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Vigilanz für "see and avoid" und Fluggenuss im ... - Schempp-Hirth

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<strong>Vigilanz</strong> <strong>für</strong> "<strong>see</strong> <strong>and</strong> avoid" <strong>und</strong> <strong>Fluggenuss</strong> <strong>im</strong> Alpenflug<br />

erfordern die<br />

bereits <strong>im</strong> Höhenb<strong>and</strong> von 2'000 bis 4'500 m !<br />

Der revidierte, etwas provokative, doch instruktive Aufsatz <strong>für</strong> Aeronauten, aus der Tastatur von<br />

Dr. med. Heini Schaffner, Alpensegelflieger AFG, GVVN, APSV <strong>und</strong> alt Anästhesiologe FMH<br />

Der Autor (*1943) ist über den Modellflug <strong>und</strong> die fliegerische<br />

Vorschulung (FVS) Segelflieger geworden <strong>und</strong> hat sich bei der<br />

Akademischen Fluggruppe Zürich (AFG) die alpen- <strong>und</strong> streckenfliegerische<br />

Erfahrung geholt, die mittlerweile mit 2'700 Std. Segelflug<br />

<strong>und</strong> 150 Std. Motorflug zu Flugbuch steht. Im beschaulichen<br />

Streckenflug mit der ASH-26E, HB-2276, SSS befliegt er als<br />

Segelflugtourist meist die französischen, austrischen, italienischen,<br />

slovenischen <strong>und</strong> he<strong>im</strong>ischen Alpen <strong>und</strong> blickt zurück auf tolle<br />

fliegerische Erlebnisse in Canada, Neu<strong>see</strong>l<strong>and</strong> <strong>und</strong> Patagonien.<br />

Nach dem Medizinstudium hat er 1971 die mit dem Pilotenberuf<br />

vergleichbare Tätigkeit eines Anästhesiologen gewählt <strong>und</strong> an<br />

80 Spitälern/Kliniken <strong>im</strong> In- <strong>und</strong> Ausl<strong>and</strong> ausgeübt. Vor dem beruflichen<br />

Ruhest<strong>and</strong> arbeitete er während 12 Jahren noch freischaffend<br />

"auf Stör", um so wenigstens während der Segelflugsaison<br />

das branchenübliche Kettenh<strong>und</strong>-Dasein mit der Freiheit des<br />

Adlers der Lüfte tauschen zu können. Obwohl Teilnehmer an<br />

fliegermedizinischen Kongressen, hat er selbst nie als Fliegerarzt<br />

amtiert <strong>und</strong> kann auch den periodischen, fliegermedizinischen<br />

Zwangskonsultationen nichts abgewinnen. Oftmals konnte man den<br />

damals abgewiesenen Linienpilotenanwärter in Ambulanzjets oder<br />

Linienflugzeugen, als ärztlichen Betreuer bei med. Repatrierungen<br />

antreffen Sein Interesse <strong>für</strong> Höhenmedizin, Stressforschung <strong>und</strong><br />

"human aspects of flight safety" wurde durch vergleichbare Anforderungen<br />

<strong>und</strong> Ziele in Beruf <strong>und</strong> Hobby geweckt.<br />

1. Einleitung<br />

Die nachfolgenden flugmedizinischen Ausführungen<br />

basieren auf dem Studium der Fachliteratur<br />

<strong>und</strong> sind durch eigene Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Fallsammlungen ausgelöst <strong>und</strong> auch bestätigt<br />

worden. Sie drehen sich um den leichten O2mangel<br />

(Hypoxie) während mehrerer Flugst<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> seine Auswirkungen auf das<br />

Zentralnervensystem. Nebenbei werden die behördliche<br />

Optik zu den medizinischen Unfallursachen<br />

in der Aviatik <strong>und</strong> die Gewohnheiten<br />

der Alpenflieger etwas hinterfragt. Dabei geht es<br />

v.a. ums Höhenb<strong>and</strong> zwischen 5'000 ft (1'554 m)<br />

<strong>und</strong> 12'500 ft (3'810 m), also vom objektiven<br />

Beginn der Einschränkungen des Gesichtsfeldes<br />

bis zur reglementarisch noch erlaubten Höhe vor<br />

<strong>im</strong>perativem O2-Zusatz. Es sollen damit jene<br />

Aeronauten angesprochen werden, welche auf<br />

1<br />

ihren Alpen-Flügen oder -Fahrten regelmässig<br />

von Stirnkopfweh geplagt werden oder gähnend<br />

gegen das Einschlafen <strong>im</strong> Fluge ankämpfen;<br />

ebenfalls all jene, welche erst einmal die<br />

reglementarischen Höhenl<strong>im</strong>iten erfliegen, bevor<br />

sie Zusatz-O2 einsetzen würden, sich jedoch<br />

w<strong>und</strong>ern, warum Alpenfliegen eigentlich so<br />

schlapp macht. Die Botschaft richtet sich auch<br />

an die Helikopter- <strong>und</strong> Alpenr<strong>und</strong>flug-Piloten, in<br />

deren Fluggerät sich noch keine O2-Spender<br />

finden, so wie an die Delta- <strong>und</strong> Gleitschirmflieger,<br />

deren hypotherme "Fussgestelle" bei<br />

jeder L<strong>and</strong>ung auf Bruchlast geprüft werden.<br />

Dieser Artikel wendet sich ferner an alle<br />

Aeronauten mit alters- <strong>und</strong> teerbedingten O2-<br />

Transporthindernissen. Speziell <strong>im</strong> Visier des<br />

Autors ist aber die geächtete R<strong>and</strong>gruppe der<br />

Sauerstoffverweigerer aus Gewissensgründen<br />

("hypoxic hardliners"), die sich als eine aeronautische<br />

Ausnahmekreation betrachten, die kein<br />

"O2-Doping" benötigt.<br />

2. Sauerstoffbedarf "von Amtes wegen"<br />

Das Erfordernis eines O2-Zusatzes <strong>im</strong> Fluge,<br />

aus damaliger Sicht wohlverst<strong>and</strong>en, regelte in<br />

der Schweiz jahrzehntelang, d.h. seit 1963, die<br />

von der amerikanischen FAA übernommene<br />

Vorschrift FAR 91.211, welche etwas vereinfacht<br />

fordert:<br />

Oxygen must be used by a pilot<br />

- anyt<strong>im</strong>e Oxygen above must 14'000 be used ft (4'267 by a pilot m)<br />

- <strong>and</strong> anyt<strong>im</strong>e above above 12'500 14'000 ft (3'810 ft (4'267 m) m)<br />

- <strong>and</strong> above in excess 12'500 of ft 30 (3'810 minutes m) !<br />

in excess of 30 minutes !<br />

Diese Formulierung lässt Alter, (Ueber-)<br />

Gewicht <strong>und</strong> Tagesform des Piloten unerwähnt,<br />

so wie auch die verstrichene Flugzeit bis zum<br />

endlichen Erreichen der unteren Höhenl<strong>im</strong>ite.<br />

Da<strong>für</strong> liest sich an selbiger Stelle, dass erst ab<br />

15'000 ft (4'572 m) sämtliche Flugzeuginsassen<br />

Zusatz-O2 nehmen müssen.<br />

Der Neuentwurf EASA 1.775, App. 1<br />

fordert <strong>für</strong> kommerzielle Piloten nun einen O2-<br />

Zusatz <strong>für</strong> die gesamte Flugzeit über 10'000 ft<br />

(3'048 m), während sich die "cabin crew" noch<br />

max. 30' oberhalb 10'000 ft abmühen kann, bis


sie zusammen mit den sitzenden Passagieren ab<br />

13'000 ft (3'962 m) ebenfalls in den Genuss von<br />

Zusatz-O2 kommt. Die Soll-Kabinendruck-Höhe<br />

<strong>im</strong> Airliner ist seit jeher auf 8'000 ft (2'438 m)<br />

festgelegt, was aber nicht heisst, dass nicht auch<br />

Linienpiloten, v.a. auf ihren nächtelangen Langstreckenflügen,<br />

von Sauerstoffzusatz profitieren<br />

würden. Diese moderneren Vorschriften sind<br />

zwar etwas humaner ausgefallen, haben aber<br />

den Nachteil des noch geringen Bekanntheitsgrades<br />

<strong>und</strong> werden von den Flugunternehmen<br />

evtl. als weiteres bürokratisches Flughindernis<br />

aus der EASA-Schreibstube gewürdigt.<br />

3. O2-Versorgung aus Herstellersicht:<br />

Wer O2 frühzeitig einsetzen will, also intelligenter<br />

als es die Reglemente erfordern, wird<br />

spätestens be<strong>im</strong> Anblick der Rechnung eines der<br />

schweizerischen O2-Monopolisten <strong>für</strong> die Neubefüllung<br />

seiner damals erworbenen Medizinal-O2-<br />

Flasche (3.0 l) erbleichen: 10-jährliche Druckprüfung<br />

CHF 84.--, Einbau Restdruckventil CHF<br />

73.--, Füllung 600 l O2 CHF 36.80, "h<strong>and</strong>ling"<br />

CHF 8.20, Eigenflaschenzuschlag CHF 25.--,<br />

also total CHF 227.--! Im nördlichen Nachbarl<strong>and</strong><br />

kostet eine vergleichbare neue Flasche, mit 200<br />

bar gefüllt, nur grad € 96.-- !<br />

Der natürliche Luftbest<strong>and</strong>teil O2 gilt in seiner<br />

kostenträchtigen Vermarktungsform Medizinal-<br />

Sauerstoff in einigen Ländern als Arzne<strong>im</strong>ittel,<br />

dessen Produzent nun neu <strong>für</strong> den Inhalt der<br />

"Arzne<strong>im</strong>ittelverpackung" (aus Stahl, Alu oder<br />

GFK !) garantieren muss. In der Schweiz hat dies<br />

dazu geführt, dass kein O2-Zylinder mehr befüllt<br />

wird, wenn nicht <strong>im</strong> Trichter des 3/4" DIN 477-<br />

Anschlusses bereits ein sog. Restdruckventil<br />

verbaut ist. Zudem wird der O2-willige Aeronaut<br />

durch die firmeneigene Wiederbefülldauer von<br />

zwei Wochen strapaziert, was früher grad mal<br />

eine Kaffeepausenlänge dauerte! Zusammen mit<br />

dem abstrafenden Zuschlag bei Eigenflaschen<br />

(gegenüber ihren Mietflaschen) ist der Zugang<br />

zum Sauerstoff zum Spiessrutenlauf geworden.<br />

Kein W<strong>und</strong>er, wenn da einer zum O2-Geizknäpper<br />

wird. Einige Segelfluggruppen befüllen<br />

deshalb ihre sicher trockenen (d.h. nie ganz<br />

entleerten) Eigenflaschen selbst nach dem<br />

sogenannten Kaskadenprinzip <strong>und</strong> dies sogar<br />

mit dem deutlich billigeren technischen Sauerstoff,<br />

der übrigens aus derselben Produktion<br />

stammt, somit auch gleich rein <strong>und</strong> trocken<br />

daherzischt <strong>und</strong> Lungen, Herz <strong>und</strong> Gehirn des<br />

Aeronauten gleich willkommen ist...<br />

Der Vollständigkeit halber wird noch die<br />

Luxusvariante Fliegersauerstoff erwähnt, bei<br />

der es sich um Medizinalsauerstoff mit einer<br />

Taupunktbest<strong>im</strong>mung jeder Charge h<strong>and</strong>elt.<br />

2<br />

Typischerweise liegt dieser bei -69°C, einer<br />

Kälte, welche infolge globaler Erwärmung nicht<br />

einmal mehr die Höhenrekord-Piloten Fossett<br />

<strong>und</strong> Enevoldson antrafen (El Calafate/Arg., 30.<br />

Aug. 2006: -58°C auf 50'671 ft (15'447 m).<br />

4. O2-Bedarf aus flugmedizinischer Sicht:<br />

Die gr<strong>und</strong>legenden Studien zu FAR 91.211<br />

stammen noch aus der Zeit nach dem zweiten<br />

Weltkrieg <strong>und</strong> wurden in Unterdruck-Kammern<br />

(UK's) an jungen, topfiten Militärfliegern durchgeführt.<br />

Daher darf deren Aussagekraft <strong>für</strong> die<br />

gegenwärtige segelfliegerische Praxis ruhig in<br />

Frage gestellt werden, weil ja Kälte, Lüftungs-<br />

<strong>und</strong> Funklärm, Sonneneinstrahlung, Aengste,<br />

Turbulenzen, Beschleunigungen, Flüssigkeitsmangel<br />

<strong>und</strong> Altersgebresten als Stressoren in<br />

den damaligen UK's nicht s<strong>im</strong>uliert wurden.<br />

Nicht auszuschliessen ist ferner, dass die<br />

Atmosphäre in den kleinräumigen UK's effektiv<br />

etwas O2-reicher war, als der abgelesenen<br />

Druckhöhe entsprach. Die ärztlichen Versuchsleiter,<br />

welche sicherheitshalber alle 100% O2<br />

über ihre Fliegermasken erhielten, jedoch nur<br />

5% davon metabolisierten, haben höchstwahrscheinlich<br />

die UK-Höhenluft über ihre Ausatmung<br />

mit O2 angereichert <strong>und</strong> damit die<br />

erhaltenen Resultate beschönigt. Dies passierte<br />

anlässlich einer Jahrzehnte zurückliegenden<br />

TV-Sendung aus der UK des Fliegerärztlichen<br />

Institutes <strong>und</strong> mit einem populären "Talkmaster"<br />

als Versuchskaninchen. Auf 7'600 m gebracht,<br />

machte er deutlich später schlapp als die<br />

helvetischen Militärpiloten...<br />

Rückblickend auf eigene Mühen mit der<br />

<strong>Vigilanz</strong> (Daueraufmerksamkeit) <strong>im</strong> Alpenflug<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> Ohr noch einige bedenkliche "O2stories"<br />

<strong>and</strong>erer Luftraumbenützer, erscheint<br />

dem Autor der bloss vorschriftskonforme<br />

Höhenflug wie ein behördlich verschriebenes<br />

Schlafmittel <strong>für</strong> die Aeronauten <strong>und</strong> deren<br />

Passagiere. Die heutigen Anforderungen an die<br />

Flugzeugführer wollen bekanntlich den Impakt<br />

mit <strong>and</strong>eren Luftraumbenützern <strong>und</strong> auch mit<br />

der Erdkruste <strong>und</strong> ihren Bewohnern vermeiden;<br />

demnach setzt dies die Flugtauglichkeit vom<br />

Start bis nach erfolgtem Ausrollen voraus.<br />

Leider geht aus Unfallberichten wiederholt<br />

hervor, dass dieses erstrebenswerte Ziel, auch<br />

unter Beachtung von FAR 91.211, nicht <strong>im</strong>mer<br />

erreicht wurde. Wenn bei etwas Stress Erlerntes<br />

nicht mehr abrufbar ist, fliegerische Fähigkeiten<br />

vers<strong>im</strong>peln, rettende Ideen mangeln, etc. so hat<br />

dies eben mit der leichten Hypoxie des<br />

Nervensystems zu tun.<br />

Zur Zeit der massgebenden UK-Versuche<br />

st<strong>and</strong>en noch keine Finger-Pulsoxymeter mit


Sofortablesung zur Verfügung; die O2-Sättigung<br />

des Hämoglobins (O2-Transportanteil 98%!)<br />

musste indirekt über arterielle Blutgasanalysen<br />

errechnet werden. In der UK hätte sie sich etwa<br />

gemäss der folgenden Tabelle präsentiert:<br />

stat. Druck Höhe Höhe O2- Sat. O2-Sat.<br />

mm Hg ft m Kind Raucher<br />

760 0 0 100 % 95 %<br />

523 10'000 3'048 93 % 88 %<br />

465 13'000 3'962 88 % 83 %<br />

412 16'000 4'876 80 % 75 %<br />

349 20'000 6'096 75 % 70 %<br />

75 % entspricht der Restsättigung des venösen<br />

Blutes vor Wiederaufladung in den Lungen mit<br />

O2. Ein ges<strong>und</strong>er Erwachsener erreicht auf 500<br />

m Höhe 96 %. Im Operationssaal, hätte der<br />

Anästhesist bereits H<strong>and</strong>lungsbedarf, würde<br />

be<strong>im</strong> Patienten die O2-Sättigung unter 93 %<br />

(untere L<strong>im</strong>ite der Norm) sinken.<br />

Ein einw<strong>and</strong>frei funktionierendes Nervensystem<br />

erfordert eine Sat. O 2 > 90%<br />

H<strong>and</strong>gelenks-Pulsoxymeter CMS-50F mit interessanter Speicher<br />

<strong>und</strong> Alarmfunktion. Der Lederfingerling schützt den O2-Sensor<br />

gegen Sonnenlicht-Einfall. Achtung, dieses ist noch kein "must<br />

have gadget" <strong>für</strong> Alpensegelflieger, da sein Farbbildschirm mit der<br />

Sonnenbrille weder <strong>im</strong> Sonnenlicht noch <strong>im</strong> H<strong>and</strong>schatten ablesbar<br />

ist <strong>und</strong> auch das "alarm silencing" eine unlesbare Menüfunktion ist!<br />

Spirometer <strong>und</strong> Massenspektrometer (zur<br />

Atemvolumenmessung <strong>und</strong> Sofortanalyse der<br />

Gaszusammensetzung der Atemluft), wie auch<br />

der Elektrokardiograph (EKG) waren damals<br />

noch grossvolumige Geräte <strong>und</strong> die Telemetrie<br />

aus engen Cockpits erst Wunschdenken. Zudem<br />

liessen die engen UK's keine flugrelevanten<br />

visuellen <strong>und</strong> psychotechnischen Tests zu <strong>und</strong><br />

<strong>für</strong> die damaligen, einfachen Flugs<strong>im</strong>ulatoren<br />

(Linktrainer) war die Idee, den Einfluss der<br />

Flughöhe mit zu s<strong>im</strong>ulieren doch noch etwas zu<br />

futuristisch. Der Kontrast zum heutigen Segelflug<br />

könnte also grösser nicht sein!<br />

3<br />

Seit den "Sixties" hat sich auch die<br />

Gesamtzahl der freizeitlichen Luftraumbenützer<br />

vervielfacht <strong>und</strong> es sind neue Flugsparten (<strong>und</strong><br />

damit ein erhöhtes Risiko von "mid-airs" hinzugekommen.<br />

Heute trifft man manchmal entlang<br />

günstiger Thermikrouten (z.B. dem "parcours du<br />

combattant" in Südfrankeich) auf regen Gegenverkehr<br />

mit dynamischer Höhenstaffelung be<strong>im</strong><br />

Delphinflug oder erlebt an Meisterschaften luftkampfähnliche<br />

Zustände vor Startlinieneröffnung<br />

<strong>und</strong> nochmals be<strong>im</strong> Ziellinienüberflug.<br />

Wird der Pilot durch einen "Gegner", überrascht,<br />

kann er die einst erlernten VFR-Ausweichregeln<br />

kaum je durchsetzen. Gesellt sich zur begleitenden<br />

Hypoxie noch ein "head on"-FLARM-<br />

Alarm, so ist seine Improvisationsgabe <strong>und</strong> sein<br />

Reaktionsvermögen manchmal wie gelähmt.<br />

Auch das Durchschnittsalter der Piloten,<br />

welche über das ideale Fluggerät <strong>für</strong> längere<br />

Alpenflüge samt der dazu notwendigen Freizeit<br />

verfügen, hat sich seit dem Inkrafttreten von<br />

FAR 91.211 unverkennbar erhöht. Die werktagsaktive<br />

Kategorie dieser Autonomen Alten<br />

Adler ist aber noch ungenügend erforscht <strong>und</strong><br />

betreut. Als 2008 einige fliegende Senioren<br />

unübersehbar die Unfallzahlen begründeten, hat<br />

die schweizerische Luftaufsicht (BAZL) volksberuhigend<br />

schnell reagiert <strong>und</strong> ab 1.3.2009 die<br />

vormalige Eigenverantwortung <strong>für</strong> die Flugtauglichkeit<br />

wieder mit zweijährlichen fliegerärztlichen<br />

Zwangskonsultationen <strong>für</strong> Segelflieger<br />

<strong>und</strong> Ballonfahrer 60+ ergänzt; mit der Ausrede,<br />

notabene, es h<strong>and</strong>le sich um einen politischen<br />

Entscheid. Vielleicht steckte auch nur die<br />

Absicht dahinter, die meist in bar honorierten<br />

BAZL-Vertrauensärzte vermehrt <strong>für</strong> unpopuläre<br />

Entscheide ("Altersguillotine") heranzuziehen,<br />

die früher die Cheffluglehrer, Vereinsvorstände<br />

<strong>und</strong> eben die genannte Behörde alleine<br />

ausgesprochen haben. Dieser Verdacht ist deshalb<br />

nicht so abwegig, weil die katastrophalen<br />

Auswirkungen eines amtlichen Lizenzentzuges<br />

auf die Psyche des Freizeitpiloten oft mit<br />

denjenigen einer Zwangskastration verglichen<br />

werden.<br />

Aus dem medizinischen Blickwinkel sind bei<br />

FAR 91.211 die Höhenl<strong>im</strong>iten vor O2-Zusatz <strong>für</strong><br />

die Aelteren <strong>und</strong> die Raucher unter den<br />

Aeronauten oder ihre evtl. herzkranken Passagiere<br />

wahrscheinlich näher be<strong>im</strong> Höhentod als<br />

bei der zur Flugsicherheit erforderlichen Wachsamkeit<br />

angesiedelt. Wer diese Behauptung <strong>für</strong><br />

übertrieben hält, dem rät der Autor einmal eine<br />

Zugsankunft auf dem Jungfaujoch (11'333 ft =<br />

3'454 m) zu beobachten. Asiatische Flachl<strong>and</strong>touristen,<br />

die <strong>im</strong> Restaurant einen Fensterplatz<br />

zur Gletscheraussicht ergattern wollen, müssen


ereits nach geringer Wegstrecke atemlos auf<br />

den untersten Treppenstufen pausieren. Andere<br />

wiederum bek<strong>und</strong>en ernstere Mühen mit der<br />

ungewohnt kalten <strong>und</strong> dünnen Höhenluft! Ein 67jähriger,<br />

ges<strong>und</strong>heitlich bislang kompensierter<br />

Gast des Autors aus Ueber<strong>see</strong> hat dort oben,<br />

trotz der Ermahnung es gemütlich zu nehmen,<br />

seinen ersten Herzanfall erlitten <strong>und</strong> ist Wochen<br />

später leider an seiner Bypass-Reoperation<br />

verstorben! Parallelen zum Grossvater, der zum<br />

Achzigsten einen Fluggutschein geschenkt erhalten<br />

hat <strong>und</strong> sich nun bei der ausstellenden<br />

Motorfluggruppe zum Matterhorn-R<strong>und</strong>flug<br />

meldet, sind nicht abwegig. Im günstigsten Fall<br />

verschläft der "Aetti" den Flug zum Matterhorn<br />

(4'477 m) auf FL150, so wie es jeweilen Kinder<br />

auf den Passagiersitzen tun. Es wird aber daran<br />

erinnert, dass die juristische Verantwortung <strong>für</strong><br />

das Wohl der Passagiere während des Fluges<br />

<strong>im</strong>mer be<strong>im</strong> durchführenden R<strong>und</strong>flugpiloten,<br />

jedoch nie bei der reglementierenden Behörde<br />

liegt, ob er nun deren FAR 91.211 respektiert<br />

oder nicht.<br />

Eigentlich ist diese damals unverändert übernommene<br />

<strong>und</strong> seither nicht mehr angepasste<br />

FAR 91.211 wie der hypoxische Sündenfall <strong>im</strong><br />

Insel-Paradies, das vom Tsunami der <strong>and</strong>eren,<br />

pingeligen FAA/JAR/ EASA/ BAZL-Vorschriften<br />

bislang verschont blieb.<br />

Wäre es bei dieser Sachlage nicht angezeigt,<br />

speziell <strong>für</strong> "<strong>see</strong> <strong>and</strong> avoid" zunächst einmal den<br />

Wachzust<strong>and</strong> über die gesamte Flugdauer<br />

anzustreben? Konkret heisst dies, die individuell<br />

bestmögliche, d.h. unbeeinträchtigte Seh- <strong>und</strong><br />

Urteilsfähigkeit, gepaart mit der unermüdlichen<br />

Aufmerksamkeit (<strong>Vigilanz</strong>) <strong>für</strong> dauerndes<br />

"scanning", <strong>und</strong> auch die schnellstmöglichen<br />

Reaktionszeiten jedes einzelnen Luftraumbenützers?<br />

Selbst die modernen elektronischen<br />

Hilfen zur Kollisionsverhütung, wie TCAS, PCAS,<br />

(Power-) FLARM, TRIADIS-Sprechwarnung mit<br />

dem raffinierten BUTTERFLY-display, so wie<br />

eigenen air to air COM-Frequenzen, ja sogar die<br />

auffälligste Warnlackierung, erfordern nämlich <strong>im</strong><br />

4<br />

Anschluss an die Lichtgeschwindigkeit noch ein<br />

speditives Nervensystem. Dies zur raschen<br />

Objekterfassung, zum Begreifen der Bedrohung<br />

<strong>und</strong> zur unverzüglichen Umsetzung in geeignete<br />

Ausweichmanöver. Be<strong>im</strong> Piloten, dem letzten<br />

<strong>und</strong> schwächsten Glied in der Reaktionskette,<br />

könnte also noch beträchtlich opt<strong>im</strong>iert werden:<br />

- Durch eigene Einsicht <strong>und</strong> spontane Initiative,<br />

notabene, nicht durch Warten auf einen amtlichen<br />

Schnellschuss, der u.U. das Ziel verfehlt!<br />

5. "Hypoxic hardliners"<br />

Symbolbild aus der UK: Cyanose, Hypoxiestress mit perlendem<br />

Kaltschweiss <strong>und</strong> Herzpochen, Stupor (Denk- <strong>und</strong> H<strong>and</strong>lungs-<br />

Ohnmacht mit noch offenen Augen) 5 min. nach dem Weglegen<br />

der O2-Maske auf 25'000 ft (7'600 m).<br />

Einige Kapitel der geforderten Eigenverantwortung<br />

<strong>für</strong> die jederzeitige eigene Flugtauglichkeit<br />

wurden in der Segelflugszene, so wie<br />

<strong>and</strong>ernorts auch, nicht <strong>im</strong>mer opt<strong>im</strong>al wahrgenommen:<br />

Immer wieder finden sich unter den<br />

Freizeit-Aeronauten sog. "hypoxic hardliners"<br />

mit einer eigentümlichen Risikobereitschaft,<br />

("who flies highest before he dies, wins!"),<br />

welche nicht nur FAR 91.211 missachten<br />

sondern Zusatz-O2 als Weichmacher sehen. In<br />

Alpenfluglagern trifft man noch heutzutage auf<br />

Segelfluggerät ohne entspr. Sauerstoffanlage<br />

oder dann auf ältere, massive Regler (air/O2-<br />

Mixer) aus alten Militärflugzeugen. Gegen letztere<br />

wäre eigentlich nichts einzuwenden,<br />

würden sie nur hie <strong>und</strong> da gewartet <strong>und</strong> wären<br />

sie nicht so verschwenderisch mit dem Sauerstoff.<br />

Um den O2-Vorrat zu schonen greifen<br />

dann kostenbewusste Segelflieger nur noch<br />

intermittierend zur Fliegermaske, gewissermassen<br />

"arousal as needed", oder belassen<br />

diese bis zum ersten Einnicken gar <strong>im</strong> "st<strong>and</strong>by"-Modus.<br />

War O2 noch nie ein Thema <strong>und</strong><br />

fehlen <strong>für</strong> den Höhenbrillianten nur noch wenige<br />

h<strong>und</strong>ert Höhenmeter, so ist die schliesslich<br />

angew<strong>and</strong>te Höhenl<strong>im</strong>ite dann oft was die<br />

Leewelle hergibt.... Es sieht es ja keiner! Aber<br />

vielleicht merken es die <strong>and</strong>ern Flugkameraden


an den verworrenen, gezwungenen <strong>und</strong> verzögerten<br />

Antworten während seinen Funksprüchen.<br />

6. Profitiert jeder Aeronaut eigentlich von<br />

einer hypoxischen Freizone ?<br />

Die dünne Höhenluft, wie auch die gelegentlich<br />

dicke Luft in der Flugplatzkneipe oder an<br />

der Vereinsversammlung, weisen <strong>im</strong>mer gleichviel<br />

O2 auf, nämlich 20.8 %. Entsprechend dem<br />

abnehmenden stat. Druck sinkt der sog. O2-<br />

Teildruck (Partialdruck) in der Einatmungsluft<br />

gleich ab dem Start <strong>und</strong> nicht erst ab einer<br />

arbiträren Störschwelle auf FL 150 (4'572 m).<br />

Der O2-Teildruck ist ja auf 5'500 m bereits nur<br />

noch die Hälfte, auf 8'300 m noch ein Drittel des<br />

originalen Wertes von 159 mm Hg auf Meereshöhe.<br />

O2 fliesst aus dem Druckzylinder bis zu<br />

den Hirnzellen <strong>im</strong>mer entlang eines O2-Teildruckgefälles,<br />

so wie das Wasser von der Quelle<br />

zum Ozean. Die Störschwelle gilt als Dach einer<br />

gerne zitierten sog. Zone der vollständigen<br />

Kompensation (0 bis 4'500 m). Diese suggeriert<br />

den Piloten, dass sie bis auf diese Flughöhe<br />

dank einer Atmungs- <strong>und</strong> Kreislaufsteigerung von<br />

jeglichem O2-Mangel gefeit seien. Die Piloten<br />

glauben solches gerne! In Tat <strong>und</strong> Wahrheit ist<br />

die hypoxische Ventilationsantwort nicht nur<br />

individuell verschieden gut ausgeprägt, sondern<br />

auch noch äusserst anfällig auf Blutdruckänderungen,<br />

so wie auf diverse gängige Medikamente<br />

<strong>und</strong> Noxen. Sie ist ferner von der Tagesform abhängig,<br />

also von Schlafmanko, Stresszuständen<br />

jeder Ursache, HNO-Infekten <strong>und</strong> Alkoholnachwirkungen,<br />

etc.. Nach einer Vollnarkose fehlt sie<br />

z.B. gänzlich, weshalb jeder Frischoperierte<br />

prophylaktisch nasalen Sauerstoff erhält <strong>und</strong> dies<br />

trotz seiner pulsoxymetrischen Ueberwachung.<br />

Diese hypoxische Ventilationsantwort wird<br />

vom höhenmedizinisch Uninteressierten manchmal<br />

mit der echten respiratorischen Höhenakkl<strong>im</strong>atisation<br />

gleichgesetzt oder verwechselt.<br />

Erstere ist aber eine rel. spät ausgelöste, nicht<br />

<strong>im</strong>mer einsetzende Mehratmung unterhalb des<br />

nervenkritischen O2-Teildruckes <strong>im</strong> Blut von 70<br />

mm Hg (normal 100 mm Hg), was einer O2-<br />

Sättigung von nur 90 % entspricht. Dagegen<br />

präsentiert sich die respiratorische Höhenakkl<strong>im</strong>atisation<br />

als eine erworbene, ständige<br />

Hyperventilation mit dreiwöchiger Evolution,<br />

welche sich dann unter O2 nicht gleich wieder<br />

normalisiert. Man akkl<strong>im</strong>atisiert sich übrigens an<br />

die Höhe auf der man die meiste Zeit verbringt.<br />

Die forcierte Adaptation an die Flughöhe<br />

("accl<strong>im</strong>atization by flying high") hat sich vom<br />

Kosten- <strong>und</strong> Lärmaspekt her nicht durchgesetzt<br />

<strong>und</strong> jede mühsam während Wochen erworbene<br />

5<br />

Akkl<strong>im</strong>atisation geht <strong>im</strong> Flachl<strong>and</strong> innerhalb<br />

derselben Zeitspanne leider wieder flöte.<br />

• Nicht jeder Aeronaut ist automatisch auch<br />

höhentauglich, wenn er vom Fliegerarzt<br />

flugtauglich geschrieben wird !<br />

• Kein Aeronaut aus dem Flachl<strong>and</strong> ist<br />

bereits höhenakkl<strong>im</strong>atisiert,<br />

nur weil er die Alpen befliegt !<br />

In den Lungen (d.h. <strong>im</strong> einlitrigen Restvolumen<br />

nach max<strong>im</strong>aler Ausatmung) finden<br />

sich leider nur kurzlebige O2-Reserven <strong>für</strong> ca. 2<br />

min, vor allem wenn vorher dünne Höhenluft<br />

statt reiner Sauerstoff geatmet wurde. Jede<br />

akute Veränderung des inhalierten Gasgemisches<br />

(O2-Panne, O2-Pulsverlängerung be<strong>im</strong><br />

EDS, O2-Dusche) wirkt sich deshalb mit zwe<strong>im</strong>inütiger<br />

Verspätung <strong>im</strong> Gehirn aus, obwohl die<br />

Lungen-Ohrzeit des Kreislaufs nur etwa 12 sec<br />

beträgt. Höhenluft verengt zudem die Lungengefässe.<br />

Dies führt zu einer akuten Rechtsherz-<br />

Belastung mit heftigem Herzklopfen, welche die<br />

Alpinisten dann mit teueren <strong>und</strong> Kopfweh<br />

verursachenden Medikamenten, wie Adalat®<br />

oder Cialis®, wieder aufzuheben versuchen.<br />

Meist wird die Atmung <strong>und</strong> der Kreislauf bei<br />

Höhenluft angetrieben, was temporär den rel.<br />

schlechten Wirkungsgrad der Lungen geringgradig<br />

verbessert. Akkl<strong>im</strong>atisierte Everest-Besteiger<br />

tauschen dort oben 60-80 l Luft/min aus,<br />

Piloten in unteren Flughöhen ca. 12-20 l/min.<br />

Jeder erstmalige Höhenaufenthalt verursacht zu<br />

Beginn eine dreitägige hypoxische Atmungsdepression<br />

mit spürbarer Leistungsminderung,<br />

bevor die Atmungssteigerung <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Höhen-Akkl<strong>im</strong>atisation einsetzt. Vorher sind das<br />

hypoxische Atmungszentrum <strong>und</strong> die oedematösen<br />

Atmungsmuskeln schlicht unfähig zur<br />

ständigen Mehratmung. Dieser Umst<strong>and</strong> erklärt,<br />

warum Neuankömmlinge <strong>im</strong> Alpenfluglager auf<br />

ihren ersten Flügen oft von Kopfweh, manchmal<br />

auch von Uebelkeit <strong>und</strong> Unlust geplagt sind <strong>und</strong><br />

warum sich die erstrebte Bestform erst gegen<br />

das Ende der Segelflugferien einstellen will.<br />

Somit hält die damals postulierte, "hypoxische<br />

Freizone", wie sie über Jahrzehnte den<br />

Piloten vereinfachend gepaukt wurde, den<br />

heutigen, anspruchsvolleren Kriterien nicht mehr<br />

st<strong>and</strong>. Es geht eben um mehr als das eigene<br />

glückliche Ueberleben <strong>im</strong> Alpenflug oder um das<br />

OLC-Punkteholen bei massiver Einschränkung<br />

des <strong>Fluggenuss</strong>es. Neue Zielvorgabe zur Senkung<br />

der Unfallhäufigkeit ist ausnahmslos die<br />

gegenseitige Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Urteilsfähigkeit<br />

<strong>im</strong> Fluge sicherzustellen, was logisch-


erweise <strong>für</strong> jeden einzelnen Luftraumbenützer ein<br />

Thema sein muss !<br />

8. Befällt die "Acute Mountain Sickness"<br />

(AMS) auch flugtaugliche Aeronauten ?<br />

Wie unter jungen <strong>und</strong> topfiten Alpinisten,<br />

findet sich auch <strong>im</strong> Kollektiv der flugtüchtig<br />

bef<strong>und</strong>enen Aeronauten ca. ein Drittel sog.<br />

schlechte Akkl<strong>im</strong>ateure, die wegen ungenügender<br />

oder gar ausbleibender hypoxischer<br />

Ventilationsantwort wenig höhentauglich sind. Es<br />

sind diejenigen, die früh über Kopfweh <strong>im</strong> Fluge<br />

klagen, bereits in den unteren Höhenschichten<br />

zu gähnen beginnen <strong>und</strong> ihren Flug jeweilen<br />

demotiviert <strong>und</strong> frühzeitig beenden.<br />

Dazu ein Fall aus einem Alpensegelfluglager<br />

noch aus der Zeit vor dem EDS, welcher<br />

aufzeigt, dass auf die respiratorische Höhenkompensation<br />

kein Verlass ist: Ein Segelfluglehrer<br />

mit einer jahrzehntelangen Alpenflugpraxis<br />

wird nach der altersbedingten Aufgabe seiner<br />

fliegerischen Aktivität ein halbes Jahr später als<br />

Passagier wieder auf einen Alpensegelflug<br />

mitgenommen. Noch <strong>im</strong> ersten Thermikschlauch<br />

auf 2'500 m bittet er den verantwortlichen Piloten<br />

bald wieder zu l<strong>and</strong>en, wegen Uebelkeit,<br />

Kopfweh, allg. Unwohlsein, jedoch ohne Atemnot.<br />

Seine Mehratmung ist diesmal ausgeblieben,<br />

da er Monate vorher eine Radiotherapie am Hals<br />

über sich ergehen lassen musste. Dabei wurde<br />

sein Biosensor, <strong>für</strong> O2, ebenfalls peripherer<br />

Chemorezeptor genannt, zerstrahlt. Er best<strong>and</strong><br />

aus 10 mg O2-sensiblen Nervenzellen in der<br />

Verzweigung der Halsschlagader. Sein Atmungszentrum<br />

war nicht mehr O2-gesteuert. Nachträglich<br />

diagnostiziert wurde er akut bergkrank.<br />

Die Symptome der Akuten Bergkrankheit<br />

(AMS) sind erst 1991 an einer Konsensuskonferenz<br />

am "International Hypoxia Symposium"<br />

in Lake Louise/Canada definiert <strong>und</strong> <strong>im</strong><br />

Lake Louise AMS-score gewichtet worden:<br />

• Stirnkopfweh nach vorangegangenem<br />

Höhengewinn <strong>und</strong> wenigstens eines der<br />

folgenden Symptome:<br />

• Appetitlosigkeit, Uebelkeit, Erbrechen<br />

• Müdigkeit oder Schlappheit<br />

• Schwindel, Benommenheit<br />

• Schlafstörungen<br />

Diese etwas beschränkte Auswahl an möglichen<br />

Störungen des Wohlbefindens widerspiegelt<br />

die völlig verschiedenen Kriterien <strong>und</strong><br />

Anforderungen in Alpinismus <strong>und</strong> Aviatik. Die<br />

AMS ist die Symptomatik der hypoxischen<br />

6<br />

Hirnschwellung, die unbeh<strong>and</strong>elt zum lebensbedrohlichen<br />

Hirn- <strong>und</strong> Lungenoedem (Oedem<br />

= Wasseransammlung) führt. Bei der AMS ist zu<br />

beachten, dass deren Symptome auf die<br />

schliessliche O2-Gabe nicht sogleich, sondern<br />

erst nach mehreren bangen St<strong>und</strong>en abklingen,<br />

während der Abstieg zu Fuss um wenige<br />

h<strong>und</strong>ert Höhenmeter oder die Rekompression<br />

<strong>im</strong> Ueberdrucksack ("Certes bag") bessere<br />

Wirkung zeigt. Die AMS-Symptome sind selten<br />

vor der sechsten St<strong>und</strong>e manifest, vielleicht weil<br />

die reichlich ausgeschütteten Endorphine, auch<br />

körpereigenes Morphin oder Glückshormone<br />

genannt, bei den Alpinisten den effektiven<br />

Symptomenbeginn maskieren können.<br />

Gemeinsame Ursache allen Uebels ist die<br />

ominöse hypoxische Wassereinlagerung.<br />

Poröse Zellmembranen sind wie eine lecke<br />

Schiffshaut; das eingedrungene Wasser muss<br />

ständig herausgepumpt werden. Die Integrität<br />

der Nervenzelle <strong>und</strong> deren Reizfortleitung<br />

erfordern bereits die volle Leistung einer sog.<br />

Natriumionen- (Na + ) Pumpe. Da jedes Na + von 6<br />

H2O Molekülen umgeben ist , sollten wir ja auch<br />

salzlos essen. Bei vermindertem O2-Angebot<br />

wird weniger ATP (energiegeladenes Phosphat)<br />

als Treibstoff <strong>für</strong> diese Na + -Pumpe aufbereitet;<br />

die Nervenzelle "ersäuft" <strong>und</strong> deren Reizfortleitung<br />

wird äusserst träge. Ganz ohne O2 sinkt<br />

die ATP-Produktion auf 5% ab, worauf Nerven<br />

<strong>und</strong> Muskeln auch noch "milchsauer" werden.<br />

Bereits der geringe O2-Mangel führt über<br />

St<strong>und</strong>en zur Wassereinlagerung. Diese wird<br />

übrigens um einiges schneller verursacht (2-6<br />

Std.), als sie sich unter Idealbedingungen<br />

wieder resorbiert (24-48 Std.). Jedenfalls<br />

werden nach verspäteter, d.h. erst bei subjektiven<br />

Symptomen begonnener O2-nahme, die<br />

bereits "fluidisierten" Nervenzellmembranen<br />

nicht gleich wieder entwässert; die aufgetretenen<br />

Beeinträchtigungen können somit den<br />

Piloten noch in der darauf folgenden Nacht<br />

plagen. Nicht einmal reiner Sauerstoff vermag<br />

die Normalisierung zu beschleunigen, weil die<br />

Oedeme unterdessen zum Diffusionshindernis<br />

<strong>für</strong> O2 geworden sind. Mit prophylaktischer<br />

Frühoxygenation gäbe es keine übermässige<br />

"Fluidisierung". Wegen der längerdauernden<br />

Remission sollte der Segelflieger auch den<br />

folgenden, evtl. noch mühsamen Flugtag in<br />

seine OLC-Ambitionen einplanen. Ebenfalls<br />

ziemlich "fluidisiert" sind die Membranen bei<br />

abendlicher Müdigkeit, Schlafmanko, Stress,<br />

<strong>und</strong> Noxen (Alkohol, Cannabis, Anästhetika,<br />

Antipsychotika, etc.) oder bei Entzündungen<br />

aller Art (Verbrennungstoxine bei Sonnenbr<strong>and</strong>!);<br />

dies als Erklärung <strong>für</strong> das begleitende<br />

visköse Nervensystem.


Eigentlich wäre der Alpensegelflieger wegen<br />

seinem Atmungskorsett durch das straffe<br />

Gurtzeug <strong>und</strong> die exp<strong>and</strong>ierende Magenluftblase<br />

bei schnellem Höhengewinn, so wie der oft<br />

st<strong>und</strong>enlangen Flugdauer bis zum endlichen O2-<br />

Einsatz ein idealer K<strong>and</strong>idat <strong>für</strong> die AMS. Nachforschungen<br />

in der Alpenfliegerszene ergaben<br />

jedoch, dass klinische Vollbilder die Ausnahme<br />

sind. Im Gegensatz zu den Alpinisten verläuft die<br />

allf. AMS des Segelfliegers meist subklinisch<br />

<strong>und</strong> selbstabklingend. Bei ausbleibendem <strong>Fluggenuss</strong><br />

beendet der betroffene Pilot nämlich<br />

seinen Alpenflug vorzeitig. Abends l<strong>and</strong>et er oft<br />

auf einem Flachl<strong>and</strong>flugplatz, während der<br />

Alpinist in der Hütte übernachten oder, falls seine<br />

AMS-Symptome sich verschl<strong>im</strong>mern, von dort<br />

ausgeflogen werden muss. Wer auf langen<br />

Alpenflügen wenig Harn produziert, <strong>und</strong> dies ist<br />

<strong>im</strong>mer ein ominöses Zeichen, lagert wahrscheinlich,<br />

wie der akut Bergkranke, sein Körperwasser<br />

in die Gewebe ein.<br />

In der Aviatik betreffen die Auswirkungen der<br />

ständigen leichten Hypoxie hauptsächlich den<br />

<strong>Fluggenuss</strong>, die Sehfähigkeit, die Aufmerksamkeit,<br />

so wie Urteilsfähigkeit <strong>und</strong> Motivation.<br />

Gemeinsamer Nenner ist die behinderte<br />

Mikrozirkulation der Grosshirnrinde: Bei der<br />

kompensatorischen Hyperventilation werden die<br />

Hirngefässe dummerweise verengt; die reine<br />

Hypoxie stellt diese max<strong>im</strong>al weit --> 3% Hirnschwellung,<br />

welche diese dann "erdrosselt". Ein<br />

reflektorischer Blutdruckanstieg sollte die Hirnrindenzirkulation<br />

aufrecht erhalten, doch dieser<br />

ist bei fortgeschrittener Dehydrierung gegen das<br />

Ende eines langen Alpenfluges oder bei engem<br />

Kreisen kaum mehr in genügendem Masse<br />

erzeugbar. Nach tagelangen Streckenflügen<br />

wurden schon mal sehr tiefe Blutdruckwerte von<br />

lediglich 70/40 mm Hg gemessen <strong>und</strong> der Autor<br />

erinnert sich noch, wie ein notorischer Alpenflugspezialist,<br />

nach zehnstündigem Wellen-<br />

Streckenflug, sich zwar noch selbst aus dem<br />

Flugzeug befreite, dann aber wegtorkelte, um<br />

Gesicht voran in die Flügelvorderkante zu<br />

krachen <strong>und</strong> halb KO zu Boden zu gehen.<br />

Gemäss Volksm<strong>und</strong> sollen be<strong>im</strong> Höhenflug ja<br />

"übermässig viel Hirnzellen draufgehen". Nein,<br />

so schon nicht! Nur dort, wo die Hirnrinden-<br />

Mikrozirkulation infolge Hirndruckes ganz stillsteht,<br />

also z.B. nach überlebtem Schädel-Hirn-<br />

Trauma, schwerstem Kreislauf-Schock oder<br />

Kreislaufkollaps, Höhenhirnoedem mit Koma<br />

oder längerdauernder schwerer Hypoxie. Nicht<br />

überraschend äussern sich die Spätschäden<br />

dann in einem katastrophalen Kurzzeitgedächtnis,<br />

<strong>im</strong> Verlust der mentalen Flexibilität, in<br />

der Vers<strong>im</strong>pelung des sprachlichen Ausdruckes<br />

7<br />

<strong>und</strong> in Wortfindungsstörungen. Dazu gesellen<br />

sich der Verlust des verbalen Lernvermögens,<br />

St<strong>im</strong>mungsschwankungen, die Nivellierung des<br />

Gefühlslebens, Konzentrationsverlust, visuelle<br />

<strong>und</strong> verbale Erkennungsstörungen, eine rasche<br />

Ermüdung <strong>und</strong> geringe Belastbarkeit, verlängerte<br />

Reaktionszeiten, u.a.m. Dies ist kurz<br />

ausgedrückt die ge<strong>für</strong>chtete Symptomatologie<br />

der Senilität! Diese Erkenntnisse aus Unfallspitälern<br />

<strong>und</strong> med. Everest-Expeditionen wären<br />

deshalb auch <strong>für</strong> überlebte Flugunfälle oder O2-<br />

Pannen in grosser Höhe anwendbar.<br />

Wer, wie der Autor etwas Mühe bek<strong>und</strong>et,<br />

plattgedrückte Hirnwindungen mit der sicheren<br />

Flugzeugführung in Verbindung zu bringen,<br />

interessiert sich vielleicht auch <strong>für</strong> die folgenden<br />

Abschnitte mit Beispielen reduzierter Hirnrinden-<br />

Funktion aus erlebter, realer Flugpraxis:<br />

9. Auswirkungen der dauernden, milden<br />

Hypoxie <strong>und</strong> AMS <strong>im</strong> Fluge:<br />

§� Abnormale Müdigkeit mit unaufhörlichem<br />

Gähnen, welche sogar auf brutale Schmerzreize<br />

(wie z.B. Kneifen) nicht weicht. Das<br />

Auftreten von Gähnen <strong>und</strong> Seufzern gilt<br />

übrigens als feiner Indikator <strong>für</strong> den O2mangel<br />

des Hirnstammes. Ausgeschlafen<br />

<strong>und</strong> frühoxygeniert trifft man diese Atmungs<strong>und</strong><br />

Wachzentrums-Wecker kaum <strong>im</strong> Fluge.<br />

§� Progressives, zermürbendes Stirnkopfweh,<br />

garantiert vorh<strong>and</strong>en nach der fünften Flugst<strong>und</strong>e.<br />

Schmerzmittel, wie Dafalgan®,<br />

Voltaren®, u.a.m. vermögen dieses zwar<br />

etwas zu lindern, allerdings ohne den vollen<br />

<strong>Fluggenuss</strong> wieder herzustellen.<br />

§� M<strong>und</strong>trockenheit, durch die stressbedingte<br />

Hemmung der Speichelsekretion oder bei<br />

Dehydrierung nach Flüssigkeitsverlusten<br />

durch Schwitzen, Atemfeuchte <strong>und</strong> vermehrte<br />

Harnproduktion bei Kälte oder eben<br />

hypoxischer Wassereinlagerung. Häufiges<br />

Trinken, kombiniert mit einer der verlustfreien<br />

Pinkeltechniken <strong>im</strong> Fluge, so wie das<br />

Warmhalten der Füsse werden jedenfalls<br />

wärmstens empfohlen.<br />

§� Diskrete Mehratmung (tief, regelmässig,<br />

nicht hechelnd), welche bei der geringsten<br />

körperlichen Anstrengung, wie Wasserlösen,<br />

Proviant hervorzurren, O2-Flasche aufdrehenwollen<br />

erst <strong>im</strong> Fluge, etc. in<br />

manifeste Atemnot umschlägt. Das oft<br />

beobachtete temporäre Atemanhalten bei


Absorption mit einer wichtigen Tätigkeit, wie<br />

Aufwind zentrieren, PDA/Rechner ergründen,<br />

Krete knapp überfliegen, etc., so wie das<br />

noch kaum erforschte Wechselspiel zwischen<br />

Hyperventilation <strong>und</strong> darauf folgender<br />

Atempause (fehlender Anreiz bei zu tiefem<br />

CO2-Spiegel), äussert sich typischerweise in<br />

episodisch periodischer Atmung.<br />

Periodische Atmung eines Patagonien-Copiloten auf 4'300<br />

m, trotz EDS (mit Nasenkanülen) auf "setting" R/M. Grün sind<br />

nicht etwa die Atemexkursionen, sondern die oszillierende O2-<br />

Sättigung nach Hyperventilation <strong>und</strong> Atempausen, während<br />

Blau die respiratorische Variation der Herzfrequenz wiedergibt.<br />

§� Augenbrennen nach einigen Flugst<strong>und</strong>en.<br />

Ob bereits ein hypoxisches Hornhautoedem<br />

vorliegt, nur verflüssigte Sonnencrème oder<br />

Schweiss eingeflossen ist oder sich gar eine<br />

Hornhautentzündung ("Keratitis solaris") bei<br />

zu schwacher Sonnenbrille <strong>für</strong> den Flug über<br />

schneebedeckte Berghänge entwickelt hat,<br />

bleibe dahingestellt.<br />

§� Unlust <strong>und</strong> Demotivation, beide atypisch<br />

<strong>und</strong> fehl am Platz in der Freizeit-Aviatik.<br />

§� Unbemerkte Verblassung der farbigen<br />

L<strong>and</strong>schaft, welche nur die Applikation von<br />

Zusatz-O2 ins Bewusstsein bringen kann.<br />

§� Unfähigkeit Neues zu ass<strong>im</strong>ilieren <strong>und</strong> auf<br />

allen Tasten des Klaviers zu spielen.<br />

"Mild hypoxia (fo<strong>und</strong> at 8'000 ft, 2'438 m)<br />

might <strong>im</strong>pair the learning of new tasks <strong>and</strong><br />

the performance of complex tasks"<br />

(Ernesting 1962, Denison 1966, Ledwith 1970)<br />

Im Klartext heisst dies auch, dass der Pilot<br />

vorliegende Info nicht auswertet oder, dass er<br />

nicht mehr die gesamte Komplexität seines<br />

PDA oder Bordcomputers zu nützen weiss.<br />

Aus einem begangenen Lapsus zieht er<br />

keine Lehren mehr <strong>und</strong> realisiert spät, dass<br />

sein Flugstil <strong>im</strong>mer pr<strong>im</strong>itiver <strong>und</strong> gröber<br />

8<br />

wird: Polygone in den Abwind, statt enge,<br />

zentrierte Thermikkreise, mehr Weile als Eile<br />

be<strong>im</strong> Vorfliegen, subopt<strong>im</strong>ale Klappenbedienung,<br />

etc. Es häufen sich Unterlassungen,<br />

Fehlmanipulationen, unpräzise<br />

<strong>und</strong> inkomplete Aktionen. Während<br />

anspruchsvoller Flugphasen oder in brenzligen<br />

Situationen, d.h. wenn Stress dazu<br />

kommt, ist früher Gekonntes plötzlich nicht<br />

mehr machbar <strong>und</strong> der Pilot wird <strong>für</strong>chterlich<br />

ideenarm; er kann dann nur noch nach<br />

Flugregeln <strong>und</strong> Checklisten weiterfliegen.<br />

§� "Delayed situation awareness", meint die<br />

späte Wahrnehmung speziell von langsam<br />

ablaufenden Veränderungen <strong>und</strong> äussert<br />

sich in unvorsichtigem Einfliegen in meteorologische<br />

oder topographische Fallen, aus<br />

denen man sich dann nur unter Einsatz des<br />

gesamten fliegerischen Könnens wieder<br />

befreien muss, sofern dieses ab einem leicht<br />

hypoxischen Gehirn überhaupt noch voll<br />

abrufbar ist. Typische Situationen <strong>im</strong> Fluge<br />

sind die verspätete Wahrnehmung der<br />

Abenddämmerung unten auf der Erde, einer<br />

Wetterverschlechterung, der geschw<strong>und</strong>enen<br />

Arbeitshöhe, des Leistungsabfalls<br />

(Tourenzahl, erzielter Schnitt), der fast<br />

leeren Tankanzeige oder der Abdrift vom<br />

Idealkurs. Manchmal erinnert erst die "Allesgrau-Panoramasicht"<br />

an die Einhaltung des<br />

Wolkenabst<strong>and</strong>es.<br />

§� Low level of suspicion", bezeichnet eine<br />

irrationale Gutgläubigkeit: "am Talende<br />

tut's dann schon wieder auf" oder etwa den<br />

ausbleibenden Verdacht, "dass hier etwas<br />

nicht st<strong>im</strong>men kann", sei es bei der<br />

Navigation, bei der eigenen Höhenatmung<br />

oder bei Divergenzen zwischen L<strong>and</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> Fliegerkarte. Der bekannte Ausdruck<br />

"Höhenrausch" ist zwar <strong>für</strong> eine stuporöse,<br />

wohlige H<strong>and</strong>lungsohnmacht in Höhen ab<br />

20'000 ft (6'096 m) gedacht. Eine gewisse<br />

Sorglosigkeit <strong>und</strong> Selbstzufriedenheit ist<br />

aber bereits in niedrigeren Höhen auszumachen.<br />

Sie äussert sich etwa in oberflächlichem<br />

Kartenstudium: "allgemeine Richtung<br />

ok!", in der allzu opt<strong>im</strong>istischen Interpretation<br />

der Fluginstrumente: "diese Höhe wird<br />

schon reichen" oder auch <strong>im</strong> unterlassenen<br />

Einholen von aktueller, flugrelevanter Info<br />

oder dem Verzicht auf Ueberprüfung <strong>und</strong><br />

Umsetzung derselben, dort wo sie unverlangt<br />

vorliegt. In dieses Kapitel gehört<br />

vielleicht auch das eigentümliche Herdenverhalten<br />

einiger Alpensegelflieger, welche<br />

sich sofort <strong>und</strong> leichtfertig der Meinung des<br />

Leitadlers anschliessen, sobald dieser am


Funk k<strong>und</strong>tut, dass er jetzt dann umkehren<br />

werde. Dagegen ist die wohlbekannte<br />

Hemmung vieler Freizeitpiloten, sich bei ATC<br />

anzumelden, kaum rein hypoxischer sondern<br />

eher charakterlicher Natur, da sie ja auf allen<br />

Flughöhen vorkommt...<br />

§� "Target fixation" heisst Verzicht auf alternative<br />

Optionen als die ursprünglich auserwählte<br />

(z.B. den he<strong>im</strong>ischen Flugplatz oder<br />

den Wendepunkt anzufliegen), an dem auch<br />

dann noch eisern festgehalten wird, wenn die<br />

Voraussetzungen da<strong>für</strong> (Abflughöhe/Treibstoffvorrat)<br />

längst nicht mehr gegeben sind.<br />

Aus der Stressforschung könnte man den<br />

Ausdruck "sturer Zielblick" ausleihen, bei<br />

dem die Ausblendung <strong>and</strong>erer Optionen als<br />

Folge eines gefässverengenden Hormongewitters<br />

bei Aengsten, Schreck <strong>und</strong> Stress<br />

auftritt. Auch Hyperventilation ist eine<br />

typische Manifestation eines zu hohen Noradrenalinspiegels<br />

(Stresshormon!) be<strong>im</strong><br />

Fliegenmüssen unter Zeitdruck oder in einer<br />

auswegslosen Situation. Unter diesem interessanten<br />

Kapitel werden auch Entscheide<br />

getroffen <strong>und</strong> Flugwege gewählt, welche<br />

später be<strong>im</strong> Versuch, diese analytisch<br />

nachzuvollziehen, nur noch Kopfschütteln bewirken.<br />

Es bestehen weitreichende Parallelen<br />

zur Performance nach Alkoholgenuss, man<br />

muss <strong>für</strong> die Selbsterfahrung also noch nicht<br />

in die UK !<br />

You feel great - until it's too late !<br />

§� Mit "insidious onset" beschreibt der<br />

Anglophone den he<strong>im</strong>tückischen Beginn der<br />

Hypoxie, weil das Urteilsvermögen bereits<br />

nicht mehr vorliegt, wenn es benötigt wird.<br />

Man kann demzufolge nicht selbst beurteilen,<br />

ab wann denn Sauerstoff nun genommen<br />

werden muss. Wer die Gefahr seiner Höhen-<br />

Lage nicht mehr erkennt steigt evtl. weiter,<br />

hinauf bis in wirklich lebensgefährliche<br />

Höhen. Dabei wähnt er sich typischerweise<br />

noch lange Herr der Lage, obwohl die<br />

spätere Analyse des Flugverlaufes dies nicht<br />

<strong>im</strong>mer bestätigen kann. Das analytische<br />

Denken des Piloten verkommt sukzessive<br />

zum kybernetischen Computerdenken:<br />

§� Fehlende Antizipation, d.h. die Lösungssuche<br />

beginnt erst wenn das Problem drängt:<br />

Der vormalige "Aha"-Pilot, der den Thermikschlauch<br />

an vorbest<strong>im</strong>mter Stelle vorfindet,<br />

wird so zum "Hoppla"-Piloten, der auf<br />

unerwartetes Steigen angewiesen ist.<br />

9<br />

§� S<strong>im</strong>plistische Argumentation:<br />

"this has never worked in the past, why<br />

should it now"?<br />

§� Der erste Eindruck haftet:<br />

"what looks like a bird must be a bird"!<br />

§� Ausschluss des Unwahrscheinlichen:<br />

"There is no such thing, like...".<br />

§� Resignation statt Opt<strong>im</strong>ismus:<br />

"Everything is going wrong today" !<br />

10. Hypoxisches Sehen <strong>und</strong> Erkennen<br />

Subjektiv wahrnehmbar ist vorerst nur das<br />

bereits erwähnte Augenbrennen. Objektiv wird<br />

eine verlangsamte Hell-Dunkel-Adaptation <strong>und</strong><br />

eine Empfindlichkeit auf Blendung notiert, was<br />

mit fluidisierten Muskelzellen der Blende (Iris)<br />

<strong>und</strong> der verlangsamten Regeneration des<br />

Sehpurpurs zu tun hat. Die Erfassung der<br />

Flugobjekte in der Umgebung <strong>und</strong> deren<br />

Scharfeinstellung ist verzögert. Sicher ist die<br />

verminderte Sehschärfe jenseits der fünften<br />

Flugst<strong>und</strong>e keinem Alpenflieger entgangen.<br />

Schliesslich soll noch eine unmerkliche, in der<br />

UK jedoch messbare Einschränkung des<br />

Gesichtsfeldes erwähnt werden, ohne dabei<br />

gleich vom "Tunnelblick" zu sprechen. Die<br />

Stäbchenzellen in der peripheren Netzhaut<br />

(Retina) gehören zu den O2-empfindlichsten<br />

Zellen des Nervensystems; diese sind <strong>für</strong> das<br />

Schwarz-Weiss-Sehen, d.h. <strong>für</strong> Kontraste <strong>und</strong><br />

die Wahrnehmung von peripheren Bewegungen,<br />

so wie <strong>für</strong> das Nachtsehen zuständig.<br />

Zum Objekterkennen, Scharf- <strong>und</strong> Farbigsehen<br />

muss das bewegte Objekt zuerst durch<br />

Rotation des Augapfels auf dem gelben Fleck<br />

der Netzhaut (Macula) abgebildet werden, wo<br />

die etwas O2-resistenteren Zapfenzellen dominieren.<br />

Sind die Zugmüskelchen am Augapfel<br />

<strong>und</strong> die Sehnerven "fluidisiert", erfolgt die<br />

Scharfeinstellung des Bildes etwas verzögert.


Wenn wir schon bei der Sehfunktion in der<br />

Höhe sind: Auch schon bemerkt, dass der<br />

Segelflieger, <strong>und</strong> zwar ausdrücklich auch der mit<br />

O2 gutversorgte, die <strong>and</strong>eren weissen Segelflugzeuge<br />

am blauen H<strong>im</strong>mel hoch oben in der Welle<br />

entweder vergebens sucht oder erst <strong>im</strong> allerletzten<br />

Moment wahrn<strong>im</strong>mt? Ausserhalb eines<br />

O2-Mangels, hat dies mit der Ruhefokus-<br />

Distanz des Auges ("empty field myopia") von<br />

ca. 6 m zu tun. Der so etwas "kurzsichtige" Pilot<br />

darf also nicht einfach in den blauen H<strong>im</strong>mel<br />

starren in der Hoffnung <strong>and</strong>ere Flugobjekte <strong>im</strong><br />

weiten Winkel des Gesichtsfeldes vorbeidefilieren<br />

zu sehen, sondern muss diesen mit<br />

seiner vollen Sehkraft systematisch "scannen".<br />

Hätten alle Rümpfe eine dunkle Bauchseite, so<br />

würde dies zweifellos deren Erfassung als<br />

bewegte Kontraste <strong>im</strong> peripheren Gesichtsfeld,<br />

v.a. vor Wolken <strong>und</strong> Schneefeldern oder eben<br />

am hellblauen H<strong>im</strong>mel erleichtern, auch wenn<br />

der Pilot zufällig nicht fokusiert hinguckt.<br />

Der bis zu dieser Literaturstelle ausharrende<br />

Leser hat längst gemerkt, worauf der Autor<br />

hinaus will: Wenn jeder Luftraumbenützer seinem<br />

Gehirn nur die beiden einzig nötigen Betriebsstoffe<br />

Glucose <strong>und</strong> Sauerstoff, so wie die<br />

Transportflüssigkeit Wasser in genügendem<br />

Masse gönnen würde, könnten wir alle risikoärmer<br />

fliegen. Könnte vorgängige Hypoxie nach<br />

fatalen Flugunfällen laborchemisch noch nachgewiesen,<br />

statt nur vermutet werden, so wie<br />

routinemässig Alkohol <strong>und</strong> Kohlenmonoxyd (CO),<br />

wäre der in Unfallberichten meist gefolgerte<br />

"Pilotenfehler" dann, seinem Gehirn nicht rechtzeitig<br />

den mangelnden Sauerstoff zugeführt zu<br />

haben. Analog zum unfallverursachenden Autolenker,<br />

der ja nicht verurteilt wird, weil sich seine<br />

Fahrkünste zur Unfallzeit schmählich verabschiedet<br />

haben, sondern weil er diese vorgängig<br />

bewusst mit Alkoholpromillen ausser Gefecht<br />

gesetzt hat...<br />

11. Vermeidet denn die Frühoxygenation<br />

alle erwähnten Beeinträchtigungen der<br />

Flugsicherheit <strong>und</strong> des <strong>Fluggenuss</strong>es?<br />

Wird ein Sauerstoffgerät frühzeitig in Betrieb<br />

genommen, z.B. ab 5'000 ft (1'524m), so müssen<br />

die allfälligen respiratorischen Kompensationsmechanismen<br />

(HV) mit den ihnen eigenen<br />

Nebenwirkungen nicht beansprucht werden. Wer<br />

besagte Nebenwirkungen noch nicht zu kennen<br />

glaubt, soll einmal eine Luftmatratze rasch mit<br />

dem M<strong>und</strong> aufblasen! Gr<strong>und</strong>sätzlich erlauben<br />

alle O2-Geräte die Frühoxygenation, aber nur<br />

das Electronic Delivery System (EDS) mit seiner<br />

sparsamen "O2-pulse dem<strong>and</strong> technology" eignet<br />

10<br />

sich vernünftigerweise da<strong>für</strong>. Segelflieger haben<br />

<strong>für</strong> lange Alpenflüge das logistische Problem<br />

des begrenzten Sauerstoffvorrates. Dem Autor<br />

ist kein Alpenstreckenflieger bekannt, welcher<br />

die Frühoxygenation konsequent mit einer<br />

"diluter dem<strong>and</strong>"-Anlage praktiziert, einerseits<br />

weil diese bereits in unteren Höhen unnötige<br />

O2-Luxusgemische anbietet, <strong>and</strong>ererseits aber<br />

auf die Rückatmung der noch O2-reichen<br />

Ausatemluft verzichtet. Trotz des hohen O2-Verbrauches<br />

sind es aber sichere Anlagen bis auf<br />

33'000 ft (10'058 m). Eine 3.8 l Stahlflasche mit<br />

200 bar, reicht mit einer "diluter dem<strong>and</strong>"-<br />

Anlage gerade mal 45 bis 120 min, je nach<br />

Flughöhe <strong>und</strong> mit dem Atemminutenvolumen<br />

eines 90 kg-Piloten.<br />

"Diluter dem<strong>and</strong>"-Anlage mit bulkigem, rein mechanisch<br />

höhengeregeltem O2/air-Mixer <strong>und</strong> dem lästigem Faltenschlauch.<br />

Würde ab 7'600 m 100 % O2 eingeatmet, so<br />

verlassen noch 95 % O2 das System mit jeder Ausatmung.<br />

Ebenfalls rel. zuverlässig sind die "constant<br />

flow"-Anlagen (Dauerströmer), auch wenn der<br />

benötigte O2-"flow" von 1 l/min/10'000 ft jedesmal<br />

der künftigen Flughöhe angepasst werden<br />

muss. Um dem Nachteil derselben zu entgehen,<br />

dass während der Ausatmung ca. 2/3 des O2-<br />

"flows" wirkungslos wieder ausgeleitet werden,<br />

könnte man Reservoir-Nasenkanülen vom Typ<br />

"Oxymizer" verwenden, die den ständigen O2-<br />

"flow" während der Ausatmung wenigstens<br />

auffangen.


"Oxymizer"-Nasenkanülen mit Reservoir, die so mit einem<br />

geringeren O2-Durchfluss auskommt<br />

Dazu gibt's das feiner abgestufte "Nelson A3-O2-<br />

Flowmeter", welches direkt in ft. oder in Höhenmetern,<br />

statt in l/min graduiert ist.<br />

Nelson A3-Flowmeter mit Haupthahn zur Kombination mit<br />

den Oxymizer-Nasenkanülen. Der benötigte O2-flow ist von<br />

10'000 bis 18'000 ft graduiert <strong>und</strong> muss mit dem Drehknopf<br />

<strong>im</strong> rechten untern Bildviertel feindosiert werden.<br />

Dieser etwas sparsamere Dauerströmer wäre<br />

allenfalls eine Billiglösung <strong>für</strong> den hinteren Sitz,<br />

erfordert aber eine gute Instruktion des<br />

Passagiers; der verantwortliche Pilot verdient<br />

allerdings den Goldst<strong>and</strong>ard, d.h. das EDS, um<br />

sich nicht unnötig ablenken zu müssen.<br />

12. Die Ideallösung: EDS auf "setting" D5<br />

zusammen mit den Nasenkanülen:<br />

Seit 13 Jahren ist glücklicherweise das EDS-<br />

D1 <strong>und</strong> seine Nachfolger EDS-D1O2 <strong>und</strong> EDS-<br />

D2O2 <strong>im</strong> H<strong>and</strong>el, welches mit seiner "pulse<br />

dem<strong>and</strong> technology" bei Triggerschwelle D5 =<br />

5'000 ft (1'524 m) pro 5-stündigen Alpenflug aus<br />

einer 3.0 l-Sauerstofflasche erfahrungsgemäss<br />

11<br />

nur etwa 40 bar bezieht. Dies entspricht 120<br />

Normallitern O2 <strong>und</strong> eine volle Flasche reicht so<br />

<strong>für</strong> bis zu 5 übliche Alpenflüge.<br />

Die Begeisterung des Autors <strong>für</strong> diesen<br />

ingeniösen, h<strong>and</strong>lichen <strong>und</strong> sparsamen "altitude<br />

regulated on dem<strong>and</strong> flow fractioner" ist nach 13<br />

Flugsaisons <strong>im</strong>mer noch ungebrochen, auch<br />

wenn gute Feldstudien <strong>für</strong> seinen Einsatz <strong>im</strong><br />

Alpensegelflug fehlen. "FAA approved" sind<br />

nämlich nur die mit der neuartigen "pulse<br />

dem<strong>and</strong> technology" abgegebenen O2-Mengen,<br />

welche der Jahrzehnte alten FAR 23.1447 <strong>für</strong><br />

"constant flow" Geräte genügen <strong>und</strong> den 1 l/min<br />

O2 pro 10'000 ft (3'048 m) Höhe entsprechen.<br />

Eigentlich wurde das EDS unter dem falschen<br />

Protokoll des Dauerströmers zugelassen (≠<br />

"homologiert", da es sich ja um eine nicht<br />

eingebaute Zusatzausrüstung h<strong>and</strong>elt). Damit<br />

sollten theoretisch auch einige <strong>für</strong> den<br />

Dauerströmer durchaus sinnvolle Einschränkungen<br />

übernommen werden, wie der Wechsel<br />

auf eine "full face mask" ab 18'000 ft (5'486 m)<br />

<strong>und</strong> die max. Einsatzhöhe von 25'000 ft (7'620<br />

m). Was die abgebenen O2-Mengen anbetrifft,<br />

arbeitet das EDS auf allen Höhen effizienter mit<br />

gutsitzenden steifen Nasenkanülen (nicht<br />

"Oxymizer"!) <strong>und</strong> wird mit denselben auch<br />

zuverlässiger getriggert als mit irgendeiner<br />

Gesichtsmaske. Das dem EDS beiliegende,<br />

perforierte Billigmodell, weist allerdings mehrere<br />

Nachteile auf: Unverständlicher Sprechverkehr,<br />

Beschlagen der Sonnenbrille wegen <strong>und</strong>ichtem<br />

Maskensitz, verspätete Triggerung des O2-<br />

Pulses. Dieser gelangt, nach der anfänglichen<br />

Verdünnung <strong>im</strong> Masken-Totraum, erst mit dem<br />

wirkungslosen Pendelluft-Anteil des Atmungsvolumens<br />

in die Lungen, d.h. erstmals nur bis in<br />

die oberen Luftwege. Pulsoxymetrisch kontrolliert,<br />

kann einzig die manuelle Verlängerung der<br />

Pulsdauer (z.B. F10 bis F25, je nach Flughöhe)<br />

da<strong>für</strong> kompensieren. Nasenkanülen haben<br />

zudem den Vorteil der verlustfreien Direktabgabe<br />

der O2-Pulse in die Nasenlöcher (so wie


"fuel injection"!). Plafoniert hierzul<strong>and</strong>e der<br />

erlaubte VFR-Höhenflug bei FL 195, so ist der<br />

Wechsel auf die Gesichtsmaske bei FL 180 nicht<br />

nur völlig unnötig sondern u. U. unnötig riskant.<br />

Das EDS arbeitet also mit den steifen<br />

Nasenkanülen zuverlässiger als mit irgendeiner<br />

Maske (auch der ästhetisch blauen Alps-Maske),<br />

jedoch nur bei tiefen Einsaugungen der O2-<br />

Pulse durch die freigängige Nase, <strong>und</strong> ohne<br />

dauernde Zwiegespräche, notabene! Der Autor<br />

würde <strong>für</strong> Höhen ab FL 200 allenfalls eine, durch<br />

Inversion des Maskenventils modifizierte, dichtsitzende<br />

A-14-Fliegermaske über die belassenen<br />

<strong>und</strong> weiter durch das EDS gespiesenen<br />

Nasenkanülen aufsetzen; eine so entstehende<br />

feuchte Atemkammer vermindert die Wasserdampfverluste<br />

<strong>und</strong> damit auch die Haubenvereisung.<br />

Wenn am Ansteckende des Faltenschlauches<br />

noch ein bis zwei semipermeable<br />

Luftfilter angefügt werden, wird er so zum<br />

atmungsst<strong>im</strong>ulierenden Rückatmungs-Reservoir,<br />

welches Wärme <strong>und</strong> Feuchtigkeit konserviert,<br />

jedoch verbrauchte Luft austreten lässt. Durch<br />

die halsnahen, ursprünglichen Auslassöffnungen<br />

wird neu die dünne Umgebungsluft angesogen.<br />

Wenn schon eine dichte A-14 Maske, dann als feuchte<br />

Kammer über die belassenen Nasenkanülen des EDS !<br />

!<br />

Das Ausatmungsventil!<br />

ist verkehrt eingesetzt !!<br />

!<br />

!<br />

Körperwarme, !<br />

trockene !<br />

Ausatmungsluft!<br />

!<br />

!<br />

Höhenluft!<br />

Semipermeabler Filter <strong>für</strong>!<br />

Luft, hält die feuchte<br />

Wärme zurück <strong>und</strong> bremst<br />

den Ausatmungsstrom = !<br />

Druckerhöhung!<br />

!<br />

Mikrofonkapsel!<br />

Bei der ab 2'500 m beobachteten<br />

episodisch, periodischen Atmung, welche<br />

entfernt an den unregelmässigen Atmungstyp<br />

bei GV oder Schlaf-Apnoe erinnert, werden<br />

auch die EDS-Pulse unregelmässig getriggert.<br />

Man beobachtet diesen Atmungstyp der<br />

unbewussten Spontanatmung, v.a. wenn der<br />

Pilot total mit anspruchsvollen Flugmanövern<br />

(Akro, Thermik zentrieren, Pass überfliegen)<br />

absorbiert ist. Hierin liegt eigentlich das noch<br />

ungelöste Hauptproblem einer genügenden<br />

Oxygenation des Piloten <strong>und</strong> nicht etwa bei den<br />

abgegebenen O2-Mengen der EDS-Pulse entsprechend<br />

der Flughöhe. Würde jeder Alpenflieger<br />

<strong>im</strong>mer regelmässig <strong>und</strong> auch tief atmen,<br />

so wäre die Einsatzobergrenze seines EDS mit<br />

"setting" F-25 ebenfalls bei FL 330 (10'058 m),<br />

!<br />

!<br />

Mikrofonstecker!<br />

!<br />

Vormaliger Einatmungs-Faltenschlauch wird zum!<br />

Reservoir <strong>für</strong> feuchtwarme Ausatmungsluft!<br />

12<br />

vorausgesetzt er verwendet geeignete Nasenkanülen,<br />

z.B. das Modell Hudson RCI® (Ref.<br />

1104) mit seinen trichterförmigen Auslässen.<br />

Alarmgebende Episode des O2-Sättigungsverlaufes eines<br />

Patagonien Copiloten auf 6'000 m. Fehltriggerung seines<br />

EDS infolge ungeeigneter Nasenkanülen in allzu weiten<br />

Nasenlöchern. Die Werte besserten sich, nachdem die<br />

Nase mit zwei Fingern ständig halb zugehalten wurde.<br />

Rotpunktiert = krit. 90 % O2-Sättigung, blau = Fingerpulsfrequenz,<br />

aus deren respiratorischen Schwankungen sich<br />

eine erhöhte Atmungsfrequenz herausliest.<br />

In Ergänzung zur Betriebsanleitung des EDS<br />

in englisch, deutsch <strong>und</strong> französisch verdienen,<br />

gemäss den Erfahrungen des Autors, noch vier<br />

weitere Punkte spezielle Beachtung:<br />

1. Druckschläuche <strong>im</strong> Cockpit auf die nötige<br />

Länge kürzen! Das elektronische "t<strong>im</strong>ing" der<br />

Pulsdauer, entsprechend der Druckhöhe, basiert<br />

auf einem O2-flow von ca. 15 l/min in der<br />

Nase. Ueberlange, dünne Druckleitungen, sei<br />

es vom XCR-Druckminderer bis zum EDS oder<br />

von diesem zu den Nasenkanülen, bremsen<br />

nämlich den Durchfluss gemäss physikalischen<br />

Gesetzen (Poiseuille); <strong>für</strong> einen zu schwachen<br />

O2-flow am Kanülenende kann das EDS<br />

elektronisch nicht kompensieren, man muss die<br />

Pulsdauer manuell über die F-Positionen<br />

verlängern. Der geeignetste Ort <strong>für</strong> das EDS ist<br />

nicht etwa die Seitentasche, sondern ein Platz<br />

am rechten Schultergurt, damit LED <strong>und</strong><br />

"setting" jederzeit eingesehen <strong>und</strong> jede erfolgte<br />

Pulstriggerung, so wie allfällige Alarme trotz des<br />

Lüftungsgeräusches gehört werden können.<br />

2. Bewusste Atmungstechnik nötig! Der zu<br />

Beginn jeder Einatmung abgegebene O2-Puls<br />

muss auch extratief durch die Nase eingesogen<br />

werden. Dies erfordert eine bewusste, unnatürliche<br />

Einatmung, welche bei der Absorption<br />

mit einem <strong>and</strong>eren, flugrelevanten Problem<br />

sofort zur unbewussten, automatischen <strong>und</strong><br />

oberflächlichen Atmung verkommt. Niem<strong>and</strong>,<br />

nicht einmal ein Aeronaut, kann s<strong>im</strong>ultan mehr


als drei Aktionen korrekt ausführen; nach der<br />

Steuerführung <strong>und</strong> der intensiven Luftraumbeobachtung<br />

oder der Ergründung des PDA erst <strong>im</strong><br />

Fluge, bleibt eigentlich keine Lust <strong>und</strong> Kapazität<br />

mehr <strong>für</strong> willkürlich tiefe Einatmungen! Hoch<br />

oben in der Welle, ausgetr<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> bei schwergängiger<br />

Knüppelsteuerung, ist diese wichtige<br />

<strong>und</strong> trainierbare Atmungskontrolle noch am<br />

ehesten möglich. Ein Pulsoxymeter mit regelbaren<br />

Alarmen mahnt ans vergessene Einatmen.<br />

3. Vorgängig den atmungsunterbrechenden Verrichtungen<br />

<strong>im</strong> Fluge, wie Harnauslass hervorklauben,<br />

Bauchpressen zum Pinkeln, Getränke<br />

verschlucken, S<strong>and</strong>wich verschlingen, Aushusten,<br />

Schneuzen, etc., hat sich in Patagonien<br />

die sog. Präoxygenation (3 min tief atmen bei<br />

"setting" R/M) vor Beginn des Unterfangens<br />

bewährt. Mit Speicher-Pulsoxymetrie bestätigt,<br />

wird so ab FL 200 dem sonst unvermeidlichen<br />

Sättigungsabfall vorgebeugt.<br />

4. Zum EDS mit Nasenkanülen gehören <strong>im</strong>mer<br />

auch abschwellende Nasentropfen. Im Fluge<br />

sollen diese über die belassenen Nasenkanülen<br />

eingeschnupft werden.<br />

Parallel zur Breitenförderung des EDS muss<br />

unbedingt noch der leichte Zugang zum<br />

Flaschensauerstoff (z.B. in Alpenfluglagern)<br />

ermöglicht werden, weil es dem helvetischen O2-<br />

Kartell momentan schwer fällt, gegenüber dem<br />

kommerziell uninteressanten Kleinkollektiv der<br />

Alpenflieger ebenfalls k<strong>und</strong>enorientiert aufzutreten.<br />

Gruppen- oder flugplatzeigene Abfüllanlagen<br />

nach dem Kaskadenprinzip, so wie<br />

Sammeltransporte am Saisonende zur Wiederbefüllung<br />

<strong>im</strong> unkomplizierten nördlichen Ausl<strong>and</strong>,<br />

könnten hier evtl. Abhilfe schaffen. Flugzeugeigner<br />

müssten aber vom gängigen Konzept der<br />

einzigen dazugehörenden O2-Flasche abrücken,<br />

um Engpässe zu vermeiden <strong>und</strong> um niemehr in<br />

Versuchung zu geraten, O2 zu sparen oder nur<br />

noch reglementsgemäss einzusetzen.<br />

Orgelspiel verb<strong>und</strong>en sind. Seit dem Erscheinen<br />

der Urversion dieses Artikels sind über 30<br />

spontane Zuschriften eingegangen, die alle<br />

bestätigen, dass das mit diesem Konzept<br />

erlebte Frischgefühl, so wie der ungestörte<br />

<strong>Fluggenuss</strong> durchaus auch "flight-safety"-<br />

Potential <strong>und</strong> (Ueber-) Lebensqualität beinhalten.<br />

Keiner möchte mehr zu den alten<br />

Gewohnheiten zurück. Bei den Segelfliegern<br />

erfolgte die bisherige, unforcierte Verbreitung<br />

des EDS jedenfalls äusserst rassig, während bei<br />

den übrigen Aeronauten teilweise noch ein<br />

chronischer Nachholbedarf weiterbesteht.<br />

"Il n'est pas défendu, d'agir plus<br />

intelligemment que veut la<br />

réglementation en vigueur" !<br />

13. Weiterführende Literatur:<br />

1. Höhenmedizin:<br />

Ward, Milledge <strong>and</strong> West: High Altitude<br />

Medicine <strong>and</strong> Physiology. Second edition 1995;<br />

Chapman & Hall Medical, New York.<br />

2. Gr<strong>und</strong>legendes:<br />

http://www.dr-amy.com/rich/oxygen/<br />

http://www.avweb.com/news/aeromed/181934-<br />

1.html<br />

3. EDS-D1:<br />

http://www.mhoxygen.com<br />

http://www.ontopag.ch<br />

4. Für Info <strong>und</strong> "feed back":<br />

Gérard Herbaud, 2004<br />

eagle26e@bluewin.ch / +41 32 835-1155<br />

Version 2.0; Jan. 2011<br />

Nun hört der Autor bereits ein Raunen in der<br />

Aviatikszene: Hat denn eine freiwillige Initiative,<br />

welche zudem auf eigener Einsicht statt<br />

Ab hier ist noch Raum <strong>für</strong> eigene Erinnerungen:<br />

amtlicher Verordnung basiert, überhaupt eine<br />

Chance, die alljährlich ernüchternde Unfallbilanz<br />

zu verbessern? Zugegeben, die Nulltoleranz <strong>für</strong><br />

Hypoxie durch Frühoxygenation deckt nur<br />

einen relativ schmalen Bereich der Unfallprävention<br />

ab. Da<strong>für</strong> besitzt sie noch ein<br />

enormes Verbesserungspotential <strong>und</strong> ist auch<br />

weniger restriktiv, als eine reaktive amtliche<br />

Verordnung! Schliesslich wollen wir ja alle jene<br />

Impakte vermeiden, die mit Reparatur- <strong>und</strong><br />

Heilungskosten oder gar Kranzspenden <strong>und</strong><br />

13

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