünschte Wirkung einer<br />

Zurückdrängung der Wohnnutzung und damit einer zumindest teilweisen Umwidmung des<br />

Plangebiets eintreten könne. Deshalb dürfe die freiberufliche <strong>Nutzung</strong> in Mehrfamilienhäusern<br />

nicht mehr als die halbe Anzahl der Wohnungen und nicht mehr als 50 % der Wohnfläche<br />

in Anspruch annehmen. Im Einzelfall könne die Büronutzung sogar auf wesentlich weniger<br />

als 50 % der Wohnungsanzahl oder der Wohnfläche zu beschränken sein; unter besonderen<br />

Umständen mögen diese Grenzen auch etwas überschritten werden können. Niemals dürfe<br />

jedoch die geänderte <strong>Nutzung</strong>sweise für das einzelne Gebäude prägend sein. Der spezifische<br />

Gebietscharakter müsse - auch für das einzelne Gebäude - gewahrt bleiben.“<br />

6 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die<br />

von der Beklagten genehmigte freiberufliche <strong>Nutzung</strong> „nicht mehr als 50 % der Wohnfläche“<br />

in Anspruch n<strong>im</strong>mt. Es hat sich dabei in nicht zu beanstandender Art und Weise an der<br />

Kommentarliteratur (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Loseblatt-Kommentar zum BauGB<br />

(Stand: 1. März 2007), § 13 BauNVO, Rdn. 46; § 20 BauNVO, Rdn. 33) und an dem Urteil<br />

des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 2001 (1 B 99.652 - BRS 64 Nr. 67)<br />

ausgerichtet. Danach ist bei dem Flächenvergleich, aufgrund dessen <strong>im</strong> Allgemeinen zu<br />

entscheiden ist, ob sich eine freiberufliche <strong>Nutzung</strong> <strong>im</strong> Sinne von § 13 BauNVO auf „Räume“<br />

beschränkt, in der Regel nur auf die Räume des Gebäudes abzustellen, die zum dauernden<br />

Aufenthalt objektiv geeignet sind und auch für diesen Zweck genutzt werden sollen. Diesem<br />

rechtlichen Ansatz begegnen aus Sicht des Senats keine ernstlichen Zweifel. Daraus ergibt sich<br />

folgende Berechnung:<br />

7 Kellergeschoss: Büro 1 33,39 m²<br />

Büro 2 10,48 m²<br />

Büro 3 11,32 m²<br />

Büro 4 23,84 m²<br />

- 2 -


79,03 m²<br />

Erdgeschoss: Wohnen 45,97 m²<br />

Kind 14,04 m²<br />

Kind 12,83 m²<br />

Küche 7,98 m²<br />

Schlafen 17,01 m²<br />

97,83 m².<br />

8 Im Kellergeschoss entfallen die nicht für den dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten<br />

Räume wie Eingang, WC, Flur, Öl und Heizen, <strong>im</strong> Erdgeschoss die Räume WC, Garderobe,<br />

Diele, Flur und Bad. Die Gesamtwohnfläche <strong>im</strong> Keller- und Erdgeschoss beträgt mithin<br />

79,03 m² + 97,83 m² = 176,86 m². Die berufliche <strong>Nutzung</strong> beschränkt sich demnach<br />

auf rund 45 % der Wohnfläche. Sie liegt damit unter der maßgeblichen 50 %-Grenze des<br />

Bundesverwaltungsgerichts.<br />

9 Zu einem nahezu identischen Ergebnis führt <strong>im</strong> Übrigen die von der Beklagten vorgenommene<br />

Berechnung ausweislich der in der Beiakte „C“ enthaltenen Berechnung. Unter Hinzuziehung<br />

auch der nicht für einen dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Räume in den<br />

beiden Geschossen wie Garderobe, Sanitärräume, Eingang, Flure und WC errechnet sich<br />

ebenfalls ein Verhältnis von 55 % für die Wohn- und von 45 % für die freiberufliche <strong>Nutzung</strong>.<br />

Es liegt auf der Hand, dass die Nichtansetzung der Räume „Heizen“ und „Öl“ wegen der<br />

beiderseitigen <strong>Nutzung</strong>en sowohl des Keller- als auch des Erdgeschosses nicht zu beanstanden<br />

ist. Entsprechendes gilt für die angesetzte Doppelnutzung des WCs <strong>im</strong> Erdgeschoss.<br />

10 Ernstliche Zweifel an den verwaltungsgerichtlichen Ausführungen folgen - des Weiteren -<br />

nicht aus der Gebietsverträglichkeit der freiberuflichen Tätigkeit in einem <strong>reinen</strong> <strong>Wohngebiet</strong>.<br />

Wird die 50 %-Grenze bei der gewerblichen <strong>Nutzung</strong> nicht überschritten, folgt daraus -<br />

gewissermaßen als Regelfall - auch deren Gebietsverträglichkeit, hier also einer freiberuflichen<br />

Tätigkeit mit insgesamt fünf Mitarbeitern bzw. Beschäftigten. Diese (höhere) Beschäftigtenzahl<br />

ist in der Betriebsbeschreibung des Beigeladenen angeführt und damit auch so von der<br />

Beklagten genehmigt worden. Entsprechend ist diese Beschäftigtenzahl vom Senat auch<br />

zugrunde zu legen. Der Beigeladene hat <strong>im</strong> Zulassungsverfahren diese Zahl der Beschäftigten<br />

noch einmal zweifelsfrei bekräftigt, so dass den vom Kläger dahingehend angeführten<br />

Zweifeln nicht näher nachzugehen ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine<br />

freiberufliche Tätigkeit mit fünf Beschäftigten, und der damit verbundene Kraftfahrzeugverkehr,<br />

nicht baugebietsverträglich sein sollten.<br />

11 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die vom Kläger angeführten weiteren<br />

Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche<br />

Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung<br />

der Rechtssache) nicht zur Zulassung der Berufung führen. Eine besondere Schwierigkeit<br />

ist nicht einmal hinreichend dargelegt. In Anbetracht der vorliegenden Rechtsprechung<br />

des Bundesverwaltungsgerichts sowie der zitierten Quellen hinsichtlich des anzustellenden<br />

Flächenvergleichs ist auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ersichtlich.<br />

© juris GmbH<br />

- 3 -

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